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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 134 - Dezember 2011


Beobachtungen zum Haushaltsplan 2012

von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

Es ist der erste Haushaltsplan des neuen Finanzdezernenten OLKR Dr. Mayer, Magdeburg, nach der Ära Fischer, einer Ära durchaus solider Finanzwirtschaft im Ganzen, jedoch mit viel Trickserei, viel Heimlichtuerei, wenig Kooperation mit Kirchenvorständen, die Fischer allesamt für inkompetent und dämlich hielt, auch offenkundig rechtslastig, was irgendwie links erschien wurde finanziell abgesäbelt wie z.B. die Arbeit mit Gewerkschaften und ev. Arbeitnehmerschaft (EAK).
Mayer kommt von außen, aus der Politik, und als gebürtiger Schwabe nach der Öffnung rechte Hand von Ministerpräsident Höppner in Magdeburg und dann dort geblieben mit einer Nase für die Situation aus dem „Osten“, vielleicht sogar mit Kenntnissen einer Kirche, die mit viel weniger auskommen musste. Das sind gute Voraussetzungen, einen Haushalt anders zu gestalten. Mayer stellte seine Haushaltsrede unter das Thema „Leidenschaft für die gute Nachricht, Verantwortung für die Zukunft der Kirche, Konsolidierung mit Augenmaß“. Mayer hatte Folien mitgebracht, mit denen er seine Ausführungen unterstrich.

Eingangs behandelte Mayer die Kirchensteuereinnahmen. Dabei verfiel er der jahrzehntelangen Unsitte, als ob diese Gelder von einer anonymen Geldverteilerstelle in Berlin oder Hannover kämen. Ich finde es nach wie vor erstaunlich, dass die Kirchenmitglieder in unserer Landeskirche immer noch derart viele Millionen Euro Jahr für Jahr auf den Tisch des Finanzdezernenten hinblättern, ohne nach den entsprechenden Leistungen zu fragen. 12 Jahre lang habe ich das in den Haushaltsdebatten den Mitgliedern der Kirchenregierung vorgepredigt: die Einnahmen sind Gelder von dem sauer verdienten Einkommen unserer Kirchenmitglieder! Auch ein Echo auf die Arbeit in den Kirchengemeinden, die noch Leute an die Kirche binden können. Es waren 2008: 63.497.127, 01 €;/ 2009: 63.093.398,65 €;/ 2010: 62.399.726,05 €. Ein Haufen Millionen Euro aus unseren Gemeinden! Nicht von einer anonymen Finanzbehörde. Da wäre an allererster Stelle ein fetter Dank an die zahlenden Mitglieder fällig, nicht so mal mit einem Satz des Bischofs vor der Synode, der erreicht die zahlenden Mitglieder nicht, sondern so, dass er wirklich bei den Leuten auch ankommt. Denen wird die Kirchensteuer abgezogen und fertig. (( Wenn der Bischof im Lagebericht tags zuvor erzählt, wir seien eine Kirche des „dritten Weges“, nämlich nicht Ost, nicht West, sondern dazwischen etwas, dann sei daran erinnert, wie es in den DDR-Kirchen in Finanzdingen anders war. Da gab es ein ganz anderes Bewusstsein der Kirchenbehörden für die einkommenden Kirchengelder. Bitte jetzt kein Einwand von wegen der Westgelder)). Von Dank ist im November 2011 bei uns nicht die Rede, sondern vom Gejammere, dass es weniger wird.

