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[Kirche von unten]

Die Braunschweiger Landeskirche in den 70er Jahren

und ihr Bischof Gerhard Heintze

Kapitel 14

Leitender Bischof der VELKD 1978 – 1981

Die Wahl Heintzes zum Leitenden Bischof der VELKD / Das Lehrzuchtverfahren gegen Dr. Paul Schulz / Das Herrenmahl als Schwerpunkt der Generalsynode / Ein neuer Lebensabschnitt / Die Asienreise / Die Festansprache zum Augustana-Jubiläum 1980 in Augsburg / Die Generalsynode 1981 in Wolfenbüttel


Die Wahl zum Leitenden Bischof der VELKD

Durch personelle Veränderungen war Bewegung in die VELKD gekommen. 1975 hatte Johannes Hanselmann die Nachfolge von Hermann Dietzfelbinger angetreten. Damit hatte der bayrische Sonderweg und die konservative Achse Hamburg-München ein Ende gefunden. 1977 hatte Günter Gassmann die Nachfolge von Hugo Schnell als Präsident der Lutherischen Kirchenamtes in Hannover angetreten. Hanselmann und Gassmann nannten als „Ziel eines gemeinsamen Weges: Den Partikularismus überwinden.“1 Auf der Generalsynode in Bevensen im November 1978 erfolgte ein weiterer Wechsel. Es musste ein neue Leitender Bischof gewählt werden. Der amtierende Bischof Lohse sollte Ratsvorsitzender der EKD werden. Heintze wollte nicht kandidieren, obwohl er als bisheriger Stellvertreter des Leitenden „dran“ war. Heintze war unangenehm aufgefallen, als er den Beschluss der Generalsynode zur Zustimmung der Leuenberger Konkordie nicht abgewartet hatte, sondern mit der Braunschweiger Landessynode vorgeprescht war. War seine Agitation für die Ostverträge vergessen? Hatte er sich nicht als Präsident der KEK weit links positioniert? Er hatte in den Vorgesprächen andere Möglichkeiten ins Gespräch gebracht, einen Kandidaten, der jünger sei als er mit seinen 65 Jahren, und der auch nicht so umstritten war wie er. Denn er fühlte sich nicht als waschechter Lutheraner. „Für die Entwicklung meines eigenen Christseins verdanke ich nicht nur Lutheranern Entscheidendes, sondern eben auch in wesentlichem Maße Christen, die anderen Kirchen angehören“.2 Aber er gab dem Drängen nach, war sich aber nicht sicher, ob er eine Mehrheit erhalten würde. Bischof Wölber war bei seiner Wahl zum Leitenden Bischof bei der Generalsynode in Augsburg 1969 im ersten Wahlgang durchgefallen und erst im zweiten Anlauf gewählt worden.3 Heintze erhielt auf Anhieb 52 Stimmen der 54 VELKD Synodalen, zwei enthielten sich der Stimme. Das war ein fulminantes Ergebnis, das drei Jahre später sein Nachfolger Stoll nicht erreichte. Unmittelbar nach seiner Wahl berichtete Heintze von seinen Bedenken, sich überhaupt aufstellen zu lassen. Er bezeichnete dabei das Amt des Leitenden als ein Nebenamt, sein Hauptamt bleibe im Braunschweigischen, das indes naturgemäß unter der neuen Aufgabe leiden werde. „Es hat mich ziemlich betroffen gemacht, als ein Pfarrer meiner Landeskirche mir neulich sehr offen sagte: „Ja, früher haben Sie in Pfarrhäusern entschieden mehr Besuche gemacht als in der letzten Zeit“.4 Schließlich aber habe er die Wahl doch als einen Ruf Gottes durch die Entscheidung von Menschen verstanden. Heintze verwies auf seinen Konfirmationsspruch, betonte den Stückwerkcharakter seiner Arbeit, man müsse die Kirche und ihn nehmen, wie er nun mal sei. „Ich diene der Kirche so, wie sie nun einmal ist, vor allen Dingen aber so, wie ich selber bin – mit meinen begrenzten Kräften, mit all den Problemen, die ich für mich selber sehe und die sicher auch andere an mir sehen, aber vor allen Dingen auch im Vertrauen auf die erneuernde Kraft des Geistes Gottes. In diesem Sinne möchte ich das Amt übernehmen.“5 So viel Bescheidenheit und Selbstkritik und unverstellte Echtheit war unter Lutheraner damals nicht gerade gang und gäbe. Die Synodalen dankten ihm mit „lebhaftem Beifall“.

Die Bezeichnung vom unfertigen Lutheraner wurde von der Presse gerne aufgegriffen. Klaus Hartz stellte den Gewählten in der EZ als einen vor, der nicht in das Klische passe, das sich manche von einem lutherischen Bischof machten.6 „Kirchenfürsten, falls es sie im modernen deutschen Protestantismus je gegeben hat, seien mit Otto Dibelius und Hanns Lilje ausgestorben“, so Henk Ohnesorge in der WELT und fuhr fort: „Bei dem Braunschweiger Landesbischof Gerhard Heintze..wäre der Ausdruck doppelt unangebracht“. „Bischof der Zurückhaltung“ war die Kolumne überschrieben. Das katholische Blatt „Christ in der Gegenwart“ charakterisierte Heintze als „breiteren Kreisen nicht bekannt, genießt aber nicht nur in der evangelischen Kirche hohes Ansehen. Die Katholiken haben ihn als einen aufgeschlossenen und theologisch kenntnisreichen Partner im ökumenischen Gespräch kennen und schätzen gelernt.“7 Nun war Heintze in der politischen prominenten Öffentlichkeit angekommen.8 Es gratulierten Bundeskanzler Schmidt, für den SPD Vorstand Egon Bahr, für die SPD Landtagsfraktion Karl Ravens, Bundestagspräsident Karl Carstens, Ministerpräsident Ernst Albrecht, der Vorsitzende der CDU Bundestagsfraktion Helmut Kohl („Möge Ihre Wahl dazu beitragen, dass Glaube und christliche Verantwortung verstärkt in der ev.-luth. Bevölkerung praktiziert werde“); von der katholischen Kirche der Paderborner Erzbischof Degenhardt („Möge durch Ihr Wirken auch in Zukunft die Einheit aller Christen nach Kräften gefördert werden. In brüderlicher Verbundenheit und mit Freude Ihr Johann Joachim Degenhardt.“), der Braunschweiger Propst Trojok schrieb: „Wir wollen weiter durch gute Nachbarschaft und brüderliche Zusammenarbeit ein getreuer Weggefährte auf dem gemeinsamen Weg des Herrn sein“, und ebenfalls aus Braunschweig der katholische Pfarrer Urbainczyk: „Bei vielen Gelegenheiten konnte ich Ihren Worten entnehmen, wie glühend Sie vom Verlangen nach einem Wiederfinden der verlorenen Einheit beseelt sind“. Zahlreiche Bischofskollegen schrieben Glückwünsche, und der emeritierte Hermann Dietzfelbinger erinnerte daran, dass sie beide „in manchem wohl unterschiedliche Ansichten gehabt hatten.“ Für die Klärung dessen, was lutherische Kirche heute sei, gebe es „keine bessere Schule als Gespräche und Auseinandersetzungen mit der römisch-katholischen Kirche“. Auch aus der eigenen Landeskirche erreichten den Bischof zahlreiche Glückwünsche. Sein früherer Stellvertreter OLKR Rudolf Brinckmeier war sich unklar, ob er überhaupt schreiben und gratulieren sollte. Aber für eine produktive Zusammenarbeit der VELKD mit der EKD „sind Sie gerade der Mann, der dafür gesucht werden müsste.“

Unmittelbar nach seiner Rückkehr in Wolfenbüttel nahm Heintze wieder die Tradition der Rundbriefe auf.9 Der letzte lag 14 Monate zurück. Er berichtete von seiner Wahl zum Leitenden Bischof und könne mit gutem Gewissen sagen, „dass ich das mir übertragene Amt nie begehrt und nie mit ihm gerechnet“ habe, berichtete auch von dem Einwand eines Braunschweiger Pfarrers, dass er sich weniger als früher in den Pfarrhäusern sehen lasse, aber die VELKD habe sich in den letzten Jahren weniger in einer Frontstellung zur EKD befunden und sich auf die theologische Arbeit konzentriert. Die zusätzliche Aufgabe komme andrerseits der Landeskirche auch zugute. In diesem Sinne schickte er in der Anlage seinen umfangreichen Bericht als Catholica-Beauftragter vor der Generalsynode den Pfarrern zu. Heintze konnte auf Interesse hoffen, denn die Ökumene-Landessynode lag erst einige Monate zurück.


Das Lehrzuchtverfahren gegen Dr. Paul Schulz 10

Heintze hatte als Leitender die unerfreuliche Aufgabe übernommen, der nächsten Generalsynode in Rendsburg im Juni 1979 vom Ausgang des spektakulären Disziplinarverfahrens gegen den Hamburger Dr. Paul Schulz zu berichten. Heintze hatte seinem traditionellen Rechenschaftsbericht den Titel „Erbe und Auftrag“ gegeben und behandelte die Themen Gottesdienst und Verkündigung, Diakonie und Ökumenische Gemeinschaft, ziemlich allgemein. Unter dem Kapitel „Verkündigung“ kam er auch auf das Verfahren gegen Paul Schulz zu sprechen. Die Art, wie er dies tat, war wieder typisch für ihn, daher wird hier näher davon berichtet. Die Delegierten der Braunschweiger Landeskirche, Studienrat Hasse und Dr. Runge, die beide dem rechten Flügel der Synode zuzurechnen waren, übergingen in ihren Berichten vor der Landessynode das Verfahren mit einem einzigen Satz ohne Gespür für die sensible Art des Landesbischofs.11

Paul Schulz war 1970 mit 33 Jahren an der renommierten, gut dotierten Hamburger Hauptkirche St. Jakobi Hauptpastor geworden. Vermutlich zu früh! Er brillierte rhetorisch und interessierte die Hamburger Christen mit außergewöhnlichen, unüblichen, auch schrägen Aussagen über Gott und die Welt und Jesus. Er lehnte einen persönlichen Gott ab, nannte die Gottesvorstellungen tröstliche Projektionen aus menschlicher Not und Angst und betonte einseitig die menschliche Seite von Jesus, Gebete seien Selbstreflexionen. Die Hamburger Boulevardjournaille stürzte sich auf Schulz und spülte sein Auftreten und seine kirchliche Tätigkeit in nicht endende Schlagzeilen der Tagespresse. Schulz wirkte auf manche abgeklärten und in theologischen Gefechten abgehärteten Gemüter wie ein pubertierender Proseminarist, der auffallen und sich auf Kosten anderer profilieren wollte. Hamburg hat fünf Hauptkirchen, eine davon ist Jakobi. Konnten die vier anderen Hauptpastoren den jungen Mann nicht aushalten und im Laufe seiner Entwicklung zur Vernunft kommen lassen? Später schrieb der berühmte Philosoph Carl Friedrich v. Weizsäcker, der um ein Gutachten gebeten worden war, ich wünschte mir, die Hamburger Kirche hätte Schulz ertragen.12 Andere Absichten hatte der Hamburger Bischof Wölber. Wölber, der als reformfreudiger Jugendpastor in Hamburg angefangen hatte und als solcher auch zum Bischof gewählt worden war, hatte sich inzwischen auf die rechtskonservative Seite des theologischen Spektrum entwickelt. Er wollte mit dem Modell Volkskirche die aus der Kirche segelnden Hamburger wieder für den Hafen zurückgewinnen. Dabei störte ihn der Hauptpastor Schulz und die Schlagzeilen über ihn. Wölber wollte endlich ein Exempel statuieren und beurlaubte Schulz nach fünf Jahren 1975 vom Dienst. Das machte ihn noch prominenter und stilisierte ihn als Opfer einer, wie Schulz meinte, offiziösen, verlogenen Frömmigkeit. In einer Landpfarre hätte Schulz lernen können, auch mit der Matthias Claudius Frömmigkeit einfacher Leute zusammenzuleben.

