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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 133 - Februar 2011


Das Februarwochenende Kirchengeschichte

von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

Es ging um den „Geschichtsschmöker“ (BZ), die im letzten Jahr erschienene dicke Arbeit über unsere Braunschweiger Landeskirche mit inhaltlichen Längs- und Querschnitten. Es war Gelegenheit für Leserin und Leser, mit den Verfassern über ihre Abhandlung zu diskutieren. Außerdem wurden neuere Kirchengeschichtsprojekte vorgestellt.
Die Tagung im Theologischen Zentrum war überraschend gut besucht, durchgehend zwischen 60 – 80 Teilnehmer. Es waren der Mitherausgeber der Br. Landesgeschichte Gerhard Schildt und H.U.Ludewig von der „weltlichen“ historischen Zunft gekommen, der Helmstedter Propst, Propst i.R. Kraft, der frühere Helmstedter Oberkreisdirektor Henze mit Frau, der Stadtarchivar von Holzminden, der Direktor der berufsbildenden Schulen Wolfenbüttels, unverständlicherweise gab es auch auf Bitten keine Teilnehmerliste, wie es bei allen Tagungen eigentlich üblich ist.

Das Programm fand ich viel zu voll. Allein 10 Referate in 10 einhalb Stunden. Referat und die Diskussion, beides in 45 Minuten gepresst. Non multa, sed multum, pflegten die alten Lateiner dazu zu sagen: nicht Vieles, aber viel. Da die einführenden Referate meist glatt und wenig herausfordernd waren, gab es jedoch nur wenig Zeitüberschreitungen.
Die Tagung wurde vom Hausherrn Rammler mit Lesung und Lied eröffnet, dann sollte der Bischof ein Grußwort zu den Anwesenden sprechen. Aber er äußerte sich schon zum nächsten Tagesordnungspunkt: Reaktionen auf das Buch. Es seien einige (Reaktionen) gekommen, aber die seien seinem Urteil nach kleinlich und peinlich. Bischof Weber zeigte sich nach wie vor „begeistert“ von dem „wunderbaren Werk“. Sprachs und verschwand und ward nicht mehr gesehen. Das wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht günstig aufgenommen. Mangel an Selbstkritik und Eigenlob haben noch keinen Bischof geziert.
Nun sollte Domprediger Hempel etwas über freundliche und kritische Reaktionen berichten. Er hatte versprochen, aus einem kritischen Brief von Altbischof Müller zu zitieren, aber das verkniff er sich nach der Bewertung des Bischofs, plusterte sich auf, „ja es sei doch toll, es gäääbe überhaupt Reaktionen“, aber welche nannte er nicht. Er verlor sich am Thema vorbei. Das war kein guter Anfang. Es gab natürlich Reaktionen, z.B. in KvU Nr.131 mit der Wiedergabe der Veranstaltung im Dom, einer positiven Würdigung des Buches als Hauspostille von Erchinger (Fortsetzung in dieser Nummer!) und einer wirklichkeitsgetreuen Wiedergabe der hektischen Redaktionsendphase. Die Okerwelle hatte im August eine Stunde lang über das Buch gesendet, in einigen Gemeinden hatte es Einführungen gegeben. Nichts davon. Das wurde alles unter den Tisch gekehrt.
Wir müssen also unsere Kritik aus KvU Nr. 131 S. 21 wiederholen und beanstanden das katastrophale Kartenmaterial, was gerade für ein Geschichtswerk außerordentlich wichtig ist, die schnurrigen Verwaltungsstrukturen (ab S. 855 ff), das unzureichende Inhaltsverzeichnis, die fehlende Liste mit weiterführender Literatur. Das sind keine Kleinigkeiten, sondern grundlegende Defizite.

