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[Kirche von unten]

Die Braunschweiger Landeskirche in den 70er Jahren

und ihr Bischof Gerhard Heintze

Exkurs

Die deutsche Schuld – unerkannt und un-bekannt

Für Bischof Heintze war die Zustimmung zu der Ostdenkschrift (1965) und zu den Ostverträgen (1972) mit einer deutschen Schuld begründet. Die Ostdenkschrift stellte die Gemeinden und die deutsche Öffentlichkeit ausführlich vor die Schuldfrage. Vom Unrecht der Vertreibung könne, so die Verfasser, nicht gesprochen werden, ohne dass die Frage nach der Schuld gestellt werde. „Im Namen des deutschen Volkes wurde der zweite Weltkrieg ausgelöst und in viele fremde Länder getragen. Seine ganze Zerstörungsgewalt hat sich schließlich gegen den Urheber selbst gerichtet.“ Darüber hinaus gebe es eine „Schuldverflechtung der Völker“.1 Ein Anliegen der Denkschrift sei, so Heintze, „der Ernst, mit dem auf den Schuldanteil unseres eigenen Volkes an der Geschichtskatastrophe des Zusammenbruches von 1945 einschließlich der Vertreibung aus den Ostgebieten aufmerksam gemacht werde.“ Heintze zitierte aus der Denkschrift: „Wir müssen daran festhalten, dass alle Schuld der andern die deutsche Schuld nicht erklären oder auslöschen kann“. „Es geht kein Weg an der deutschen Schuld vorbei“, hatte der Redakteur des SONNTAG, Richard Grunow, diesen Abschnitt überschrieben. Damit war nach der Entnazifizierungsphase Ende der 40er Jahre erstmals erneut in aller Öffentlichkeit die deutsche Schuldfrage gestellt und zwar in dem für die Betroffenen schwer zugänglichen Zusammenhang mit der Vertreibung, für die die sowjetische und polnische Regierung verantwortlich gemacht wurden. Heintze bekräftigte seine Meinung während der Aussprache in der Berliner EKD- Synode im Frühjahr 1966. Die Aussprache entwickelte sich auf den Begriff der Versöhnung hin, als Heintze am Ende der Aussprache auf die Schuld als Voraussetzung der Versöhnung verwies: „Hier sitzt der eigentliche Stachel“. Die eigene Schuld und die Schuld der Jahre 1939-1945 bleibe wichtiger als die Schuld der anderen, selbst wenn wir als Einzelne nicht beteiligt gewesen sind. „Sie bleibt Schuld, in der wir als deutsche Menschen auch im Jahre 1966 noch hineinverflochten bleiben. Diese Schuld bleibt eine anderes und größeres und hier uns notwendigerweise brennenderes Problem als die Schuld der anderen, die ja in keiner Weise in der Denkschrift geleugnet wird.“2 Heintze erhielt darauf einen Brief eines alten Bekannten, der seine Rede im Spandauer Johannesstift miterlebt hatte und ihm von seiner Zeit als Lektor in Schlesien nach 1945 schrieb: „Ich habe, sehr verehrter Herr Landesbischof, in meinem kirchlichen Dienst nach dem Zusammenbruch in Schlesien als Lektor nur Kinder aus Vergewaltigungen getauft. Ich hatte keine Konfirmandin, die nicht vergewaltigt worden war, einzelne bis zu 15 und 20 Mal. Außer mir gibt es sicher noch viele Hunderte und Tausende anderer, die an der Seelsorge in dieser Zeit schwere Lasten mit sich herumtragen und sie ins Grab nehmen“.3 Der Schreiber rechnete keineswegs Schuld gegen Schuld auf, aber er wies den Bischof darauf hin, dass andere Schuld auch da ist, und mit der Erkenntnis und der öffentlichen Behauptung einer deutschen Schuld die Schuldfrage nicht beantwortet war. Er verwies auf die „Schuldverflechtung der Völker“. Der Bischof stand mit seiner Meinung in der Braunschweiger Landeskirche ziemlich vereinzelt da. Das Schweigen in der Landessynode deutete auf eine wenig durchreflektierte Situation in der Landeskirche in dieser Frage hin. Wie in weiten Teilen der Bevölkerung galt auch im Braunschweigischen die Schuldfrage als von außen durch die Siegermächte aufgedrängt. Die zahlreichen Nürnberger Prozesse gegen die Naziführung, dann gegen Juristen, Ärzte, Industrielle galten als „Siegerjustiz“ und förderten nicht eine eigene Schulderkenntnis. Als der bürgerliche Teil der Celler Einwohnerschaft im Frühjahr 1945 in das KZ Bergen-Belsen gefahren wurde, um das fürchterliche Verbrechen mit eigenen Augen anzusehen, kehrte er mit der Gewissheit zurück: „Das habe ich nicht gewollt“, „damit habe ich nichts zu tun“. Als die ersten alliierten Presseorgane immer wieder jene Bilder aus den Konzentrationslagern veröffentlichten und damit ein Schuldbewusstsein in der Bevölkerung herbeiführen wollten, bewirkten sie das Gegenteil: „Das ist nicht meine Schuld.“ Von „außen“ kam auch die Stuttgarter Schulderklärung des Rates der Evangelischen Kirche vom Oktober 1945, in der es u.a. heißt: „Mit großem Schmerz sagen wir: Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden“. Aber diese Erklärung wurde vom Rat der EKD nicht der deutschen Bevölkerung zur Auseinandersetzung mit einer eigenen Schuld oder einer deutschen Schuld vorgelegt. Sie war gegenüber den Kirchen des ökumenischen Auslands ausgesprochen, nicht jedoch für die deutsche Öffentlichkeit. Martin Niemöller bekannte: „Ich habe zwei Jahre nichts anderes getan, als den Menschen diese Schulderklärung zu predigen – leider ohne Erfolg“.4 War der Zeitpunkt eines Schuldeingeständnisses noch nicht gekommen oder bereits verpasst? 5 Das Nachdenken über eine deutsche Schuld begann mit der allmählichen Lösung vom Nationalsozialismus, der mit der militärischen Niederlage keineswegs verschwunden war. Klaus Jürgens schildert an Hand seiner Tagebuchaufzeichnungen aus den Jahren 1944/45 die allmähliche Loslösung. Das Gefühl des „Idealismus“, das die Jugend seinerzeit ergriffen habe, sei erst allmählich und sehr langsam durch das Gefühl von Enttäuschung und vom „Betrogen worden zu sein“ gewichen.6 Die Vergiftung der deutschen Bevölkerung durch die nationalsozialistischen „Werte“ (Größe, Sieg, Überlegenheit, Machtfülle, rücksichtsloser Einsatz zu deren Erhalt) war tief eingedrungen, und die Entgiftung dauerte Jahrzehnte. Karl Bonhoeffer, bis 1938 Chef der psychiatrischen Abteilung der Berliner Charite und Vater von Dietrich Bonhoeffer, bezeichnete 1947 in einem Aufsatz unter dem Titel „Führerpersönlichkeit und Massenwahn“ Hitler als Psychoten, der auf eine psychotische, vom Massenwahn befallene deutsche Bevölkerung getroffen sei.7 Die allmähliche Heilung dieser Psychose war die Voraussetzung für die Erkenntnis einer Schuld. Die innere Loslösung vom Nationalsozialismus löste jedoch nicht die Zunge, über die persönliche Einbindung in die nationalsozialistische Gesellschaft und deren Verbrechen zu sprechen. Kein Soldat und kein General brachte mit dem Wortlaut der Stuttgarter Erklärung über die Lippen: „Durch mich ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden“. Man schwieg. Von dieser schweigenden Generation schrieb Hans Zehrer 1958: „Sie trägt diese Geschichte, diese erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, in sich und mit sich herum, und ihr Leben und Wesen kann nur erlöst werden, wenn diese Geschichte zugleich erlöst, das heißt aufgearbeitet, gedeutet und auf ihren Sinn hin untersucht wird, Diese Generation trägt den Schlüssel mit sich herum, der die Türen aufschließt, die in den Hintergrund und Untergrund der Geschichte führen. Aber sie hat ihn tief in den Falten ihres Wesens vergraben. Denn der Schlüssel schließt nur, wenn man zuvor durch das Joch der eigenen Schuld gegangen ist. Es ist wohl die Aufgabe einiger weniger, die in besonderer Weise dem Geist verbunden sind, Geschichte aufzuarbeiten und zu deuten, und es wäre eine erlösende Tat, wenn es in Deutschland bald beginnen und wenn es gelingen sollte. Denn dann würden viele Türen aufgeschlossen werden, die heute noch verschlossen und verriegelt sind.“8 1951 hielten 40 % des westdeutschen Bevölkerung die Nazizeit für besser als die Gegenwart von 1951 und 2001 gaben 37 % der über 60 Jährigen an, dass der Nationalsozialismus auch gute Seiten gehabt habe. In den Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel wurde kürzlich ein Fülle von Krankenakten von ratsuchenden deutschen Kriegsheimkehrern von Svenja Goltermann ausgewertet, die die fürchterlichen psychischen Folgen der Front- und Gewalterfahrungen deutscher Soldaten beschreibt.9

