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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 134 - Dezember 2011


Der Papst ein Fremdkörper

von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

Darüber sollen sich die Evangelischen mal keine Schwachheiten erlauben: dieser Papst schadet der evangelischen Kirche enorm. Der katholischen sowieso. Die hat er schon gespalten. Das ist seine Sache. Aber uns schadet seine Heiligkeit auch. Die normale Welt unterscheidet nämlich nicht mehr genau zwischen evangelisch und katholisch. Für die ist das alles irgendwie Kirche. So wie der Papst ist, ist eben Kirche. Von vorgestern. Gut für einen Medienrummel. Gut für die Wirtschaft. Der Altar im Berliner Olympiastadion kostete 400.000,-- €. Der ganze Zauber 3,5 Millionen €. Tja, diesen Stellvertreter Christi gibt es nicht kostenlos. Gut für bisschen Abwechslung im öden Börsenalltag. Aber im übrigen: passe. Kirche ist was für Spinner, für Intellektuelle, für Verkorkste, für Spirituelle.
Die tausendfachen Missbrauchsfälle in der ganzen Welt, mit den Millionen Dollars für die Abfindungen der Opfer, das haarsträubende Unter den Teppichkehren des Papstes, seine Unfähigkeit, das Übel an der Wurzel zu packen, - das alles fällt auch auf die evangelische Kirche zurück. Biblisch gesprochen: wenn ein Körperteil leidet, leiden andere mit. Es wäre die Pflicht des Rates der ev. Kirche gewesen, den Papst energisch und nachhaltig darauf anzusprechen, wie er in Zukunft solchen Missbrauch verhindern will. Im eigenen evangelischen Interesse. War Josef Ratzinger selber in seiner Jugend oder als junger Kaplan in den Dunstkreis solcher Praktiken geraten? Dann wäre seine Haltung noch verständlich. Er verdrängt ja auch sonst alles.

„In Berlin glaubt jeder, was er will“ titelte die Kalenderwoche 38 S. 10. 60 Prozent der Berliner gehören keiner Konfession an. 317.000 sind katholisch, doppelt so viele evangelisch, 210.000 muslimisch, 11.200 jüdisch, 6.500 buddhistisch. Und noch x andere religiöse Gemeinschaften. Da wäre ein Wort angebracht, wie man zusammen in einer Stadt förderlich leben kann, ohne falsche, geheuchelte Toleranz, aber in gegenseitiger Rücksichtnahme, vielleicht sogar Neugier. Was predigt der Papst im Olympiastadion? In einer bibelwidrigen Auslegung des Jesuswortes vom Weinstock und den Reben hält er den klatschenden, ahnungslosen Jugendlichen sich selber, die Kirche als den Weinstock entgegen, an dem sie bleiben sollen. Logisch: der Stellvertreter Christi kann alle Ich bin Worte Jesu auf sich beziehen: „Ich bin der Weg und die Wahrheit..etc. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ Und da ist kein lutherischer Bischof, der bei den vielen Treffen dem Papst das Johannesevangelium unter die Nase hält und ihm erklärt, wer Jesus ist?