Schulz hatte nun Zeit, schrieb Bücher, veröffentlichte auch Predigten und versteifte sich auf Trotz und Widerstand gegen die ihm unerträgliche Volkskirche. Schulz hätte sich, das war das naheliegendste, in einer anderen Landeskirche um eine Tätigkeit bemühen können. Aber er war so prominent geworden, dass er einen Grundsatzstreit ausfechten wollte. Nun machte Wölber eine weiteren Fehler, und der Kirchenrat der Hamburgischen Landeskirche beantragte am 18.10.1976 ein förmliches Lehrzuchtverfahren gegen den beurlaubten Hauptpastor. Das war keineswegs zwingend, um Schulz als Hauptpastor los zu werden. Die Beurlaubung konnte auch in einen anhaltenden Wartestand verwandelt werden. Die Kirchenleitung der Vereinigten Lutherischen Kirche hätte die Eröffnung eines Verfahrens wohl ablehnen können, aber sie tat Schulz den Gefallen und begab sich in ein Jahre lang hinziehendes öffentliches Lehrzuchtverfahren. Wölber hatte auf diese Weise die „Hamburger Angelegenheit Schulz“ zu einer der gesamten westdeutschen lutherischen Kirche gemacht. Das kam in der evangelischen Kirche nur alle hundert Jahre vor. Die liberale Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT und auch die von Siegfried v. Kortzfleisch in gemäßigt lutherische Gewässer manövrierten Lutherischen Monathefte standen der Eröffnung eines Verfahrens kritisch gegenüber.13 Es hatte in der evangelischen Kirche im Umfeld der Bultmann-Tillich- und Gott-isttot-Debatte, auch in den Studentengemeinden ebensolche radikalen Äußerungen gegeben, die jedoch intern oder innerhalb der jeweiligen Landeskirche behandelt worden waren und sich schließlich gelegt hatten. Schulz wurde von der Braunschweiger Wicherngemeinde zu einem Vortrag über seine Theologie eingeladen, konnte indes seine Zuhörer von einer Fortschreibung der Gottesvorstellung nicht überzeugen.14 Aber auch während des Verfahrens legte Schulz sein verabsolutierendes Gehabe nicht ab und konnte neben seinen eigenen religiösen Anschauungen andere in der Kirche nicht gelten lassen und diffamierte auch Verfahrensbeteiligte als heuchlerisch und verlogen. Das verstieß auf die Dauer gegen die feine hanseatische Art, und die ZEIT ging auf Distanz zu Schulz, ebenso die Lutherischen Monatshefte.15 Der Vorsitzende des Verfahrens, Landesbischof Lohse, war von dem Gedanken geleitet, Schulz zu ermöglichen, durch eine differenzierende Interpretation seine beanstandeten Thesen justizverträglich zu machen. Aber es entsprach dem jungen Alter von Schulz und seiner geringen pastoralen Erfahrungen, dass er den Konflikt wollte. Er wollte die offiziöse Kirche blamieren. Er wollte das Gericht zwingen zu erklären, was man denn in einer evangelischen Kirche z.B. beim Apostolischen Glaubensbekenntnis wirklich für wahr halten sollte: Jungfrauengeburt, Jüngstes Gericht, Gott den Schöpfer? Das Gericht blieb ohne Antwort, und da sich Schulz trotz vieler gewährter Denkpausen nicht zu einem justitiablen Entgegenkommen entschließen konnte, entzog ihm das Kirchengericht am 21.2.1979 die Ordinationsrechte.16 Wölber hatte seinen Triumph, obwohl er das Gegenteil behauptete, und bestand in einem Schreiben an seine Pfarrerschaft auf einer „Theologie der Personalität“ und der Zweinaturenlehre für das Verständnis Jesu („wahrer Gott und wahrer Mensch“) als „neuer Wirklichkeit.“ „Ich kann nur hoffen, dass nun eine Erfahrung für alle gesammelt ist“, beendete Wölber leicht drohend sein Schreiben.17 Manfred Linz hingegen nannte in einer aktuellen NDR/WDR Sendung das Ergebnis des Prozesses „entmutigend“. Das Urteil sei ohne „Sachautorität“ und es beende einen Konflikt „zugunsten des konservativen Flügels der Kirche, aber es klärt nichts“.18 Robert Leicht bilanzierte in der Süddeutschen Zeitung: „Die kritischen Anfragen an die traditionelle Gemeindefrömmigkeit bleiben auch nach dem Fall Schulz unbeantwortet. Die Kirche, aus deren Amt sich Schulz hinaus-skandalisierte, muss sich noch lange um bessere Antworten bemühen“.19 Die lutherische Kirche hatte den Schaden eines auf eine spezifische Interpretation und auf ein antiquiertes Bekenntnis verengten Bildes. Diesen Schaden versuchte sie zu begrenzen, indem die Bischofskonferenz der VELKD an die Pfarrerschaft ein Schreiben unter dem Titel „Freiheit und Bindung im Amt der Kirche“ verschickte. Oberkirchenrat Mohaupt veröffentlichte und kommentierte Textauszüge des Verfahrens unter dem Titel „Pastor ohne Gott?“

Im Zusammenhang dieser Arbeit interessiert vor allem die Reaktion von Landesbischof Heintze, denn er musste dieses Urteil in seinem Bericht vor der Generalsynode in Rendsburg 1979 zur Sprache bringen. Er tat es nicht kurz und knapp, wie es möglich gewesen wäre, sondern hielt sich eine Viertel Stunde bei diesem Thema auf.20 Die verfahrensbeteiligten Bischöfe Lohse und Wölber saßen vor ihm. Heintze vermied jede Form der Verallgemeinerung, sondern betonte die Seltenheit des Verfahrens. Seit es dieses Gesetz gebe, seit 1955, sei es „das erste Mal, dass überhaupt ein derartiges Verfahren durchgeführt worden sei,“21 und eher als Warnung an die Kirchenleitungen, unausgesprochen an Wölber, gerichtet war der Wunsch, „das keine weiteren ähnliche Verfahren sich anschließen“ möchten.22 Heintze vermied den Anschein der Ausgrenzung von Paul Schulz. Es gehe nicht, darin zitierte er das Urteil, um dessen persönlichen Glauben und seine Frömmigkeit. Das war wichtig im Hinblick auf die vielen Sympathisanten und die zustimmenden Predigtzuhörer, die Schulz in Hamburg hatte. Es gehe auch nicht darum, ob die Theologie von Schulz feststehenden Lehrsätzen einer evangelischen, kirchenamtlichen Dogmatik entspreche. Solche Sätze gebe es nicht. Das war wichtig im Hinblick auf die junge Theologen- und Pfarrergeneration und der von ihr beanspruchten Freiheit der Verkündigung. Heintze betonte im Gegenteil die bestehende weite Spannung zur Entfaltung individueller Positionen. Heintze vermied auch den Eindruck einer Verurteilung, sondern nannte das Verfahren ein „Feststellungsverfahren“, ob Schulz in seiner Verkündigung „mit der unaufgebbaren Grundsubstanz der Lehre der evangelisch-lutherischen Kirche übereinstimme.“ Damit begab sich Heintze in die ungemütliche Lage des Spruchkollegiums, das im Urteil nun die Abweichungen aufzählte: ein dreieiniger Gott habe sich nicht offenbart, Jesus sei das Prinzip Liebe, Kreuz und Auferstehung habe keine Relevanz, es gebe keine Hoffnung über den Tod hinaus, die Kirche sei eine ausschließlich soziale Größe, es sei „eine Lehre, die den Menschen ausschließlich auf das Diesseits und auf seine eigenen Möglichkeiten verweist“. Nun rettete sich Heintze mit einem Trick aus der misslichen Lage. Eine offizielle Feststellung, das Lehren von Schulz sei vereinbar mit den Grundaussagen des Bekenntnisses unserer Kirche, sei „noch problematischer“ gewesen. Damit gab Heintze zu verstehen, dass ein derartiges Verfahren, wie er auch zuvor festgestellt hatte, „problematisch“ sei, und kritisierte unausgesprochen, dass sich die Kirche überhaupt in die Lage einer „offiziellen Feststellung“ gebracht hatte, nämlich der Eröffnung des Lehrzuchtverfahrens. Er sprach auch nicht von „der Lehre“ von Schulz, sondern von „dem Lehren“, also von seinem Predigen und Predigtschreiben. Prozesstaktisch war daher die Veröffentlichung von Predigten eine Dummheit des Beschuldigten, denn dort fanden die, die ihn aus dem Predigtamt entfernen wollten, zahlreiche Belege. Die hatte Schulz allerdings auch noch in der Schlussverhandlung geliefert, indem er alle Anschuldigungspunkte wiederholte und somit dem Spruchkollegium die Chance gab, festzustellen, dass Schulz „beharrlich“ bei seinen Ansichten geblieben war. Heintze hätte es bei der Feststellung des Urteils belassen können, aber er nahm auch jene in der Kirche in Blick, die „bewusst ihren Standort in unserer Kirche suchen“ und unter denen sich Unbehagen ausgebreitet habe. Nun bewährte sich sein Schema, selbstkritische Fragen zu stellen. Die von Schulz „mehrfach“ gestellte Forderung, das Gericht möge ihm sagen, was geltende Lehre sei, verlange eine Antwort, und bloßes Rezitieren lange nicht. Dem Auftrag kirchlicher Verkündigung kommen „wir alle nur sehr bruchstückhaft und unvollkommen“ nach. Damit solidarisierte sich Heintze nicht mit der verabsolutierenden Attitüde des Beschuldigten, aber er stellte sich mit unter das Urteil. Das war bezeichnend für ihn. So schloss Heintze: „Umso wichtiger wird es, bewusst zu beherzigen, dass nach den Selbstaussagen des Apostels Paulus, aber überhaupt der Heiligen Schrift, die Unabgeschlossenheit und der fragmentarische Charakter aller Verkündigung strukturell zur irdischen Existenz des wandernden Gottesvolkes und seines Christus-Zeugnisses dazugehört“.23 Wenn der Hamburger Bischof mit dieser „bewusst beherzigten“ Einsicht dem Hauptpastor Schulz begegnet wäre, hätte er wohl mit der Durchführung seiner ausschließenden Absicht eher gezögert. Siegfried v. Kortzfleisch beendete seine Beschreibung des Verfahrens mit der Frage an den Hamburger Bischof: „Wussten jene, die Klage erhoben hatten, selbst immer alle genau zu sagen, was rechte Lehre sei? Besser noch: Vermögen sie im Leben zu vertreten, was sie im Bekenntnis zu bezeugen versuchen? An der Überzeugungskraft muss sich der Magnus consensus messen lassen. Ein quasi gerichtliches Verfahren gegen einzelne Abweichler eingesetzt kann dies nicht ersetzen.“24