Eine populäre Deutung der Geschichte bot Max Wedemeyer, Pfarrer in der Dorfgemeinde Bornum, dann an der Jakobikirche, mit dem Roman „In der Welt habt ihr Angst“, der 1948 erstmals erschien und viel gelesen wurde und wird. 2003 ist das 130. Tausendste erschienen.10 Ein Schlüsselroman zum Verständnis dieser ansonsten schweigsamen Kriegsgeneration. Die handelnde Person ist ein junger evangelischer, gläubiger Pfarrer, der auf dem dramatischen Rückmarsch im Winter 1943 Verwundete tröstet, Sterbende bis zum Ende begleitet, in einer russischen Hütte einen 18jährigen Jungen entdeckt, ihn aber nicht verrät, von russischen alten Frauen verpflegt wird, und viele persönliche Wunder erlebt. Abgekämpft fällt er in einer andere Hütte erschöpft zu Boden und wird von russischen Frauen wieder zum Leben erweckt, während draußen eine Patrouille sowjetischer Soldaten vorbeizieht. Er hat Bibelsprüche und Gesangbuchverse parat und richtet sich selber und seine skeptischen Kameraden auf. Ein verlorener Haufe. Als es mit ihren Kräften in Schnee und Eis zu Ende zu gehen scheint, reicht der Soldatenpastor seinen Kameraden Krümel und Eisstücke mit den Abendmahlsworten als letzten Hoffnungsschimmer. Die Handlung ist durchsetzt von Überlegungen über Gottes Willen, über den dämonischen Nationalsozialismus, die Sinnlosigkeit des Krieges. Dazwischen Schiesserei und Feuer erwidern und sowjetische Panzer, Tiefflieger, Pferdekadaver und Menschenleichen. Die Botschaft des Romans ist: Gott offenbart sich auch im tiefsten Kriegselend, sein Wort bleibt weitertragende Hilfe und Rettung. Der junge Pastor erreicht einsam eine deutsche Auffangstelle. Kameraden, die überlebt haben, haben zum christlichen Glauben gefunden. Solche Geschichten von der Offenbarung Gottes mitten im Krieg hat es mehrfach gegeben. Im Kessel von Stalingrad malte der Arzt und Künstler Kurt Reuber für die Kameraden auf der Rückseite einer Landkarte mit Kohlestift das Bild der sog. Stalingrader Madonna, das heute in der Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche in Berlin hängt. Der Marinepfarrer Arno Pötzsch dichtete das Lied „Du kannst nicht tiefer fallen / als nur in Gottes Hand / die er zum Heil uns allen/ barmherzig ausgespannt“. Es steht im Evangelischen Gesangbuch EG 533. Der Roman Wedemeyers hatte Nebenwirkungen. Der Nationalsozialismus war eine fremde, verachtenswerte Erscheinung, mit der der fromme Pfarrer nichts zu tun haben will. Der Krieg war ein Unheil, das über diese Männer wie ein fremdes Ungewitter gekommen war. Im Grunde hatten sie daran nichts zu verantworten. Das Erlebnis der Offenbarung Gottes im Unheil verdrängte die Behandlung der Schuldfrage.