Auch ein anderer schwerer Strukturfehler wird einfach weitergeschleppt. Wer von unseren Kirchenmitgliedern zahlt denn überhaupt seit Jahrzehnten Kirchensteuer? Wir haben nach Auskunft der Behörde 370.000 Kirchenmitglieder. Über den Daumen gepeilt zahlt 1/3 davon Landeskirchensteuer. Die anderen haben kein Einkommen oder sind in Rente. Das ist eine himmelschreiende Kirchensteuerungerechtigkeit! Es ist also grundfalsch lediglich die fallende Zahl der Kirchenmitglieder mit sinkenden Kirchensteuereinnahmen in Zusammenhang zu bringen (S. 3). In den 70er und 80er Jahren stiegen die Einnahmen trotz fallender Kirchenmitglieder. Es sind also andere Faktoren, von denen wir allerdings nichts erfahren. Die Landeskirchensteuer hängt nämlich von der Wirtschaftskraft der Kirchensteuerzahler ab. Bekanntlich schütten die Finanzämter die Kirchensteuern in einen großen Topf, und dann hocken die Finanzdezernenten zusammen und verteilen den Reibach unter die fünf niedersächsischen Landeskirchen. Dabei geht es dann nicht nur um pro Kopf der Mitgliederzahlen, sondern auch um deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Das ist einleuchtend. Es muss also nicht nur die Abwanderung beklagt werden, sondern die Schwächung von Wirtschaftskraft in unserer Region, soweit sie kirchensteuerrelevant ist. Was hören wir: nichts. Was erfragen die Synodalen:? Nichts. Schlecht präpariert!
Das nächste müsste neben den Kirchensteuereinnahmen die Synodalen auch interessieren: Was ist denn überhaupt vorhanden? Wie hoch sind die Rücklagen? Wie hoch die Verschuldung? Gibt es eine Neuverschuldung? Mayer spricht von den wirtschaftlichen „Fundamentaldaten“ ( S. 2) und von der miesen Verzinsung der Geldanlagen. Fischer träumte mal davon, mit den Zinseinnahmen den Haushalt ausgleichen zu können. Aber der Finanzdezernent sagt nichts über die Höhe der jetzigen Rücklagen.
Ein Blick in die Rücklagen gestattet die Haushaltsstelle 9741. Die Zinserträge der Baurücklage betrugen 2008: 300.111,06 €; 2009: 284.148,75 €; und 2010: 317.268,61 € Einnahmen. Also eine aufsteigende Entwicklung.
Die Zinserträge der Personalrücklage betrugen verkürzt: 2008 3.358 Millionen, 2009: 2.975 Millionen; 2010: 3.619 Millionen. Ebenfalls eine steigende Entwicklung. (Seite 90 im Haushaltsplan).
Daneben gibt es eine Baupflegestiftung. Die Zinserträge betrugen: 2008 1.190.737.44 €; 2009: 1.204.995.97 €; 2010: 1.548.534,58 €. Auch eine steigende Summe. (S. 130)
Ein weiterer Topf sind die Zinserträge aus Kap. 8650.1180 des von Herrn Fehrmann verwalteten Pfarrpfründenvermögens. Geldvermögen und Beteiligungen: Die Zinsen stiegen dort von 335.9657,26 (2008) auf 456.793,68 €.
Dr. Mayer verrät den Synodalen auch nicht den Zinssatz, oder wenigstens den Durchschnittszinssatz, mit dem die Geldanlagen insgesamt verzinst worden sind. Diese Heimlichtuerei verführt zu dem Eindruck: die Landeskirche schwimmt im Geld und sagt es deshalb nicht. Wenn sie nichts mehr hat, wird sie es schon wortreich verkünden, und dann wird man es ihr nicht glauben.
Das ist alles kein bibelgerechter Umgang mit dem Geld in der Landeskirche. Aber nicht erst seit heute: die Strukturen sind so festgefahren, dass eine andere Gesinnung scheinbar unmöglich scheint.

Ein Drittel der Synodalen sind Pfarrer. Die müsste ja interessieren, was von den jährlichen Kirchensteuereinnahmen in die Gemeinden fließt, denn aus den Gemeinden kommt es ja! Das erfahren wir auf S. 85 Haushaltsstelle 9220: An die Gemeinden ging 2008: 20.366.686,62 €;/ 2009: 20.020.213,28 €;/ und 2010: 20.020213,28 €. Für das kommende Jahr 2012 sind nur noch 15.346.100.00 € vorgesehen, obwohl es im Bericht heißt, dass auch im nächsten Jahr die Kirchensteuereinnahmen stabil bleiben werden. Das ist doch eine Rückfrage wert, oder? Jahr für Jahr erzählt man uns: da müsst ihr aber die Pfarrergehälter mitrechnen, die kommen ja auch aus dem großen Topf. Unter den Erläuterungen ist zu lesen, da würden die Vergütungen für die Diakonen und Kirchenmusikerstellen abgezogen, (S. 85). Also genau: werden die Mittel für die Kirchenkassen gekürzt ja oder nein!
Es gibt auch nicht normale Kirchengemeinden, z. B. den Braunschweiger Dom. Schon deshalb, weil er einen eigenen Haushalt neben dem landeskirchlichen vorlegt, den Sonderhaushalt Stiftung Domkirche (S. 139) und den Sonderhaushalt Dombaustiftung S. 149). Inwieweit die Gelder für den Dom noch den landeskirchlichen Haushalt durchfließen, bleibt unklar. Dem Haushalt des Domes wurden 2008 539.386, 02 € überwiesen und 2010: 661.900.ß00 €. Ganz schön feist. Von den Einnahmen aus Kollekten und Spenden erfahren wir da natürlich nichts. So viel zur viel zitierten Transparenz. Aber im Sonderhaushalt Dombaustiftung sind die Zinsen aus dem Kapital von 27.693.66 € (2008) auf 40.064,47 € (2010 gestiegen. Uns geht es ja sooooooooo schlecht.

