Kirche von unten: Home - Archiv - Geschichte - Vorträge, Beiträge - Cyty - Glaube

[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 133 - Februar 2011


Ein Brief aus Mauretanien

von Martin Happe, Bischof von Nouakchott
(Download als pdf hier)

„Jeder Stiefel, der dröhnend daher stampft, jeder Mantel, der mit Blut befleckt ist, wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers. Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt.” (Jesaja 9, 4+5; Liturgie der Weihnachtsnacht)


Liebe Freunde in der Heimat,

Unlängst erhielt ich einen Anruf vom deutschen Botschafter in Nouakchott. Er bat mich, um eine dringende Unterredung und entschuldigte sich gleichzeitig, dass er nicht zu mir ins Bischofshaus kommen könnte, sondern mich bitten müsse, zu ihm in die Botschaft zu kommen. Ich fahre also zur Botschaft und werde in der Eingangshalle vom Botschafter persönlich in Empfang genommen. - Bevor ich meine Geschichte weiter erzähle, muss ich sagen, dass diese Botschaft in den letzten Jahren, genau wie die anderen Botschaftsgebäude westlicher Länder in Nouakchott, zu einem Hochsicherheitsgefängnis umgebaut worden ist, von hohen Betonmauern, auf denen Stachel¬drahtrollen befestigt sind, eingefriedet. Nur durch eine Sicherheitsschleuse kann man den Kom¬plex betreten.) — Bei einer Tasse Kaffee in seinem Büro, wo sich auch die Kanzlerin der Botschaft befand, entschuldigte sich der Herr Botschafter noch einmal, dass er mich zu sich gebeten habe, aber er könne die Botschaft gerade nicht verlassen, das Treffen aber sei dringend und was er mir zu sagen habe, sei sehr wichtig. Und die Botschaftskanzlerin hat kräftig dazu genickt.

Im weiteren Verlauf des Gespräches ergab sich dann, dass sich diese Herrschaften große Sorgen um mich machten. Denn während sich die im Land weilenden Diplomaten verschanzen und nur mehr in gepanzerten Fahrzeugen ihre Botschaftsgebäude verlassen aus Angst vor einem terroris¬tischen Anschlag, ist bei mir am Bischofshaus die Tür weiterhin geöffnet, für alle, die mich besu¬chen wollen und ich gehe weiterhin zu Fuß durch die Stadt, selbst nach Einbruch der Dunkelheit, und ich fahre auch weiterhin ohne Chauffeur und ohne beschützende Sicherheitskraft durchs Land, um die verschiedenen Pfarreien und Missionsstationen zu besuchen.

Dann kam die Katze aus dem Sack: Der Herr Botschafter wollte dafür sorgen, dass mein Haus rund um die Uhr von mauretanischen Sicherheitskräften bewacht wird. Darüber hinaus wollte er mir eine Art Pieper an den Gürtel hängen. Dieses Ding hätte eine doppelte Funktion: einerseits wüssten die Sicherheitskräfte immer, wo ich mich aufhalten würde, zum anderen gäbe es daran eine Taste; wenn man die betätigte, kämen besagte Sicherheitskräfte sofort, um mich aus der Patsche zu ziehen.

Ich habe natürlich dankend abgelehnt und gesagt, bevor es dazu käme, würde ich meine Koffer packen und das Land verlassen. Ich kann mir nämlich mit dem besten Willen nicht vorstellen, wie ich unter den gewünschten Umständen mein 6ischofsamt ausüben sollte.

Man muss nur einmal versuchen, sich die Auswirkungen auszumalen für unsere Kirche, aber vor allen Dingen für die vielen sozialen und caritativen Einsätze der Schwestern und unserer Caritas, wenn der Bischof und seine Mitarbeiter sich in Festungen verkriechen oder gar das Land verlassen würden:

  • Die Katholiken bekämen es mit der Angst zu tun und kämen nicht mehr zu den Gottes¬diensten; auch unser toller Kirchenchor würde nicht mehr proben und im Gottesdienst die Gläubigen mit seinem Gesang erbauen.

  • Tausende von Kranken würden nicht mehr versorgt.

  • Den Müttern von Hunderten von fehl- und unterernährten Kindern würde nicht mehr gehol¬fen, ihre Säuglinge kindgerecht zu ernähren.

  • Hunderte von Mädchen und Jungen aus armen Familien bekämen keine Schul- und keine Berufsschulbildung mehr, von den Kindern in den Kindergärten ganz zu schweigen.

  • Hunderte Schüler und Studenten, die unsere Büchereien besuchen und dort nicht nur Bü¬cher, sondern auch Beratung und Nachhilfestunden finden, würden vor geschlossenen Türen stehen.

  • Das Gleiche gilt übrigens für die vielen Migranten und Flüchtlinge, die wissen, dass sie bei uns immer ein offenes Ohr und Hilfe finden.

  • Über uns vermittelte oder abgewickelte Projekte in der Entwicklungshilfe, in die Zehntau-sende von Mauretaniern involviert sind, bekämen keine finanzielle Unterstützung und auch keine Beratung mehr.

  • Im total überfüllten Gefängnis von Nouakchott gäbe es keine kulturelle Arbeit und keine soziale Animation mehr.

  • Und wie sollte ich mit dem Kreis meiner mauretanischen Freunde in Kontakt bleiben, die sich oft und gerne mit mir, dem katholischen Bischof, treffen?

Wenn ich mir diese Liste ansehe, die bei weitem nicht komplett ist, dann wird mir erst bewusst, was die klitzekleine katholische Kirche, nur aus etwa 4000 Nichtmauretaniern bestehend, in der Islamischen Republik alles bewegen und erreichen kann. Und das alles, weil wir an die Weihnachtsbotschaft glauben, weil wir daran glauben, dass Gewalt und Terror nicht das letzte Wort haben werden. Wenn wir in das gleiche Horn blasen würden wie die, die sich einmauern, dann erreichten die Terroristen genau das, was sie zu erreichen suchen und zwar sowohl hier in Mauretanien wie überall auf der Welt!

Aber: „ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. "

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen von Herzen Frohe Weihnachten und ein gesegnetes Jahr 2010! Ihr
Martin Happe
Bischof von Nouakchott


Konto : Afrikamissionare - Weiße Väter Köln / Hypo-Vereinsbank Köln Nr. 3703088, BLZ 370 200 90 Vermerk: „Missionsarbeit Bischof Happe” - Eine Spendenquittung wird Ihnen zugesandt.




[Zurück] [Glaube] [Helfen]
Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/kvu133/mauretanien.htm, Stand: Februar 2011, dk