Kürzlich ist ein weiterer Versuch publiziert worden. Ein Sohn entdeckt Aufzeichnungen seines Vaters. Er heißt Hans Martin Gutmann, aufgewachsen in einem kirchlichen Elternhaus auf dem Braunschweiger Land und hat nach dem Tod seines Vaters Paul Otto Gutmann im Jahre 2008 Aufzeichnungen des alten Vaters über seine Zeit im Krieg und in der Kriegsgefangenschaft gefunden und auszugsweise veröffentlicht.11 Paul Otto Gutmann hatte in der Landeskirche eine angesehene Stellung, arbeitete mit Hartmut Padel in der Leitung des Katechetischen Amtes, danach war er für die Ausbildung der Grundschullehrer in Goslar zuständig. Die Landessynode wählte ihn in die Kirchenregierung. Paul Otto Gutmann war während des Krieges als Soldat in Wolfenbüttel, in Holland und Österreich eingesetzt, kam in amerikanische Gefangenschaft, wurde an die Sowjetunion ausgeliefert und kehrte nach fünfjähriger Kriegsgefangenschaft zurück. Der Sohn Hans Martin Gutmann, der Theologie studierte und heute Professor für praktische Theologie in Hamburg ist, war vom Fund überrascht. Der Vater hatte ihm die Aufzeichnungen nicht ausgehändigt, sondern weggelegt. Die Aufzeichnungen belegen das lange Schweigen der Kriegsgeneration, denn der „Krieg“, obwohl in der Familie Gutmann alles angesprochen werden konnte, war kein Thema. Daher die Überraschung des Sohnes. Wenn man die Aufzeichnungen im Zusammenhang liest, entsteht das Bild eines betagten Mannes, der sich noch einmal Bilder seiner Zeit als Zwanzig bis 29jähriger vor Augen stellt. Vor seinen Augen entstehen Episoden aus seiner Tätigkeit als junger Artillerie-Offizier bei der Ausbildung von jungen Soldaten, Bilder einer ausgesprochen freundlichen holländische Bevölkerung, die ihr Misstrauen gegenüber der deutschen Besatzung rasch überwindet, und Erinnerungen an die harte Barackenzeit in der sibirischen Kriegsgefangenschaft, in der Kameradschaft entstand und in der mit dem sowjetischen Wachpersonal gut auszukommen war. Es fehlt in diesen Aufzeichnungen jede Form von kritischer Einschätzung und eine Einbettung seiner Erlebnisse in den größeren Zusammenhang der Kriegsereignisse. Es ist dem Alter geschuldet, dass Paul Otto Gutmann vorwiegend die hellen Seiten seiner Kriegszeit, in unterhaltsame Episoden aufgelöst, wiedergibt. Der Sohn Hans Martin Gutmann, der eine freundschaftliche, familiär enge Beziehung zum Vater bewahrt, will mit der Veröffentlichung einen Innenraum für einen in der Zukunft vielleicht drohenden Katastrophenfall erschließen, in dem man dem Elend und der Gefährdung des katastrophalen Außenraumes entgehen und in ihm überleben kann. So interpretiert er seinen Vater. So hatte es auch Max Wedemeyer gemeint: der Innenraum des Glaubens, gewiss vielfach auch angefochten, ist die rettende Oase, in der der Gläubige die Katastrophe überlebt. In der Konstruktion des Innenraumes kam eine Schuldfrage nicht vor.

Auch Bischof Heintze berichtete in seinen unvollständigen Lebenserinnerungen von seiner Zeit als Soldat. Dabei betont Heintze den scheinbar zivilen Charakter. „Bis heute bin ich dankbar dafür, in meiner ganzen Dienstzeit keinen einzigen scharfen Schuss auf Menschen abgegeben zu haben und dazu auch nicht genötigt zu sein. Überhaupt wurde ich in der Einheit der Geheimen Feldpolizei, zu der ich nach der Ausbildungszeit in Altenburg kam, erstaunlich großzügig und zuvorkommend behandelt.“12 Er habe sogar seinem Beruf als Pfarrer nachgehen können und einen beim Luftangriff getöteten Kameraden bestattet, obwohl er als Wehrmachtspfarrer gar nicht zuständig war. Es war für die militärische Einheit selbstverständlich, dass er die Beerdigung vornahm.13 Auch an seinen Auslandseinsatz in Frankreich ranken sich für den alten Heintze fast romantische Erinnerungen. Er besuchte einen Gottesdienst, setzte sich in die hintere Reihe, um in der Uniform nicht aufzufallen, aber der französische Pfarrer kam auf ihn zu, drückte ihm ein Gesangbuch in die Hand und begrüßte ihn.14 Gerhard Heintze blieb offiziersuntauglich. „Mir war’s recht“, kommentierte der Großvater trocken.15 Auch Heintze überlieferte wie Gutmann aus seiner Kriegszeit anekdotische, stimmungsvolle Erinnerungen. In welche bedrückenden Situationen er als Feldpolizist gekommen ist, schreibt er nicht. Er vermittelte der Enkeltochter und Ehefrau das Bild eines auf Orden und Beförderungen wenig erpichten Unteroffiziers, ein Zivilist in der Etappe. Die Kriegserlebnisse verbanden sich nicht mit einer Schuldfrage. Sein Freund Bischof Werner Krusche eröffnete seinen Vortrag über Schuld und Vergebung 1984 mit der Feststellung: „Ich selbst habe beide Feldzüge (Polen und Frankreich) mitgemacht und hatte nicht das Gefühl, an einem Unrecht beteiligt zu sein“.16

