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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 140 - Dezember 2016


Stellungnahme der 56 kirchlichen Mitarbeiter vom November 2016

zur Dokumentation der Causa Propst Armin Kraft
(Download als pdf hier)

Die Vorwürfe gegen Propst i.R. Armin Kraft bezüglich der Annahme von Geldgeschenken haben grundsätzliche Fragen aufgeworfen, zu denen die unterzeichnenden Pfarrerinnen und Pfarrer, Mitglieder von Kirchenvorständen und Gemeindeglieder der Ev.-luth. Kirche wie folgt Stellung nehmen.

Zunächst halten wir es für wichtig festzuhalten, dass Armin Kraft die Annahme großzügiger Geldgeschenke von einer Dame, die ihn in dienstlichen Zusammenhängen kennengelernt hat, selber nicht bestreitet. Strittig ist die konkrete Bewertung seines Falls, insbesondere der Charakter der Beziehung zu der betreffenden Frau, die ihm große Geldsummen schenkte. Wir maßen uns – auch angesichts der neueren Entwicklung in den Medien – nicht an, diesen Fall in seinen Einzelheiten abschließend bewerten zu können, und wir bejahen und achten selbstverständlich den Schutz der Persönlichkeitsrechte unseres Mitchristen und Kollegen Armin Kraft. Dass die Verjährung ein auch im allgemeinen Recht übliches juristisches Instrument zur Herstellung von Rechtssicherheit ist, soll mit unserem Beitrag ebenfalls nicht abgewertet werden. Im Kern dieser Sache geht es aber nicht allein um einen juristischen Einzelfall, sondern auch um das Ansehen der evangelischen Kirche, die Glaubwürdigkeit ihres Dienstes am Evangelium für die Menschen in Stadt und Land und um die Integrität der Gemeinschaft in unserer Kirche. Daher halten wir es für notwendig, dass zu den bisherigen primär juristisch geprägten Erklärungen von kirchenleitender Seite auch einige weitere, geistliche Aspekte öffentlich zur Sprache gebracht werden.

Die Pfarrerinnen und Pfarrer unter den Unterzeichnenden machen deutlich: Es gehört nicht zu unserem Berufs-Ethos und auch nicht zu unserer Praxis, aus Kontakten, die durch unsere seelsorgerliche Arbeit entstehen, materiellen Vorteil zu ziehen, sowie über Menschen, die uns in unserem Dienst anvertraut sind oder waren, öffentlich herabwürdigend zu reden. Dass dies im genannten Fall dennoch geschehen ist, bedauern wir sehr und hoffen, dass Propst i.R. Kraft einen Weg findet, dies möglichst wieder gut zu machen. Es ist auf Grund einiger seiner Äußerungen zudem der Eindruck entstanden, uns Pfarrerinnen und Pfarrern seien persönliche Geldgeschenke erwünscht. Wir stellen klar, dass unser Gehalt uns ein gutes finanzielles Auskommen und damit auch eine persönliche Unabhängigkeit ermöglicht. Diese Unabhängigkeit ist für uns ein hohes Gut, das wir in einem gewissenhaften Dienst schätzen und pflegen und nicht durch Annahme von Geldzuwendungen gefährden.

Den Unterzeichnenden ist wichtig, folgendes deutlich zu machen: Die Annahme von persönlichen Geldgeschenken im Zusammenhang mit dem Seelsorge- und Verkündigungsdienst wäre schädlich für das geistliche Leben in unserer Kirche; sie würde der Freiheit des Gewissens und der Botschaft von der freien Gnade Gottes widersprechen. Sie ist keine übliche Praxis in unseren Gemeinden und Einrichtungen und wir werden weiterhin darauf achten, dass das so bleibt.
Wir geben der Öffentlichkeit zur Kenntnis: Die Spendenbearbeitung als Teil der Finanzverwaltung ist in unseren Gemeinden und Einrichtungen bis ins Einzelne geregelt und unterliegt verschiedenen wirksamen internen und externen Kontrollen (z.B. Spendenbescheinigungen, Finanzprüfungen). Unsere Kirche unterhält dafür professionell arbeitende Verwaltungsämter, die uns darin unterstützen und kontrollieren. Es wird penibel darauf geachtet, dass keine persönliche Bereicherung stattfindet und eingehende Spenden ihrer kirchlichen Zweckbestimmung vollständig zugeführt werden. Wir sind dankbar für die Genauigkeit, in der das geschieht, und dass dadurch die Verantwortlichen von unberechtigten Verdächtigungen entlastet werden.

Durch die hier skizzierten Grundsätze, Strukturen und Verfahrensweisen bleibt die seelsorgerliche Zuwendung frei von jeder direkten privaten Entlohnung oder größeren Anerkennungszuwendungen und bewahrt so auch die Integrität dieser besonderen zwischenmenschlichen Beziehungen in der Kirche.

