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[Kirche von unten]

Die Geschichte der Revision der biblischen Lesungen (Perikopen)

im Gottesdienst der Braunschweigischen Landeskirche
in den Jahren 1852 - 1950

Schlussbemerkungen

Diese kirchenhistorische Skizze will sich einschalten in die gegenwärtige Diskussion der laufenden Perikopenrevision. Sie gibt einen kirchenhistorischen Einblick in die Perikopenarbeit einer kleinen Landeskirche von 1852-1950.

Die Pfarrerschaft der Braunschweigischen Landeskirche beteiligte sich außergewöhnlich lebhaft an der Mitarbeit der gemäßigten Perikopenvorlage des Herzoglichen Konsistoriums im Jahre 1848, obwohl der Zeitpunkt für eine intensive Mitarbeit aus Sicht der Pfarrerschaft eigentlich sehr ungünstig war.

Durch den ausführlichen Fragenkatalog, den Konsistorialrat Abt Hille den Pfarrern vorlegte, erleichterte das Konsistorium die Mitarbeit und Beantwortung.

Die große Mehrheit der Pfarrerschaft begrüßte eine zweite Perikopenreihe als Lese- und Predigtreihe. Allerdings meldete eine konfessionell-lutherische Minderheit schwerwiegende Bedenken gegen jede Änderung der traditionellen Perikopenreihe an. Eine andere, liberale Minderheit schlug hingegen weitergehende Änderungen an der Perikopenreihe vor.

Die Stellungnahmen der Pfarrer geben einen lebendigen Einblick in die Predigtpraxis und in die mitwirkenden, mitlesende Gottesdienstgemeinde.

Das Konsistorium kam der lutherischen Minderheit entgegen und nahm die vorsichtigen Änderungen an der traditionellen Perikopenreihe zurück, bestand jedoch auf der Einführung einer zweiten Perikopenreihe. Diese geänderte Form wurde auf der ersten Landessynode 1872 angenommen und in der Gesangbuchgausgabe 1874 zum Mitlesen der Gemeinde ausgedruckt.

Die Eisenacher Kirchenkonferenz schlug 1896 neben zwei Reihen eine dritte Reihe mit alttestamentlichen Texten vor. Diese dritte Reihe fügte das Konsistorium den beschlossenen zwei Perikopenreihen an und ließ sie in den folgenden Gesangbuchausgaben ab 1902 ausdrucken.

Diese drei Perikopenreihen, zwei neutestamentliche und eine alttestamentliche, begleiteten die Gemeinden durch den schwierigen Neuanfang 1918/1923, die aufsteigende Weimarer Periode, die Versuchungen und Anfechtungen der nationalsozialistischen Zeit und das Gottesgericht 1944/45 und bewährten sich.

Es war ein schwerer Eingriff in die gewachsene und bewährte Perikopenreihe, dass die lutherische Generalsynode 1946 auf Vorschlag von OLKR Christhard Mahrenholz die zweite Perikopenreihe und die alttestamentliche Reihe aus der bewährten Perikopenordnung ausmerzte und die Braunschweigische Landessynode diesem Vorschlag folgte.

Das Gesangbuch von 1992 hatte den Eingriff von 1949 beseitigt und wieder drei Reihen für jeden Sonntag, begonnen mit einem a.t.Text, für die mitlesende Gemeinde zum Abdruck gebracht.
Dabei sind manche Anregungen aus der Reformdebatte in der Braunschweigischen Landeskirche von 1852 aufgenommen worden. Es wäre der gegenwärtigen Debatte um eine Perikopenrevision zu wünschen, dass die Perikopen als ein hohes Kulturgut wieder in das Bewusstsein der Gemeinden treten würde.


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Impressum, http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/Perikopen/, Stand: Dezember 2016, dk