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Aus der Landeskirche
von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)
* Am 29. Februar 2016 wurde Matthias Blümel aus dem Pfarramt Vorsfelde und aus dem Propstamt verabschiedet. Er war im Oktober letzten Jahres 65 geworden, hatte aber freiwillig seine Dienstzeit noch etwas verlängert. Seit Sommer 1991 war er Pfarrer an der Petruskirche und als Nachfolger von Herdieckerhoff auch Propst. Er hatte hinter sich, was man in der Braunschweiger Landeskirche unter einer Karriere versteht. Im Sommer 1977 zum Pfarrer ordiniert, 1978 – 1985 Pfarrer an der Petrusgemeinde neben Propst Herdieckerhoff, 1985 als Assistent von Prof. Bischof Müller im Landeskirchenamt und in das Referat II abgeordnet, in dieser Zeit nahm er verschiedene Nebenaufgaben wahr: in der Agendenkommission, im Jerusalemverein Vertrauenspfarrer der Landeskirche, Vorstandsmitglied im Pfarrerverein und wurde von dieser Position 1991 zum Propst von Vorsfelde gewählt. Gemeinde, LKA, Propst, das war der Dreischritt zur mittleren Karriere im Braunschweigischen.
Tatsächlich ist er aus dem Schatten der starken Männer neben ihm nie herausgetreten. Aufgewachsen im Pfarrhaus Königslutter, wo sein Vater, Walter Blümel, Propst war und auf der äußersten theologischen Rechten dominierte. Er hatte Gerhard Heintze nicht zum Bischof gewählt und das Pastorinnengesetz strikt abgelehnt. Dann beherrschte Propst Reinhard Herdieckerhoff, neben dem er an der Petruskirche amtierte, das Gemeindeleben. Im Landeskirchenamt unter Bischof Müller sind eigene Ideen kaum zu verwirklichen, man ist stets Ausführender, schließlich Propst, also, denkt man ein breites Feld von Gestaltungsmöglichkeiten. Aber wenn man das vorher nicht gelernt hat, zögert man. Zumal mit Ulrich Hesse ein nur etwas älterer Amtsbruder im Neubaugebiet Reislingen saß, der bereits als amtierender Stellvertretender Propst seit 1981 selber gerne Propst geworden wäre, und dann im Krankheitsfall von Blümel als stellvertretender Propst wie ein tatsächlicher agierte.
So gehörte Blümel, als Sprachrohtr der Behörde, zu den pflegeleichten, wenig profilierten Pröpsten und die Propstei Vorsfelde zu jenen, von der keine Impulse, allerdings auch keine Konflikte ausgingen. Seine ganze Liebe galt dem Jerusalemverein und der Gemeinde dort. Für eine Schule in Palästina wurde die Kollekte erbeten.
Es war ein festlicher Abschiedsgottesdienst, Blümel predigte über den „verordneten“ Text und vermied jede Anspielung auf seinen Abschied. Es wurden die traditionellen Gesangbuchlieder gesungen (EG 166: 197: 296: 331: 369), kein Neues, keins aus dem Kirchentagsmilieu. Der Propsteichor sang. Bischof Meyns meinte, das Pfarramt gleiche einem Eisberg. Es sei nur die Spitze zu sehen, etwa 10 %. Die Vertreter der Öffentlichkeit lobten die vermittelnde, ausgleichende Art seiner Tätigkeit als Propstes, man traf sich nach dem Gottesdienst noch im Schützenhaus zu weiteren Reden. Volkskirche von anno dazumal wie sie singt und lacht. Das war die ersehnte Welt von Blümel. Blümel sammelt Kreuze. Die Amtsbrüder-schwestern schenkten ihm ein Sammlung vieler Kreuze in der Propstei, auf eine große Fläche fotografisch zusammengefasst, worüber sich Blümel sehr freute.
Blümel bleibt in der Propstei wohnen. Wir wünschen ihm einen raschen Abschied von manchem Ärger im Amt, Gesundheit, an der es in den letzten Jahren mangelte, und einen geruhsamen Lebensabend in der Familie.
* Am 20. März wurde Dieter Harburg in seiner Gemeinde St. Georg, Goslar in den Ruhestand verabschiedet. Er ist im vergangenen Jahr erst 60 geworden. Seit 23 Jahren ist er Pfarrer an dieser großen Gemeinde mit 4.337 Kirchenmitgliedern.
* Im Frühsommer geht Jürgen Günther 60 Jahre krankheitshalber in den Ruhestand. Er gehört zu dem Terzett mit Pröpstin Knotte und Pfr. Ehgart, die die Stiftskirche und die zahlreichen umliegenden Dörfer seelsorgerlich versorgen. Günther war von den dreien der Dienstälteste, seit 1993 dort, seit 95 Frau Elfriede Knotte, seit 2009 Pfr. Ehgart.
* In der Braunschweiger Stadtbibliothek hingen bis März die Fotos die Fotos der im Krieg zerstörten Braunschweiger Kirchen, die zunächst für die Andreaskirche konzipiert und dort ausgestellt war und die von Dr. Albrecht unter Mitarbeit von P. Jünke erarbeitet worden ist. Eine prima Präsenz von Kirche im säkularen Raum.
Inzwischen hängen dort Fotos von Flüchtlingen aus dem Raum Wolfenbüttel mit lesenswerten Texten von den abgebildeten Personen.
* Die sinnlose Kolchosisierung der Gemeinden von oben schreitet fort. Es wächst wenig von unten; dann sind Verordnungen von oben zwecklos. Die Integration von Sachsen in die Landeskirche erweist sich nach wie vor als schwierig. Problematisch ist vielmehr die ungleiche Verteilung der Kirchensteuermittel, weil das Kriterium „Raum“ die kleineren Gemeinden besonders bei der z.Zt. sehr günstigen Finanzlage unverhältnismäßig bevorzugt.
