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Zur Neuordnung der gottesdienstlichen Lesungen
von Gerhard Hinrichs
(Download als pdf hier)
Sehr geehrte Frau Jahn.
als Ruhestandspfarrer der ev-luth. Landeskirche Braunschweig bekam ich erst jetzt ein
Exemplar des "Entwurf zur Erprobung" zugesandt. Ich weiß also ,dass die Zeit für
Rückmeldungen am 6. 12.2015 verstrichen ist. Dennoch muss ich mich zu der Neuordnung
des Kirchenjahres äußern. Vielleicht ist ja doch noch etwas zu retten!
1.Wer hat den Unsinn mit der Verkürzung der Zahl der Sonntage nach Epiphanias und
entsprechend die Vermehrung der Sonntage vor der Passionszeit erfunden?
Die Sonntage nach Epiphanias stehen unter dem schönen Gesamtmotto "Er offenbarte seine
Herrlichkeit". Das Evangelium zum 4. So. n. Epiphanias von der Sturmstillung unterstreicht auf
seine Weise wunderschön dies Motto. Ich sehe keine Notwendigkeit, den 4. n. Epiph. zu
streichen.
Statt dessen wird nun ein 5. und ein 4. So. vor der Passionszeit eingeführt. Wir hatten ja immer
schon Schwierigkeit damit, die Sonntage vor der Passionszeit mit den Namen Septuagesimae
und Sexagesimae verständlich zu machen. Sollen die neuen Sonntage jetzt etwa die Namen
"Nonagesimae" und "Octogesimae" bekommen? Unter welches "Gesamtmotto" wollen Sie
diese Sonntage überhaupt subsumieren? Der Titel "Sonntage vor der Passionszeit" ist völlig
unmöglich. Da hätten Sie besser daran getan, die Zahl der Sonntage nach Epiphanias noch
um zwei zu vermehren und dafür Septuagesimae und Sexagesimae ganz zu streichen. Dann
wäre die Sache sauber gewesen und auf die Epiphaniaszeit folgte mit Aschermittwoch sofort
die Passionszeit.
2. Und dann kann ich nicht anders, ich muss auf die entsetzliche Sonntagszählerei "nach
Trinitatis" eingehen. Kein Mensch kann sich darunter etwas Theologisches vorstellen. Wer sich
etwas unter" Kirchenjahr" vorstellen will, der kann nur denken: "Da ist den Theologen nichts
mehr eingefallen, und dann machen sie so einen Zähl-Quatsch!"
Und dabei gab es die schönen Ansätze, die jeder verstanden hätte:
Nach ein paar Sonntagen "nach Trinitatis" oder meinethalben auch "nach Pfingsten" folgen
einige "Sonntage nach Johannis" (24. Juni) und dann einige "Sonntage nach Michaelis" und
damit hätte das Kirchenjahr eine sinnvolle theologische Gliederung nach dem Pfingstfest
erhalten und nicht eine langweilige und unverständliche (festlose) mathematische Zählerei.
Es gab ja bereits Ansätze für eine offizielle Zählung der Sonntage "nach Michaelis". Aber die
ist jetzt gänzlich gestrichen. Und dabei wäre eine Zählung "nach Johannis" auf viel
Verständnis auch bei kirchenfernen Menschen gestoßen, ist doch der 24. Juni als
"Sommersonnenwende" bei vielen Menschen noch im Gedächtnis. Und ebenso der 29.
September: Als Michaelistag oder .Herbstbeginn" ein allen verständlicher Hinweis darauf,
dass jetzt das Jahr seinem Ende zugeht. Das Kirchenjahr ist ja im Grunde eine "Taufe des
Naturjahres ".Was wäre es schön gewesen, wenn das Kirchenjahr auch tatsächlich kirchliche
Inhalte transportieren würde und die unsägliche Zählerei "nach Trinitatis" beendet worden
wäre!
So, das musste mal gesagt werden - und vielleicht gibt es an verantwortlicher Stelle auch
mal vernünftige Theologen, die sich dann für eine sinnvolle theologisch verantwortbare
Neuordnung des Kirchenjahres einsetzen.
Zum Lektionar gäbe es einiges Positive zu sagen:
a) Das Lektionar wird im Gottesdienst von Lektoren benutzt die oft nicht (gut) vorlesen
können.
Und da leider die Pastoren mit den Lektoren das Vorlesen nicht üben, ist im Lektionar ein
Abdruck der Lesungen mit Zeilenfall in Sinnzeilen sehr zu begrüßen.
b) Die "Durchmischung der Predigtreihen" ist zu begrüßen. Ich erinnere mich sehr gut daran,
dass, wenn ein Jahr lang nur über die altkirchlichen Episteln gepredigt werden musste, mir ein
Stein von meinem Pastorenherzen fiel, weil jetzt wieder über Evangelien gepredigt werden
durfte.
c) Neue Wochenlieder - sind z. T. zu begrüßen.
(So ist es aber z. B. schade, dass man für den Michaelistag die Lieder "Heut singt die liebe
Christenheit" und ,"Herr Gott, dich loben alle wir" gestrichen hat - wann soll man die denn
jetzt singen, wo sie doch für diesen Tag gedichtet sind!)
Aber ich will mich nicht in Einzelheiten verlieren. Ich wünsche jedenfalls den an dieser
Neuordnung der gottesdienstlichen Lesungen beteiligten Personen, dass sie
Geistlichen Verstand und Liebe zum Gottesdienst reichlich mitbringen. Amen.
Mit einem freundlichen Gruß - Gerhard Hinrichs.
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