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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 138 - Dezember 2015


Anfragen zur Flüchtlingsproblematik

von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

Kanzlerin Merkel hat seinerzeit nach dem biblischen Grundsatz gehandelt: „Brich dem Hungrigen dein Brot und wer im Elend ist, führe ins Haus.“ Das finde ich grundevangelisch und goldrichtig. Immer noch. Und immer wieder. Ohne Abstriche.

Ich beobachte an der Fernbushaltestelle beim Bahnhof und auch im Bahnhof Trupps von jungen Männern, die sich beraten und offenbar weiterfahren. Sind das die hungrigen Elenden, von denen der Profet (Jesaja 58,7) spricht? frage ich mich. Oder sind das Abenteurer, die abgehärtet durch eine nicht nachvollziehbare Elendsstrecke nun endlich am Ziel ihrer Träume sind? Zu Hause ohne Arbeit und Aussichten auf eine Besserung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse nun bei uns, worauf wir ja stolz sein könnten! Sie haben sich dafür entschieden, auf keiner Seite der mörderischen Kämpfe mitzukämpfen, sondern sie sind auf der Flucht vor dem Krieg. Sie wollen was anderes als kämpfen.

Das Feuilleton der Zeitungen ist voll von Flüchtlingsberichten und man hört ein Schema heraus. Spiegeln die Fluchtberichte die erlebte Wirklichkeit oder die feste Absicht, so zu erzählen, dass man die Kriterien für einen Aufenthalt erfüllt? Will ich das unterscheiden? Und wäre die Absicht denn verwerflich?

Es gibt inzwischen auch Erzählungen von Anspruchshaltungen. „Das brauch ich - das muss ich haben.“

Unbegreiflich ist mir die mit dem Verfahren befasste umständliche Bürokratie. Kann nicht jeder Ankommende prompt einen schlichten Ausweise erhalten, mit dem er sich, wo auch immer in Deutschland auszuweisen hat und der in einem Computerregister erfasst und ausgetauscht werden müsste?
Warum kann die Frage eines vorübergehenden Aufenthaltes nicht dezentral vor Ort entschieden werden? Es gibt Länder, die das vorgeschlagen haben. Endgültige Entscheidungen könnten dann zentral vorbereitet werden.

Sehr fragwürdig halte ich die Selektion der Flüchtlinge nach Arbeitsfähigkeit. Da steht also die Wirtschaft an der Selektionsrampe und sortiert zwischen jung und arbeitsfähig oder eben nicht. Immer wieder ist zu lesen, wie gut es Deutschland gehe, wenn diese jungen Leute erst in Brot und Lohn stehen. Ich finde das abstoßend.

Unscharf ist für die Öffentlichkeit auch die Rolle der Diakonie. Man liest von der AWO, vom Roten Kreuz, von der Friedenskirche, nichts von der Diakonie und den Kirchengemeinden.
Das Bewusstsein für diakonische Aufgaben ist den Kirchengemeinden durch die zunehmende Zentralisierung in den Kreisstellen und dann Niedersachsenweit ausgetrieben worden. Es gibt praktisch keine Diakonieausschüsse in den Kirchengemeinden, wie es das Diakoniegesetz vorschreibt. Es gibt die fragwürdige zentrale Diakoniebürokratie, die sich zusätzlich mit Geldern vertändelt hat (was nie redlich eingestanden wurde), und kürzlich seufzte, man müssen wieder mehr Anbindung an die Kirchengemeinden suchen. Dazu ist es zu spät. In den Gemeinden wären noch Menschen und Räume, um in der Flüchtlingsfrage mitzuhelfen. Aber die Diakoniebürokratie verfügt weder über Menschen noch eigene Räume. Also hört man nichts. Ein hörbarer Appell der Landessynode ist ebenfalls ausgeblieben. Ein schmaler Lichtblick ist die Aufnahme junger Afghanen in den Räumen des Predigerseminars. Aber auch hier hört man nichts vom Diakonischen Werk. Vielleicht zeigt jemand den jungen Leuten in der Katharinenkirche die Fotos vom zerstörten Braunschweig. Es sah bei uns auch so aus, wie bei euch in Syrien und unter welchen Bedingungen ist es anders geworden?

Und nun kommt auch noch Weihnachten mit seinen vielfachen Fluchtgeschichten. Was wird von der Botschaft, die nicht nur den Christen sondern „allem Volk widerfahren“ soll, in den Lagern und bei den Flüchtlingen hörbar? Kein einziger Braunschweiger in Land und Stadt hat sich persönlich bisher einschränken müssen. Keiner. Wir Alten kennen noch das Wort „Wohnraumbewirtschaftung“ und haben die gedrängten Verhältnisse der Jahre 46-52 in Erinnerung.
Ich bleibe aber dabei, die a.t. Lesung vom Erntedankfest gilt auch noch Weihnachten: Brich dem Hungrigen dein Brot, nicht das Brot, sondern dein Brot, und die im Elend sind, führe ins Haus. In dein Haus? Soweit wollen wir wohl nicht gehen.




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