Statt sich mit der Schuldfrage zu beschäftigen, legte sich hinter dieser Wand des Schweigens und Verschweigens die evangelische Kirche ein unwahres Bild von sich selber zur Zeit des Nationalsozialismus zu. Die evangelische Kirche habe sich in einem Kirchenkampf befunden, und zwar gegen die Deutschen Christen und damit gegen den Nationalsozialismus. Die Braunschweigische Landeskirche sei ein Opfer des Nationalsozialismus geworden, der man zahlreiche Grundstücke unrechtmäßig geraubt und den Braunschweiger Dom zur nationalsozialistischen Weihestätte umgebaut habe, die kirchliche Jugendarbeit schwer behindert und die Hitlerjugend gegen die Landeskirche aufgehetzt habe. Pfarrer wurden zur Gestapo vorgeladen, verhört und verwarnt. Ein Pfarrer wurde aus politischen Gründen zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, ein anderer ins Konzentrationslager verschleppt. Die Landeskirche befand sich also im Kirchenkampf gegen den Nationalsozialismus. Hinter der Wand des Schweigens und Verschweigens wurden im Zuge der Entnazifizierungsverfahren reihenweise sog. „Persilscheine“, einseitige Entlastungszeugnisse ausgestellt. Schwerwiegender waren die Verdrehung von Tatsachen, die umgeschriebenen Lebensläufe, Verheimlichung von belastenden Kirchenregierungs- und Synodalsitzungen in der Landeskirche. Erst der andauernde Aufschrei von Pastor Georg Althaus im Jahr 1957 gegen die Verstrickung kirchenleitender Männer in Wolfenbüttel mit dem NS-Regime, der mit Unterbrechungen bis 1963 dauerte, schreckte die Landeskirche erstmals auf und erreichte mit Berichterstattungen im STERN und SPIEGEL eine breite Öffentlichkeit. Seither haben zahlreiche Veröffentlichungen von Ottmar Palmer, Ernst August Roloff, Klaus Erich Pollmann, Hans-Ulrich Ludewig, Joachim Klieme, Michael Siano, Bernhild Vögel und auch von mir auf die Verbindungen zum nationalsozialistischen Staat und seiner Partei von den Oberlandeskirchenräten Röpke, Breust, Steffen und Lerche, von den Pröpsten Strothmann, Leistikow, Rauls, Gremmels, Kellner, Jürgens und anderen, von den Juristen Grimpe und Linke hingewiesen. Aber diese handelten auf dem Hintergrund einer breiten Zustimmung der Pfarrerschaft zum nationalsozialistischen Staat, wie er in der feierlichen Vereidigung auf die Person und Politik Hitlers in der Braunschweiger Martinikirche am 20. April 1938 über alle kirchenpolitischen Gegensätze hinweg zum Ausdruck kam.17 Der Eid wurde von den Pfarrern mit Antritt ihres Militärdienstes ab 1939 durch den Soldateneid sogar wiederholt. Das schuf Bindungen und Verpflichtungen gegenüber dem „Führer.“ Die Pfarrerschaft führte durch die sonntäglichen Gebete für die nationalsozialistische Staatsführung während des ganzen Kirchenjahres, durch Umdeutung von Kirchenliedern, durch Dankgottesdienste nach dem Putsch Hitlers gegen die SA im Sommer 1934, nach den missglückten Attentaten im November 1939 und Juli 1944, durch die Gefallengedächtnisgottesdienste die Gemeinden in die Irre.18 Der groteske Hitlergruß („Heil Hitler“), der die mystifizierte Anwesenheit des „Führers“ in privaten und öffentlichen Situationen berief, wurde von Oberlandeskirchenrat Mahrenholz für den Reichskirchenausschuss offiziell als ein Gebet interpretiert 19, eine gräuliche Irreführung der Gemeinden, zu der sich Mahrenholz nach dem Kriege nie erklärt hat.

