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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 139 - März/April 2016


Zur Reform der Perikopen

von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

Es folgen zwei Beiträge, die ich kurz erklären möchte.
Fachleute diskutieren schon seit Jahren, ob die Lesungen im Gottesdienst überarbeitet werden sollten.
Es geht um die Ausschnitte aus dem Neuen und Alten Testament, die im Gottesdienst vorgelesen werden können und über die auch gepredigt wird. Ausschnitt heißt auf griechisch: perikope. Daher der Fachausdruck: Perikopenrevision.

Ich fand die vorzulesenden Texte von Anfang an viel zu schwer verständlich, besonders die Schlangensätze aus den Episteln des Apostel Paulus. Daher tauschten wir bei den Gottesdiensten in Offleben und Reinsdorf-Hohnsleben viele Texte aus. Es gibt ja im Alten Testament schön anschauliche Texte, die sich beim Hörer rasch in Bilder umsetzen. Wie der junge David dem schwermütigen König Saul auf der Gitarre Lieder vorspielt und den bösen Geist vertreibt. Oder: wie der Profet Elia vor den Augen seines Schülers Elisa auf einem feurigen Wagen zum Himmel emporfährt. Die bildliche Darstellung von Chagall hing im Gemeinderaum. oder: in der Apostelgeschichte wie Paulus und Silas im Gefängnis anfangen, Gott zu loben und dann fangen die Mauern an zu wackeln. Oder: die Geschichte vom verlorenen Sohn. Das und vieles andere kam in den gottesdienstlichen Lesungen damals nicht vor. Also: wir machten uns ein eigenes Lesebuch (Lektionar), da konnte die Gemeinde mitlesen, es wurde auch im Konfiunterricht benutzt und ich schickte es ans Landeskirchenamt. Der zuständige Oberlandeskirchenrat Becker gab seine Zustimmung, wie schon zuvor zu unserer eigenständigen Gottesdienstordnung.

Es sprach sich rum: eine Reform ist überfällig. Und die kam auch vor gut 40 Jahren. 1972. Vieles, was wir in Offleben bereits umgesetzt hatten, wurde nun auf großer Ebene durchgesetzt. Vieles auch nicht. 1995 sollte daher noch mal angesetzt werden. Ich saß mit in dem Ausschuss, der die Reform ausbrüten sollte, aber die Vorschläge waren den lutherischen Bischöfen zu radikal. Sie stoppten das ganze Unternehmen. Einen neuen Anlauf nehmen zur Zeit die Universitätsprofessoren, und schlagen eine „moderate Revision“ vor. Ihr Vorschlag wurde allen Braunschweigern Kirchengemeinden zugeschickt. Die sollten sich dazu äussern. Die allermeisten hatten keine Lust dazu. Das sollten „die da oben“ entscheiden.

Wer ist überhaupt zuständig? Oberzuständig ist der Hörer, der Gottesdienstbesucher. Also; die Gemeinde. Das Recht, über solche Gottesdienstfragen zu entscheiden (lat. das ius liturgicum) liegt bei der Gemeinde. Nicht bei den Bischöfen, nicht bei den Behörden, sondern bei denen, die den Gottesdienst gestalten.

Deswegen mein Rat: Gebt dieses Recht endlich den Gemeinden wieder zurück. Jede Gemeinde sollte also ihr eigenes Lektionar anfertigen.

Wie, wenn man jenen, die im Gottesdienst lesen, zwei Texte zur Auswahl stellte, einen mehr belehrenden und einen anderen mit mehr Handlung – lass die doch entscheiden. Und dann darüber reden und dann vergleichen: wie machen das die anderen Gemeinden, und wie war es früher.
Impulse aus der Behörde? Fehlanzeige. Impulse vom Pröpstekonvent? Fehlanzeige. Impulse aus den Pfarrkonferenzen? Unbekannt. Bei einer Befragung von Pfarrern des federführenden liturgischen Institutes in allen Landeskirchen kam heraus, dass die meisten Pfarrer und Pfarrerinnen (70 %) keine Reform wünschen. Sie wollen ihre Ruhe haben. Auch wenn sie im Gottesdienst unverständliche Texte den Gemeinden wie Backsteine an den Kopf schmeißen. Is mir doch egal. Was hab ich denn davon?
Wenn die Pfarrer sich wenigstens Zeit nähmen, um mit den Lektoren das Lesen zu üben. Ach was, lesen kann doch jeder. Ja ablesen, aber vorlesen? Sodaß es bis in die letzte Kirchenbank dringt? Unnötig, wir haben ja ein Mikrofon. Schwerhörer sollen sich nach vorne setzen.
Die Revision der Perikopen birgt viele Möglichkeiten, einen lebendigen Gottesdienst auf vielen Schultern gemeinsam zu gestalten. Daran besteht allgemein kein Interesse. Dazu beruft man sich auf das anschwellende AMTSbewußtsein.




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