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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 140 - Dezember 2016


Unsere wunderbare neue Ablaßwelt

von Werner Heinemann
(Download als pdf hier)

1517 sahen die Menschen bedrohliche Himmelszeichen, die auf ein baldiges Ende der Welt hinzudeuten schienen. Vor den Toren standen nach dem Fall Konstantinopels die Türken, zum Sprung ins Herz des christlichen Abendlandes bereit. Mißernten und Krieg verheerten das Land und die apokalyptischen Reiter säten Tod und Verderben. Während Adel und hoher Klerus praßten, bevölkerten pauperisierte Ströme von Menschen Straßen und Plätze, voll dumpfem Ingrimm gegen das weltliche und geistliche Regiment. Kirchlicherseits bestellte Bußprediger durchzogen das Land und riefen zur tätigen Reue und Umkehr auf. Sie förderten das Verlangen der Menschen nach Nachlaß ihrer Sündenstrafen und besaßen dafür ein höchstgeistlich abgesegnetes Mittel: Den Ablaß. Sein Erwerb versprach Nachlaß auf die Zeit im Fegefeuer, er war die Vollkaskoversicherung für das Jenseits. Ein dummer Tropf, ja Unbelehrbarer, wer da nicht durch Geld und gute Werke das Siegel für den Eintritt in die Seligkeit erwarb.

2017 erscheint es vielen, daß die Welt aus den Fugen gerät. Den globalisierten Konfliktaustragungen der Großmächte mittels ihrer Stellvertreter durch Drohungen, Kriege und Eroberungen stehen die supranationalen Institutionen der UNO hilflos gegenüber. Islamistischer Terror frißt sich weltweit in die zivilisierten Gesellschaften. Das Hoffnungsprojekt Europäische Union tief zerstritten. Warnungen vor dem Weltuntergang durch menschengemachten Klimawandel durchziehen die Klassenzimmer, den öffentlichen und privaten Raum. Der inthronisierte Weltklimarat wirft mit flammender Schrift die 2 °C –Begrenzung an die Wand. Wehe uns: Furzende Kühe und Plastiktüten gefährden unsere Lebensgrundlage.

Und so sind die neuen Bußprediger unterwegs, die uns auf den tugendhaften Weg der ökologisch einwandfreien Lebensweise zurückführen möchten . Und so, wie es dem Weltrettungsministerium in Berlin nicht genügt, daß Deutschland mit gerade mal 2,3 % am weltweiten Emissionsausstoß beteiligt ist, so eifrig eifernd dröhnt uns von Pulten, Kathedern und Kanzeln die ökologische Umkehrmelodie entgegen. Und wenn nicht freiwillig, dann per Gesetz.

Und das Absolvierungsmittel wird gleich mit geliefert: Das zertifizierte Ökosiegel! Das ist der neue Ablaß, der uns den Einlaß in die bessere, weil nachhaltige Welt gewährt. Es befreit von Schuldgefühlen und ist die Mitgliedskarte im Klub der Tugendhaften. Seine Nutzung reduziert die Last des Umweltsünders, scheidet die Verantwortungsvollen von den Verantwortungslosen, die Guten von den Bösen.

An Ablässen herrscht kein Mangel. Jährlich gibt es neue, wie z.B. das FSC-Siegel für Holzprodukte, das Energy-Label der GED, das Zeichen EnergieVision, ok-Power,Worldwide Green oder Grüner Strom Label e.V., das VCD-Siegel der Auto-Umweltliste, Viabono für umweltverträglichen Tourismus, Naturtextil, EU-Öko-Siegel für ökologischen Landbau, Bioland, Ecovin, Naturland, Demeter, Biokreis, Biopark..usw.usf.

Oh, wie schön haben wir uns in der versiegelten Ablaßwelt eingerichtet und wallfahren doch nach immer weitergehenderem Sündenerlaß - koste es was es wolle.

Kann es Zufall sein, daß diese glückselige neue Ablaßpraxis ausgerechnet im Land der Reformation so viel Zulauf erhält ?

PS: Hiermit mache ich im voraus schon mal den Böhmermann: Alles nur Satire. Wirklich ?




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