Manchmal sind es Nebensächlichkeiten, die das Ausmaß der Verflechtung von Kirche und Nationalsozialismus beleuchten. Vielleicht entdecken die Enkel auf der Suche nach dem Verhalten ihrer Großväter im Kriege in den offiziellen Amtsblättern ihrer evangelischen Kirche „Ehrentafeln.“ Im Braunschweiger Amtsblatt sind es insgesamt 18 Ehrentafeln.20 Die Kirchenleitung berichtete jeweils auf Seite eins von den militärischen Auszeichnungen, dem Namen des dekorierten Pastors, seinem Heimatort und dem militärischen Dienstrang, also: „Pastor Schütze, Wolfenbüttel, Hauptmann, Eisernes Kreuz I. Klasse, Pastor Bues, Evessen, Obergefreiter, Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern, Pastor Sommer, Destedt, Leutnant, Silbernes Verwundetenabzeichen.“21 Es wurden ca 80 Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter auf diesen Tafeln genannt, dazu Eisernes Kreuz I. und II. Klasse, Spange zum Eisernen Kreuz I. und II. Klasse, Kriegsverdienstkreuz I. und II. Klasse, mit und ohne Schwerter, Verwundentenabzeichen in Schwarz, Bronze und Silber, Kampfabzeichen der Flakartillerie, Infanterie-Sturmabzeichen, Pionier-Sturmabzeichen, Erdkampfabzeichen der Luftwaffe, Tapferkeitsauszeichnung II. Klasse für Osttruppen, Krimschild, 18 Pfarrer erhielten im Juni 1943 die Ostmedaille Winterschlacht im Osten22, eine rumänische Medaille „Kreuzzug gegen den Kommunismus“ ist auch dabei. Die Ehrentafeln waren mit Blümchen umrandet und oben mit einem Eisernen Kreuz samt dem damaligen Hoheitszeichen, dem Hakenkreuz. Das ist keine Braunschweiger Besonderheit. Das gab es in allen Landeskirchen mit noch ulkigeren Bezeichnungen wie dem aus Rumänien. Keine staatliche Stelle hatte die Kirche zu diesen „Ehrentafeln“ veranlasst. Die Kirchenbehörden wollten damit im Falle des Endsieges vorsorglich signalisieren: wir waren auch mit dabei, wir haben auch mitgeholfen. Die völlige Durchseuchung des kirchlichen Lebens wäre nach 1945 ein Anlass zu einem anhaltenden bußfertigen Nachdenken über die Rolle der Landeskirche gewesen. Aber dazu fehlte der Abstand. Die Braunschweigische Landeskirche sah keinen Anlass für ein Schuldbekenntnis, das die Zunge zum Dank für die erfahrene Vergebung löste, sondern sie verschloss den Mund zum hartnäckigem, fortgesetzten Schweigen bis – so ein angebliches Testament von Bischof Erdmann – zum Tode des letzten überlebenden Zeitzeugen.23 Statt freimachendem Vergebungsbewusstsein beherrschte die Landeskirche der Geist der Selbstbehauptung, die den Charakter einer Selbstrechtfertigung und Selbsterlösung einnahm. Der grub tiefe Falten in das Gesicht der Landeskirche. Und die Sünde der Väter suchte die nächsten Generationen heim, die das Schweigen und Verschweigen fortsetzte und den Boden der Geschichte weiter verhärtete und verschloss.

Dagegen blieb eine andere Frage bei der Bevölkerung und der Kirche haften und überdeckte die der Schuld. Die Toten des Krieges blieben in den Familien und auch in der Öffentlichkeit unvergessen. und überschatteten die Erinnerung. Sie stellten die Frage nach dem Sinn ihres Todes. Jahr für Jahr wurde diese Erinnerung am Volkstrauertag neu belebt. Vor vielen Kirchen wurden Tafeln an den Kriegerdenkmälern aus dem 1. Weltkrieg mit den Namen der „Gefallenen“ von 1939-1945 angebracht. Sie wurden in einer Feierstunde „geweiht“. Ein Beispiel für viele andere: „Weihe der Kriegerdenkmäler in Beuchte und Weddingen“, meldete das Braunschweiger Volksblatt im Oktober 1954. Sie wurde mit einem Festgottesdienst eingeleitet, in der der stellvertretende Bischof OLKR Wilhelm Röpke über den Text predigt „Die Liebe höret nimmer auf“. Das ganze Dorf war versammelt, Spielmannzug, Gesangverein, Posaunenchor, Bürgermeister rahmten die Feierstunde ein. Der Chor sang: „Herr Gott, schütz das deutsche Land“. Auf dem Denkmal war folgender Bibelspruch angebracht: „Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.“ Das stand auch schon unter manchen landeskirchlichen Todesanzeigen im Amtsblatt noch während des Krieges. Der stellvertretende Bischof hielt dazu eine Ansprache. „Sie starben für uns. Unsere Treue ihr Lohn“, lautet die Inschrift auf dem Beuchter Denkmal. Unter dem Lied vom „Guten Kameraden“ wurden Kränze niedergelegt, „zum Abschluss Deutschandlied“.24 „Das geschmückte Denkmal in der Morgensonne bot ein unvergessliches Bild“. Dieser festliche Schleier deckte die Frage nach den Verbrechen im Krieg, nach der Sinnlosigkeit des Kriegszieles und der Kriegsdauer, nach der Eingebundenheit der sog Heimat in den Kampf „bis zum letzten Blutstropfen“ zu. Die Feier wich der bedrückenden Sinnfrage aus. In den Landeskirchlichen Amtsblättern 1941-1944 wurde diese Frage von demselben Prediger mit „Für Führer, Volk und Vaterland“ beantwortet und von vielen Angehörigen auch angenommen. Gedankenlos wurde diese Formel nun durch die andere „für uns“ ersetzt und ungewollt die enge Verbindung von Führer und „uns“ bekräftigt. Die Schuldfrage blieb von der Phrase „für uns“ und „Wir sind Opfer“ überdeckt. In manchen Kirchen wurden auch Tafeln aufgehängt mit den Gesichtern und Lebensdaten der an der Front getöteten Gemeindemitglieder. Es gab auch anderer Töne, die am Volkstrauertag am vorletzten Sonntag im Kirchenjahr im November vernehmlich wurden. Im Jahr 1956 fordert Pfarrer Helmer „Wir müssen uns unter die Schuld unseres Volkes stellen“. Das deutsche Volk habe sich bisher nicht mit seiner Schuld auseinandergesetzt, sondern seine eigene Schuld mit der anderer Völker verrechnet. Die Schuldverdrängung werde sich an unserem Wesen und in unserer Geschichte noch rächen. Das Volk habe nicht gründlich Buße getan und sich nicht losgesagt „von unserer Sünde, dem Machtanspruch, dem Geltungstrieb, den Diktaturgelüsten, der Rücksichtslosigkeit und der Selbstsucht.“ Die Verbindung legte der zwischen Volkstrauertag und Ewigkeitssonntag liegende Bußtag nahe. Helmer erinnerte auch an die Stuttgarter Erklärung vom Oktober 1945, und fragte: „Sollten wir uns nicht im Geiste Jesu Christi, im Geiste, von dem die Propheten Jeremia, Daniel und Mose beseelt waren, uns unter die Gesamtschuld und Gesamtverhaftung unseres Volkes beugen in Buße und Fürbitte?“