Das Herrenmahl – der Schwerpunkt der Generalsynode in Rendsburg 1979

Der theologische Schwerpunkt dieser Generalsynode in Rendsburg lag bei einem Bericht über das Abendmahl / Herrenmahl.25 Unter dem Vorsitz des katholischen dänischen Bischofs Hans L. Martensen und des amerikanischen Professors George A. Lindbeck aus New Haven hatte eine katholisch / lutherische Kommission, die vom Einheitssekretariat und dem Luth. Weltbund einberufen worden war, ein Dokument zum Abendmahl erarbeitet, das – so im Vorwort – „in wichtigen Punkten zu Übereinstimmungen gekommen ist“.26 Offene Fragen könnten einvernehmlich geklärt werden. In 39 Absätzen (6-45) wurden als gemeinsames Zeugnis die Christusmitte (durch, mit und in Christus) sowie die Verherrlichung Gottes in Verkündigung, Dank, Fürbitte, Lobpreis, Hingabe herausgestellt, auf die Weltverantwortung der Mitfeiernden hingewiesen und schließlich der Blick auf das himmlische Festmahl gerichtet. Für eine gemeinsame liturgische Gestaltung wurden folgende Elemente als grundlegend benannt: „die Verkündigung des Wortes Gottes, die Danksagung für die Werke Gottes in Schöpfung und Erlösung mit dem Gedächtnis des Todes und der Auferstehung Christi, die Einsetzungsworte nach dem Zeugnis des Neuen Testamentes, die Herabrufung des Heiligen Geistes auf Brot und Wein und auf die Gemeinschaft, die Fürbitte für Kirche und Welt, das Gebet des Herrn und das Essen und Trinken in Gemeinschaft mit Christus und jedem Glied der Kirche.“27 Was war mit dem Dokument gewonnen? Die alten Streitpunkte Wandlung der Elemente, Transsubstantiation, Opfer an Gott, Anbetung der verwandelten Hostie kamen in dem Dokument nicht mehr vor. Die Kommission besann sich auf das Gemeinsame und ließ die Kontroverspunkte unter dem Tisch. Insofern war das Dokument ein erfolgreiches Konsenspapier. Es enthielt außerdem einen liturgischen Vorschlag, der sich an dem Formular der gängigen unveränderten Messe, bzw der unveränderten Abendmahlsfeier orientierte, sodass für die feiernde Gemeinde unklar blieb, inwiefern diese Feier des Herrenmahls etwa anderes war als das, was sie bereits sonntäglich erlebten. Daher äußerte das Dokument am Ende Wünsche an den jeweiligen Partner, nämlich evangelischerseits: die Vermeidung der Messfeier ohne Gemeinde, die Spendung der Kommunion mit Brot und Wein und katholischerseits: häufigere Feier des Abendmahls, größere Beteiligung der Gemeinde mit Kindern.28 Das Problem des Dokumentes war seine Umsetzung, und da versagte es an einer einfachen Stelle: Wenn es eine gemeinsame Grundstruktur für ein gemeinsames Zeugnis gab, dürfte es kein Problem sein, dass die Christen sich gegenseitig zu ihrem Abendmahl einladen und zulassen. Genau diese Folgerung zog das Dokument nicht. Unterhalb der Hochebene hochgestochener, abgezirkelter Definitionen hatte sich außerdem im Vollzug des Messe längst eine massive Abendmahlsfrömmigkeit herausgebildet, der eine eigene „Theologie“ entspricht, die mit der oben genannten Grundstruktur nicht übereinstimmt. Zum Beispiel: was soll nach jener Grundstruktur mit den Sakramenthäuschen geschehen, weil die Frage offen geblieben ist, wie lange eine „Gegenwärtigkeit Christi“ in den geweihten Elementen anhält? Soll das Glockengeläut vor der Wandlung nun entfallen, weil es keine mehr gibt? Es sind banale Fragen aus dem Vollzug des Gottesdienstes, die die Bedeutung des Konsenspapieres schrumpfen lassen.29 Was hatte es zu bedeuten, dass der Leitende Bischof Heintze nicht einen der neun Oberkirchenräte im Lutherischen Kirchenamt bat, das Dokument der Generalsynode vorzustellen, sondern den ihm gut bekannten Weihbischof Scheele, der Kommissionsmitglied war? Das war ziemlich einzigartig und wurde vom Synodalen Schmied auch ausdrücklich vermerkt. („Herr Präsident, ich empfinde es als schier sensationell, dass in einer lutherischen Synode ein wirklicher Bischof der katholischen Kirche das Wort ergreift.. um zu einer kontroversen Sachfrage Stellung zu nehmen...“)30 Weihbischof Prof. Dr. Scheele stellte der Generalsynode die Studie „Das Herrenmahl“ humorvoll und zurückhaltend vor. Er betonte den nicht offiziösen Charakter des Dokumentes und dass es vor allen Dingen auf die Umsetzung im liturgischen Vollzug ankomme. Der Arbeitskreis der evangelischen Catholica-Beauftragten hatte eine Stellungnahme zu dieser Studie erarbeitet, die vom Leiter des Arbeitskreises OKR Albert Mauder der Synode vorgetragen wurde.31 Der Arbeitskreis hatte Anfragen an die eigene Kirche und folgende Wünsche an die katholische Kirche, die bereits im Dokument aufgelistet waren, aufgegriffen und erweitert: das Abendmahl sollte in der katholischen Kirche mit Brot und Wein gefeiert werden, und zwar immer in Gegenwart von einer Gemeinde, Auftragsmessen für Tote sollten unterbleiben, wie auch die demonstrative Ausstellung der Hostie bei der Fronleichnamsprozession. Auf Gebetstexte, die von einem verdienstvollen Sühneopfer sprechen, sollte verzichtet werden.32 Von diesen Wünschen ist begreiflicherweise in den letzten 33 Jahren keiner erfüllt worden, weil er zentrale Nervpunkte katholischer Frömmigkeit betrifft. Das Desaster dieser Art von Konsentheologie war die Vorstellung, dass beide Kirchen einmal ein Abendmahl gemeinsam feiern würden und dann eine Art Kircheneinheit hergestellt sei. Eben diese Zielvorstellung verdarb alle Mühe. Wenn es jedoch nicht um Einheit von Kirchen sondern um eine förderliche, Versöhnung ausstrahlende Nachbarschaft verschiedener Kirchen ging, warum sollte dann nicht jeder in seinem Kirchengehäuse das Abendmahl bzw die Messe so feiern, wie er es am liebsten wollte und wie es seinem Frömmigkeitsstil entsprach? Eine gemeinsame Abendmahlsform war nicht zwingend nötig, zumal die gastweise Zulassung katholischer Christen zum evangelischen Abendmahl ausgesprochen war. Es wurde im Neuen Testament von vielen anderen Mahlfeiern mit Jesus berichtet, die eine Vorlage für ein möglicherweise gemeinsames Essen und Trinken sein konnte, nicht nur der Bericht vom sog. letzten Abendmahl. Weniger unter dem Gesichtspunkt eines Konsenses aber unter dem Motiv einer voneinander lernenden Kirche war zu überlegen, bisher vernachlässigte Momente in der evangelischen Abendmahlsfeier wie die Anrufung des Heiligen Geistes (Epiklese), den Dank für die Gaben der Schöpfung (Anamnese), die Freude an der Gegenwart des Herrn im Sakrament mehr zu betonen und andere, wie die sehr starke Betonung der Sündenvergebung, zurücktreten zu lassen, das Abendmahl häufiger als einmal im Monat als gemeinschaftsstiftendes Sakrament im Gegensatz zu einer individualistischen Abendmahlfrömmigkeit zu halten und auf einen verantwortungsvollen Umgang mit den konsekrierten Elementen – wenn überhaupt Konsekration – nach Abschluss der Feier zu achten. Diese Anregungen sind teilweise bei der Agendenreform 1999 aufgenommen worden Nach dem Vortrag von Scheel und Mauder war die Diskussion freigegeben und statt eines Feuerwerkes von Fragen an Weihbischof Scheele bezüglich der Folgerungen für den Vollzug des katholischen Gottesdienstes meldete sich – keiner. Die VELKD Synodalen hatten offenbar ihre Synodenunterlagen nicht gründlich studiert. So füllte Bischof Wölber die peinliche Pause mit einem Redebeitrag, den er folgendermaßen einleitete: „Ich habe mich eigentlich nur zu Worte gemeldet, weil sich sonst niemand meldete“.33 Er fragte Scheele, ob die katholische Kirche nicht den Sonntag morgen für ökumenischen Gottesdienste öffnen könne. Hauptpastor Prof. Lohff betonte die ungleich schwierigere Lage für die katholische Seite, ohne dies näher zu begründen und mahnte zu Geduld und langem Atem.34 Weihbischof Scheele wollte in seinem Schlusswort die gestellten Fragen dankbar aufnehmen und an der passenden Stelle weitergeben. Eine Woche vor Synodenbeginn ging der Nürnberger Kirchentag zu Ende. Nicht auszudenken, wenn einige synodale Kirchentagsbesucherinnen – und besucher begeistert von dem „Forum Abendmahl“ und den Lorenzer Ratschlägen eines unbefangenen, fröhlichen, dogmenunbeschwerten Abendmahlsgottesdienstes berichtet und sich von der traditionellen, „feierlichen“, tristen Abendmahlszeremonie verabschiedet hätten. Prof. Ernst Käsemann hatte zur Beteiligung von Katholiken und Protestanten am Abendmahl gesagt. „Wer Gäste des Gekreuzigten nicht bei sich duldet, duldet den Gekreuzigten selber nicht mehr in seiner Mitte. Der ist nicht Teil des Leibes Christi auf Erden, sondern vertritt eine geschlossene Gesellschaft“.35 Die Studie „Das Herrenmahl“ sollte von Kirchengemeinden, Kirchenvorständen, Pfarrkonferenzen, Kirchenleitungen innerhalb der nächsten sechs Jahre durchgearbeitet werden. Das hätte sich unter Verzicht auf das Einheitsziel durchaus gelohnt. Das Ergebnis eines Rücklaufes ist nicht bekannt.


Ein neuer Lebensabschnitt

Mit dem Jahr 1979 hatte für Gerhard Heintze ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Beruflich, sichtlich über die Landeskirchengrenze hinauswirkend, und persönlich: er hatte im Sommer noch einmal geheiratet: eine langjährige Bekannte aus Hildesheimer Zeiten, Renate Wiegand, die die kirchlichen Aufbaujahre der Michaeliskirche erlebt hatte, Vater Wiegand war dort im Kirchenvorstand gewesen, es war wohl ihr Jugendtraum, ihn in der Hildesheimer Michaeliskirche zu heiraten.36 Sie war 22 Jahre jünger, und er war verliebt. Zeitgenossen erzählen, dass man es ihm ansah. Der von beiden geschätzte süddeutsche Dichter und Pfarrer Albrecht Goes traute sie dort.

Der Anfang der Predigt zur Trauung von Gerhard Heintze und Renate geb. Wigand gehalten am 25. August 1979 in der Kirche St. Michael zu Hildesheim

Text: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Joh.15,5

„Erfüllungsstunde: das schöne Wort steht in einem mit Recht berühmt gewordenen Gedicht von Gottfried Benn, einem Gedicht, dessen Anfangszeile nun freilich – zum Glück nicht die Zeile unserer Stunde ist: „Einsamer nie als im August“ beginnt das Gedicht – und was das ist: inmitten der „roten und goldnen Brände“, die in dem Gedicht beschworen werden, sich sonderlich einsam zu fühlen, das ist euch beiden wohlbekannt. Die Braut hatte in den Stuttgarter Jahren ihre langen Einübungen in das Alleinsein; der Bräutigam eine wohl kürzere, aber heftige Erfahrung des Alleingelassenseins nach dem Tod der Lebensgefährtin; aber jetzt, da wir das Wort „Erfüllungsstunde“ sagen, ist diese Einsamkeitszeile glücklich durchgestrichen, durchgestrichen durch euren schönen Entschluss, miteinander zu wagen das „große Ding, immer zu zweien zu sein“, und dabei darauf zu vertrauen, dass sich auf diesem Weg doch mehr erschließe als das, was ein anderer Dichter, was Rilke als „die höchste Aufgabe einer solchen Verbindung ansah, nämlich: „dass einer dem andern seine Einsamkeit bewache“. Ihr habt uns, die Weggenossen eurer Wege, zum Fest gerufen, und wir haben uns gerne rufen lassen als die Gehilfen eurer Freude“. Gnade des Anfangs: das ist ein großes, ein seliges Geheimnis. Es bindet jeden eurer Schritte an das, was die Schrift von der Barmherzigkeit des Herrn sagt, sie sei „ alle morgen neu“. Und hierher nach St. Michael habt ihr uns gerufen unter die Worte Jesu, Johannes im Fünfzehnten, in der Gewissheit, dass unser keiner sich selber lebt, und dass wir, – „wir leben oder wir sterben, des Herrn sind“ – und der Folgesatz gibt dieser Zuversicht ihr Goldgewicht: „Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende Herr sei.“ Es verdunkelt unser Fest nicht, es macht vielmehr dieses Fest wahr und wirklich, wenn wir an dem frohen Tag der Toten gedenken. Lasset mich von allen, die euch, euch beiden und euch Festgästen insgemein, fehlen, wenigstens zwei nennen: den Vater Wigand, der als euer Vater und für alle Hildesheimer als der Vater der Klinik so ganz gegenwärtig ist, und der sich in dieser Stunde mit all seiner Güte und seiner Klugheit so herzlich mitzufreuen gewusst hätte; vor vierzehn Jahren hast Du, lieber Bruder Bischof, ihm noch ganz unkund dieser Stunde, das Abschiedswort am Sarg gesagt. Und dann Ilse Heintze, die Mutter deiner Kinder, die als die tatkräftige Begleiterin all dieser Jahrzehnte zu Hildesheim und zu Wolfenbüttel gehört; die hier präsent ist durch deine Kinder und Kinderskinder, durch zwei ihrer Schwestern; wie sehr aber gerade auch heute gegenwärtig in deinen Gedanken und unverdrängt hinfort in euch beiden. Soll ich als drittes, wenn ich der Toten gedenke, nicht doch auch noch das ferne verlorene Land mit Namen nennen, die Heimat von Renates Mutter, Renates Kinderland und das Kinderland ihrer Schwestern, Kants und Herders Land, zu dessen Wäldern und Seen gerade auch am glücklichen Tag die Gedanken gehen.“37

Viele Glückwünsche aus der Ferne, in der Nähe auch Kopfschütteln über diesen zweiten Anlauf, das bürgerliche Sittenbewusstsein war damals noch in manchen konservativen Herzen fest eingehakt. Man hielt seiner ersten Frau über den Tod hinaus die Treue. Es war eine Wochenend-Ehe. Die Kinder waren aus dem Haus und hatten ihre eigenen Lebenskreise, sie behielt ihre berufliche Tätigkeit als Musikpädagogin bei Stuttgart und repräsentierte gerne an seiner Seite, wo es nötig war. Sie erlebten im hohen Alter noch die Silberhochzeit. Es war für Gerhard Heintze eine neue häusliche Situation, die jedoch seinen Eigensinn und seinen Durchsetzungswillen eher stärkten.