Prof. Reinhart Staats, ehemals Pfarrer in Wieda, dann Prof. für Alte Kirchengeschichte in Heidelberg und dann in Kiel, referierte über die Tatsache, dass das gotische Evangeliar viele hundert Jahre lang in Helmstedt gelegen haben könnte. Sein Vortrag ist in dieser Nummer wiedergegeben in der Fassung, wie sie im Helmstedter Altstadtkurier erschienen ist. Mir erschien dies ein Randthema, Hempel hatte geschrieben: „Es gibt Fragen zur Mittelalterforschung“. Davon war nun wenig zu hören.

Als nächste sprach die von mir sehr geschätzte Prof. Inge Mager, zuletzt in Hamburg, und ergänzte ihre Darstellung über das konfessionelle Zeitalter. Sie wünschte Weiterarbeit an der Biografie von Martin Chemnitz, an Algerman u.a., auch an den Hexenprozessen des 17. Jahrhunderts und, was ihr besonders am Herzen lag, die Darstellung der Abendmahlspraxis in der Braunschweiger Brüderngemeinde.

Dann stellte der Göttinger Prof. Reitemeier ein sehr ausladendes Projekt vor über die Reformation in ganz Niedersachsen, rühmte die gute Archivlage in Wolfenbüttel, es soll eine Darstellung vor allem aus der Sicht der Gemeinden werden. Da kann man gespannt sein,. Erscheinen etwa 2017.

Dr. Meinhardts Werkstattbericht bezog sich auf Basilius Sattler, eine ziemlich doktrinäre, hochorthodoxe, aber hochbegabte Figur um 1600, der drei Herzöge überstanden hat, aber die Freiheit eines Christenmenschen stand für ihn nur auf dem Papier. In Wolfenbüttel gibt es ein Hofpredigerprojekt über weitere Hofprediger. Mir ist die Thematik doch ziemlich fremd. Kirche von oben Beschreibungen haben wir genug!

Die Werkstattberichte schloss Hauke Marahrens ab und berichtete über seine Forschungen zu den Finanzabteilungen im Dritten Reich. Ich fand den Bericht ganz vorzüglich, vor allem deshalb, weil Marahrens die Finanzabteilungen, die tatsächlich einen üblen Einfluss auf die Landeskirche hatte, entdämonisierte, was auf den geharnischten Widerspruch von OLKR i.R. Niemann stieß. Da kam richtig Stimmung auf im Plenum.

Am nächsten Tag gab Klaus Jürgens einen persönlichen Literaturbericht zur Reformationsgeschichte in Braunschweig und wie er sich dem Thema angenähert hatte.

Danach umkreiste Peter Albrecht die Aufklärungszeit in seiner bekannten, hochironischen Weise, verteilte hier und da Seitenhiebe an seine Zunft und die Pfarrerschaft, und verwies auf seine Abhandlung. Die beiden nächsten Beiträge von Frau Kühnbaum-Schmidt und mir sind hier abgedruckt. Es gab über das 20. Jahrhundert eine muntere Diskussion über die Rolle der Brüderngemeinde, über das EKG, über Blankenburg, hier war der Zeitmangel spürbar. Frau Kühnbaum Schmidt erweckte hochgespannte Aufmerksamkeit durch Ihre Schilderung der „ersten ordinierten Frau in der Landeskirche“ und den damit verbundenen Querelen.

Herr Renner lockerte sein Referat mit Abbildungen von Kirchen auf und machte Lust auf die Lektüre seiner zahlreichen Abhandlungen im Buch.

In einer Schlussrunde wurden die künftig zu behandelnden Themen benannt. Da muss man abwarten, wie viel Energie dafür noch in diesem Jahr übrig bleibt.

Es fehlte ein fälliger Dank an die vorzügliche Küche und Bewirtung bis in die späten Abendstunden. Mit dem Reisesegen von Pfr. Rammler wurde die Versammlung entlassen. Alles in allem bleibt bei mir ein positiver Eindruck von den Vorträgen, den Beiträgen zur Diskussion und den Gesprächen abseits der Tagung.




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