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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 136 - März 2015
(Download als pdf hier)


„…aus der Enge … in die Weite …“
Ansprache anlässlich der Trauerfeier
Reinhard Brückner

von Propst i.R. Helmut Liersch


Liebe Trauergemeinde, liebe Angehörige und Freunde, liebe Schwestern und Brüder!


Es ist der Tod von Reinhard Brückner, der uns hier zusammengeführt hat. Nur 58 Jahre ist Brücky alt geworden. – Das bringt uns aus der Fassung! Wir wollen diesen Menschen nicht verlieren! Den Ehemann und Vater, den Bruder, Schwager, Onkel und Schwiegersohn, den Freund, den Pfarrer… Wir sind entsetzt, traurig, wütend, alles durcheinander. Es ist richtig schwer, auch für mich: Er war nicht nur lange mein Stellvertreter. Mir ist, als hätte ich einen Angehörigen verloren – und vielleicht werde ich hier und da ins Stocken geraten.

Was gut ist und wichtig zu wissen: Er war wunderbar umsorgt, von der Familie, vom Hausarzt, in den Krankenhäusern. Und: Er ist sanft gegangen. Ihr wart dabei, Du, liebe Bärbel, Ihr, lieber Max, lieber Felix, lieber Jonathan, Sie als Schwester, liebe Frau Scholz. Der Arzt war da und der Bruder Grote war da und hat ihn und euch begleitet. Das war – bei allem Schweren gut so, und ihr seid dankbar dafür.

Und doch: Wir ringen jetzt mit unseren Gefühlen, wir suchen Worte, hoffen, dass Gott uns aus der Enge in die Weite führt – und Brücky auch...


Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.
Denn das ängstliche Harren der Kreatur
wartet darauf, dass die Kinder Gottes
offenbar werden.
Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat ,
doch auf Hoffnung;
denn auch die Schöpfung wird frei werden
von der Knechtschaft der Vergänglichkeit
zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes.
Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung
bis zu diesem Augenblick
mit uns seufzt und sich ängstet.


Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben,
seufzen in uns selbst und sehnen uns
nach der Kindschaft,
der Erlösung unseres Leibes.
Denn wir sind zwar gerettet,
doch auf Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung;
denn wie kann man auf das hoffen,
was man sieht?
Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld.
Römer 8, 1825



Brücky…, liebe Gemeinde!
Wen man auch trifft in der Stadt, wen man auch spricht in der Landeskirche: Jede und jeder kennt Geschichten – von ihm und über ihn. Aus seiner Jugendzeit, aus dem Studium, aus der sagenumwobenen WG in Adelebsen, aus dem KFS, vom Hessenkopf, von originellen Gottesdiensten, von inspirierenden Begegnungen.

Man muss nicht erklären, wen man meint: Ganz viele kennen ihn einfach, oder: Glauben, ihn zu kennen. Er ist unverwechselbar. Kreativ, rastlos, herzlich, spontan und ehrlich, tiefsinnig und unbekümmert, ein hoffnungsloser Optimist… Er hat ein vielseitiges, aber doch erstaunlich eindeutiges Bild von sich hinterlassen.

Er fand es toll, wenn andere Ideen hatten: „Klasse, ei…, det is jut…“ Ein Berliner Kind mit weitem Herz war er. Seine Mutter pflegte zu ihm zu sagen: „Junge, du gehst mal zum Zirkus“. Er war begeisterter Vater. Ihr, seine Söhne, habt von dieser lockeren Art profitiert. Bewundernd haben Freunde gesagt: „Euer Vater ist der coolste!“ Auch die Mitarbeitenden, die Teams, die Vikare: Es machte ihm großen Spaß, wenn sie sich Spielraum nahmen und Ideen verwirklichten – und er hatte immer noch eine mehr…

So war er! Der Brücky! „Macht´s Fenster auf“, so ruft er uns noch von seiner Traueranzeige aus zu. Macht was aus eurem Leben! Raus „aus der Enge … in die Weite!“ Für sich hatte er das ganz klar: „Ich will nicht ersticken in dieser Welt …, Enge ist mir zuwider“ – seine Worte, auch angesichts von Atemnot und Tod!