Die Asienreise

Als Leitender Bischof der VELKD reiste Gerhard Heintze nach Japan, gerne einer „dringlichen“ Einladung der lutherischen japanischen Kirche folgend, um mit ihr das bevorstehende Augustana-Jubiläum zu feiern.38 Vorher hatte er noch einen kurzen Rundbrief an die Pfarrerschaft verfasst und ihr seinen Lagebericht vor der Synode zugeschickt. „Ich hoffe, dass einiges darin auch Sie interessiert und anspricht.“39 Er nahm seine Frau Renate mit und erfüllte sich einen Jugendwunsch: einmal mit der transsibirischen Eisenbahn durch die Weiten jenseits des Ural zu juckeln. Vorher trafen beide den Metropoliten Alexey in Moskau zu einem gemütlichen Abend, nach der fünftägiger Fahrt durch die Taiga waren sie Gast beim Erzbischof Sevapion in Irkutsk und kamen schließlich in Japan an. Heintze predigte zum Semestereröffnungsgottesdienst des Lutherischen Kollegs in Tokio, sie waren Gast beim Präsidenten der Japanischen Lutherischen Kirche Ben Mori. Sie erlebten Hiroshima, von dort mit der Eisenbahn nach Kumamoto und Osaka, wo sie mit der Braunschweigerin Elsbeth Strohm zusammentrafen, die dort eine aufopferungsvolle diakonische Arbeit in den Elendsvierteln leistete und mit Frau Hanna Henschel. Sie machten drei Tage Zwischenstation in Hongkong und beendeten die Reise in Indien. Diese letzte Strecke bewältigte der Bischof allein, und notierte: „Die theoretische Auseinandersetzung über die „Kirche der Armen“ und die Bedeutung der Zuwendung zu den Armen innerhalb des Missionsauftrages, wie sie die Tagung der Synode der EKD in Garmisch Partenkirchen Ende Januar dieses Jahres kennzeichnete, kam mir von der Wirklichkeit her, wie sie mir in Calcutta begegnete, sehr entsetzlich fremd-beschämend vor.“40 Die Reise hatte vier Wochen von Mitte März bis Mitte April 1980 gedauert. Als der Bischof zurückkam, waren die Passionszeit und das Osterfest vorbei. In der EZ berichtete Heintze von seinen Reiseeindrücken41 und später auch vor der Generalsynode.42


Die Festansprache zum Augustana-Jubiläum 1980 in Augsburg

Eine weitere Aufgabe, die auf ihn als Leitendem zukam und nach der er sich nicht gerissen hatte, war eine großangelegte Jubiläumsfeier anlässlich der 450. Wiederkehr der Verlesung der sog. Confessio Augustana, des Augsburger Bekenntnisses, im Juni 1980. Es war den Pfarrern als Schreckdokument für das theologische Examen bekannt. Standard war, dass man ein oder zwei Artikel lateinisch zitieren konnte. Mit dem persönlichen Glauben des Kandidaten hatte es nichts zu tun. Vor dem Ordinationsakt lud der jeweilige Landesbischof die Braunschweiger Vikare zu einem „Ordinationsgespräch“, in dessen Verlauf sie die Confessio Augustana unterschreiben sollten wie seit der Reformation alle bisherigen Braunschweiger Pfarrer. Wer sich weigerte, weil die Augustana seiner Theologie nicht entsprach und weil er einige Artikel unhaltbar fand wie z.B. das gerechte Kriege führen in Artikel 16, wurde eben nicht ordiniert. Am Anfang des Dienstes stand also eine gelinde Nötigung. Ansonsten blieb die CA, wie die Abkürzung hieß, im Alltag der pfarramtlichen Praxis ein unbekanntes Wesen.

Nun tauchte es plötzlich wieder auf anlässlich der 450. Wiederkehr seiner Verlesung vor dem damaligen Kaiser. Das war etwas für Historiker, für die Erweckung und Vertiefung von Glauben und Bekennen griff man zu anderen Büchern. Aber die Lutheraner wollten sich und ihre weltweite Kirchenorganisation in Erinnerung bringen und bereiteten ein überdimensionales Fest im Juni 1980 in Augsburg vor. Wer den Text noch einmal aus dem Regal holte, kam zur Einsicht, dass er für den Gebrauch in der Gemeinde und in der Predigt untauglich war. Er enthielt 28 unterschiedlich lange Artikel, von denen keiner das Glaubensverständnis des zeitgenössischen Christen betraf. Vandenhoek und Ruprecht verlegte eine neue deutsche Übersetzung, aber dadurch wurde nichts besser und verständlicher.43 Das Bekenntnis widersprach vor allem der Kasualpraxis der Pfarrer. Schon Artikel 2 beschrieb das von der Erbsünde zersetzte Menschenbild. Kein verständiger Pfarrer setzte bei einer Taufe voraus, dass das Ehepaar den Täufling „in Sünden empfangen“ habe und der Täufling „von Mutterleib an voll Neigung und Lust zum Bösen sei“. Besonders schwierig war jener Artikel IV von der Rechtfertigung, der die Vorstellung eines richtenden Gottes voraussetzte, vor dem der Gläubige sich in die rettenden Arme des Heilands flüchtet. Der bayrische Landesbischof Johannes Hanselmann versuchte im Mai 1979 eine „Reaktivierung der Rechtfertigungsbotschaft“, die schon bei der Weltversammlung des Lutherischen Weltbundes in Helsinki 1963 gescheitert war.44 Zwar hatte der Theologische Ausschuss der VELKD unter dem Vorsitz von Prof. Wenzel Lohff einen neuen Anlauf genommen, um die „Rechtfertigung im neuzeitlichen Lebenszusammenhang“ darzustellen, blieb aber im Bild vom Richtergott und Retterheiland stecken.45

Die Einzelbeichte (Artikel 11) war allgemein längst zugunsten einer Generalbeichte vor dem Abendmahl gewichen. Der 2. Teil (Artikel 22-28) enthielt sehr weitschweifige Ausführungen u.a. über den Priesterberuf, Messe, Beichte, Bischöfe. Das Augsburger Bekenntnis hatte seinen hervorragenden Platz in der Reformationsgeschichte vor 450 Jahren, aber es war ein extrem zeitgebundenes Dokument, das für die Gegenwart keine Bedeutung hatte.46 Diese musste erst umständlich herausinterpretiert werden. Zum Augustana-Jubiläum vom 22.-29. Juni 1980 strömte zahlreiche Prominenz in die Stadt zu einem der ca. 100 Begleitveranstaltungen mit Philipp Potter, Jörg Zink, Heinrich Albertz, Johann Baptist Metz, Eberhard Jüngel, mit 200 lutherischen Bischöfen aus aller Welt, mit Bundespräsident Carsten an der Schlussveranstaltung auf dem Rathausplatz. „Augsburg erwartet Tausende Gäste aus aller Welt“, ließ die EZ die Braunschweiger Leserschaft das Ereignis miterleben.47 Der ökumenische Eröffnungsgottesdienst am 27. Juni, wurde vom Fernsehen übertragen. Beim Jugendtreffen in der St. Ulrici Basilika ermahnten der mecklenburgische Bischof Rathke und der katholische Ortsbischof Bischof Joseph Stimpfle die Teilnehmer, gerade auf den anders Denkenden und anders Frommen zu zu gehen. Mit Piet Jansen konnten die Jugend in einer Sporthalle einen kirchentagsähnlichen Abend der Begegnung erleben, ein Fest des Glaubens wurde im Rosenau-Stadion gefeiert, Roger Schutz aus Taize kam zu einem Nachtgottesdienst in den Dom. Die Post gab eine Sonderbriefmarke heraus. Die Braunschweiger wurden über die EZ fortlaufend informiert.48

