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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 139 - März/April 2016


Trauer-Predigt für Renate Siedentop
(7. Mai 1937 – 28. Februar 2016)

von Werner Busch
(Download als pdf hier)

Liebe Trauerfamilie, lieber Herr Wedekind, Freunde und Wegbegleiter von Renate Siedentop! Mit ihrem Konfirmationsspruch schauen wir in dieser Stunde auf das Leben von Renate Siedentop zurück. Gottes Wort schließt Türen auf und hilft erkennen, dass wir nicht allein sind, dass wir nicht unter uns sind.

Als jugendliches Mädchen hat Renate Siedentop ein Wort aus dem Buch Josua mit auf ihren Weg bekommen. Josua, das ist das Buch des Übergangs. Das Buch zwischen den Zeiten. Nach wunderbaren Anfängen und bevor Israel im gelobten Land zum Staat wurde, erzählt die Bibel davon, wie nach auszehrender Wüstenwanderung die Kinder Israel den Jordan überqueren und ins Land kommen. Die Zeit der Erfüllung beginnt, aber sie beginnt eben als Durchgang, als Wechsel. Erfüllung beginnt ist selbst nicht Stillstand, sondern Weg und Zeit der Veränderung, Zeit für einen Generationen-wechsel. Die Staffel geht in neue Hände, von Mose zu Josua. Und immer wieder von Generation zu Generation.

„Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht, denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“

Renate Siedentop gehörte einer Generation d. Übergangs an. Sie kam am 7. Mai 1937 in Braunschweig zur Welt, im Stadtquartier Bebelhof, sie gehört mit ihrem etwa drei Jahre jüngeren Bruder zur Generation der Kriegskinder. Der Bebelhof wurde ausgebombt und evakuiert. Die Mutter mit ihren zwei Kindern Renate und Uwe ging nach Schöppenstedt zu ihren Eltern. Die Unruhe, Unsicherheit und Gefahr jener Jahre haben die Kinder miterlebt. Die Beziehung zu ihrer Mutter blieb für Renate Siedentop lebenslang ein Anker, lebensprägend. In späteren Jahren hat sie ihre Mutter dann liebevoll gepflegt und auch die Trauerfeier für sie selbst gehalten.

Nach dem Krieg begann für die Generation von Frau Siedentop das Leben neu und man fand seinen Weg, der zugleich im Großen auch ein Weg aus den Trümmern heraus wurde. Ein Übergang in eine andere Zeit. Eine Zeit, in der Renate ihren Konfirmationsspruch bekam: „Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht. Denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“

Renate ging zur Mittelschule in der Haydnstraße, und nach dem Realschulabschluss ließ sie sich zur Kinderpflegerin ausbilden. In einer Zeit des Übergangs von den 50ern an übte Frau Siedentop ihren Dienst aus.

Als ausgebildete Kinderpflegerin kam sie 1960 in die Pauligemeinde und wurde zur Gemeindehelferin weitergebildet. Sie liebte diese Arbeit und erwarb sich noch die Qualifikation für den Religionsunterricht. Frau Siedentop unterstützte den bekannten Pauli-Organisten Helmut Pleuß-Volkmann, der ihr zu einem väterlichen Freund wurde und ihre Liebe zur Musik beförderte und vertiefte. Ein Mädchenchor und ein Mädchenkreis wuchsen in diesen Jahren. Die zugewandte, menschenfreundliche, feine Art von Frau Siedentop sorgte dafür, dass die intensive freundschaftliche Verbundenheit mit so mancher Teilnehmerin auch über die Paulijahre hinaus erhalten und lebendig blieb. Ihre Freundinnen Bärbel Müller und Ingrid Peters waren wichtige Bezugspersonen. Es war geistlicher und menschlicher Reichtum für Frau Siedentop, mit vielen in Kontakt zu sein. Sie pflegte wirklich die Beziehungen und war eine treue Seele.

Darf man darin ein Indiz für diese Zusage sehen, die im Konfirmationswort zugesprochen war: „Der Herr ist mit dir in allem, was du tun wirst“? Gott lässt sich ja nicht so gerne in die Karten schauen, und unsere Lebenswege sind nie ganz eindeutig nur Segen. Aber die Gottesworte der Bibel machen uns Mut, auf unseren Lebenswegen solche Indizien und Spuren zu suchen. Indizien und Spuren, die uns zeigen, dass Gott mit uns ist, dass wir nicht allein und nicht unter sind.

