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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 138 - Dezember 2015


Predigt am 25. Oktober 2015 in Seesen

von Pfr. i.R. Wolfgang Meißner
(Download als pdf hier)

Liebe Gemeinde in Seesen,
als Gast in Ihrer schönen St. Andreas-Kirche habe ich Ihnen ein bescheidenes kleines Geschenk zur Erinnerung mitgebracht, das Ihnen am Eingang ausgeteilt wurde. Drei wichtige lateinische Worte stehen darauf: NISI DOMINUS FRUSTRA. Diese Worte sollen Sie von heute an niemals mehr vergessen. Deshalb habe ich auch einen Aufhänger daran geklebt, an dieses kleine stilisierte Haus

Im Rückblick erinnern mich diese drei Worte an ein ganz wichtiges Ereignis in meinem Leben. Das war 1973. Ich war in die Brauschweigische Landeskirche berufen worden und damals mitverantwortlich für den Bau und die Einrichtung des neuen ‚Hauses kirchlicher Dienste‘ in Braunschweig-Riddagshausen. Als der Rohbau fertig war, suchten wir ein würdiges altes Portal für den Eingang dieses Hauses. Davon gab es einige auf dem Bauhof der Stadt, die von Häusern stammten, welche im letzten Krieg zerstört worden waren, und wir wurden tatsächlich fündig: ein großartiges Renaissance-Portal aus dem Jahre 1585. Das trug diese Inschrift: NISI DOMINUS FRUSTRA. Übersetzt heißt es: „Wenn nicht der Herr, dann umsonst.“ Es ist die vielleicht prägnanteste und kürzeste Zusammenfassung eines Psalmverses aus dem Alten Testament. Dort steht in Psalm 127 Vers 1: „Wenn nicht der HERR das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.“ Wie passend für unser neues Haus in Riddags-hausen, für eine Arbeitsstelle kirchlicher Dienste. So dachten wir. Denn das sollte zum Maßstab und zur Zielsetzung aller Arbeit werden, welche die in diesem Haus zusammen-geführten übergemeindlichen Ämtern zur Aufgabe hatten: Wenn nicht der Geist des Herrn unsre Arbeit bestimmen wird, dann sind alle unsere Bemühungen umsonst. Wie wahr!

Das gilt natürlich nicht nur für unser Amt in Riddagshausen, denn das gibt es bedauerlicher Weise inzwischen schon gar nicht mehr. Der Geist der Zeit ist darüber hinweg gegangen. Dennoch: NISI DOMINUS FRUSTRA; das gilt nach wie vor, und zwar für alle Arbeit in der Kirche. Das gilt auch für das Kirchenzentrum hier nebenan und ebenso für viele andere Orte, in denen wir uns als Kirche treffen, sowohl für das Altenzentrum St. Vitus als auch für das Landeskirchenamt in Wolfenbüttel. Hier geht es nicht in erster Linie darum, sogenannte Gestaltungsräume zu schaffen und Propsteien zu fusionieren, also die Kirche den veränderten Entwicklungen anzupassen und zu verwalten, sondern um Begegnungen von Menschen, um Verkündigung und Seelsorge. Gerade dabei müssen wir uns immer wieder vor Augen halten: NISI DOMINUS FRUSTRA Wenn nicht der Geist Gottes unsre Arbeit bestimmt, dann sind alle unsere Bemühungen in der Kirche umsonst.

Bei meinen vielen Reisen in alle Welt, wie viele von Ihnen wissen, stieß ich immer wieder auf diese Worte. Sie fielen mir einfach auf, zum Beispiel in Medaillons am Eingang der Kirchen in Rom, am Torbogen zum Franziskanerkloster in Lima, an einem Wandbehang in der Kapelle zum Guten Hirten am Lake Tekapo in Neuseeland, am Seiteneingang der Kathedrale von Monreale auf Sizilien oder über der Tür der Wallfahrtskirche von Cartago in Costa Rica, um hier nur einige Beispiele zu nennen. Besonders in Ländern mit katholischer Tradition finden wir es, wo noch länger die lateinische Sprache gepflegt wurde. Aber solch ein paar lateinische Worte sollten auch wir behalten können: NISI DOMINUS FRUSTRA. Es lässt sich einfach nicht kürzer und prägnanter ausdrücken: Wenn nicht der Herr, dann umsonst.

Übrigens: Das gilt natürlich nicht nur für Gebäude oder kirchliche Räume, die ich hier aufgezählt habe. Das gilt ganz besonders auch für uns. Im ersten Korintherbrief schreibt der Apostel Paulus: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid, und der Geist Gottes in euch wohnt. – Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, den ihr von Gott habt?!“ So eindringlich sagt es der Apostel auch heute noch: Sie und ich – ein wandelnder Tempel Gottes. In der Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments ist das in einem sehr plastischen Bild dargestellt: „Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens ein und es ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“ Das sind Sie und ich, nicht mehr und nicht weniger, ein Wunderwerk der Schöpfung Gottes, oder mit den Worten des Paulus: Gottes Tempel, ein heiliges Haus – Sie und ich.

Spätestens jetzt wird uns bewusst, was diese drei Worte nun für uns bedeuten, - NISI DOMINUS FRUSTRA - und darum dürfen wir sie niemals wieder vergessen: Wenn nicht Gottes Geist mein Leben bestimmt, ist es vergeblich, ist es umsonst.