Aber die Lutheraner blieben unter sich und feierten auch für sich. „Die EKD kam praktisch nicht vor“, stellte Wolf Dieter Hauschild ernüchtert fest.49 Die Frage nach der Bedeutung der CA für die innere Einheit der EKD wurde nicht gestellt. „Man konzentrierte sich auf die innerlutherische Relevanz und das Gespräch mit den Katholiken.“ Zurückhaltend begann das Wort des Rates der EKD zu diesem Anlass: „Jubiläen in der Kirche erwecken zwiespältige Gefühle. Vielen ist nicht zum Feiern zumute im Blick auf den gegenwärtigen Zustand der Christenheit. Auch die Vergangenheit sehen wir mit kritischen Augen an,“50 aber es sei leichtfertig, an den entscheidenden Stunden der Kirchengeschichte nicht innezuhalten. Über der Freude am Bekenntnis sollte nicht der Abstand der Zeiten verwischt werden. „Es wäre fatal, lediglich die Bekenntnisse der Väter zu rezitieren und darüber die Aufgabe gegenwärtigen Bekennens zu versäumen.“51 Deutlicher wurde der 88jährige Martin Niemöller noch vor dem Fest: diese Art der Feierlichkeiten erschwere eher das Bekennen heute, statt es zu ermöglichen, geschweige denn zu erleichtern. Nach dem Fest überschrieb Prof. Wolfgang Trillhaas seinen Eindruck in den Evangelischen Kommentaren mit „Ein misslungenes Jubiläum“.52 In diesem Festtrubel hatte der eher repräsentationsscheue Gerhard Heintze eine tragende Rolle. Er war ja der Leitende Bischof der westdeutschen Lutheraner und hatte auf der Generalsynode der VELKD, mit der die Feierlichkeiten inoffiziell eröffnet wurden, den Eröffnungsvortrag zu halten. Heintze redete zu der illustren, mit viel Gästen aufgebrezelten Synode über drei Stunden. Das vorliegende Manuskript betrug 43 Schreibmaschinenseiten.53 Aber der Leitende Bischof hatte keine Meinung (und wohl auch keine Lust), wie er gleich zu Beginn zugab, sich „mit dem Verständnis der CA und ihrer heutigen Bedeutung im einzelnen“ beschäftigen zu wollen. Genau das hatte diese Versammlung vom Leitenden erwartet. Diese Erwartung erstickte Heintze von Anfang an und griff zu einer bezeichnenden List. Der Konfessionsurkunde war das Psalmwort Ps. 119, 46 „Ich rede von deinen Zeugnissen vor Königen und schäme mich nicht“ als „Überschrift über das ganze Bekenntnis“ vorangestellt. Sonderbarere Weise fehlt es in vielen Textausgaben. Eine Entdeckung des Bischofs? Der Verweis auf den biblischen Bezug war typisch für Heintze. Das deutete bereits ein innere Distanz zum Augsburger Bekenntnis an, und schuf zugleich Raum, weniger vom Bekenntnis als von dem, was ihm selber wichtig war, zu reden. Heintze übertrug das Psalmwort auf die lutherische Kirche der Gegenwart und benutzte es zur Gliederung: Wer ist das „Ich“? Wie lauten die „Zeugnisse“? Wer sind die „Könige“ heute? Dem Profil dieser langen Rede kommt man erst auf die Spur, wenn man auf die durchgehenden kritischen und abgrenzenden Zwischenbemerkungen achtet. Das „Ich“ könnten viele in der Gegenwart nicht mitsprechen, denn „die Gleichgültigkeit und das Desinteresse an der Jubiläumsfeier der CA sei nicht nur allgemein in der Gesellschaft, sondern weithin auch im sogenannten Kirchenvolk noch mehr verbreitet als die grundsätzliche Kritik.“ Das war ein herber Dämpfer in der allgemeinen Feiereuphorie. Es gebe auch vor der Jubelfeier warnende Stimmen „maßgeblicher kirchlicher Repräsentanten“, z.B. Martin Niemöllers. In dieser Feierstunde wirkte dieser Name wie eine kalte Dusche. Man müsse die scharfe Kritik an der Durchführung der Feierlichkeiten in Augsburg durchaus ernst nehmen. Die feiernden Lutheraner befänden sich also in einer Minderheitensituation, „durchaus vergleichbar“ mit der Minderheitensituation der damaligen unterzeichenden politischen Repräsentanten von 1530. Einmal bei einem seiner Lieblingsthemen „Minderheitenkirche“ angelangt, die er mit den Kirchenaustritten und dem negativen Verhältnis von Tauf- und Beerdigungszahlen weiter unterstrich, befand Heintze die Unkenntnis schlichtester biblischer Grundaussagen viel „bedrängender“ als die Unkenntnis der CA. Musste dies den Synodalen und Gästen in dieser auf Festlichkeit gestimmten Stunde vor die Nase gehalten werden? „Gerade bei den gegenwärtigen Jubiläumsfeiern dürften die Anzeichen für eine fortschreitende Erosion der Volkskirche uns nicht verborgen bleiben“.54 Nun hatte Jeder verstanden, was Heintze nicht wollte. Heintze relativierte auch den Bedeutungsradius der CA. Die oberdeutschen Städte hätten sich seinerzeit in der Tetrapolitana ein eigenes Bekenntnis zugelegt. Bedenkenswert fand Heintze den Versuch der Batakkirche in Sumatra, unter Verzicht auf die Übernahme der klassischen lutherischen Bekenntnisschriften ein eigenes Bekenntnis zu formulieren, das der Situation einer Minderheitenkirche mitten in einer säkularisierten Umwelt gerecht werde55. Die Batakkirche gehörte dem Lutherischen Weltbund an. Damit hatte sich Heintze vor diesem Gremium bereits weit herausgewagt. Heintze zählte lobend die vielen Initiativen auf, um das Augsburger Bekenntnis verständlich zu machen, und lenkte dann den Blick auf jene Aufgaben, die in der CA kaum Erwähnung fanden, nämlich das Allgemeine Priestertum aller getauften Christen und „die Förderung eigenständiger mündiger Mitverantwortung in größtmöglicher Breite.“56 Heintze war also bei einem anderen seiner Lieblingsthemen angelangt. Er entdeckte auch in der katholischen Kirche allerlei Annäherungen. Unter dem vielversprechenden Titel „Alle unter einen Christus“ hatte die katholischlutherische Kommission, die vor zwei Jahren schon Ergebnisse zu einem gemeinsamen Verständnis des „Herrenmahl“ vorgelegt hatte, im Frühjahr 1980 eine Stellungnahme zum Augsburger Bekenntnis veröffentlicht.57 Sie befand sich nicht unter den Synodenpapieren, daher nahm sich Heintze die Zeit, von den insgesamt 28 Artikeln allein 14 in vollen Wortlaut zu zitieren.58 „Wir hoffen“, heißt es im Vorwort der Stellungnahme, „dass die in dieser Stellungnahme zum Ausdruck kommende Gemeinsamkeit uns der erhofften Einheit unserer Kirchen näherbringt“.59 Ganz ungeniert ging die Kommission sprachlich und inhaltlich von der Tatsache zweier Kirchen aus,. Durch die Stellungnahme, so hofften die Verfasser, würden „ unsere Kirchen auf dem Weg von getrennten Kirchen zu Schwesterkirchen einen entscheidenden Schritt“ weitergeführt.60 Die grundlegenden Artikel des Augsburger Bekenntnisses entsprächen auch dem römisch-katholischen Glauben, Das seien keine privaten Meinungen der Verfasser, sondern Ergebnisse eines „offiziellen Dialoges“. Dieser dränge „zu verbindlicher Annahme seiner Ergebnisse in unseren Kirchen und stelle vor die Frage nach Verwirklichung kirchlicher Gemeinschaft“.61 Dass es während der Jubiläumsfeier nicht einmal zur einer förmlichen Anerkennung der lutherischen Kirche als Kirche kam, verweist auf eine beträchtliche kirchenpolitische Differenz in der Beurteilung dieser Frage zwischen dem Einheitssekretariat und der Glaubenskongregation, Heintze interpretierte nicht die ausführlichen Zitate im Hinblick auf die erheblichen Unterschiede innerhalb der katholischen Kirche, sondern ließ durch die ausführlichen Zitate sein Einverständnis mit den Verfassern durchblicken, dass das Augsburger Bekenntnis „als Ausdruck des gemeinsamen Glaubens angesehen werden könnte.“62 Heintze sah sogar Fortschritte in der Frage der Unfehlbarkeit. Heintze warnte wiederholt vor unsachlichen, ungerechtfertigten Vorwürfen, aber nannte die echte, fehlende Gemeinschaft zwischen beiden Kirchen „ein ständiges, beschämendes, schuldhaftes Versagen.“63 Unter dem biblischen Stichwort „von deinen Zeugnissen reden“ nannte Heintze als leuchtendes Beispiel die Tätigkeit der Mutter Theresa in Indien, sowie die diakonische Arbeit lutherischer Kirche in Japan und unterstützte die scharfe Kritik an dem globalen arm-reich Gefälle, wie sie auf der EKD Synode in Garmisch-Partenkirchen und auf der Weltmissionskonferenz in Melbourne geäußert worden war. Er beschäftigte sich mit der Gottesdienstsituation und betonte den Abstand zu den Bekennern von Augsburg. „Wir sind nicht schon Bekenner, wenn wir einfach wiederholen, was die Väter damals bekannt haben.“ Vor allem trenne die inzwischen durch die historisch-kritische Methode erforschte geschichtliche Gestalt der Bibel, die eine andere Form der Inkarnation Gottes sei. Das habe einen Bekenntnis-Pluralismus zur Folge. So habe es im Dritten Reich die beschämende Tatsache gegeben, dass die lutherische Kirche zwar an der CA festgehalten, sich zugleich aber einem aktuellen Bekennen entzogen habe. „In Barmen waren es nicht in erster Linie die Lutheraner, die offen aussprachen, was in der damaligen Situation konkret zu bekennen war.“64 Heintze hatte den kürzlich erschienen ersten Band der Darstellung der Geschichte des Kirchenkampfes von Klaus Scholder gelesen, der die Vorgänge aus der Sicht der barthianisch geprägten Bekennenden Kirche schilderte.65 Bei dem dritten Stichwort „vor den Königen“ sprach Heintze die völlig veränderte politische Situation und die politisch-gesellschaftliche Verantwortung der Kirche an. Als gelungene Beispiele nannte er die Erklärung der VELKD zum § 218 (Schwangerschaftsabbruch) und zur Homosexualität, vor allem bei kirchlichen Mitarbeitern. Am Artikel 16 der CA nannte er die Redeweise vom „gerechten Krieg“ befremdlich, weil angesichts des mörderischen Atomwaffenarsenals kein Krieg mehr vorstellbar sei, der gerechtere Lebensverhältnisse herstellen könnte. Der im Evangelium eindeutig bezeugte Friedenswille Gottes verpflichte die Christen, „mit allen Mitteln für die Stabilisierung des Friedens einzutreten.“66 Über den besten Weg für Frieden und Versöhnung einzutreten, mögen unter Christen verschiedene Ansichten herrschen. „Es muss aber auch einer kritischen Umwelt deutlich gemacht werden, dass alles Reden und Tun der Vermeidung des Krieges und der Förderung von Gerechtigkeit und Frieden dienen muss.“67 Er habe den persönlichen Eindruck, dass im Engagement für den Frieden die Kirchen in der DDR „aktiver, konkreter und freimütiger gewesen seien als die in der Bundesrepublik.“68 Als ein Beispiel für eine förderliche Hilfe in Gewaltsituationen nannte Heintze den von der VELKD eingerichteten Fonds für Gerechtigkeit und Versöhnung. Mit einem Hinweis auf den biblischen Eingangstext schloss Heintze. Dort hieß es „… und schäme mich nicht“. Das passte nicht zu seinem Vortrag, in dem er selber immer wieder viel „Beschämendes“ benannt hatte. Im Psalmenkommentar von Hans Joachim Kraus fand er die Übersetzung „..und werde nicht zuschanden“.69 „Diese Zuversicht hat ihren Grund nicht in dem, was wir in unseren Kirchen planen und tun – darum bleibt es auch heute und morgen höchst fragwürdig bestellt –, sondern allein in der Verheißung des Herrn der Kirche, dass die Pforten der Hölle seine Gemeinde nicht überwältigen werden (Mt, 16,18). Nur um dieser Zuversicht kann auch heute die Aussage der CA gewagt werden, das „alle Zeit müsse eine heilige christliche Kirche sein und bleiben“ (CA VII).70 Das war ein für Heintze unüblicher, starker rhetorischer Schluss.71

Der reichliche Beifall, so der Synodalpräsident Blendinger, habe gezeigt, „mit welcher Freude und mit welchem Interesse die Generalsynode“ den Bericht aufgenommen habe. In der Aussprache am nächsten Tag empfahl der Schleswiger Bischof Karlheinz Stoll und Oberkirchenrat Johannes Meister, Bayreuth, den kritischen Ton weiterzuentwickeln, Bischof Wölber hingegen betonte u.a. die Notwendigkeit von Öffentlichen Vereidigungen der Bundeswehr und des unverzichtbaren Gleichgewichts des Schreckens durch Atomwaffen. Er bedauerte, dass die Frage der sittlichen Qualität des Soldatenseins ausgehöhlt werde und die Kirche dazu schweige.72

Der Landesbischof schickte der Braunschweiger Pfarrerschaft sein Referat zur Information zu.73 Auch in der Landeskirche waren einige Veranstaltungen organisiert. Propst Warmers, der zeitweise die Generalsynode der VELKD als Vizepräsident geleitet hatte, veranstaltete einen Propsteikirchentag Salzgitter Bad, bei dem Propst Klaus Jürgens einen Vortrag zur geschichtlichen Entwicklung des Augsburger Bekenntnisses hielt. Warmers wandte sich gegen selbstgebastelte Bekenntnisse und nannte die CA das grundlegende Bekenntnis. „Diese sachgemäße Auslegung der hl. Schrift müsse sich jeder zu eigen machen.74 In der Stadt Braunschweig verband Propst Jürgens das 75-jährige Jubiläum der Johanniskirche mit einer Zentralveranstaltung des Stadtkirchenverbandes, auf dem Prof. Manfred Jakobs einen schwerlastigen Vortrag über „Gottes Gottheit und die Autonomie des Menschen“ hielt. 75 Das Augsburger Bekenntnis wurde dadurch den Gemeindemitgliedern nicht näher gebracht.

In der Reihe Riddagshäuser Gespräche des Amtes für Fortbildung diskutierten so gegensätzliche Theologen wie Ernst Burkhard Müller, Klaus Jürgens und Wolfgang Büscher unter Leitung von Kirchenrätin Elisabeth Prieß über die Bedeutung der CA für die Gegenwart. Da sich darin alle einig waren, gab es keine kontroverse Diskussion.76 In der Stadt Braunschweig hatten Propst Trojok und Propst Jürgens zu einer Vortragsreihe über die Augustana eingeladen. Die Sicht der katholischen Kirche hatte Prof. Joop Bergsma, Dechant in Göttingen, geschildert. Vor der Presse hatte Propst Jürgens das gutes ökumenische Klima vor Ort gelobt, aber „Zögerlichkeit in Chefetagen“ moniert. Er bedauerte die Formpflicht bei ökumenischen Trauungen, dass der Sonntagvormittag für ökumenische Veranstaltungen verboten sei und die gastweise Zulassung zum Abendmahl förmlich nicht erwidert worden sei.77 Wie weit der Versuch, das Bekenntnis von 1530 zum Leben zu erwecken, die Pfarrerschaft und die Gemeindearbeit erreicht hat, ist ungewiss.


