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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 133 - Februar 2011


Predigt
am Ostersonntag dem 6. April 1980
im Gottesdienst in der Marktkirche zu Goslar
über 1. Korinther 15

von Propst H. J. Kalberlah
(Download als pdf hier)

"Was ich predige, das glaube ich selber noch nicht. Das muß ich mir zuvor auch erst predigen und sagen lassen", so hat sich Luther einmal geäußert. Vor vielen Jahren habe ich das in einer Vorlesung gehört. Es hat mich damals sehr betroffen gemacht. Wenn ich den Ausspruch auch nicht im Wortlaut behalten habe: sein Sinn hat mich nicht mehr losgelassen. Er hat mich in meinem Amt viele Male aufgerichtet. Er macht mir (Muts heute die Osterbotschaft zu verkündigen.

"Der Tod ist verschlungen in den Sieg", so spricht es mir der, Apostel Paulus vor. "Christ ist erstanden -- er ist wahrhaftig auferstanden", so grüßt man sich heute in den christlichen Kirchen der ganzen Welt. Wir haben uns mit unseren Liedern und dem Halleluja-Singen in diese österliche Gemeinde eingegliedert. - Macht es uns aber wirklich glücklich, daß "Christ, unser Herr, heut triumphiert"? Ist es nicht angemessener, wenn man weniger laut und überschwänglich von dem Sieg über den Tod spricht? Geht der Tod nicht täglich so mit uns um, daß er uns zeigt, wie stark er uns in seiner Macht hat?

Mit jedem Augenblick gehen wir unweigerlich dem Zeitpunkt entgegen, in dem unser Herz den letzten Schlag tut. Wir haben ständig vor Augen, wie um uns herum in vielfältiger Form auf den Tod zugearbeitet wird. Wir haben den Fortschritt auf der ganzen Linie gefördert. Inzwischen ist uns der Schreck darüber in die Glieder gefahren. Wir können uns ausrechnen, wenn so wie bisher weiter entwickelt und gewirtschaftet wird, dann gehen wir an uns selber zugrunde! - Ja, fängt nicht die Herrschaft des Todes überhaupt schon da an, wo Menschen aneinander vorbeileben, so als wäre der andere gar nicht da? Als sei er für ihn gestorben! Menschen machen sich selber und andere fertig, bis sie zu dem Punkt kommen, wo sie resignieren und sich schließlich aufgeben.

Ähnliches hat Paulus in seiner Zeit zweifellos auch erfahren. Trotzdem kann er am Schluß seines großen Kapitels von der Auferstehung der Toten ausrufen: "Gott sei Dank! Das Leben ist stärker als der Tod!" - Wie kommt er dazu?

Wenn ich mit dieser Frage an den Bibeltext herangehe, stelle ich zunächst fest: Paulus verharmlost keineswegs den Tod, nennt ihn den ' letzten Feind. Er ist für ihn wie für Hiob "der König der Schrecken", den man nicht ernst genug nehmen kann.

Aber Paulus nimmt ebenso ernst und stellt dagegen, was er in der Gemeinde Jesu Christi empfangen hat: "Daß Christus gestorben und begraben ist und daß er auferweckt worden ist am dritten Tage". Der Apostel ist Menschen begegnet, die ihm das gesagt und sich mit ihrem Leben dafür eingesetzt haben. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er ihr Reden und ihr Auftreten für gemeingefährlich gehalten. Er hatte die Gemeinde dieses Christus verfolgt, weil er die Behauptung, der Gekreuzigte sei auferstanden nicht nur für eine Verhöhnung des gesunden Menschenverstandes hielt, sondern für eine offene Gotteslästerung. Aber dann ist etwas eingetreten, was seine Einstellung von Grund auf verändert hat, seine Einstellung zu den Christen und ihrer Überlieferung, wie auch seine Einstellung zum Tod und zum Leben. Er schreibt: "Mir, der ich der letzte bin, der ich mich schuldig an Gott und seiner Gemeinde gemacht habe, mir ist der auferstandene Christus erschienen. Das hat mich umgeworfen und verändert. Vom Sieg des Lebens reden, das habe ich nicht aus mir selber: durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Durch Gottes Gnade kann ich so reden." Paulus hat in seinem eigenen Leben Auferstehung erfahren. Er kann sich der Wirklichkeit des Herrn, den die Christen als den Gekreuzigten und Auferstandenen bekennen und verkündigen, nicht mehr entziehen. Er kommt damit selber vom Tod zum Leben.

Hier hat sich das ereignet, was wir in unserem Gottesdienst mit Luthers Worten so besungen haben: "Es war ein wunderlich Krieg, da Tod und Leben rungen; das Leben behielt den Sieg, es hat den Tod verschlungen." Ich sehe darin nicht die Darstellung eines einmaligen Vorganges, der sich in einem außerweltlichen, mythologischen Bereich abgespielt hat. Es geht dabei um einen Kampf, der immer wieder ausgefochten werden muß im Herzen eines jeden Menschen. Das war bei den ersten Osterzeugen so, an deren Ende sich der Apostel Paulus gestellt sieht. Das ist ,für uns nicht anders und wird auch in Zukunft weiter so sein. Auf diesen Kampf, auf dieses bedingungslose Wagnis des Glaubens muß ich mich ganz persönlich einlassen.