Aber drehen wir die Übersetzung doch einfach einmal um und sagen es positiv: Wo der Geist Gottes mein Leben bestimmt, hat es eine Aufgabe und einen Sinn. Dann bin ich ein lebendiger Tempel, ein Ort der Gegenwart Gottes in unserer Welt. Es hat einmal einer gesagt: Wir sind die einzige Bibel, die die Öffentlichkeit heute noch liest. Das ist sicher ein hoher Anspruch, aber zugleich auch eine große Auszeichnung. Wir können noch heute die Welt verändern, wenn wir uns nicht in ein Schneckenhaus zurückziehen, sondern als Gottes Tempel ein offenes Haus sind, in dem der Geist des Herrn weht und wir uns verantwortlich zeigen für die Aufgaben um uns herum.

Wie sehr das gerade in diesen Wochen gilt, da so viele Zuflucht suchende Menschen in unser Land kommen, muss ich nicht besonders betonen. Hier geht es aber nicht um anonyme Flüchtlinge, sondern um Menschen wie Sie und mich, die einen neuen Ort der Geborgenheit suchen. Dass damit Schwierigkeiten verbunden sind, ist klar, doch es liegt auch an uns, wie wir solchen Schwierigkeiten begegnen, und wenn es nur dadurch geschieht, dass wir uns der mancherlei fremdenfeindlichen Äußerungen vieler Menschen entgegenstellen und nicht schweigen, gestärkt durch den guten Geist, mit dem Gott in uns wirkt. Da kommen Zuflucht suchende Menschen auf langen Fußmärschen an Zäunen entlang und durch tiefen Matsch. Unglaublich die Strapazen, die sie auf sich nehmen, und unerträglich die Bilder, die wir täglich im Fernsehen gezeigt bekommen. Da finde ich es abstoßend und zynisch, einfach zu fordern, die Grenzen dicht zu machen, noch dazu von Politikern, die das „C“ im Namen ihrer Partei führen.

In vielen öffentlichen Äußerungen wird immer wieder der Geist der Bergpredigt beschworen. Ob wohl jeder wirklich weiß, was damit gemeint ist? Einige Verse aus der Bergpredigt haben wir vorhin als Lesung des Evangeliums gehört. Sie sind heute der Predigttext, auf den ich jetzt erst zum Schluss komme, weil er uns zeigt, welche Konsequenzen das hat für alle, die als Tempel Gottes in dieser Welt leben und wirken. Da haben diese Worte einen ganz anderen Klang. Ich lese sie also noch einmal in der Übersetzung der ‚Guten Nachricht‘. Jesus predigte:

„Ihr wisst doch, dass es heißt: 'Auge um Auge, Zahn um Zahn.' Ich aber sage euch: Verzichtet auf Gegenwehr, wenn euch jemand Böses tut! Mehr noch: Wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, dann halte auch die linke hin. Wenn jemand dich um etwas bittet, gib es ihm; wenn jemand etwas von dir borgen möchte, sag nicht nein.
Ihr wisst auch, dass es heißt: 'Liebe deinen Mitmenschen; hasse deinen Feind. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für alle, die euch verfolgen. So erweist ihr euch als Kinder eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne scheinen auf böse Menschen wie auf gute, und er lässt es regnen auf alle, ob sie ihn ehren oder verachten. Wie könnt ihr von Gott eine Belohnung erwarten, wenn ihr nur die liebt, die euch ebenfalls lieben? Was ist denn schon Besonderes daran, wenn ihr nur zu euresgleichen freundlich seid? Das tun auch die, die Gott nicht kennen! Nein, wie die Liebe eures Vaters im Himmel, so soll auch eure Liebe sein: vollkommen und ungeteilt.“

Dieser Abschnitt aus der Bergpredigt bedarf jetzt wohl keiner besonderen Auslegung. Er spricht für sich selbst. Aber so zu leben und zu handeln bedarf schon einer besonderen Grundhaltung in unserem Leben, einer neuen Ausrichtung, die aus dem Glauben kommt. Der Apostel Paulus schreibt seinen Gemeinden: „Zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.“ Darauf kommt es an, und damit sind wir wieder bei den drei lateinischen Worten angekommen, die für uns so wichtig sind: NISI DOMINUS FRUSTRA: Wenn nicht Gott uns die Kraft gibt, können wir uns noch so viel bemühen: es ist umsonst. Allein durch den Glauben wird uns diese Kraft zuteil. Das ist der Vorteil, den wir Christen haben im Unterschied zu denen, die da meinen, sie könnten nach eigener Facon selig werden. Vielleicht genügt deshalb auf manchen Grabsteinen auf dem Friedhof unter dem Namen des Verstorbenen auch das Wort „Umsonst“. Umsonst gelebt. Das klingt zwar hart, aber das steht doch hinter dem Wort aus Psalm 127: „Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.“

Dies aber ist zugleich auch eine Ermutigung für alle, die sich auf den Glauben an Gott einlassen. Wenn uns Gottes Wort in unserem Leben immer wieder die Richtung zeigt - auch wenn wir manchmal schwach werden, zweifeln oder hadern -, haben wir ein verheißungs-volles Ziel vor Augen und nichts ist umsonst, weil wir wissen, dass unser Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, den wir von Gott haben. Amen




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