Und er hat danach gehandelt!
„Normale“ Gottesdienste fand er langweilig. Für diesen Raum hier hatte er eine Vision: Stephanikirche als Theaterkirche! Horror den einen – ihm eine Lust! Oder

in Berlin: Er liebte die Stadt – und war seiner Familie dort sehr verbunden. Aber „Tourist“ war er nicht! Er besuchte nicht wie der Durchschnittsbürger die Museumsinsel, nein: Er ging in den Laden mit dem Namen „Sachen, die die Welt nicht braucht“. Auch zu Hause griff er weit um sich. Kochen? Kein Problem! Bouletten, Spaghetti bolognese… Abwasch? Ja, soweit er in die Maschine passt. Und Du, liebe Bärbel, musstest letzte Teilbereiche vor seinem Zugriff sichern: „Hände weg, die Waschmaschine ist meins!“ Bei den Schlaraffen war er – natürlich haben die ihn entdeckt und geschätzt! Sein Name im Uhuversum war „Ritter von oben der mehrseitige Pontifechser“ – und man liebte seine humorvollen und sprachgewaltigen Beiträge. Und am Schluss: Wozu Reha? Ich kann doch arbeiten!

Er warf seine Freude an den Himmel. Ihr, lieber HansJörn, liebe Renate, habt euch an ein Foto eures Vikars aus dem KFS erinnert. Damals, 1983 auf dem Gipfel des Speikboden in Südtirol: Wie er die Wünsche der Konfis einzeln in den Himmel wirft. Ein Mittler zwischen Gott und den Menschen – eine Geste des Vertrauens, eine öffentliche Darstellung der „herrlichen Freiheit der Kinder Gottes“.

Von dieser spricht ja Paulus in dem Text, den Elfriede Knotte eben vorgelesen hat. Das Vertrauen bringt uns Gott ganz nah. Es ist eine Art Vorgriff, ein „Schon“ im „Noch nicht“. Brücky hat das gelebt. Er brauchte dafür keine komplizierten Begründungszusammenhänge. „Das Himmelreich ist nahe“ – das war für ihn kein Satz aus dem theologischen Lehrbuch. Es gefiel ihm, das in Person darzustellen. Wenn man ihn erlebte, bekam man eine Ahnung davon: Das könnte gemeint sein mit „christlicher Freiheit“. Er wird uns fehlen.

Zu gern, so spüre ich, würde ich daher sein Leben auch ausschließlich so lesen, würde es dabei belassen wollen. Aber mir ist klar: Das wäre falsch! Ich behielte dann nur einen Teil von Reinhard Brückner im Gedächtnis! Er selber wusste um seine Endlichkeit und hat darunter gelitten. Was er tat, machte er natürlich gern – aber er brauchte es auch; es zog ihn mit Macht dort hin. Er wusste: Das Leben ist zwar eine Chance, ein wunderbarer Spielraum – aber da sind Grenzen in diesem Raum, auch die eigenen: Ich bin nicht ewig auf der Bühne. Ich bin der Vergänglichkeit unterworfen.

Ich seufze unter der Knechtschaft – eben weil sie mir meine Grenzen zeigt, meine Schwäche. Bei der HerzOperation wurde das deutlich und beim Tod der Mutter… Es ging tief hinab… Er merkte: Wenn ich nicht auch getragen würde, wäre es aus. Ich brauche die Kraft anderer, die Kraft Gottes und die von Menschen – und am meisten von denen, die mir ganz nahe sind. Auch als Glaubende warten wir auf die Erlösung. Wir sind gerettet, doch auf Hoffnung. Bis dahin ist es viel Mühe und Arbeit.

Die Frage ist: Nehmen wir das mit hinein in unsere Erinnerung? Darf es Teil sein des Erbes? Oder muss Brücky über seinen Tod hinaus für dieses erstaunlich eindeutige Bild stehen? Darf er sich einreihen in die Kette der Kinder Gottes, die erst noch offenbar werden sollen? Das ist ja die großartige Botschaft, die auch Brücky getragen hat: Fürchtet euch nicht vor dem Schweren. Es hat seinen Platz. Aber es wird keine Macht über euch haben. Schon jetzt schauen wir in Geduld darüber hinaus. Das hat Brücky getan. Davon zeugt auch sein Lieblingslied. Er hatte sich extra eine Ukulele gekauft, um es so zu spielen wie jener imposante Sänger aus Haiti – irgendwann; ist, wie er merkte, gar nicht einfach zu spielen, so eine Ukulele. Macht aber nichts. Tolles Instrument. Und ein schönes Lied bleibt es, „Papas Lied“ – und Ihr, seine Söhne, wolltet es hören, und wir hören es gern mit euch:


Irgendwo da oben, über dem Regenbogen,
ganz weit oben...
All die Träume, die du mal geträumt hast,
damals in dem Schlaflied.
Die Singvögel fliegen,
und die Träume, die du mal geträumt hast, werden wirklich wahr!


Amen.

Musikeinspielung „Somewhere over the rainbow“




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