Die Generalsynode 1981 in Wolfenbüttel

Zwei Mal hatte die Generalsynode der VELKD in den letzten 18 Jahren in der Landeskirche getagt: in Goslar 1967 und in Bad Gandersheim 1977. Sozusagen zum Abschied des Leitenden Bischofs Heintze von der Generalsynode kamen die Synodalen im Oktober 1981 nach Wolfenbüttel. Noch einmal hielt Bischof Heintze einen längeren Bericht als Leitender und als Catholica-Beauftragter. Der auf den ersten Blick farblose Bericht Heintzes, der mal wieder „keinen vom Hocker riss“, wird erst verständlich im Zusammenhang mit dem Gesamtthema der Synode und im Kontrast zu dem dazu vorgelegten Bericht des Lutherischen Kirchenamtes. Die Generalsynode hatte sich als Thema den umständlichen Titel „Vertrauen wagen, Leben, Glauben, Hoffen – Orientierungen christlicher Existenz heute“ gewählt. Er wollte eine lutherische Orientierung bieten in den Spannungen, die in der Gesellschaft der Bundesrepublik und in der evangelischen Kirche beträchtlich zugenommen hatten. Die Regierung der USA hatte unter dem Präsidenten Reagan eine neue Ära der Konfrontation mit dem Ostblock und eine neue Runde der Aufrüstung begonnen. Die Entwicklung einer Neutronenbombe, die Menschen vernichtete, aber Gebäude und Gegenstände verschonte, sollte eine kriegerische Auseinandersetzung möglicher erscheinen lassen. Der protestantische Kirchenrat der USA hatte eine dringliche Warnung vor der bipolaren Konfrontationspolitik ausgesprochen. In der Bundesrepublik sollten Raketen mit Atomsprengköpfen und in bedrohlicher Reichweite stationiert werden. Die Sowjetunion war Ende 1979 in Afghanistan einmarschiert. Auf dem Kirchentag in Hamburg 1981 waren die Befürworter einer weiteren Aufrüstung und ihre entschlossenen Widersacher aufeinandergeprallt. Ein ebenso erbitterter Streit wurde in der Bundesrepublik über die Errichtung von Kernkraftanlagen ausgefochten. In Norddeutschland waren in Lingen 1968, in Stade 1972, in Brunsbüttel 1977 und an der Unterweser 1979 Kernkraftwerke errichtete worden. Weitere waren im Bau: seit 1976 in Grohnde, Brokdorf und Krümmel. Dabei war es zu heftigen Demonstrationen vor den im Bau befindlichen Kernkraftanlagen und einem unangemessen harten Polizeieinsatz gekommen. Auch Pfarrer mit und ohne Talar waren unter den Demonstranten. Was würde im Falle eines Atomschlages auf dem Boden der BRD und DDR mit diesen Atomanlagen passieren? Was würde passieren, wenn die unaufhörlich in der Luft manövrierenden strategischen Bomberflotten von einem Fehlalarm irritiert würden? In den US Reisebüros wurde für Europareisen unter dem Slogan geworben: „Besuchen Sie Europa, solange es zu besichtigen ist.“ Am 10. Oktober 1981 versammelten sich in Bonn ca. 300.000 Teilnehmer zur größten Friedenskundgebung seit Bestehen der Bundesrepublik. Sie war von der Aktion Sühnezeichen und der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden organisiert worden. Die CDU Bundestagsfraktion hatte beantragt, die Demonstration zu verbieten, weil sie „eindeutig den Zielen Moskaus diente“, so Helmut Kohl. Zu den Teilnehmern sprachen Erhard Eppler, Präsident des Kirchentages, und Pfr. Heinrich Albertz, aber auch Heinrich Böll und viele andere. Eine Ansprache des erkrankten Martin Niemöller wurde vorgetragen. An den Vorkundgebungen in Bonn hatten sich Helmut Gollwitzer und Dorothea Sölle beteiligt.

Zehn Tage später tagte die Generalsynode. Der Präsident des Lutherischen Kirchenamtes Dr. Günter Gassmann beschrieb die Situation mit zwei Nachrichten folgendermaßen: Das uns allen aufgetragene Ringen um den Frieden könne nur dann wahrhaftig geschehen, wenn es aus dem Geist der Toleranz, der Freiheit und der Bergpredigt geschehe. „Dies sagte der russische Germanist Kopelew in seiner Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels. Als der das gesagt hatte, in der Tagesschau, kam ein Schnitt und der Sprecher der Tagesschau sagte, der amerikanische Präsident Reagan habe zugegeben, dass in der militärischen Planung ein begrenzter atomarer Konflikt für Europa für möglich gehalten wird, so dass die beiden Großmächte in eine direkte atomare Auseinandersetzung nicht einbezogen würden.“78 Wie würde die Generalsynode auf diese Lage reagieren. Auf den Tischen der Synodalen lag ein Blatt mit einigen harten Anfragen von 14 Pfarrern der Braunschweigischen Landeskirche. Darin hieß es u.a. „Wir fragen Euch: Wie verhelft Ihr unserer Regierung zu mehr Abrüstungsfähigkeit? Teilt Ihr unsere Ansicht, dass unser Land im Ernstfall nicht mehr verteidigungsfähig ist und sich die Rüstungssituation in den 80er Jahren so zuspitzen wird, daß Bischöfe und Synodale den Christen im Lande nur noch raten können, den Arbeitsplatz in der Rüstungsindustrie zu verweigern? Wie kann die Kirche bei der notwendigen Verwandlung der Arbeitsplätze behilflich sein? Wir fragen Euch: wollt Ihr, Brüder und Schwestern in leitenden Ämtern unserer Kirche, eine Sprache sprechen, die ganz undiplomatisch die Mächtigen zur Umkehr vom Rüstungswahnsinn ruft, die die Sündhaftigkeit der Geschäfte mit Rüstung – und zwar nicht nur die Rüstungsexporte, sondern auch der Rüstungsproduktion im eigenen Land – und deren Profit beim Namen nennt und ihnen das Evangelium vom Reichtum Gottes sagt, das sie arm an Waffen macht?“ Zunächst aber stand die ordentliche Vorlage des Lutherischen Kirchenamtes zur Beratung. Das Lutherische Kirchenamt hatte eine 20 Seiten lange, ausgefeilte und wohl abgerundete Ausarbeitung unter dem obigen Synodenthema vorbereitet, das die Synodalen in einigen Arbeitsgruppen zur Kenntnis nehmen, bearbeiten und auch Anträge dazu stellen sollten.79 Es war als lutherische Orientierung in der Friedensfrage gedacht. Der Vorlage war das Lutherwort vorangestellt: „Dieses Leben ist ein Vorspiel des künftigen Lebens. Wenn Gott dieses Leben, das der Verderbnis unterworfen ist, mit unzähligen Gütern so schmückt, wie wird Er dann erst das künftige Leben gestalten, in dem keine Sünde mehr sein und ewige Gerechtigkeit blühen wird?“80 Dieses Zitat ist der Schlüssel für die gesamte Arbeit. Zunächst wurden als „Zeichen der Zeit“ die Ängste angesichts des Wettrüstens und die unterschiedlichen Vorstellungen einer Friedenssicherung benannt81 und theologische Vorüberlegungen angestellt, wonach die Krisensituation ein Hinweis auf Gott sei. Die Einsicht, die Krise nicht bewältigen zu können, überführe den Christen der Schuld und Sünde. Allein das Kreuz und die Auferstehung Jesu Christi seien Grund des Glaubens, der über das Scheitern, Sünde und Tod hinausführe.82 Für den Bereich Frieden und Umwelt wurde zwar die „unvorstellbare Bedrohung“ durch die atomare Aufrüstung sowie der irrationale Rüstungswettlauf und Rüstungsexplosion verurteilt, aber gefolgert: „Es ist christliche Überzeugung, dass die präventive Anwendung militärischer Gewalt kein legitimes Mittel der Politik ist. Ein militärischer Einsatz ist äußerstenfalls zur Verteidigung denkbar, dabei muss deutlich sein, was verteidigt werden soll“.83 Danach galt auch für den Atomkrieg wie für alle Kriege noch die alte Devise vom gerechten Krieg, wonach Verteidigungskriege für einen Christen hinnehmbar seien, nicht aber präventive. Die Redeweise vom gerechten Krieg waren schon lange zum Schlagwort der Kriegspropaganda verkommen, weil alle kriegführenden Staaten behaupteten, ihre Kriege seien reine Defensivkriege. Angeprangert wurde weiterhin der „Raubbau an den Schätzen unserer Erde“ und gefordert wurde ein „neuer Lebensstil“, um dann aber auf das Motto zu Beginn einzuschwenken: „Christen werden in dieser Situation durch Wort und Tat zu verdeutlichen suchen, dass sich – bei allem Einsatz zur Erhaltung der irdischen Lebens – ihr Vertrauen und ihre Hoffnung in erster Linie auf das ewige Leben, damit aber auch auf die Zukunft dieser Welt richtet.“ Die Bemühungen um die Zukunft der Menschheit würden immer an Grenzen stoßen, nämlich an Sünde, Leiden und Tod. Da Gott sich aber den Zeitpunkt des Endes der Welt vorbehalten habe, sollten Christen alle Mögliche daran setzen, dass Menschen ihren Tod nicht durch Hunger, Seuchen oder Kriege fänden.84 Der Hinweis auf das Ende der Welt und das dahinter liegende ewige Leben war Jahrhunderte altes dogmatisches Lehrgut, und durch die Vorstellung einer atomaren Selbstauslöschung wieder belebt worden, aber ein ewiges Leben danach und gar ein Gericht Gottes gehörte zu den verblassten Glaubensgütern. Die Vorlage des Kirchenamtes exerzierte im Folgenden nach dem gleichen Schema die christlichen Grundwerte Glaube und Hoffnung und verwies immer wieder auf ein ewiges Leben als „neue Heimat im Reiche unseres Herrn und Gottes.“ Diese Orientierung war für die säkulare Welt unverständlich, auch für jene Kirchenmitglieder, die zwar eine gewisse Bindung an eine Gottesvorstellung bekundeten, aber den dogmatischen Aussagen stark entfremdet waren. Es war eine Orientierung für den harten Kern der lutherischen Kirchengemeinden, der verunsichert erschien und gefestigt werden sollte. Daher die auffällige, dem harten Kern geläufige Verwendung der „Sprache Kanaans“. Neben der Orientierung sollte die Arbeit jedoch auch abgrenzen und die Unterschiede hervorheben, etwa jenen Frieden, den humanistische und atheistische Gruppen erstreben, von dem Frieden, der bei Gott ist und von Gott kommt, nämlich den „höheren Frieden“; sie sollte unterscheiden die optimistische Überzeugung, die Welt verbessern zu können von dem Glauben, dass die sündige und verdorbene Welt vergehen werde und danach ewiges Leben zu erwarten sei; die idealistische Hoffnung, dass eine Verbesserung der Verhältnisse machbar sei, von der christliche Hoffnung auf ein Reich Gottes nach Überwindung von Leiden, Krisen und Tod. Diese gezielte christliche Abgrenzung zielte auf ein Ende von Bündnismöglichkeiten. Längst hatte sich seit den Ostermärschen in den 60er Jahren eine Bündnispraxis zwischen nichtchristlichen und christlichen Gruppen entwickelt, die gerade nicht auf Abgrenzung setzte, sondern neue und zwar gute Erfahrungen mit andersorientierten Gruppen machte. An der Bonner Kundgebung hatten sich christliche, kommunistische, sozialdemokratische, liberale Gruppen beteiligt. Bündnispraxis war bei der Ausarbeitung des Lutherischen Kirchenamtes nicht im Blick. Diese „Orientierung“ blieb für die Öffentlichkeit uninteressant. Siegfried v. Kortzfleisch, der als Schriftleiter der Lutherischen Monatshefte in diesem Jahr diese Aufgabe abgab und stellvertretender Chefredakteur des Allgemeinen Deutschen Sonntagsblattes wurde, veröffentlichte im Dezemberheft lediglich eine auf der Synode verabschiedete Entschließung unter der Überschrift „Nie dagewesene Bedrohung“,85 aber daneben eine längere Beschreibung der Friedensdemonstration in Bonn „In vielem ein Schlüsselerlebnis. Die Bonner Demonstration hinterlässt Spuren“.86