Eben diesen Ton schlug die 37jährige Pastorenwitwe Eva Bormann an. Unter dem Titel „Ich habe mir geschworen, nicht zu schweigen“ veröffentlichte der frühere Braunschweiger Pfarrer Friedrich Grotjahn 2006 die Lebensgeschichte von Frau Bormann. Darin berichtete die Pastorenwitwe folgenden Vorfall: Nachdem in der Gemeinde Baddeckenstedt am Volkstrauertag 1949 Ehrenkränze am Kriegerdenkmal niedergelegt waren, entfernte sie, deren Mann 1943 „gefallen“ war und die mit ihren vier Kindern in der Gemeinde wohnte, diese Kränze demonstrativ vom Ehrenmal als Protest gegen eine Verherrlichung des Soldatentodes als Heldentod und Opfertod. Sie ging zum Ortspfarrer, um ihm zu sagen: „Das bin ich gewesen. Es darf so nicht weitergehen mit der Verherrlichung des Soldatentodes.“ Obwohl ihr geraten wurde, so was nicht noch einmal zu machen, ging sie in der Nacht darauf wieder zum Ehrenmal, und entfernte die dort zurückgelegten Kränze erneut.25 Von Heldentod ihres Mannes als Opfertod war sie selber als praktizierende Christin und Nationalsozialistin lange Zeit fest überzeugt. Erst nach dem Krieg löste sie sich allmählich aus den konservativ-nazistischen Denkschablonen und begann, später in Heere wohnend, einen neuen Weg als Pazifistin. Die sich gerne zur Kirchengemeinde hielt, an den sonntäglichen Gottesdiensten und am Abendmahl beteiligte, die Frauenhilfe besuchte, war von dem kirchenpolitischen Kurs der Kirche in den 50er Jahren wegen der Wiederaufrüstung und der atomaren Bewaffnung der Bundeswehr abgestoßen und trat aus der Landeskirche aus. Sie fand Halt und Kraft in Gesprächen mit ihrem toten Mann, den sie bei Gott glaubte. Die Wand zwischen Lebenden und Toten war für sie im Glauben sehr dünn und durchsichtig. Sie schreibt in ihrem Glück über diese Möglichkeit der spirituellen Verbindung, die durchaus nicht ungewöhnlich ist, ihre Nöte und Fragen in ein Tagebuch, das auszugsweise von Friedrich Grotjahn veröffentlicht worden ist.

Aber bis zur Demonstration am Volkstrauertag 1949 war es ein weiter Weg. Eindrucksvoll beschreibt sie ihre Not, sich vom Nationalsozialismus zu lösen: „Herbst 1945 Warum komme ich nicht vom Nationalsozialismus los? Warum bin ich ein Narr, der das, was schon verwest und stinkt, noch in Gold fassen will? Das ganze Elend des verlorenen Krieges hat bisher noch nicht ausgereicht, um mich zu kurieren. Hunger, Trümmer, Flüchtlingselend, Millionen Vermisste, Verschleppte, Verbrannte. Jede Familie trägt unsagbares Leid. Erstarren lassen mich die Beschuldigungen. Sie schreien gen Himmel. Ich kann sie nicht glauben. Ich muss warten, bis ich alles ganz genau weiß. Sonst stürze ich in einen Abgrund.“26 Aber schon wenige Monate vorher klagte sie ihrem Mann: „O Liebster, es verwirrt mich immer mehr... Es will mir nun nicht mehr aus dem Sinn, warum wir Liebe zueinander haben und uns dennoch umbringen. Da stimmt doch etwas nicht. Wer maßt sich an, solches zu befehlen, hier bei uns und dort bei den Feinden. Im Privatleben ist es Mord, und im Völkerleben Heldentat.“27 „Ich stehe,“ schrieb sie nach der demonstrativen Entfernung der Ehrenkränze dem Ortspfarrer, „dem Gedenken an unsere Gefallenen nicht im Wege, - ganz im Gegenteil – aber mit Entschiedenheit trete ich den Wiederbelebungsversuchen „heldischen“ Geistes entgegen. Es kommt darauf an, dass der Protestant zur rechten Zeit protestiert.“28

In seinen Lebenserinnerungen kam auch Gerhard Heintze auf die Kriegstoten seiner Familie zu sprechen. Er schleppte bis in sein hohes Alter in seinen Erinnerungen gewaltsame Tote mit sich, als Nächsten seinen als Infanteriefeldwebel 1944 getöteten jüngeren Bruder Wolfgang. Er habe zu ihm „ein besonderes Verhältnis gehabt“, und als er an der Front erschossen wurde, war er in demselben Ort, in Memel. Ein Tod in der Nähe. „Manchmal frage ich mich, was wohl aus Wolfgang geworden wäre, wenn er aus dem Kriege hätte gesund heimkehren dürfen? Jedenfalls war er ein außergewöhnlich guter und gewissenhafter Geiger.“ 29 Ein anderer, sehr naher Toter war sein Freund Albrecht Stumpf, den er von der Universität Tübingen her kannte. Stumpf habe den Tod im Frankreichfeldzug gesucht, als gerechte Folge des ungerechten Krieges. Heintze beschreibt den geradezu stimmungsvollen Abschied: „In eindrucksvoller Erinnerung bleibt mir, wie er am Nachmittag und Abend des ersten Sonntags im Kriege zu mir nach Besigheim kam, um Abschied zu nehmen. Ich spielte für ihn noch auf der Orgel eine uns beiden besonders liebe Choralfantasie von J. S. Bach.“ An dieser Stelle erwartet der Leser einen Satz über die durch den sinnlosen Tod zerstörte Freundschaft. Stattdessen fährt Heintze fort: „Leider habe ich inzwischen das Orgelspielen wieder ganz verlernt.“30 Heintze erwähnt noch einen anderen Toten aus der Familie. Ein Vetter, der in Danzig Professor an der technischen Hochschule war, kam dort 1944 ums Leben. Auch Heintze erschloss sich nicht ein „Sinn“ dieser gewaltsam Getöteten.

