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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 134 - Dezember 2011


Aus der Landeskirche

zusammengestellt von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

* Die Redaktion gedenkt einiger Verstorbener. Es war ein merkwürdiges Zusammentreffen, dass am Reformationsfest 2010 Pfarrer Knüppel mit 52 Jahren an Krebs starb und zwei Monate später Pfarrer Etzold am Neujahrstag 2011 ebenfalls an Krebs mit 50 Jahren. Mit 49 Jahren brach nun Pfarrer Jürgen Zimmermann am 29.4.2011 tot am Rand eines Fußballfeldes zusammen. Er war aus dem Schulpfarramt in Salzgitter gerade in die Gemeinde Dörnten gewechselt, die mit großer Betroffenheit den Trauergottesdienst in der Dörnter Kirche mit den Liedern „Von guten Mächten“ und „So nimm denn meine Hände“ und Psalm 23 begleitete. Von uns Alten verstarb am 18. Januar William Graffam 87 jährig in seiner Gemeinde Bortfeld, in Erinnerung vor allem durch seine ansteckende Theaterbegeisterung, in der er bei Frauenhilfstreffen und in seiner Gemeinde ein farbiges Laientheater aufgezogen hatte. Im gleichfalls hohen Alter von 81 Jahren starb Pfarrer Karl Haufe am 10. Juli. Er wurde in Adersheim begraben, wo er seit 1958 Pfarrer war. Ich kenne keinen Pfarrer der Landeskirche, der noch im Ruhestand so intensiv hebräische Texte las, nicht nur das Alte Testament sondern auch irgendeinen Talmud. Seine Kassenberichte im Pfarrerverein waren sorgfältig, aber immer unterhaltsam. Geld ist wichtig, aber nicht das einzige, war seine Botschaft.

* Es ist an vier Frauen zu denken, die ihr Leben engagiert in den Dienst für die Kirche stellten. Am 29. März starb im Alter von 87 Jahren Frau Editha Meyer, die seit 1963 im Amt für Volksmission arbeitete, später dann die Bücherstube leitete, und war von dort mit vielen Leuten in der Kirche im Kontakt, auch in der Fahrtengemeinschaft der Propstei Braunschweig und in der Bibelgesellschaft. Im Braunschweiger Dom bediente sie lange einen Schriftentisch, in der Martinikirche bis zuletzt ein Bibelfrühstück mit Lektüre und Kaffeetrinken. Sie stammte aus der Altmark, der Gegend von Salzwedel, und unternahm nach 1990 dorthin jährlich eine Gemeindefahrt. Sie war 1946 mit ihrer Tochter über die grüne Grenze gekommen, und war in Vorsfelde journalistisch tätig, bevor sie Warmers ins Amt für Volksdmission holte. Ein eigenständiges und eigenwilliges Leben für die Kirche. Wie die in diesem Jahr verstorbene Marie-Luise Gremmelt, Tochter der Propstes in Oelper, dessen Erinnerung sie pflegte. Sie wirkte in der Jakobikirche und ging im Dienst für die Frauen in der Kirche auf. Im Sommer verstarb in Helmstedt Frau Christa Schütte, begeisterte Lehrerin, lange im Kirchenvorstand der dortigen Thomasgemeinde tätig, dem Kirchentag und den Veränderungen in der Kirche zugetan. Vielleicht können wir im nächsten Heft über diese Frauen noch Näheres berichten, wenn uns solche zugehen. Vom 100. Geburtstag von Frau Pfarrerin Gaßmann war im letzten Heft die Rede. Nun ist sie verstorben und wurde am 19. Dezember begraben.

