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[Kirche von Unten]

Die Evangelische Kirche und der Russlandfeldzug

von Dietrich Kuessner

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Die Bindung der evangelischen Pfarrerschaft an Person und Amt Adolf Hitlers

„Gegenströmungen und Lichtblicke“ sind die Ausnahmen und können nicht dem Schluß dieser Darstellung bilden. Bis zum Kriegsende wirksam blieb ein bisher aus Scham und Ratlosigkeit ungeschriebenes Kapitel der neueren Kirchengeschichte: Die Auswirkungen der Bindung der überwiegenden Mehrheit der evangelischen Pfarrerschaft an Person und Amt Adolf Hitlers. Durch das unter evangelischen Theologen weit verbreitete Verständnis vom Staat als einer Ordnung Gottes, die dem Chaos wehren soll und der dazu das Schwertamt gegeben sei, galt auch die Regierung Hitler als Ordnung Gottes, der die Pfarrerschaft Gehorsam und Treue notfalls bis in den Tod zu leisten habe. Hitler hat es der evangelischen Kirche leicht gemacht, diesen Gedankengang nachzuvollziehen, indem er in seinen Regierungserklärungen in den Jahren 1933, 1934 und 1939 den Wunsch nach einem positiven Verhältnis zur Kirche förmlich zum Ausdruck brachte und seine Reden gerne auch noch in den Kriegsjahren in Gebetsform beschloß. Hitler schloß seine Rede vor dem Reichstag am 20.2.1938: „Ich möchte in dieser Stunde nur den Herrgott bitten, daß er uns ebenso vor jedem falschen Hochmut und vor jeder feigen Unterwürdigkeit bewahre, daß er uns den geraden Weg finden lassen möge, den seine Vorsehung dem deutschen Volke zugedacht hat, und daß er uns stets den Mut gebe, das Rechte zu tun und niemals zu wanken, vor keiner Gewalt und keiner Gefahr“.
Die evangelische Kirche hat die Einsicht von der Hitlerregierung als guter Obrigkeit und Ordnung Gottes durch die Anordnung von Sondergottesdiensten zum Tag des Regierungsantrittes Hitlers am 30. Januar jahrelang und auch in den Kriegsjahren vertieft.

Der Obrigkeit gebührt nach jahrhundertealter staatskirchlicher Tradition die besondere Fürbitte im sonntäglichen Gottesdienst. Zwölf Jahre lang ist in den evangelischen Kirchen Sonntag für Sonntag öffentlich für den Führer gebetet worden. „Es bleibt auch in Zukunft unserer und unserer Gemeinden allsonntägliches Gebet, Gott wolle uns den Führer erhalten, ihn schützen und segnen und das Werk seiner Hände fördern“, gelobte Pfarrer Klingler im Namen der evangelischen Pfarrerschaft im Jahr 1939. Dieses ständige Beten für „Führer, Volk und Vaterland“, im Kriege für alle Waffengattungen „zu Lande, Wasser und der Luft“, für Generäle und Soldaten hat außer der Pfarrerschaft auch die mitbetende Gemeinde in die Bindung der evangelischen Pfarrerschaft an Person und Amt Adolf Hitlers hineingesogen und in die Arme geführt.

Eine weitere, engere Verbindung mit dem Amt des Führers bedeutete die Vereidigung der Pfarrerschaft im Frühjahr und Frühsommer 1938. Der evangelische Pfarrer hatte diesen Eid geleistet als Staatsbeamter und Träger eines öffentlichen Amtes. Der Eid hat den Charakter eines Treueeides. Es hatte zwar hier und da Proteste und zeitliche Verzögerungen gegeben, aber der Reichsbundesführer des Reichsbundes der deutschen evangelischen Pfarrervereine, Pfarrer Klingler, hatte auf dem Pfarrertag 1938 rückblickend zufrieden festgestellt, der Eid sei „fast überall geleistet worden… Wir wollen nicht müde werden, für unser Vaterland und seinen Führer vor unsern Gott zu treten und zu bitten, daß ihm die höchste Kraft, die Kraft von oben geschenkt werde. Als evangelische Christen wissen wir, was wir ohnehin der Obrigkeit unseres Volkes schuldig sind und was wir unter dem 4. Gebot stehend auch gerne leisten wollen. Möge Gott der Herr all den vielen tausend Geistlichen, die den Eid abgelegt haben, nun die Kraft und die Standfestigkeit verleihen, in allen Lagen zu dem zu stehen, was sie beschworen haben“.