Über den Zusammenhang von Krieg und Schuld äußerte sich der Bischof erstmals in einer Meditation über den Psalm 85, den er der Pfarrerschaft anlässlich des Volkstrauertages 1966 zusandte.31 Es gelte nicht nur der Verluste des eigenen Volkes zu gedenken, sondern dessen, „was oft noch schrecklicher und umfassender ungezählte Menschen anderer Völker erlitten haben.“ Neben die Erinnerung an die Gefallenen gehöre die Erinnerung an die in den KZ’s oder sonst auf brutale Weise Umgebrachten. Die Erwähnung der Kriegsopfer anderer Völker und der Konzentrationslager war für Heintze keine quantitative und rhetorische Erweiterung der Opfermenge, sondern er verband sie – und das kam in den öffentlichen Reden seinerzeit noch selten vor – mit der Schuldfrage. Die „furchtbare Verflechtung von Schuld und Schicksal im Kriegsgeschehen dürfe nicht außer acht gelassen werden,“ nämlich die Erinnerung an das furchtbare Unrecht, das von Menschen unseres eigenen Volkes den Juden und den im Krieg unterdrückten Völkern zugefügt wurde“, eine Schuld, an der „wir Älteren – sei es nur durch Zusehen und Schweigen – selber unsern Anteil behalten“. Heintze löste die Schuldfrage von einer persönlichen Untat und verband sie mit dem „Schicksal“ der Zeitgenossenschaft und des Deutschseins. Die Frage einer deutschen Schuld sollte in der Predigt am Volkstrauertagen keinesfalls ausgeklammert werden.. Er verband 1966 die Erwähnung der deutschen Schuld mit der Warnung vor der „Gefahr eines neuen, engen, selbstgerechten Nationalismus in unserem Volk“. Damit erhielt die seelsorgerliche Hinwendung zu den Kriegsopfern eine aktuelle politische Note. Die Warnung vor einem verengten Nationalismus wiederholte Heintze, z.B. in dem Rundbrief vor der Bundestagswahl 1969. Er halte den Nationalismus für eine größere Versuchung als den Linksradikalismus.32