Vom Bundestag lohnt sich gar nicht zu reden. Dass die Herren Abgeordneten nichts vom Naturrecht verstehen, ist bei diesem allgemeinen Niveau nicht zu erwarten, vielleicht abgesehen von Gysi. Vulgär unterscheidet man ein sog. göttliches Naturrecht mit festen überzeitlich gültigen Normen von einem sog. positiven Recht, das sich jeweils aus den Zeitumständen definiert. In unserer Kirche z. B. galten Staat und Ehe als „natürliche Ordnungen“ von oben der Gesellschaft eingetrichtert, die neue Bestimmung der Frau bezüglich des geistlichen Amtes folgte gewissermaßen einem „positiven Kirchenrechtsverständnis.“ Es gab auch ein säkularisiertes Naturrecht. Die freie Selbstbestimmung des Menschen, seine unantastbare Würde seien, so meinten seinerzeit die Aufklärung und die Verfechter der französischen Revolution, ein Naturrecht. Wenn der Papst das Wort in den Mund nimmt, meint er natürlich, das Recht sei „göttlicher Natur“. Kein normaler Jurist folgt heutzutage diesem religiös überhöhten Naturrechtsverständnis. Aber weil für die lieben Abgeordneten das Wort „Natur“ nach „grün“ riecht, scherzte der Papst, er wolle mit seinem Naturrechtverständnis nicht einer gewissen Fraktion das Wort reden und erntete Beifall. Europa gründe, so dozierte Ratzinger auf Jerusalem, Athen und Rom. Ich hätte dazwischengerufen: „und Königsberg“. Aber der böse Immanuel Kant hatte der katholischen Kirche die hübschen Gottesbeweise auseinandergepflückt. Ratzinger bewegt sich also in einem geistigen Raum VOR der Aufklärung. Und so zieht denn diese Art von katholischem Denken – GottseiDank gibt es auch ein ganz anderes! - eine direkte Linie von Kant zu Hitler!!(Beide glaubten nicht richtig an Gott) Die Tochter des KvU Lesers Wilfried Steen, Nora Steen, die Fernsehpastorin, die zugunsten des Papstes auf ihr wöchentliches Wort zum Sonntag verzichten musste, meinte im Leitartikel der EZ: „Wieso sollen die Skeptiker an der Basis schweigen müssen, nur um dem Gast nicht auf die Füße zu treten? Das wäre für mich falsch verstandene Toleranz und ein Zeichen dafür, „dass uns die Botschaften aus Rom lange schon egal sind.“ (EZ 25.9.11) „Einge-igelt“ titelte die Berliner Zeitung den Willkommensartikel. Er „meidet jede Nähe zum Zeitgeist. So versucht er, seine Kirche zu schützen und auch sich selbst“. „Im Grunde bestätigt die Papamania den Papst in seiner Reserve und seiner Skepsis gegenüber Massen- und Basisbewegungen. Er denkt lieber von oben, von ewigen Wahrheiten, die keiner Abstimmung unterworfen sind.“ (Berl.Z. 21.9.11)
„Ratzinger ist kein großer Theologe“, meinte der italienische Schriftsteller Umberto Eco („Der Name der Rose“) im Gespräch mit Joachim Frank. Ihm war das Relativismusgeschwätz des Ratzinger auf den Geist gegangen. Wörtlich: „..glaube ich nicht, dass Ratzinger ein großer Philosoph und Theologe ist – auch wenn das im Allgemeinen oft so dargestellt wird. Seine Polemiken, sein Kampf gegen den so genannten Relativismus sind, wie ich finde, einfach nur sehr grob. Nicht mal ein Grundschullehrer würde es so formulieren wie er. Seine philosophische Ausbildung ist sehr schwach.“ (Berl.Z. 19.9.2011).
Davon gab Ratzinger eine Kostprobe in Erfurt. Es ging im Gespräch mit der Delegation des Rates der Ev. Kirche um Luther. Die Synodenpräses Göring-Eckard war völlig überzuckert von den Lutherkenntnissen des Ratzingers, die tatsächlich den Inhalt eines einspaltigen Artikels in einem Volkslexikon nicht überschritten. Die Synodenpräses hatte an diesem Tag offenbar noch nicht Bäuerchen gemacht. Bischof Weber verwies mich auf die Fundstelle, wo die Rede Ratzingers abgedruckt war. Ich gebe sie im Folgenden zum Besten.
Man hatte sich auf den allerkleinsten gemeinsamen Nenner verständigt: Katholiken und Protestanten glauben beide an Gott (was für eine Überraschung) und halten Christus für die Mitte der Botschaft. Ratsvorsitzender Schneider hob dies besonders hervor. Aber der Papst verschwieg das fällige große UND, das die katholische Dogmatik und Frömmigkeit prägt. Nämlich: Schrift UND Tradition, Glaube UND Werke, Christus UND Maria. Das Herz des katholischen Frommen schlägt nach wie vor bei Maria. Sie ist die Nothelferin und Miterlöserin. Vom lutherischen „allein Christus“ keine Spur.
Ein Beispiel für sein Verständnis von Relativismus bot Ratzinger, als er erklärte, die „beiden großen Konfessionskirchen“ stünden vor einem gemeinsamen großen Problem: dem Aufbruch der spirituellen Sekten und der Säkularisierung. Da war die ev. Kirche für Ratzinger plötzlich eine „große Konfessionskirche“. Nahm er damit etwa seine schäbige Äußerung aus dem Papier „Dominus Jesus“, wonach die ev. Kirche eben keine sondern eine irrende Gemeinschaft sei, zurück? Kein Gedanke: Im Verhältnis zur bösen Welt ist die ev. Kirche plötzlich eine Kirche, gemeinsamer Defensivpartner, aber im Verhältnis Zueinander natürlich keine. Kommt auf die Relation, auf das Verhältnis an!

Was hat er nun von seinem Besuch wahrgenommen? Durch Berlin fuhr er in einer gepanzerten Limousine, hat er irgendwann einem zugehört? hat er neue Eindrücke wahrgenommen? oder ist es doch so, wie v. Weizsäcker schon früher sagte: Er verkündet unwandelbare Botschaften, an die er zwar selber glaubt, aber die er nicht mehr vermitteln kann. „Alle mal herhören. Es spricht der Papst!“
Im Grunde kann einem der alte, durch die Welt verbiestert tapernde Ratzinger leid tun. Ich wünschte ihm, er würde sich noch mal eine ordentliche Hose kaufen, wie der Papst in dem mittelprächtigen Film Habemus Papam, der gerade seit längerem in Braunschweig läuft.




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