Nach ihrer Einberufung haben die Pfarrer, Kandidaten und Theologiestudenten ebenfalls einen Eid auf den Führer geleistet. Dieser Fahneneid war ganz vorne im Feldgesangsbuch abgedruckt und lautete: „Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Obersten Befehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.“

Die Bindung der Pfarrerschaft galt aber nicht nur dem Amt des Kanzlers, das nun Hitler einnahm. Sie galt auch seiner Person. So wurde der Geburtstag Hitlers, der 20. April, auch von der evangelischen Kirche bis in den Krieg mit Sondergottesdiensten, Fahnenhissen und speziellen Fürbitten begleitet.. Ein ganz besonderer Anlaß war der 50. Geburtstag Hitlers im Jahre 1939. Im Namen von 16.000 evangelischen Geistlichen gratulierte der Reichsbund der deutschen evangelischen Pfarrervereine u.a. mit folgender Adresse: „Am heutigen Tage vereinigen wir uns mit allen unseren Gemeinden in dem Gefühl demütigen Dankes vor dem lebendigen Gott, daß er uns zur rechten Stunde den Führer geschenkt und durch ihn den Weg des deutschen Volkes aus der Tiefe der Ohnmacht und der Schmach in machtvollem Aufschwung zur leuchtenden Höhe Großdeutschlands gelenkt hat.“.

Die Verbindung zum Amte des Führers wurde da besonders anschaulich, wo seine Person durch Attentate gefährdet wurde. Zweimal wurde auf Hitler während des Krieges ein Attentat erübt: Am 8. November 1939 in München und 20. Juli 1944 bei Rastenburg. Noch am 20. Juli abends hielt Hitler eine kurze Ansprache. Dreimal betonte er dabei, daß er das Scheitern des Attentates als ein Werk der Vorsehung betrachte. „Ich fasse es als eine Bestätigung des Auftrages der Vorsehung auf, mein Lebensziel weiterzuverfolgen, so wie ich es bisher getan habe… Ich selber danke der Vorsehung und meinem Schöpfer… ich ersehe daraus auch einen Fingerzeig der Vorsehung, daß ich mein Werk weiter fortführen muß und daher weiter fortführen werde. Ganz unabhängig davon, was Hitler wirklich geglaubt hat, gab er der deutschen Öffentlichkeit in seiner Sprache zu verstehen, er glaube, daß Gott ihn bewahrt habe. Diese religiöse Deutung wurde von der evangelischen Kirche geteilt. Über alle Unterschiede der kirchlichen Gruppen hinweg wurden beide Attentate von der evangelischen Kirche scharf verurteilt. Die Attentate waren Hitler in zwei schwierigen Situationen sehr nützlich: im November stand er vor der Frage, wann er den bei den Deutschen unpopulären Krieg gegen England eröffnen sollte, und im Juli 1944 war der Krieg bereits verloren. Da war ein kräftiger Hinweis darauf, dass Hitler sichtlich mit Gott, der Vorsehung, im Bunde sei, stärkend für die Bevölkerung, wenn sie es glaubte. Daß sie es glauben konnte, daran hatte die evangelische Kirche einen großen Anteil: Die evangelische Kirche kann noch froh sein, daß die evangelische Presse seit 1941 drastisch eingeschränkt worden war. Für sie wären noch mehr Solidaritätserklärungen zur „gnädigen Errettung und Bewahrung des Führers“ nach 1945 kaum noch zu erklären gewesen. Aber auch die vorliegende Anzahl der Verlautbarung erstaunt heute. Sie ist verständlich aus der Tatsache der Bindung der evangelischen Pfarrerschaft an das Amt und die Person Adolf Hitlers, die der Präsident der Thüringischen Kirche ausdrücklich zum Thema seiner Predigt nach dem Attentat machte.



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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/Russlandfeldzug/, Stand: März 2021, dk