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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 138 - Dezember 2015


Gemeinde. Wir – am 10.Oktober. Ein Rückblick
auf den Gemeindekongress

von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

Ein Kirchengebäude auf einer Insel, mit geschlossener Eingangstür, geschlossenen Fenstern, in Orange, und das Motiv mehrfach im Einladungsprospekt zum Gemeindekongress am 10. Oktober 2015. Das war kein Bild einer einladenden fröhlichen, sich der Region und dem Gemeindebezirk öffnenden Kirche, sondern einer sich ängstlich abschließenden Kirche.
Für dieses Bild sind wir nicht zuständig, wird mir vom Vorbereitungskreis erklärt. Das hat der Designer gemacht. Ach so, dafür will keiner Verantwortung übernehmen.
Wer ist verantwortlich? Ich wende den Prospekt hin und her, kein Name, keine Institution, kein Landeskirchenamt, keine Pressestelle, keine Propstei, kein iSdP. Das entspricht dem Prospektbild. Man schließt sich ab.
Dafür eine Internetadresse. Die klicke ich an und finde zwei Namen: Pfarrer Andreas Weiß, Blankenburg, Pfarrer Frank Ahlgrimm, Werlaburgdorf. Wieso die? Weiß hatte von Königslutter aus vor Jahren eine Aktion „Kirche im Aufbruch“ begonnen und alle charismatischen und noch volkskirchlich bewegten Gruppen in der Landeskirche gesammelt. Es gab auch ein gemeinsames Treffen, ein Aufbruch insgesamt war ausgeblieben. Immerhin ein Ansatz, an den man hätte anknüpfen können. Davon war nicht die Rede. Ahlgrimm gehört kirchenpolitisch zum rechten Flügel der Landeskirche. Das ist bekannt und hat einige Amtsbrüder, auch aus den Übergemeindlichen von einer Teilnahme abgeschreckt.
Die zwei waren aus einer größeren vorbereitenden Pfarrergruppe übrig geblieben. Andere hatten sich verkrümelt, hatten Urlaub, andere Prioritäten, macht ihr mal.

Warum jetzt? „Wir sind die Strukturdebatten satt, es soll endlich um Inhalte gehen.“ Dass Strukturfragen massive theologische Fragen beinhalten, hatte sich beim Vorbereitungskreis nicht herumgesprochen. Dass die Zentralisierungen von Kirchengemeinden ein verändertes Gemeindebild und Mitarbeiterbild erstreben, also bedeutsame theologische Veränderungen an der Kirchenbasis bedeuten, war nicht bewusst. Das ist interessant: Die Strukturdebatte wird als eine von theologischen Fragen abgekoppelte Organisationsreform wahrgenommen. Ein verhängnisvoller Irrtum.

Zum Vorbereitungstihm (team) gehörte auch Pfarrerin Drost v. Bernewitz, die jedoch wenige Tage vor Beginn erkrankte, die Leitung abgab, und nun übernahm das Landeskirchenamt die zusammenführende Leitung. Weiß/ Ahlgrimm planten für 800 haupt- und nebenamtliche kirchliche Mitarbeiter, es kam weniger als die Hälfte, ca 350 aus unserer Landeskirche angemeldete Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dazu die organisierenden und referierenden, genannt wird die Zahl von 400 Personen Für spontane teilnehmende Gemeindegruppen war der Kongress nicht gedacht. Schade, fand ich.

Der Prospekt versprach den Teilnehmern die Bearbeitung folgender Erwartungen:

Wie geht es der Kirchengemeinde?
Was passiert eigentlich an der Basis der evangelischen Kirche?
Sind die überall anstehenden Reformen für das Leben in Kirchengemeinden förderlich oder sind sie eher hinderlich?
Wie verstehen sich Kirchegemeinden überhaupt selbst?
Welches Bild haben sie von sich selbst?
Wie groß ist das Engagementpotential?
Wie haben Kirchengemeinden die Entwicklungen der letzten Jahre erlebt und welche Perspektiven sehen sie für die Zukunft?
Steuern sich die Gemeinden bewusst selbst, lassen sie sich eher treiben, oder erleben sie sich gar als Opfer der Prozesse?“