Wer hier eine Rückversicherung einbauen wollte oder gar auf das Einbringen schlüssiger Beweise warten würde, der wird die Sache, um die es hier geht, nicht zu Gesicht bekommen. Es ist nicht ein peinliches Unvermögen, wenn hier. kein Beweis geliefert werden kann. Es liegt vielmehr an der Sache selbst, die nicht in Beweisbares zerstückelt werden kann. Da wo es um mich ganz persönlich geht, läßt sich mit Beweisen und Garantien gar nichts ausrichten. Ein Ehemann, der die Liebe seiner Frau garantiert haben möchte und sie von einem Privatdetektiv überwachen läßt, wird nie glücklich werden können. Wenn er mit solchen Mitteln vorgeht, um einen Verbindung, die auf Vertrauen und Glauben beruht, zu sichern, liegt er nicht nur falsch - er wird am Ende vor seiner zugrundegerichteten Ehe stehen.

Ostern - das ist Gottes Liebeserklärung an uns. Ostern - das muß ich glauben! Ich muß es für mich persönlich annehmen und gelten lassen, daß die Auferstehung Jesu Christi für mich geschehen ist. Ich muß es mir sagen lassen, daß alles, was sich trennend und hemmend zwischen Gott und mich schieben will, durch Jesus Christus aufgehoben sein soll.

Ich kann mich stützen auf die Tradition und. das Bekenntnis der Christenheit. Sie hat nicht leere Formeln weitergegeben. Sie hat das, was sie glaubt, zwar in Sätzen zum Ausdruck gebracht, die im Laufe der Zeit eine feste Form bekommen haben. Aber diese Sätze stammen aus lebendiger Erfahrung und sind angereichert mit lebendiger Erfahrung. Unzählig viele Menschen vor mir haben diese Sätze nicht nur nachgesprochen, sondern haben sich mit ihrem Leben darauf gegründet und haben selber mit ihnen Erfahrungen gemacht. Sie haben erkannt, wie ihr Glaube ihnen Halt gab im Leben und im Sterben. Nur darum haben sie sie weitergegeben wie einen wertvollen Schatz - einen Schatz., dessen Wert durch die in ihm aufgespeicherte Erfahrung von Generation zu Generation größer wird. - Es ist jetzt an mir, diesen Schatz wahrzunehmen.

Wahrnehmen d.h. doch, daß ich ihn aufhebe und annehme, daß ich ihn auch für mich wahr sein lasse. Dann darf ich damit rechnen, daß mir auch die Augen geöffnet und die Sinne geweckt werden für die Wirklichkeit und Unmittelbarkeit Gottes in meinem Leben. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, Ich predige, aber lasse mir auch immer wieder selbst sagen, daß Gott größer ist als das' was mich im Augenblick bewegt und zu beherrschen sucht.

Ich traue es schließlich Gott zu, daß er auch den ärgsten Feind meines Lebens, den Tod, besiegt und zunichtemacht. Um Jesu Christi willen "glaube ich an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben". Jetzt brauche ich mich nicht mehr zu fürchten und vor dem Tode fortzulaufen, wie es der Komiker Karl Valentin getan hat. Von ihm wird berichtet, daß er eine furchtbare Angst vor dem Tode gehabt habe. Deshalb habe er es ängstlich vermieden, irgendwie damit konfrontiert zu werden. Als ihm eines Tages ein pferdebespannter Leichenwagen begegnet sei, habe er sich ihm schnell durch die Umkehr entziehen wollen. Den Kutscher aber muß der Teufel geritten haben, daß er nicht abließ, ihm durch alle Straßen und um alle Ecken zu folgen, um ihn schließlich doch einzuholen.

Nein, nicht Flucht vor dem Tode, sondern ihm entgegentreten, gegen ihn angehen, wo immer er seine Macht ausüben will, das ist Sache eines Menschen, der Ostern wirklich wahrnimmt. Wo Menschen unter der Macht des Todes stehen und seufzen, kann ihnen geholfen werden. Wo ich als Helfer gebraucht werde' da will ich mich nicht entziehen. Sind es Taten praktischer Liebe, die man von mir erwartet, so sollen sie zeigen, daß der Tod nicht die Anerkennung verdient, die ihm in unserer Welt immer noch entgegengebracht wird. Sind es Worte, so sollen sie zum Ausdruck bringen, wie beglückend das Leben ist, das Gott schenkt. Und wenn man mich schließlich fragt: "wie ist's mit denen, die gestorben sind?" Dann will ich nur verweisen auf Gott, den Herrn, der das letzte Wort spricht und am Ende alles verwandeln wird: alle Unvollkommenheit will er aufheben, " Es wird gesät in Unehre und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit' es wird auferstehen in Kraft." Darüber kann man sich freuen! Daraufhin können wir frei von Ängsten in heiterer Gelassenheit leben. Da kann man - jung und alt, gesund und krank - einstimmen in den Jubel der Christenheit:
"Wir wollen alle fröhlich sein in dieser österlichen Zeit," Amen.




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