Wir sind schockiert, dass durch den derzeit diskutierten Fall der Eindruck entstanden ist, dass es in unserer Kirche anders zugehe. Wir beobachten und erleben in diesen Tagen, dass dadurch nicht nur unbescholtene Pfarrerinnen und Pfarrer, sondern darüber hinaus auch gewissenhafte kirchliche Angestellte sowie viele treue Gemeindeglieder und engagierte ehrenamtlich Mitarbeitende unberechtigt in große Verlegenheit gebracht und ohne eigenes Verschulden sehr beschämt werden. Wir schließen uns der Erklärung unseres Landesbischofs Dr. Christoph Meyns vom 16.11.2016 ausdrücklich an und bitten die Öffentlichkeit und alle, die unsere Kirche kritisch begleiten, auch bezüglich der hier von uns dargelegten Aspekte um Augenmaß und Fairness.


Unterzeichner:
Pfarrerin Birgit Adolph, Pfarrer Reinhard Arnold, Pfarrerin Wiltrut Becker, Pfarrerin Andrea Below, Pfarrer Ulf Below, Pfarrer Eckehard Binder, Ulrike Block--von Schwartz (ehem. Vorsitzende der Propsteisynode BS), Pfarrer Henning Böger, Pfarrer i.R. Jörg Borchardt, Margrit Beddies, (Kirchenmitglied), Pfarrer Werner Busch, Pfarrer Thomas Capelle, Pfarrerin Ulrike Dedekind, Pfarrerin Susanne Duesberg, Pfarrer i.R. Herbert Erchinger, Pfarrerin Ute Ermerling, Pfarrer Martin Feuge, Pfarrer Dirk Glufke, Pfarrerin Melanie Grauer, Diakon Siegfried Graumann, Pfarrer Jürgen Grote, Pfarrer Reinhard Guischard, Ulrich Hauswaldt (KV), Werner Heinemann (KV), Pfarrer i.R. Ulrich Hesse. Pfarrer Wolfgang Jünke, Propst i.R. Klaus Jürgens, Pfarrer Arnold Kiel, Pfarrerin Dr. Christel Kiel, Kerstin Kuschnik (KV), Pfarrer Heiko Lamprecht, Pfarrer Nikolaus Lorenz, Pfarrer Sebastian Maurer, Pfarrerin Almut Mensen-Etzold, Pfarrer Klaus Meyer, Pfarrer Jens Paret, Pfarrer Ulrich Müller-Pontow, Pfarrerin Sabine Prunzel, Marliese Raschick (Kirchenmitglied), Ingrid Rathke-Schroeder (KV), Pfarrer Heiner Reinhard, Pfarrerin Dagmar Reumke, Susanne Schulz-Klingner (KV), Pfarrerin Melanie Schwerdtfeger, Pfarrerin Christina Sindermann, Dr. Volker Ssymank (KV), Professor Dr. Thomas Sonar, Pfarrerin Hanna Stöckmann Wrede, Pfarrer i.R. Dr. Wilfried Theilemann, Pfarrer Jakob Timmermann. Pfarrer i.R. Joachim Vahrmeyer, Pfarrer Thomas Waubke, Pfarrer Stefan Werrer, Pfarrer Andreas Werther, Pfarrer Peter Wieboldt, Pfarrer i.R. Ulrich Winn.





Dazu Anmerkungen von Dietrich Kuessner:
Diese Stellungnahme ist vom Pfarrer an St. Katharinen Werner Busch initiiert worden.
Sie ist in kurzer Zeit von 56 kirchlichen Mitarbeitern unterzeichnet worden. Es ist das erste Mal seit 16 Jahren, dass überhaupt auf diese Weise wieder eine kirchliche Äußerung zustande gekommen ist.
Es haben unterzeichnet 35 aktive Pfarrerinnen und Pfarrer, zehn emeritierte Pfarrerinnen und Pfarrer, ein Diakon, zehn Kirchenvorsteherinnen Kirchenvorsteher und Gemeindemitglieder.

Die Unterzeichnenden stammen meistens aus der Propstei Braunschweig, aber auch aus zahlreichen anderen Propsteien, aus Stadt und vom Lande, von unterschiedlicher theologischer Coleur. Die Liste kann durchaus als gewisser Querschnitt verstanden werden.

Diese Unterschriftenliste ist offenbar als befreiende Möglichkeit empfunden worden, sich überhaupt zu dem die Öffentlichkeit aufwühlenden Vorgang um Propst i.R. Kraft außerhalb der zahlreichen Leserbriefe zu äußern. Sie bot auch die Möglichkeit, differenziert zu argumentieren. Auch deshalb ist die Initiative von Pfarrer Busch gerne und zahlreich aufgenommen worden. Der BZ ist für die Veröffentlichung sehr zu danken.
Die Unterzeichnern vermissten unter den bisherigen Stellungnahmen „die geistlichen Aspekte“. Sie wünschten eine Art „Wiedergutmachung“ durch Propst i.R. Kraft.

Der durchgehende apologetische Ton der Erklärung ist aber auch auf Kritik gestoßen gemäß dem Motto: Wer sich verteidigt, klagt sich an.
Durch den solidarischen Schlusssatz ist die kirchenpolitische correctness gewahrt.
Für mich ist die Erklärung ein schönes zeitgemäßes Dokument von der Freiheit eines Christenmenschen.
Pfr. Busch wird sicher noch Gelegenheit erhalten, die Initiative im Landeskirchenamt zu erläutern.




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