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Die Geschichte der Revision der biblischen Lesungen (Perikopen)

im Gottesdienst der Braunschweigischen Landeskirche
in den Jahren 1852 - 1950

Die Perikopenrevision in der Generalinspektion Blankenburg

Die nachfolgende Tabelle nennt die Verhältnisse der Generalinspektion Blankenburg nach den Angaben des Pfarrerverzeichnisses von 1845:

 

Die Pfarrerschaft der Generalinspektion Blankenburg

Die Pfarrerschaft der Spezialinspektion Blankenburg

 

 

 

Dienst

 

 

 

geb.

gest.

Dienstort

Einw.

Eink.

Ack.

Beginn

Ende

Seiten

Schmidt

Friedrich

1792

1860

Timmenrode

616

1032

190

1830

1860

3

Münck

Theodor

1805

1888

Wienrode

384

780

105

1843

1855

3h

 

 

 

 

Altenbrak

358

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwigshütte

bei Alt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tresebnurg

130

 

 

 

 

 

Lehmann

Christian

1808

1882

Börnecke

715

510

78

1851

1860

3h

Niemeyer

August

1803

1883

Heimburg

910

841

135

1848

1883

3h

Pockels

August

1794

1857

Benzingerode

660

1454

223

1847

1857

4

Dreyhaupt

Carl

1792

1867

Hüttenrode

1020

576

11

1830

1867

1

 

 

 

 

Neuwerk

452

 

 

 

 

 

Hoffmeister

August coll

1815

1895

Blankenburg

3159

295

 

1847

1855

3

Lentz

Carl

1798

1867

Blankenburg

 

1408

155

1843

1867

 

 

 

 

 

Michaelstein

 

 

 

 

 

 

Frölling

Julius

1804

1879

Blankenburg

 

1002

31

1838

1879

 

Damköhler

Christian

1780

1854

Cattenstedt

512

901

162

1820

1854

 

Die Pfarrerschaft der Spezialinspektion Hasselfelde

 

 

 

Dienst

 

 

 

geb.

gest.

Dienstort

Einw.

Eink.

Ack.

Beginn

Ende

Seiten

Becker

Johann

1804

1857

Stiege

1265

554

48

1847

1857

2

v.- Hartz

August

1801

1891

Hasselfelde

2214

801

60

1839

1880

5h

Rose

Heinrich

1816

1885

Hasselfelde

 

801

60

1848

1852

24

Rudeloff

Ferdinand

1805

1877

Trautenstein

540

374

14

1843

1858

7

 

 

 

 

Grünthal

12

 

 

 

 

 

Betke

Carl

1805

1867

Tanne

865

385

9

1848

1856

3h

Marre

Wilhelm

1807

1862

Allrode

743

357

28

1843

1863

2

Die Pfarrerschaft der Spezialinspektion Walkenried

 

 

 

Dienst

 

 

 

geb.

gest.

Dienstort

Einw.

Eink.

Ack.

Beginn

Ende

Seiten

Schneider

Friedrich

1806

1881

Walkenried

570

519

2

1843

1856

3

 

 

 

 

Neuhof

285

 

 

 

 

 

Schröter

Gottlieb

1803

1893

Wieda

1590

398

2

1837

1855

2

Degener

Carl

1806

1893

Hohgeiß

1121

340

o

1842

1856

4

Timmler

Eduard

1807

1885

Braunlage

1108

369

0

1849

1867

 

Drewes

Wilhelm

1819

1879

Zorge

1454

397

0

1851

1860

 


Carl Lentz gehörte zu einem alteingesessenen Braunschweiger Pastorengeschlecht. Sein Großvater Paul war Superintendent in Salzdahlum, sein Vater Ernst Generalsuperintendent in Wolfenbüttel und nun er seit 1843 mit 45 Jahren Generalsuperintendent in Blankenburg.
Schon am 12. September 1848 ließ Lentz die Mitglieder der Inspektionssynode kurz über das Echo zur Perikopenrevision diskutieren. Das war ein Anstoß, dass sich die Amtsbrüder überhaupt mit dem Thema beschäftigen sollten. Denn das Hauptthema dieser Septembersynode war die politische Predigt. Wie üblich hatten sich die Pfarrer vor der Synode zu verschiedenen Fragen schriftlich zu äußern. Eingangs gab Lentz seiner Freude darüber Ausdruck, "dass in der politisch aufgeregten Zeit auch nicht ein Einziger zu Extravaganzen sich hat hinreißen lassen, vielmehr die Meisten zur Erhaltung von Ruhe und Ordnung und Gesetzmäßigkeit verständig und erfolgreich mitgewirkt haben."
Die von Lentz vorgelegte Frage lautete. "Ist es dem evangelischen Geistlichen erlaubt, oder etwa zu empfehlen oder wohl gar von ihm zu fordern, in den gewöhnlichen Sonn- und Festtagspredigten (abgesehen von besonderen Casualfällen, Landtagspredigten, Huldigungspredigten u.s.w.) Gegenstände der politischen Tagesgeschichte zu berühren? Welche nothwendige Schranke muß dabei immer gehalten werden u. welche Regeln der Pastoralklugheit sind für die Behandlung solcher Objekte zu befolgen?" Das war in der politisch stürmischen 48er Zeit eine beachtliche Herausforderung für die Blankenburger Pfarrer. Das Protokoll vermerkt eine lebhafter Debatte und dass alle 13 Pfarrer unbedingt der Ansicht seien, "dass es dem Prediger erlaubt sei (erlaubt unterstrichen), in seinen Predigten politische Zeitfragen zu berühren, wozu nur an das Beispiel Jesu und der Apostel erinnert zu werden brauche".