Es ist für die damalige Zeit schon etwas sehr besonderes gewesen, dass Renate Siedentop als Frau im diakonischen Amt von Landesbischof Heintze im Jahr 1981 ordiniert und als Pastorin eingesetzt wurde. Es war eine Zeit des Übergangs auch für unsere Landeskirche. Eine Zeit, in der man beherzt und tapfer sich in neue Strukturen und Aufgaben hineinbegab, nach vorne dachte und gestaltete. Mehr Demokratie und Gleichberechtigung auch in der Kirche. „Sei getrost und unverzagt.“ Und das spiegelte sich im beruflichen Werdegang von Renate Siedentop wieder. Sie ging mit großem Engagement, Tatkraft und Freude an der Arbeit in ihre erste Pfarrstelle nach Altwallmoden.

Nach einigen Jahren wechselte Frau Siedentop in die Pfarrstelle für Geistig - Behinderte Menschen in Braunschweig. Sie hatte ein Herz für Menschen, die von der Allgemeinheit weniger Aufmerksamkeit bekommen.

Ich habe Frau Siedentop vor ein paar Jahren hier auf dem Evangelischen Hauptfriedhof kennengelernt. Sie war eine treue Begleiterin der kirchlichen Beisetzungen für die sogenannten „Unbedachten“, für Menschen ohne Familie, ohne Hinterbliebene. Das darf nicht sein, dass ein Mensch unbedacht und ungeehrt einfach verschwindet. Deshalb ging Frau Siedentop als ehrenamtliche Mitarbeiterin des Hospizes fast jedes Mal mit.

Im Jahr 1997 endete ihre Berufstätigkeit. Das ist Frau Siedentop schwergefallen. Sie hatte so manche dunkle Stunde gehabt. „Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht …“ Auch diese Gefühle kannte Frau Siedentop.

Regelmäßige Urlaube in Griechenland mit den Söhnen Pleuß-Volkmanns und besonders mit ihrer Nichte, die gerne mit ihrer „Tanti“ nach Madeira und Rom gefahren ist. In die Sonne, in die Wärme, das tat gut.

Ein später aber umso schönerer Segen wurde Frau Siedentop in den letzten 3 ½ Jahren ihres Lebens zuteil. Johannes Wedekind und sie kannten sich schon aus den Paulijahren, doch erst jetzt fanden sich beide und teilten das Leben miteinander. „Der Herr ist mit dir.“ Eine schöne Zugabe auf der letzten Wegstrecke, die viel zu kurz geblieben ist. Das Leben von Renate Siedentop endete abrupt. Sie war immer dagegen zu sagen, dass man im hohen Alter angeblich „plötzlich und unerwartet“ sterbe. Aber abrupt war es doch. Mitten aus dem Alltag heraus. Eine Verabredung, die Bügelwäsche, es war alles wie immer und sollte noch so weiter gehen, auch wenn die Kräfte schon ein wenig abnahmen.

Ein schwerer Schlag für ihren Lebenspartner und für ihre Angehörigen. Nun sind wir hier am Sarg von Frau Siedentop. Nun werden wir die Hörer und Adressaten ihres Konfirmationsspruchs. „Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht. Denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“

Wir kennen noch einen anderen Josua, Joshua. Von ihm her bekommt die alte Zusage noch einmal einen neuen Sinn und vor allem: eine Kraft, gegen die auch der Tod nicht mehr ankommt. Wir schauen auf das Kreuz Jesu, der als Gottessohn und Menschenbruder in unsere Todeswelt hinabgestiegen ist. Selbst der Tod ist durch Jesus kein Ort mehr ohne Gott. Selbst dort sind wir nicht mehr allein. Hören wir’s vom Kreuz Jesu her heute am Sarg von Renate Siedentop: „Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht. Denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem.“ Ihm vertrauen wir heute Renate Siedentop an. Ihm vertrauen wir auch uns selbst an, für die Zeit, die vor uns liegt, für die Wege, die wir gehen werden. Es werden Wege sein, auf denen wir nicht allein sein werden. Und nicht unter uns.

Amen.




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