Heintze hatte als Leitender Bischof die Arbeit des Kirchenamtes vorher erhalten und nahm in seinem Lagebericht, mit dem die Generalsynode eröffnet wurde, keinerlei Bezug auf diese Arbeit. Im Gegenteil: er betonte wiederholt, dass sein Lagebericht nicht mit dem Kirchenamt abgestimmt sei. Unter der unklaren Gliederung „Glaube, Hoffnung, Liebe“ verbreitete sich Heintze zu Fragen des Gottesdienstes, des Konfirmandenunterrichtes, des Kirchbaus, usw. usw. – es war eine in die uferlose Breite gehende Darstellung. Da Heintze zugleich als Catholica-Beauftragter sprach, äußerte er sich zur Situation zur katholischen Kirche. Sein übermächtiger Wunsch, Brücken zum anderen Ufer zu schlagen, hinderte ihn an einer nüchternen Bilanz der stagnierenden Situation. Er lobte das Augustana-Jubiläum und den folgenden Papstbesuch über alle Maßen, räumte Defizite ein, um im gleichen Atemzug, Defizite innerhalb der evangelischen Kirche anzumahnen. Bezeichnend indes waren die anderen Akzente, die der Leitende Bischof setzte. Er begrüßte die neuen Abendmahlsformen, das sog, Feierabendmahl, auf den Kirchentagen. Es sei eine neue Aufgeschlossenheit vieler Gemeindemitglieder, ganz besonders auch Jugendlicher für das Abendmahl zu beobachten. Angesichts der generationslang beklagten Verkümmerung der Abendmahlspraxis sei dies mit Dankbarkeit zu vermerken.87 Heintze ergriff wiederholt Partei für die Situation der Jugendlichen. Es sei kein Wunder, wenn Jugendliche angesichts der Unfähigkeit ihrer Väter und Vorväter, den Unheilsentwicklungen wie Rüstungseskalation, ständiger Weiterentwicklung der Atomwaffen, der latenten Kriegsgefahr und der ungerechten Verteilung der Energieversorgung zu steuern, resignierten oder die Flucht in die Drogenszene oder in blinde Gewalttätigkeit ergriffen.88 Heintze begrüßte besonders die Beteiligung von Jugendlichen an den Kirchentagen. Es wäre krasses Unrecht, im wesentlichen pure Demonstrationssucht oder ähnliches als Motiv zu vermuten. Das vielfältige neue Suchen und Fragen und die Bereitschaft zu persönlichem Engagement, auch wo Unbequemlichkeit und Opfer damit verbunden sind, seien ernst zu nehmen.89 Er halte es grundsätzlich für etwas Positives, wenn junge Menschen sich heute bei ihrem Einsatz für den Frieden verstärkt auf die Bergpredigt berufen. „Statt hier sofort von Schwärmerei zu reden, sollte im Gespräch mit ihnen vielmehr erkundet werden, ob die Berufung auf die Bergpredigt wirklich ernst und konsequent genug ist und ob wir selber es hier an Eindeutigkeit des Gehorsams und der Nachfolge Jesu Christi haben fehlen lassen.“ 90 „Für uns“, die Lutheraner, sei der Mangel an Phantasie, Geduld und opferbereiter Liebe gewiss die größere Gefahr als ideologisch verzerrte, wirklichkeitsfremde Überaktivität.“ Solidarisierte sich Heintze unausgesprochen etwa mit den Demonstranten in Bonn? Im Bericht der EZ wurde sein entgegenkommendes Verständnis für die Jugend hervorgehoben.91 Heintze erinnerte weiterhin daran, dass in den Ländern des Ostens, aus denen eine Aggression drohe, ebensolche Menschen lebten, die von Ängsten bewegt seien und die von Jesus Christus zu Brüdern und Schwestern gemacht worden seien. Heintze hatte zuvor, wie auch sonst, seine Anerkennung für die Christen in der DDR ausgesprochen: „Wir erleben an ihnen, was es heißt, bewusst eine unterprivilegierte Minderheitensituation anzunehmen, ohne sich resigniert und verängstigt in die Isolierung zurückzuziehen und sich von der säkularisierten Umwelt abzukapseln, sondern zuversichtlich und entschieden alle Möglichkeiten des Zeugnisses und Dienstes für Jesus Christus inmitten einer sie umgebenden nichtchristlichen Gesellschaft wahrzunehmen.“ Es sei wahrscheinlich, dass die Minderheitensituation immer mehr auch das Schicksal der Kirchen in der Bundesrepublik werde.92 Die konzentrierten Aktionen anlässlich des missionarischen Jahres 1980 hätten nicht die Erwartungen erfüllt, die Erosion der Volkskirche entscheidend aufzuhalten.

Inzwischen dämmerte die Anfrage der 14 Braunschweiger Pfarrer auf den Tischen der Synodalen und keiner der Braunschweiger VELKD Synodalen Warmers, Hasse, Runge führte sie in den Geschäftsgang der Generalsynode ein. Sie sollte durch Nichtbeachtung in den Papierkorb wandern. Da fragte der Lüneburger Superintendent Martin Voigt, der Braunschweiger Bischofskandidat vom Juni 1981, ob es dem Frieden diene, wenn die Generalsynode schweigend darüber hinweggehe und ob die Anfragen in einer Arbeitsgruppe aufgegriffen worden seien. Der Präsident bedankte sich sehr für die Anfrage und verlas ein Schreiben an die Pfarrer und verwies auf die Vorlage des Lutherischen Kirchenamtes.93 Damit war die Anfrage zwar formal beantwortet, gehörte jedoch nicht zu den Synodenpapieren. Das soll hiermit nachgeholt werden.94

In der Aussprache zum Lagebericht äußerte sich der Bischof auf Befragen ungewöhnlich direkt und persönlich. Der Vorsitzende der Kirchlichen Sammlung Hannover, der Superintendent Malte Haupt, bemängelte die Grundaussage Heintzes, er verstehe sich als ein Anfänger im Glauben. Es müsse auch von der Mitte des Glaubens die Rede sein. Petrus habe schließlich gesagt: „Wir haben geglaubt und erkannte: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“95 Heintze verstand dies als eine grundsätzliche Anfrage an sein persönliches Glaubensverständnis und hätte kurz auf sein Grundsatzreferat bei der Generalsynode in Goslar 1967 verweisen können, wo er eben über die Frage referiert hatte: „Was heißt: „Ich glaube an Jesus Christus?“ Stattdessen erwiderte er persönlich: „Ich weiss sehr wohl, dass es in der Heiligen Schrift auch das Wort über das Wachsen des Glaubens gibt, und ich bin dankbar dafür und meine, dass ich in meinem Leben auch dieses und jenes in dieser Richtung habe erfahren dürfen. Trotzdem komme ich, je älter ich werde, eigentlich nicht darüber hinaus, was etwa Dietrich Bonhoeffer über die Anfänge des Glaubens und des Verstehens gesagt hat, bei denen wir bleiben. Und zwar nicht, weil Bonhoeffer das gesagt hat, sondern weil ich meine, dass das wirklich eine oft vergessene Grundaussage der Heiligen Schrift ist, die von uns nur allzu oft übersehen wird.“96 Enno Rosenboom, Oberkirchenrat im Kieler Landeskirchenamt, empfand die Aussagen Heintzes über die Formen der Gewaltanwendung in der Gesellschaft als zu einseitig. Heintze sei ausgegangen von der Position Frieden schaffen ohne Waffen und habe sich dann für eine begrenzte Anwendung von Gewalt ausgesprochen. Rosenboom fehlte eine lobende Erwähnung der Polizeigewalt und erwähnte als Beispiel dankbar die Haltung des Polizeipräsidenten beim Einsatz während der Bonner Demonstration am 10. Oktober.97 Heintze erwiderte, nicht der Verzicht auf Gewalt, aber die Anwendung von Gewalt bedürfe nach dem Neuen Testament „ständiger Rechtfertigung“. Heintze unterstützte die Aussagen des Leitenden Bischofs der Vereinigten Kirche in der DDR, wonach in den Kirchen das Wort „Pazifist“ verdächtig erscheine, aber jene, die Gewalt anwenden, „allzu selbstverständlich angenommen würden.98 Auch der bayrische Dekan Hans Sommer, später langjähriger Vizepräsident der Generalsynode, kam auf die Bonner Demonstranten zu sprechen. Die hätten, um glaubwürdig für eine Energiewende einzutreten, allesamt mit dem Fahrrad nach Bonn fahren sollen.99 Auch das Banalargument, dass der Strom aus der Steckdose komme, ließ sich der Bayer nicht entgehen. Er vermisste eine Verteidigung, „dass Polizei das Eigentum derer schützt, die durch entartete Demonstrationen geschädigt werden“.100 „Entartet“ war ein Wortschatz, der weniger in seinem Dekanat Ansbach als im weiter gelegenen München seinerzeit offiziöse Verwendung gefunden hatte. Es lag Heintze nicht, diese verdächtige Wortwahl in seiner Antwort aufzuspiessen. Er reagierte eher altersweise: „Im ganzen, so meine ich, haben wir ältere Menschen allen Grund, nicht herablassend mit jungen Menschen zu reden, sondern wir sollten uns, gerade weil wir älter sind, doppelt bemühen, sie in dem, was sie treiben – oft auch in verkehrter Richtung treiben – überhaupt verstehen, und uns dabei auch erinnern, was wir selber – auch vielleicht schon unsere Väter und Vorväter – versäumt haben und was dazu beigetragen hat, dass junge Menschen heute so sind und sich äußern, wie sie das tun“.101 Heintze bekundete sein gewachsenes Verständnis für die Außenseiter im Evangelium. In der Wolfenbütteler Trinitatiskirche, in der Heintze den Eröffnungsgottesdienst gehalten hatte, hatte ein Außenseiter, der junge Theologiestudent Düllmann, Flugblätter gegen die kriegsverherrlichenden Heldengedenktafeln für die Toten des 1. Weltkrieges ausgerechnet im Volkstrauertaggottesdienst verteilt. Nun bekannte er vor der Generalsynode: „Je länger ich mich damit beschäftige, desto mehr wird mir deutlich, welche Rolle eigentlich die Außenseiter im Evangelium spielen und wie oft sie von Jesus hervorgehoben werden gegenüber denen, die eigentlich institutionell die Wahrer des Glaubens gewesen wären. Ich habe mir selber gegenüber größere Angst davor, dass ich zu schnell mit den Glaubensaussagen und mit meinem Bekenntnis fertig werde als davor, dass ich in einen Relativismus hineingeraten könnte… Ich würde also doch daran festhalten – jedenfalls für mich persönlich – dass wir gerade dann, wenn wir wachsen im Glauben, über die Anfänge des Glaubens und Verstehens nicht hinauskommen“102 Mit einer Art persönlicher Treue gegenüber dem Bibelverständnis bekräftigte Heintze die durch eigene Glaubenserfahrung gehärtete Grundaussage vom beständigen Jüngersein und der lernenden Kirche. Aber er beschloss seine Antwort, und das war das letzte Wort des scheidenden Leitenden Bischofs, mit dem Hinweis auf den Monatsspruch für den Oktober 1981: „Die Freude am Herrn ist eure Stärke.“ „Darum würde es mir gehen, sowohl in meiner persönliche Existenz wie auch im Blick auf die weitere Existenz unserer Kirchen: dass man etwas mehr, als es üblicherweise bei uns der Fall ist, davon merkt, dass uns wirklich diese Freude bestimmt und dass diese Freude und nichts anderes unsere Stärke ist.“103