Das sind ganz vorzügliche Fragen an die Haupt- und Nebenamtlichen in unserer Landeskirche. Das Programm sah indes gar nicht vor, dass diese vorrangig zu Worte kommen. Vielmehr referierten in sechs Foren in den Innenstadtkirchen acht auswärtige Referenten aus der Nordkirche, Bremen, Mitteldeutschland und Hannover zu diesen Themen, offenbar ohne regionale Vernetzung. Lediglich in der Martinikirche (Forum 4) referierten Mitarbeiter des regionalen Diakonischen Werkes und im Dom ebenfalls zwei Einheimische. Auf diese Foren am frühen Nachmittag folgten laut Programm 33 workshops mit einführenden Referaten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Braunschweiger Landeskirche. Völlig überladen. Hier sollten nun die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu Worte kommen. Für diese workshops war laut Programm jedoch nur eine gute Stunde vorgesehen, um 17.30 begann dann die „Präsentation der Ergebnisse im Braunschweiger Dom“. Als der Bischof bei dieser Präsentation gefragt wurde, was sich in unserer Landeskirche seiner Meinung nach ändern müsste, antwortete er laut BZ: „Eigentlich nichts“. Es sollten nur Freude und Hoffnung wieder mit in die Gemeinden genommen werden. Ein Gemeindekongreß mit der Folge von Nulländerung?

Bereits vor Beginn des Kongresses wurden ca acht workshops abgesagt. Es hatten sich dazu keine Teilnehmer gemeldet. Andere fielen mangels Masse während der Tagung ins Wasser. Eine genaue Übersicht ist nicht bekannt.

Wie verteilten sich die Teilnehmer? Der Renner war das Forum 1 in der Katharinenkirche mit ca 100 Teilnehmern. Thema: „Gemeinde der Zukunft“. Zum Forum 5 „Gemeinsam sind wir mehr“ in der Michaeliskirche kamen ca 70. „Wir fragen nach den Stärken und Perspektiven von Kirche und Gemeinde im Braunschweiger Land....es soll Mut gemacht werden, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen,“ hieß es im Programm. Dazu referierten ein Superintendent i.R. aus Northeim und jemand aus dem Zentrum für Mission in der Region Dortmund“. Mit welchem Wissen über die Region? Mit welcher Hintergrundserfahrung? Es bröckelte ziemlich rasch ab. Nicht ganz so groß war der Zuspruch in der Martinikirche, wo die Braunschweiger Diakonieexperten aktuell auf die Flüchtlingsthematik umschalteten. Die restlichen gut 150 Gemeindemitglieder verteilten sich auf Magni (Kinder, Jugend, Familie), Andreas (Auf dem Weg zur geistlichen Leitung) und den Hohen Chor im Dom (Spiritualität und Gottesdienst).

Noch Fragen? Wie teuer war der Kongress? Es wurde sehr viel Geld in die Hand genommen. Die Landessynodalen fragen nicht danach. Auch nach den „Ergebnissen“ (außer Stimmung und Laune auf Kirche) wurde auf der Novembersynode nicht gefragt.
Gibt es einen zusammenfassenden Bericht samt kritischer Würdigung? Ende November hat der Vorbereitungskreis, zu dem auch Pfrin Stecher und Pfr. Dedekind gehören, getagt, und einen Bericht für die interessierte Öffentlichkeit aufs nächste Jahr verschoben. Wen interessiert dann noch der Gemeindekongress? Er wird wie heute üblich als event rasch abgehakt. Und kritische Rückfragen gelten als unanständig und als werbeunwirksam. Und darauf kommt es schließlich an: Kirche gut ins Bild zu setzen. Oder es gibt einen qualmenden Selbstrechtfertigungsbericht.

Was war das also? Es war der Triumph der konsumierenden Gemeinde. Referate, Referate, Interviews, Musikbands konsumierende Gemeinde. Wo kamen die oben erwähnten, eingekästelten, wichtigen Fragen angemessen zu Worte? Die Gemeinde ist es gar nicht mehr gewohnt, Fragen zu stellen und hartnäckig daran zu bleiben. Sie schlürft, was ihr am Sonntag Vormittag und sonst vorgesetzt wird. Bloß nicht ins Gespräch mit den Gemeinden kommen. Es könnte was Kritisches benannt werden.

Wie könnte es weitergehen? Wenn das Ziel eines derartigen Treffens ist, dass die Teilnehmerinnen mit Freude, Hoffnung und tralala positiv abgefüllt in ihre Kirchengemeinden zurückkehren und sich nichts ändern soll, sollte man sich das Unternehmen schenken oder charismatischen Gruppen überlassen. Derartiges ist ja für 2016 geplant. Wenn die Veranstalter dagegen eine mitdenkende, selbständig handelnde, nach außen offene Gemeinde wünschen, die bei einem solchen Treffen vorrangig zu Worte kommt und ihre Nöte ungeniert darlegen kann, sollte man ein derartiges Treffen wiederholen, das Programm straffen, für alle Gemeindemitglieder öffnen, gelingende Gemeindearbeit aus unserer Landeskirche vorstellen, auf allen Plätzen der Stadt die Posaunenchöre der Landeskirche postieren und fröhliches Gemeinschaftssingen servieren. Gesegnete Weiterarbeit!




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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/kvu138/gemeindekongress3.htm, Stand: Dezember 2015, dk