* Ohne besondere Vorkommnisse verlief die Jahresversammlung des Pfarrervereins am 10. März im Gemeindezentrum Thomas Braunschweig. Es ist ein verhältnismäßig kleiner Kreis ohne Impulse in die Pfarrerschaft. Der Vorsitzende Pfr. Martin Senfleben soll einen etwas ermüdeten Eindruck gemacht haben. Kommt vielleicht von der vakanzreichen Propstei, für deren Leitung sich immer noch kein Schwanz zur Verfügung gestellt hat. Wer will sich dem aussetzen, nachdem schon Amtsbruder Posten wg stress mit der Behörde den Posten des stellvertretenden Propstes wieder abgegeben hat.
* Der Pröpstekonvent beriet über die anstehende Reform der biblischen Lesungen. Die Kirchengemeiden hatten je ein Exemplar erhalten und waren um Rückmeldungen gebeten worden. Aber es kamen kaum welche. Ob die Pröpste sie jemals in den Amtskonferenzen erörtert haben? Man einige sich, die Arbeit bei der Agendenkommission und dem Gemeindeausschuss zu überlassen und die Gemeinden nicht mehr zu drängeln. Etwas billig und einfach.
* Der „schwarze Cafe“ in Wolfenbüttel löst sich langsam auf. Er existierte mehr als 67 Jahre und war eine segensreiche Kommunikationsebene für emeriti und ihre Frauen. Man traf sich monatlich, oft in der Gaststätte Kronprinz, trank Kaffee, lud Referenten aus der amtierenden Pfarrerschaft ein, und hielt sich so auf dem Laufenden. Nun sind sie langsam dahingestorben und die nachkommen müssten, sind dem Zeitgeist des Individualismus so verfallen, dass auf diese Ebene keine Zeit investiert wird. Christel und Arno Kiel leiteten den Kreis zum Schluss und schrieben. „Es soll kein abruptes Ende geben, sondern ein gleitender Übergang, denn der Kontakt untereinander ist uns schon wichtig“.
* In Braunschweig gibt es ca 100 freischaffende Künstler, die Abgänge von der HBK nicht hinzugerechnet, die am Existenzminimum leben und in die Öffentlichkeit drängen. Sie haben sich einen kleinen Markt geschaffen. So hängen in einem kleinen Raum am Handelsweg interessante Objekte des Künstlers Denis Rose unter dem Thema „Kleine Attentate.“ Es sind kleine Glaskästen mit Abbildungen von Attentätern oder Opfer von Attentaten, z.B. Riemenschneider, dem im Bauernkrieg die Finger gebrochen wurden, aus der Neuzeit Liebknecht, Mühsam, Dutschke und Benno Ohnesorge, jeweils mit einem typischen Attribut versehen. Die Ausstellung wandert weiter nach Süddeutschland. Sehr zu empfehlen.
Eine andere Ausstellung hängt im Cafe „Onkel Emma“. Jean Luc, der langjährige unermüdliche Organisator des Sommerlochfestivals arbeitet mit Collagen, dieses Mal Männergestalten. Der Inhaber des in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Pfarramtes, Pfr. Christoph Berger, sprach zur Eröffnung der Vernisage.
Seit 15 Jahren existiert auf dem ev. Hauptfriedhof in Braunschweig in der ehemaligen katholischen Friedhofskapelle eine „Gedenkstätte für Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.“ Sie ist unter Leitung des früheren Heidberger Schulrektor Ulrich Schade unter Mithilfe zahlreicher ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer zu einem ansehnlichen Gedenkraum ausgebaut worden, in dem im Laufe der Jahre zahlreiche Ausstellungen gezeigt wurden, vor allem in Zusammenarbeit mit den Schulen. „Wie aus Turnern Hitlerjungen wurden“ hieß eine Ausstellung des Grundkurses Geschichte und Kunst des Raabe Gymnasiums. Eine andere Ausstellung behandelte „Falsche Vorbilder – Fibeln im 3. Reich“. „Standhaft trotz Verfolgung“ thematisierte die Verfolgung der Zeugen Jehovas unter dem NS-. Regime“. Die Installation von 350 Kartons dokumentierte den „Braunschweiger Kindermord“, das Schicksal der getöteten Babys, die auf dem stillgelegten ehemaligen katholischen Friedhof am Wasserturm „beigekuhlt“ wurden. Bernhild Vögel hat dazu eine schmerzliche wissenschaftlich fundierte Arbeit verfasst.
Zur Zeit befinden sich in der Friedenskapelle Farbfotos über Kriegerdenkmälern im Braunschweiger Land von Reinhard Bein, die mit schwarz-weiß Fotos von Frontbildern kontrastiert werden, die aus einem zeitgenössischen
Bildband stammen und bearbeitet worden sind. Die Ausstellung eignet sich für Gemeindegruppen, auch für solche, die mit dem Besuch des Hauptfriedhofes verbinden. Es wäre hilfreich, wenn am Eingang des Hauptfriedhofes eine Hinweistafel aufgestellt würde, die auch den Weg zur etwas versteckten Gedenkstätte beschreibt.
* In diesen Zusammenhang gehört eine Broschüre, die ich gerade in meiner Unordnung nicht finde mit Beiträgen von Werner Busch und Werner Heinemann über das Schicksal des Kriegerdenkmals in der Katharienkirche und über den Nachkriegspropst Siegfried Stange.
* Der Ostermarsch am 26. März endete vor der Magnikirche, wo Pfr. Böger noch ein Schlusswort sprach. Damit findet eine Tradition, die mit Magnipfarrer J.H. Wicke begann, dankenswerterweise fortgesetzt.
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