Eine straffe Führung scheint im Blut zu liegen, es lagen 1852 17 Arbeiten vor, lediglich drei Pfarrer hatten keine Arbeit abgeliefert. In keiner der sechs Generalsuperintendenturen war die Bereitschaft zur Mitarbeit so dicht.
Lentz hatte alle Arbeiten gelesen und sie inhaltlich in einer mehrseitigen Synopse zusammengestellt und auch seine eigene Stellungnahme eingefügt. Vorangestellt waren die Fragen nach dem Schreiben Hilles und alle Antworten mit einem knappen Ja oder Nein gekennzeichnet, auch mal mit einem Satz charakterisiert.
Frage 1: Soll überhaupt mehr als ein Jahrgang von Perikopen gebraucht werden. 15 ja, Timmler nein, es soll nur die zweite Reihe gelten.
2. Ist man mit dem Entwurf in der Hauptsache einverstanden: alle 16 ja
3. Werden die Veränderungen mit den alten Perikopen gebilligt? 12 Ja, eine Enth. "Sie empfehlen sich von selbst" (A. Niemeyer), "ja, denn sie sind gering und mit Vorsicht vorgenommen" (Th. Münck), "ja , manche sind wesentliche Verbesserungen zu nennen" (F. Schmidt), Lentz: nein, es scheint angemessener, die älteren Perikopen unberührt zu lassen.
E. Timmler, der sich von der älteren Perikopenreihe völlig trennen will, nannte keine Gründe. Er hatte seine Predigtstelle in Braunlage auch erst 1849 angetreten.
Eine Konsonanz der Lesungen fanden 12 wichtig. Zurückhaltend fielen die Antworten bei der Frage aus, ob die Prediger die Jahrgänge "willkürlich" gebrauchen dürften. Darauf antworten nur sechs mit Nein. P. Schmidt meint: "Ordnung vorschreiben, aber ohne bindende Strenge" und P. Rudeloff ganz liberal: "Ein jeder schreibe sich selbst seine Ordnung und halte sie".
Wegen seiner Länge von 24 Seiten fiel die Arbeit von Heinrich Rose, P. coll. in Hasselfelde, aus dem Rahmen. Er gehörte neben P. Drewes mit seinen 36 Jahren zu den Jüngsten und hatte kaum Predigterfahrung.

Bei der umstrittenen Frage, ob die sechs Passionssonntage noch je ihr eigenes Gesicht haben oder vor allem Texte aus der Passionsgeschichte enthalten sollte, entschied sich die Mehrheit für ein eigenes Gepräge, aber es wurde auch der Wunsch laut nach einer eigenen Passionsreihe, die in Nebengottesdiensten verwendet werden konnte.

Der Generalsuperintendent meldete sein Interesse bei dieser Frage und schlug selbst gewählte Bibeltexte für zwei Reihen an den Passionssonntagen vor. Er fügte sogar noch einen Vorschlag für eine 3. Reihe unter dem Gesichtspunkt des siegenden Christus an.
"Invokavit: Marc 14, 60-62 Christus feiert seinen Sieg.
Lätare Joh 17, 4-7 die fromme Begeisterung, die zum Siege führt.
Judica Apg 2, 3b das Denkmal des Sieges.
Palmarum 1. Kor. 5,55 Die Siegespsalme, welche Christus noch jetzt darreicht.
Karfreitag Joh. 14 27 Der Friede nach dem Sieg."
Dieser aparte Vorschlag gibt vermutlich einen Einblick in die Wahl von freien Texten, die der Generalsuperintendent bereits in der Passionszeit ausprobiert hatte.

Andere Einzelvorschläge waren beachtlicher:
P. Münck schlug für den Sonntag Rogate als Predigttext das Vaterunser vor, vom 4. Sonntag nach Trinitatis und den folgenden Sonntagen sollte die Bergpredigt ausgelegt werden. So sah es auch der Vorschlag des Konsistoriums vor.

P. Pockels hielt die Wahl des Textes am 17.S. n.Tr. "nicht glücklich für unsere Zeit,". Der Text schildert, wie Jesus die Sabbathordnung durchbricht. Heutzutage sei "vielmehr die Beachtung der Sabbath-Ordnung einzuschärfen."

Sup. Schneider: wenn über das neue Evangelium gepredigt wird, verlese man das alte am Altar.
Dem Perikopenanhang möge auch eine Zahl guter Gesänge beigegeben werden.

P. Rudeloff schlug einen Paulus-Gedenksonntag vor.

Rector Rose: bat um Aufnahme des Totenfestes am Ende des Kirchenjahres.

Alle wünschten einhellig den baldigen Druck der neuen Perikopenordnung, "da einmal das Nachlesen derselben während des Verlesens von der Kanzel noch bei den meisten Kirchenbesuchern Sitte und gewiß eine löbliche Sitte ist," so P. Timmler aus Braunlage.

Übersicht von Generalsuperintendent Lentz

Die erste Seite der handschriftlichen Übersicht von Generalsuperintendent Lentz über die Arbeiten der Pfarrerschaft. In der zweiten Spalte zitiert er oben die erste Frage, in der dritten Spalte oben die zweite Frage.


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Impressum, http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/Perikopen/, Stand: Dezember 2016, dk