Kirche von unten:
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Cyty - Glaube
von Dietrich Kuessner
(Download des gesamten Textes als pdf hier)
Die niedrige Zahl der Amtshandlungen ist ein Hinweis auf die Massenflucht vor den Fliegerangriffen aus der Stadt auf das Land, die systematische Evakuierung der Jugend in den Harz, auf den Zusammenbruch des zivilen Umgangs und die immer schwieriger werdende Vornahme von Amtshandlungen. Pastor Henneberger erkrankte, nachdem er und seine Frau einen Bombentreffer im Keller des Hauses Bismarckstr. 1 am 10.2.1944 zwar überlebt hatte, aber nicht mehr dienstfähig war. In der Zeit vom 11.2. – 11.3. 1944 begrub Pastor Schwarze 76 Gemeindemitglieder. Die Gemeindearbeit beschränkte sich auf Bestattungen und vom Alarm ständig unterbrochene und wieder aufgenommene Gottesdienste. Der große Kirchenraum, die Sakristei und ein Konfirmandensaal der Paulikirche waren mit Möbel und Hausrat vollständig vollgestellt. „Im Konfirmandensaal hielten wir unsere Gottesdienste, oft genug gestört durch Luftwarnung, sogar am Heilig Abend 1944. Die Getreuen kamen nach der Entwarnung, wenn der Alarm nicht gar zu lange währte, oft noch zu einem kurzen Gottesdienst zusammen“, schrieb Pastor Schwarze in die Chronik. Die Zerstörung der Innenstadtkirchen und des Marienstiftes, die historisch beispiellose Verwüstung der Innenstadt nach dem Angriff vom 14.10.1944, beendeten zum größten Teil die Gemeindearbeit. Die Kirchenbücher wurden am 15. März in das Salzbergwerk Grasleben verbracht. Der Transport vor Ort erfolgte durch gefangene Russen. Die Frage nach dem Sinn des Krieges Die Frage nach dem Sinn des Kriegsverlaufs und nach dem Sinn der größer werdenden Zahl der Gefallenen wurde von den Familienangehörigen gestellt und in den besonderen Gedächtnisgottesdiensten beantwortet, die in der ganzen evangelischen Kirche und auch in der Pauligemeinde von den Pfarrern Henneberger und Schwarze meist gemeinsam gehalten wurden. „Die Listen mit den Namen der Gefallenen, die zur Verlesung kamen, wurden immer länger. Zu den im Felde Gefallenen kamen die Opfer in der Heimat durch die Luftangriffe“, schrieb Schwarze 1946 in die Kirchenchronik. Der Opfergedanke wurde das zentrale Entlastungsthema: die gefallenen Männer wären Opfer der Feinde, die Ausgebombten verstanden sich als Opfer der Luftangriffe, die als „Terror“ definiert wurden. In diesem Opferverständnis wurden in den offiziellen Predigthilfen der Opfertod Jesu und dessen Unschuld und Gehorsam mit der Unschuldigkeit und dem Gehorsam der deutschen Soldaten und dem gehorsamen Ausharren der ausbombardierten Braunschweiger in Zusammenhang gebracht. Ein anderer theologischer Begriff diente zur weiteren Sinngebung. OLKR Röpke sah in der Wendung des Krieges eine „Heimsuchung“, eine „Prüfung des Glaubens“, die es zu bestehen gelte. Beide Begriffe erwiesen sich als tiefgreifend und wirkungsmächtig, denn sie konnten auch nach dem Krieg noch weiter verwendet werden und verhinderten die naheliegende Frage nach den Gründen für den Ausgang des Krieges. Die Wurzel dieser schwer verständlichen theologischen Verirrung, die nicht nach Einsicht, Schuld und Buße fragte, lag bereits in dem Charakter der Gedächtnisgottesdienste für die Gefallenen vor 1945. Zum Teil 7: Die Nachkriegszeit 1945 - 1949 |