* Am Reformationsfest feierte das Ev. Männerwerk unserer Landeskirche in der Braunschweiger Weststadtgemeinde sein 75jähriges Bestehen mit einem Gottesdienst, der von dem Leitungskreis gestaltet wurde, der Landesbischof predigte und der dortige Organist Vogelsänger begleitete den Gemeindegesang und improvisierte fulminant die Einleitungen. Im anschließenden Empfang konnte der Männerwerkspfarrer Maic Zielke eine gründliche Arbeit von Wolfgang Meißner in Empfang nehmen. Die Arbeit ist in der Archivreihe der Landeskirche herausgekommen, auf 157 Seiten wird ein zuverlässiger Überblick über die Männerwerksarbeit von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis 1989 geliefert. Zwei kürzere Beiträge von Friedhelm Meiners setzen die Beschreibung bis 2002 und von Maic Zielke bis in die Gegenwart fort. Meißner ist Zeitzeuge jener Arbeit, erfahren in der sorgfältigen Auswertung der archivalischen Quellen, und hat eine abwägende Darstellung vorgelegt, die sich gut für die Weiterarbeit in den Männerwerkskreisen eignet. 325 Anmerkungen verweisen auf die benutzten Quellen. Dabei war wiederum die Rolle des Braunschweiger Bischof Dr. Johnsens zu bedenken, der die Männerarbeit in der Landeskirche 1935 angekurbelt hatte und in Berlin die DEKweite Männerarbeit leitete. Immer noch und erneut, meist versteckt, wird Zweifel an der außerordentlichen Arbeit von Johnsen geäußert, auch außerhalb der Kirche. Das war nach 1945 so üblich im Braunschweigischen, weil man einen Sündenbock für die eigenen Sünden benötigte. Es ist Meißner zu danken, dass er diesen sensiblen Bereich auch gegen den Antijohnsentrend im Männerwerk der EKD durchsetzte.

* Wie man lesen kann, soll auch bei den Stellen in der Kirchenmusik heftig gestrichen werden. Die Kirchenmusik bindet immer noch viele Hunderte durch ihr aktives Singen und Tausende durchs Zuhören an die Landeskirche, nicht nur in den großen kirchenmusikalischen Zentren Gandersheim, Goslar, Katharinen, Dom, Wolfenbüttel mit den großen Aufführungen, genauso an den ebenfalls großen Propsteikirchen Seesen, Helmstedt, Bad Harzburg, Salzgitter-Bad, Königslutter, die mit ebenso großen Aufführungen aufgewartet haben. Dazu die vielen Flöten- und Gitarrenkreise, vor allem die Posaunenchöre, die ich allerdings in der Adventszeit auf dem Kohlmarkt vermißt habe. Der Haushaltsplan lobt das Einwerben von Mitteln beim Posaunenwerk. Also Vorsicht ist geboten!

* Manche Bewährte haben ihre Gemeinden verlassen. Mit einem rauschenden Fest und einer großen Taizeandacht am Spätnachmittag im Mai Geert Beyer, nach 15 Jahren in und von der Pauligemeinde in den Ruhestand. Als Nachfolger wurde Janis Berzin, 36 Jahre alt, außer Theologie ausgebildeter Kirchenmusiker, bisher im ungesunden Braunlage tätig, gewählt. Ebenfalls in den Ruhestand wurde Friedhelm Rödiger von der benachbarten Matthäusgemeinde verabschiedet. Matthäus soll mit Pauli zusammengelegt werden. Es wäre ja zu wünschen, dass die Matthäuskirche ganz aus dem Kirchengemeindebetrieb herausgelöst und völlig für die Jugendarbeit reserviert würde. Dann können sich dort die Jugendlichen innovativ austoben. In der Weststadt Braunschweig hat Pfarrer Woldemar Flake Frau Marieluise Brüser abgelöst, die 64jährig in den Ruhestand gegangen ist.
Frank Barche ist 52 geworden und wechselt von den Hesebergdörfern Watenstedt, Barnstorf, Gevenleben, Ingeleben an die St. Vincenzkirche, Schöningen. Er war 16 Jahre auf dem Dorfe. Das langt wohl.
Harry Köhler wird am 30. Januar 65 Jahre und war 36 Jahre in der Esbecker Gemeinde. (Esbeck die große Müllverbrennungsanlage; ehemals die Dreckschleuder Europas). Er hat sehr viel Vertretungen gemacht und war auch einige Zeit stellvertretender Propst. Er wird im Pfarrhaus erst mal wohnen bleiben, denn Esbeck, das 982 Kirchenmitglieder hat, wird in Zukunft von der benachbarten, zusammenwachsenden Schöningenr Clusgemeinde aus von Pfr. Brettin verwaltet werden.