Anmerkungen zu Kapitel 14

1 LM Juni 1978 391 – 393 Hanselmann / Gassmann „Ziel eines gemeinsamen Weges: Den Partikularismus überwinden“.
2 Generalsynode Bad Bevensen 1978, Darstellung und Dokumente zur Geschichte der Lutherischen Kirchen, Hamburg 1979 150.
3 Lutherische Generalsynode Augsburg 1969, Hamburg 1970, 160 Wölber erhielt im 1. Wahlgang 17 Ja-Stimmen, 23 Nein-Stimmen und sechs andere; im zweiten Wahlgang 35 Ja-Stimmen, 8 Nein-Stimmen, 1 ungültige. 168.
4 ebd. 149.
5 ebd. 152.
6 EZ 5.11.1978 „Ein unfertiger Lutheraner“.
7 Christ in der Gegenwart Nr. 45 5.11.1978 S.370.
8 LAW LBf 472 „Glückwünsche zur Wahl des Leitenden Bischofs.“
9 LAW LBf 16 Rundbrief 3.11.1978.
10 Haug von Kuenheim (Hg) Der Fall Paul Schulz Die Dokumentation des Glaubensprozesses gegen den Hamburger Hauptpastor Paul Schulz Köln 1980. Eduard Lohse Erneuern und Bewahren 183 – 1990
11 KURIER 1/80 Februar 1980 35.
12 KJ 1978 57 – 58 Prof. Dr. Carl Friedrich v. Weizsäcker: Gutachten zur Theologie von Paul Schulz.
13 ZEIT 30.9.1977 „Ordnungsruf für den Ketzerpastor“ von Gerhard Seehase; auch SPIEGEL 21.11.1977 „Tröstliche Erfindung“.
14 EZ 16.4.1978 „Gott – ein relativer Wert?“
15 LM April 1070 202-203 Siegfried von Kortzfleisch „Paul Schulz scheidet aus“.
16 KJ 1978 63 – 68.
17 KJ 1978 68 Bischof Hans Otto Wölber: Stellungnahme zur Entscheidung gegen Dr. Paul Schulz.
18 NDR/WDR 19.3.1979 19.25 Uhr.
19 Süddeutsche Zeitung 21.3.1979 S. 4.
20 Lutherische Generalsynode Rendsburg 1979 Hamburg 1979 68 – 72.
21 ebd. 68.
22 ebd. 70.
23 ebd. 71.
24 LM Januar 1979 33 Siegfried v. Kortzfleisch „Dissens über Gott und Christus“.
25 Gemeinsame römisch-katholische evangelisch-lutherische Kommission Das Herrenmahl Paderborn 1978 1982 11. Auflage.
26 ebd. 7.
27 ebd. 46.
28 ebd.
29 LM Februar 1979 79 – 80 Niels Hasselmann „Wichtige Schritte nach vorn.“ Niels Hasselmann nannte die Schrift „Einige Schritte zur Mitte“.
30 Lutherische Generalsynode Rendsburg 1979 Hamburg 1979 132.
31 ebd. 120 – 127.
32 ebd. 126.
33 ebd. 128.
34 ebd. 132.
35 KJ 1979 200.
36 Ein Bild vom Brautpaar in der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung 27.August 1979 „An dem Gottesdienst nahmen etwa 200 Personen teil.“
37 Text der Predigt beim Vf
38 LAW acc 44/94 Nr. 15 Dienstreisen des Bischofs.
39 LAW LBf 16 Rundbrief 18.3.1980.
40 Anm 37.
41 EZ 27.4.1980.
42 Lutherische Generalsynode Augsburg 1980 Darstellung und Dokumente 49.
43 Das Augsburger Bekenntnis deutsch 1530 – 1980 Revidierter Text, Hg. von Günter Gassmann 1980.
44 LM Mai 1979 280 – 282 Johannes Hanselmann Fragen nach dem gnädigen Gott. Für eine Reaktivierung der Rechtsfertigungsbotschaft.
45 Rechtfertigung im neuzeitlichen Lebenszusammenhang Studien zur Interpretation der Rechtfertigungslehre, Gütersloh 1974 28: „Die reformatorische Rechtfertigungslehre hat das zukünftige Zorngericht des heiligen Gottes nicht einfach aufgehoben durch die gegenwärtige Versöhnung kraft der Christusbotschaft, sie hat den kommenden Weltenrichter nicht einfach umgedeutet in den gegenwärtigen Weltenheiland. Die Rechtfertigungspredigt will vielmehr einen jeden Menschen konkret anleiten, angesichts des ewigen Richters, welcher unsere Person in ihren Taten und Unterlassungen vor seinen Thron ruft, unermüdlich zu dem Erretter zu fliehen, welcher kein anderer als der für uns und an unserer Statt Gerichtete ist. Die reformatorische Rechtfertigungsverkündigung ist in ihrem Zentrum eine Anleitung zur eschatologischen Zuflucht von dem heiligen Gott zur unerbittlichen Rechtsforderung zu dem gnädigen Gott des vorbehaltlosen Erbarmens, vom Gesetz zum Evangelium.“ Es sind diese gut gemeinten, korrekten Sätze, die den Nachdenklichen endgültig aus der Kirche treiben. Wenn dies der Artikel ist, mit dem die Kirche steht und fällt, dann ist sie bereits gefallen.
46 Ganz anders Wilfried Härle „So könnte es gehen“ in: Deutsches Pfarrerblatt Heft 1 / 2013 42-45, der von einer monatelangen genauen Lektüre der Mitglieder des Ökumenischen und Theologischen Ausschusses der VELKD der CA unter seiner Leitung berichtet, woraus dann ein umfassender Konsenstext für die Ökumene-Konzeption der VELKD entstanden sei.
47 EZ 15.6.1980.
48 EZ 29.6.80. Ein Bericht von Dieter Andersen; EZ 13.7.80 450 Jahre Confessio Augustana: Eine Woche in Augsburg.
49 KJ 1978 21.
50 KJ 1980 29.
51 ebd. 30.
52 EK 1980 500
53 Lutherische Generalsynode Augsburg 1980 Darstellungen und Dokumente zur Geschichte der Lutherischen Kirchen, Hamburg 1980 27-68
54 ebd. 31.
55 ebd. 59.
56 ebd. 33.
57 Wege zur Gemeinschaft Alle unter einen Christus Paderborn Frankfurt 1980 53 – 63 58 Wege zur Gemeinschaft Alle unter einen Christus Paderborn Frankfurt 1980 53 – 63; Lutherische Generalsynode Augsburg 1980 Darstellung und Dokumente 34 – 36;
59 Wege zur Gemeinschaft 53.
60 ebd. Art. 25 S. 36.
61 ebd. Wege zur Gemeinschaft 57; von Heintze nicht zitiert.
62 Generalsynode 35.
63 ebd. 43.
64 ebd. 59.
65 LM August 1978 478-480 Gerhard Heintze „Die allzu schnelle Kapitulation“.
66 Anm 54 64.
67 ebd.
68 ebd. 65.
69 Biblischer Kommentar Altes Testament, Hans Joachim Kraus Psalmen 2. Halbband 1972 (4. Aufl) 812; dazu die Erklärung: „In Vers 46 wächst der Mut zum freien Bekenntnis in die politischen Machtbereiche hinaus“ 825.
70 ebd. 68.
71 EZ 6.Juli 1980 Die „Verantwortung für den Frieden bejahen“, fasste die EZ die Festansprache Heintzes zusammen.
72 ebd. 113.
73 LAW LBf 16.
74 EZ 6. Juli 1980 12 „Gegen selbstgebastelte Bekenntnisse“.
75 EZ 6. Juli 1980 12 „Ein Schritt mit Folgen“.
76 EZ 22.6.1980 7 „Jeder soll sie lesen dürfen“.
77 EZ 23.11.1980 12 Prüfsteine für Ökumene.
78 Lutherische Generalsynode Wolfenbüttel 1981 Darstellung und Dokumente zur Geschichte der Lutherischen Kirchen Hannover 1981 171.
79 ebd. 436 – 456.
80 ebd. 436.
81 ebd. 436 – 438; Nr. 2 – 9.
82 ebd. 440; Art. 12 und 13.
83 ebd. 442 Art. 25.
84 ebd. 444.
85 LM Dezember 1981 690.
86 ebd. 691 – 692.
87 Lutherische Generalsynode Wolfenbüttel 1981 Darstellung und Dokumente zur Geschichte der Lutherischen Kirchen Hannover 1981 76.
88 ebd. 72.
89 ebd. 76.
90 ebd. 84.
91 EZ 1.11.1981 1 und 5.
92 Lutherische Generalsynode Wolfenbüttel 1981 Darstellung und Dokumente zur Geschichte der Lutherischen Kirchen Hannover 1981 81.
93 ebd. 285.
94 „Die unterzeichneten Pfarrer der Braunschweigischen Landeskirche haben mit großer Anteilnahme die Sorgen der amerikanischen Christen gelesen, wie sie in der Studie des Leitungsausschusses des Nationalen Rates der Kirchen Christi in den USA zum Ausdruck kommen. In der Studie heißt es: „Nukleare Überlegenheit und die Fähigkeit, überall in der Welt überlegene militärische Macht zu entfalten, werden als Basis der nationalen Politik angesehen. Bislang wuchs die Bereitschaft, die Welt in ihrer wirklichen Vielfältigkeit und Verschiedenheit zu sehen. Demgegenüber ist die neue Regierung entschlossen, sich von der schwierigen, unbequemen Entspannungspolitik der letzten 10 Jahre abzuwenden und die verzerrte Sicht einer bipolaren Welt aus der Zeit des Kalten Krieges wieder zu beleben.“ Wir fragen Euch: teilt Ihr diese Sorgen? Diese „beachtenswerte Wende“ in der Politik der USA hat die Frage nach den Grenzen der Rüstung bei uns neu und dramatisch gestellt. Landesbischof Lohse unterstütze den Nachrüstungsbeschluss, heißt es. Viele andere werden ihm darin zustimmen. Wir fragen Euch: Könnt Ihr, die Ihr heute noch eine weitere Aufrüstung politisch für sinnvoll, wirtschaftlich für bezahlbar und moralisch für vertretbar haltet, sagen, wann für Euch die Grenzen der Aufrüstung erreicht sind? Könnt Ihr sagen, wie Ihr die Kette der jeweiligen Vor- und Nachrüstung aufzubrechen gedenkt? Wir fragen Euch: Wie verhelft Ihr unserer Regierung zu mehr Abrüstungsfähigkeit? Teilt Ihr unsere Ansicht, dass unser Land im Ernstfall nicht mehr verteidigungsfähig ist und sich die Rüstungssituation in den 80er Jahren so zuspitzen wird, daß Bischöfe und Synodale den Christen im Lande nur noch raten können, den Arbeitsplatz in der Rüstungsindustrie zu verweigern? Wie kann die Kirche bei der notwendigen Verwandlung der Arbeitsplätze behilflich sein? Die Stellungnahmen der EKD werden oft so verstanden, daß die Regierung tatsächlich keine Änderung ihrer Rüstungspolitik vornimmt. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Stellungnahme der EKD zur Neutronenbombe vom 15.3.1978. Außenminister Genscher entnahm aus ihr zu Recht ein Ja zur Neutronenbombe. Wir fragen Euch: Wollt Ihr, Brüder und Schwestern in leitenden Ämtern unserer Kirche, eine Sprache sprechen, die ganz undiplomatisch die Mächtigen zur Umkehr vom Rüstungswahnsinn ruft, die die Sündhaftigkeit der Geschäfte mit Rüstung – und zwar nicht nur die Rüstungsexporte, sondern auch der Rüstungsproduktion im eigenen Land – und deren Profit beim Namen nennt und ihnen das Evangelium vom Reichtum Gottes sagt, das sie arm an Waffen macht? Die Fragen waren unterzeichnet von: Dieter Adam (Nordsteimke), Ulrich Adrian (Büddenstedt), Hartmut Albath (Braunschweig), Hartmut Barsnick (Salzgitter), Dr. Eckehart Beichler (Emmerstedt), Helmut Bertram (Salzgitter), Gert Beyer (Salzgitter), Dr. Kurt Dockhorn (Salzgitter), Herbert Erchinger (Braunschweig), Albrecht Fay (Braunschweig), Arnold Kiel (Braunschweig), Jürgen Kleiner (Braunschweig), Alexander Knackstedt (Wahle), Dietrich Kuessner (Offleben), Michael Künne (Schöningen), Christian Leu (Greene), Hans Dieter Pauler (Harlingerode), Günter Prüße (Lichtenberg), Martin Quandt (Immenrode), Bodo Sander (Soyen), Henning Schaper (Salzgitter), Sven Schmidt (Salzgitter), Detlef Schumacher (Braunschweig), Dr. Gerd A. Wewers (Salzgitter), Hellmut Winkel (Braunschweig).
95 Lutherische Generalsynode Wolfenbüttel 1981 Darstellung und Dokumente zur Geschichte der Lutherischen Kirchen, Hannover 1981 124.
96 ebd. 138.
97 ebd. 126.
98 ebd. 139.
99 „Es wäre wahrscheinlich günstiger gewesen, wenn diese Dreihunderttausend mit Fahrrädern anstatt mit Bussen nach Bonn gefahren wären“ ebd. 132.
100 ebd. 132.
101 ebd. 140.
102 ebd. 138 + 139.
103 ebd. 142.


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Impressum, http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/Heintze/, Stand: November 2015, dk