Ein weiterer Strukturfehler ist die Ankoppelung der Gehälter der kirchlichen Mitarbeiter an die staatlichen Gehälter und deren Steigerung. Dr. Mayer beklagt: „Allein im Personalbereich gab es auf Grund der tariflichen Steigerungen bzw. den Besoldungserhöhungen auf etwa 1 Mio € höhere Ausgaben, sodass sich der Spareffekt von 2 auf etwa 1 Mio. € wieder halbiert.“ (S. 6) Also die Besoldungserhöhungen fressen die Einsparungen in den Gemeinden auf. Was soll das? Seit Jahren predige ich die Abkoppelung des Kirchenbeamtenrechtes vom Staatsbeamtenrecht. Auch da hätten Erinnerungen an DDR-Kirchenerfahrungen (Landeskirche zwischen Ost und West!) Anregungen liefern können, wenigstens als Zielvorstellung. Wenn wir die Gehälter für drei/ vier Jahre einfrieren, wäre die Landeskirche bereits aus dem Schneider, aber nur bei absoluter Transparenz, also Offenlegung der Rücklagen, denn wie man auf dem Dorfe sagt, man soll ein fettes Schwein nicht auch noch mit Schmalz einreiben.
Mayer zählt auf, wo gekürzt und gespart wird (S. 7) : „Im Bereich Bau, Aus- und Fortbildung, Missionswerk, Zuschüsse für die Frauenhilfe, an das Diakonische Werk“. Letzteres ist in der Öffentlichkeit mächtig in Verruf geraten. Leider berichtet der Finanzdezernent nichts über die aktuellen bzw., früheren Rücklagen des Diakonischen Werkes. Wir haben uns im Finanzausschuss seinerzeit sehr gewundert, als die Sache mit Riddagshausen als Klosterzentrum geplatzt war, dass uns Direktor Berner lachend erzählte, das Diakonische Werk würde Riddagshausen übernehmen. Wovon ?
Seit her habe ich in der Synode immer wieder darauf gedrungen, dass uns Herr Stempin die Rücklagensituation offen legt. Er hat sich von Jahr zu Jahr geweigert und Dr. Fischer spielte da mit und ich fand mit meiner Forderung, dann dem Diakonischen Werk den fetten verlorenen Zuschuss von 2 Mille zu sperren ( wiederum Gelder aus den Gemeinden!!), nie Gehör. Jetzt, aha jetzt, viel zu spät ist man schlauer und kürzt um lächerliche 700.000 €, offenbar wiederum ohne der Synode Einblick in das ganze Rücklagenverhalten zu offenbaren. Berner schmiss die Leitung hin, als bekannt wurde, dass er sich selber kontrolliert! Stempin schmiss hin, als endlich die Synode erklärte, mit den 2 Mille unkontrollierter Zuschuss ist Schluss. Zustände, die in keiner Kirchengemeinde geduldet würden! Und in der Synode fragt offenbar keiner!
Klar, der stellvertretende Ausschussvorsitzende, Hempel, verkündete großmäulig zu Beginn der „Generalaussprache“, die keine war, man wolle nicht in die Einzelheiten gehen. Aha! Warum wohl?
Die Gruppe „Solidarische Kirche“ ist offenbar ein Schlafmützenverein geworden. Da waren wir etwas aufgeweckter! Es gibt m.E. nur eine grundlegende Reform: die Diakonie kehrt wieder zurück in die Gemeinden. Weg von der Staatsdiakonie hin zur Gemeindediakonie. Ich kenne noch Zeiten, da wurde das Diakonische Werk von der Peter Joseph Krahe Straße aus verwaltet. Sehr viel bescheidener! Wann wird endlich zur Sanierung das pompöse Haus Riddagshausen verkauft? Die Landeskirche braucht es nicht, wenn die Diakonie wieder in die Kirchengemeinden zurückkehrt. Das wären die Schnitte, die längst fällig sind, aber zu denen das Kollegium der Oberräte zu feige ist.