* Abschied von OLKR Kollmar
Wer sich mit solchem Getöse in den Ruhestand verabschiedet, hat was zu verbergen. Die Brüdernkirche war am Freitag, den 25.2. kalt, die Heizung ausgefallen, die Menge bibberte. Gottesdienst kurz, ca 45 Minuten, dann mehr als eineinviertel Stunde Dankworte, Gruesse, Belobigungen, was ganz Neues: sie duzten sich alle im Talar im Altarraum. Der Bischof war Friedrich, der Scheidende Peter, der Neue Thomas. Oberlandeskirchenrätin Müller muss sich ja blöd vorgekommen sein, die wagte keiner zu duzen. So verwandelt man wohl den Altar zum Biertisch.
Die Braunschweiger Zeitung stimmte am Sonnabend in diesen Trubel mit ein, statt von außen ein distanziertes Wort zu sagen. Das mag wohl Maus nicht. Unübertroffen typisch war es für Kollmar, dass er am Ende nicht jene Kirchengemeinden erwähnte, in denen er besonders gerne gewesen und gepredigt hatte, oder solche, wo ein fruchtbarer theologischer Austausch stattgefunden hatte, sondern ja! Wen wohl? den Rotaryclub, dessen Vorsitzender er lange war und deren Mitglieder nun die Brüdernkirche füllten. Das berühmte Netzwerk öffnete sich für einige Augenblicke. Mit Kirche hat das selbstredend nichts zu tun. Gar nichts.
„Weber dankte Kollmar für sein enormes Engagement“, heißt es in der BZ 26.2. Im Originalton müsste es wohl heißen: „Friedrich dankte Peter für..“ Spricht man mit Leuten aus dem Referat II und ihm unterstellten Arbeitsbereichen, so kann man hören: „Keiner war fauler als Kollmar.“ Spötter zitieren Luther, Kollmar wäre gerecht geworden, wahrlich ohne Werke. Hört man in die Pfarrerschaft hinein, so kommt folgende Ansicht: „Er ist nie in der Landeskirche angekommen“. Das hatte unter anderem den Grund, dass Kollmar am Wochenende, wenn’s irgend ging, nach Hannover zu seiner Frau und in sein Haus fuhr. Er war eben nicht präsent. Ich erinnere mich an keinen gediegenen Aufsatz, den Kollmar irgendwo zur Lage unserer Landeskirche veröffentlicht hatte. Ich bat ihn um einen Beitrag für die Heintzefestschrift. Er schickte mir einen Reisebericht über eine Japanreise. Er war nicht da, und er hatte auch nichts zu sagen. Er hatte überhaupt kein erkennbareres theologisches Profil - es sei denn man hält eine Nullachtfuffzehntheologie für eine, das langt für den Rotaryclub, aber nicht für einen, der für die Ausbildung zuständig ist. Er hat sich auch entgehen lassen, mit dem jeweiligen Vikarskurs theologisch zu arbeiten und so den Nachwuchs kennen zu lernen. Wo nichts dahinter ist, da müssen eben Geräusche und Getöse her. Diese Geräuschkulissenkirche genügt sich selber, feierte sich selber, war ganz für sich. Mit den Fragen unserer Zeit hat dies alles nichts zu tun.
Bleibt die Frage: Wer ist denn noch im Rotary-Club? Wer ist bei den Lions? Welche Entscheidungen fallen da in Sachen Kirche, oder werden angewärmt? Ja, ja die viel zitierte Transparenz.

* Nach dem Reformationsfest trafen sich im Kloster Drübeck an die 40 Emeriti zu dem jährlichen von Henning Kühner geleiteten Treffen. Es dient der geistigen Anregung und dem Beisammensein untereinander. Zum ersteren war Prof. Osten von der - Sacken eingeladen, der über „Martin Luther und die Juden – das Ende einer Feindschaft?“ referierte, über Cranachsch Bilder und „die jüdischen Wurzeln des christlichen Gottesdienstes“. An einem Nachmittag gab es ein lebhaftes Gespräch mit dem Braunschweiger Rabbiner Jonah Sievers, und an einem Vormittag war OLKR Dr. Mayer zu Besuch, also rundum anregend und belebend. Die nächste Tagung findet wieder in Drübeck 19.-21. November 2012 statt.




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