Anmerkungen zum Kapitel Exkurs

1 Ostdenkschrift a.a.O. 40.
2 Die EKD Synode 1966 Berlin – Potsdam, Hannover 1970, Bericht 224.
3 LAW LBf 465 Gerhard Rauhut an Heintze 1.4.1966.
4 Martin Greschat (Hg.): Die Schuld der Kirche, München 1982, 311. Martin Stöhr: Die Schuldfrage in Kirche und Gesellschaft, in: Das verdrängte Erbe der Bekennenden Kirche, (Hg.) Reinhard Höppner und Joachim Perels, 100 – 131.
5 Martin Greschat (Hg.): Die Schuld der Kirche, 15 - 53
6 Klaus Jürgens 8. Mai 1945 in: Dialog Daten Informationen Anstöße, 1995, 1 7-10.
7 J.E. Strauss, H. Scheller (Hg): „Karl Bonhoeffer zum Hundertsten Geburtstag am 31. März 1968“, Berlin 1969, 108 ff „Führerpersönlichkeit und Massenwahn“. Dietrich Kuessner in: Ansichten einer versunkenen Stadt, 58 – 59 Der neue Kanzler.
8 Hans Zehrer Die WELT 21. 6. 1958: „Haben wir unser Leben gelebt?“
9 Svenja Goltermann: Die Gesellschaft der Überlebenden, München 2. Aufl. 2009.
10 Max Wedemeyer: In der Welt habt ihr Angst, Gütersloh 1950.
11 Hans-Martin Gutmann: Mein Vater und der Krieg Eine praktisch- theologisch interessierte Suchbewegung zu Individualität, Politik und Religion, EB Verlag Dr. Brandt 2012.
12 Gerhard Heintze: Unvollständige Erinnerungen 19.
13 ebd 19 R „Nie wurden mir Schwierigkeiten gemacht, wenn Gelegenheit bestand, einen Gottesdienst zu besuchen. Und als wir einmal bei einem Bombenangriff Verluste in der Einheit hatten, galt es als selbstverständlich, dass ich die Beerdigung des getöteten Kameraden hielt, obwohl ich kein Wehrmachtspfarrer war.“
14 ebd 20 „Nach der Rekrutenausbildung kam ich im Dezember 1941 zu einer Einheit, die in der Nähe von Boulogne an der französischen Kanalküste lag. Hier hatten wir bequeme Unterkünfte und eine sehr ruhiger Zeit. Gern denke ich an einen Gottesdienst in einer französischen reformierten Gemeinde in Boulogne, an dem ich in Wehrmachtsuniform teilnahm. Weil mir bewusst war, dass die französischen Kirchen besonders kritisch der deutschen Besatzung ihres Landes gegenüber eingestellt waren, hatte ich mich absichtlich in einer der hinteren Bänke in der Kirche gesetzt, um möglichst wenig aufzufallen. Umso erstaunter war ich, als der französische Pastor, der mich gleich zu Beginn des Gottesdienstes entdeckte, durch die Gemeinde hindurch zu mir kam, mich freundlich begrüßte, mir den Verlauf des Gottesdienstes erklärte und mir ein Gesangbuch zum Mitsingen gab.“
15 ebd 19 R „Mir war s recht, in der Geheimen Feldpolizei nicht Offizier werden zu können, wozu ich mich ohnehin nicht befähigt hielt. In meiner ganzen 4jährigen militärischen Dienstzeit habe ich es nur bis zum Unteroffizier gebracht.“
16 Werner Krusche: Verheißung und Verantwortung, 214.
17 (Hg.) Werner Köhler: Materialsammlung zur Ausstellung „Die ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig und der Nationalsozialismus“, Braunschweig 1982, Kap. 21 Die Vereidigung der evangelischen Pfarrerschaft, 246 – 249.
18 Dietrich Kuessner: Ansichten einer versunkenen Stadt, Kap, 18 Die Bindung der Pfarrerschaft an Person und Politik Hitlers 324 – 348.
19 Es sei zu bedenken, „dass der deutsche Gruß mit dem ausgesprochen oder unausgesprochen damit verbundenen „Heil“- Wunsch für uns Christen ein Gebet um Gottes Segen für Führer, Reich und Volk bedeutet“. Materialsammlung Anm. 17 240; Amtsblatt der Hannoverschen Landeskirche 1936 Nr. 195 Grußpflicht der Geistlichen.
20 Landeskirchliches Amtsblatt 26.10.1940/ 10.1.1941/ 15.3.1941/ 15.5.1941/ 1.6.1941/ 26.10.1941/ 5.1.1942/ 20.2.1942/ 2.6.1942/ 5.7.1942/ 3.9.1942/ 10.12.1942/ 30.12.1942/ 24.6.1943/ 18.12.1943/ 1.3.1944/ 7.7.1944/ 10.12.1944.
21 Landeskirchliches Amtsblatt 1944 13. 22 Landeskirchliches Amtsblatt 1943 12.
23 In einer Kanzelabkündigung des Braunschweiger Landeskirchentages von Pfingsten 1946 hieß es zwar „In vielen Fällen ist geschwiegen worden, wo hätte geredet werden müssen. Vor Gott bekennen wir: es hat unter uns gefehlt an der Klarheit der christlichen Erkenntnis und an der Treue gegen die unverrückbaren Grundlagen der Kirche, an der Kraft des Gebetes, am rechten Widerstand gegen falsche Lehre und am Geist der Liebe“. Über das dubiose Zustandekommen dieser Pfingstbotschaft: das Braunschweiger Schuldbekenntnis in: Dietrich Kuessner, Ottmar Palmer Verantwortung und Rechenschaft, 308-309.
24 Brauschweiger Volksblatt 17.10.1954 „Weihe der Kriegerdenkmäler in Beuchte und Weddingen.“
25 (Hg) Friedrich Grothjahn: „Ich habe mir geschworen, nicht zu schweigen“, Hannover 2006, 80.
26 ebd 70.
27 ebd 73.
28 ebd 81.
29 Unvollständige Lebenserinnerungen 4 R Sei: „Obwohl er auch in der Schule gut mitkam, verließ er das Gymnasium schon nach der Obersekunda, um frühzeitig das Musikstudium in Leipzig mit dem Hauptfach Geige zu beginnen. Kurz vor Beginn des 2. Weltkrieges machte er ein sehr gutes Abschlussexamen, wurde dann aber gleich zum Militär eingezogen. Zunächst kam er zu einem Musikzug, der nicht unmittelbar an der Front eingesetzt wurde. Aber 1944 änderte sich das, und er fiel als Infanteriefeldwebel am 10. Oktober 1944 nach längerem Einsatz an der russischen Front vor Memel. Ich selber war an diesem Tag in Memel gerade der russischen Gefangenschaft entgangen, wusste aber natürlich nicht, dass Wolfgang mir räumlich so nahe war. Kurz vorher hatte Wolfgang sich mit meiner Schwägerin Friedeburg Hoppe verlobt, die später den inzwischen verstorbenen Pastor Gerhard Badenhop heiratete. Manchmal frage ich mich, was wohl aus Wolfgang geworden wäre, wenn er aus dem Kriege hätte gesund heimkehren dürfen? Jedenfalls war er ein außergewöhnlich guter und gewissenhafter Geiger.“
30 ebd 17: „Mein Freund Albrecht Stumpf, der durch vorangehende Beteiligung an mehreren militäririschen Übungen schon Reserveleutnant war, wurde sofort eingezogen und fiel während des Frankreichfeldzuges 1940. Ich hatte den Eindruck, dass für ihn die Zugehörigkeit zum Militär ein gewisser Protest gegenüber der damals allmächtigen Nationalsozialistischen Partei war. Wahrscheinlich hat er auch als einer, dem das Unrecht des Krieges sehr bewusst war, seinen eigenen Tod als gerechte Konsequenz empfunden. Soweit ich weiß, ist er sehr wenig darauf bedacht gewesen, sich selber in Gefahren zu schützen. In eindrucksvoller Erinnerung bleibt mir, wie er am Nachmittag und Abend des ersten Sonntags im Kriege zu mir nach Besigheim kann, um Abschied zu nehmen. Ich spielte für ihn noch auf der Orgel eine uns beiden besonders liebe Choralfantasie von J. S. Bach Leider habe ich inzwischen das Orgelspielen wieder ganz verlernt.“
31 LAW LBf 189 Anlage zum Rundbrief 3.11.1966. 32 LAW LBf 8 Rundbrief 5.9.1969.


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Impressum, http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/Heintze/, Stand: November 2015, dk