Wo setzt der Haushalt Schwerpunkte? Beim Konfirmandenferienseminar. Gut so, aber bitte nicht aus dem Auge verlieren, dass es ähnliche Projekte auch anderswo gibt, die Finanzspritzen benötigen. Die Mittel für das freiwillige Jahr sind aufgestockt. Die finanzielle Zentralisierung der Musiker- und Diakonenstellen halte ich für bedenklich. Was ist, wenn im Zuge der Budjetierung eine Gemeinde gerade da ihre Schwerpunkte setzen will? Oder ist das Konzept der Budjetierung auch schon wieder passe?
Die Haushaltsrede von Oberlandeskirchenrat Dr. Mayer boten viele Ansätze zu einer lebendigen Diskussion, wie auch die Vorlage des Haushaltes. Sie blieb ungenutzt.





Im Lage- und Tätigkeitsbericht 2011 für den Berichtsraum Juni 2008 – September 2011
werden die Synodalen über die Arbeit der einzelnen Referate unterrichtet.
Der Bericht des Finanzdezernenten enthält eine Überraschung. Da heißt es auf S. 26: „Dem Sachgebiet Gemeindefinanzen obliegt insbesondere die Aufsicht über die Haushalte der Kirchengemeinden, Propsteien und Verbände. Ferner die Budjetberechnung und Zuweisung der Kirchensteuermittel sowie unter Beteiligung anderer Fachreferate die kirchenaufsichtliche Genehmigung. In erheblichem Maße verwaltet das Gemeindefinanzreferat im Zusammenwirken mit dem Finanzreferat Vermögen der Rechtsträger. Ende 2010 betrug das im Auftrag von Kirchengemeinden in der zentralen Geldverwaltung verwaltete Vermögen über 17,5 Mio €. Dieses Vermögen nimmt an der Ertragsentwicklung teil, die im Berichtsraum durchschnittlich 5,1 % betrug.“

M.W,. wird zum ersten Mal über die Rücklagen in den Kirchengemeinden berichtet, ein Wunsch, den ich zehn Jahre lang vergeblich gegen Dr. Fischer vorgetragen habe. Da hieß es: es ginge im Finanzausschuss nur um den landeskirchlichen Haushalt. Ich fand, dass zur Beurteilung der Gesamtlage auch die Situation in den Kirchengemeinden herangezogen werden müsste.
Die Zahlen lagen Dr. Fischer aus den vorgelegten Haushaltsplänen der Krchengemeinden ja vor. Aber er kniff, ich vermute, weil die Lage in den Gemeinden, was die Rücklagen betraf, auf den Dörfern ganz gut war. In der Stadt Braunschweiger früher übrigens auch.
Jetzt nennt OLKR D. Mayer erstmals eine Zahl: 17,5 Millionen €. Allerdings sind von den 400 Kirchengemeinden ¼ noch nicht an eine zentrale Verwaltungsstelle angeschlossen. Eine der Gründe ist natürlich, dass dort sehr hohe Rücklagen schlummern, und die Kirchenvorstände eine Plünderung ihrer Kassen befürchten. Wohl zu Unrecht. Sie werden sich fragen, ob sie auch eine Durchschnittverzinsung von 5,1 % erzielt haben.
Jedenfalls ist diese Nachricht ein Schritt zu mehr Transparenz.
Sie sollte Bestandteil der Beratung des landeskirchlichen Haushaltsplanes werden.

Liebe Synodale: lesen bildet!




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