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[Kirche von unten]

Die Braunschweiger Landeskirche in den 70er Jahren

und ihr Bischof Gerhard Heintze

22 Rundbriefe von Landesbischof Heintze in Auswahl und Auszügen

22. Der Abschiedsbrief

Rundbrief 22.3.1982

An die Pfarrer und sonstigen Mitarbeiter der Landeskirche sowie die im Vorbereitungsdienst Stehenden und die Pfarrer im Ruhestand und Pfarrwitwen aus dem Bereich der Landeskirche

Liebe Schwestern und Brüder!

Gern hätte ich mich bei meinem Abschied aus dem Dienst als Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig von Ihnen allen persönlich verabschiedet, sowohl von denen, die selber in aktiver Mitverantwortung in unserer Kirche stehen oder sich erst darauf rüsten, wie auch von den Ruheständlern. Leider ist mir das nicht möglich gewesen, zumal die letzten Wochen im Amt terminlich wie auch aus persönlichen Gründen in besonderer Weise für mich belastend gewesen sind. So kann ich Sie nur noch einmal schriftlich grüßen. Ich tue es mit meinem als Anlage beigefügten Bericht „Rückschau und Ausblick“, den ich bei der Tagung unserer Landessynode am 19. März d.J. vortrug. Aus ihm können Sie ersehen, was mich beim Übergang von einem über vierzig Jahre dauernden Dienst als ordinierter Pfarrer, zuletzt über sechzehn Jahre als Bischof unserer Landeskirche, in den Ruhestand besonders bewegt.

Vor allem liegt mir daran, Ihnen allen noch einmal herzlich für alle Hilfe und freundliche Begleitung meines Weges zu danken, die ich von Ihnen erfahren habe. Viele haben meiner und meiner Familie zum vergangenen Weihnachtsfest und Jahreswechsel wie auch aus Anlass des Leidens und Sterbens meiner zweiten Tochter im Februar gedacht oder mich zum Abschied aus meinem Amt gegrüßt. Das hat mich erfreut und gestärkt, und ebenso meine Frau. Sehen Sie es uns freundlich nach, wenn wir nicht dazu gekommen sind, unmittelbar darauf zu reagieren. Und vergeben Sie mir, was ich Ihnen in meinem Dienst schuldig geblieben bin, und womit ich Sie enttäuscht und betrübt habe.

Der Abschied aus dem aktiven Dienst fällt mir nicht leicht, zumal ich gern in ihm gewesen bin und mich auch noch gesund und einigermaßen leistungsfähig fühle. Ich hoffe sehr, daß auch im Ruhestand noch manche sinnvollen Aufgaben auf mich warten, die ich wahrnehmen kann. Meine Frau und ich werden nach Stuttgart ziehen. Meine Frau ist seit Jahren an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg bei Stuttgart als Musikpädagogin tätig und möchte und soll das auch nach meinem eigenen Wunsch in Teilzeitbeschäftigung wie bisher weiterhin bleiben. Unsere neue Anschrift lautet ab Anfang April:
Herdweg 100, 7000 Stuttgart 1.

Ein Telefonanschluß wird in der von uns angemieteten Vier-Zimmerwohnung, nicht allzu weit vom Zentrum, aber schon am Berghang gelegen, hoffentlich auch bald eingerichtet werden.

Selbstverständlich möchte ich meinem Nachfolger im Bischofsamt, Professor Dr. Gerhard Müller DD – Erlangen, nicht im Wege stehen. Ich habe bestes Zutrauen zu ihm und hoffe, daß er sich gut und schnell in unserer Landeskirche einleben wird, über die zu meinem Bedauern zunächst eintretende halbjährige Vakanz im Bischofsamt habe ich mich in meinem Bericht „Rückschau und Ausblick“ geäußert. Ich hoffe aber sehr, daß die persönlichen Verbindungen mit vielen von Ihnen dennoch erhalten bleiben und ich mit gutem Grund „Auf Wiedersehen“ sagen kann.

Als der jetzt gerade 80 Jahre alt gewordene große Schauspieler Heinz Rühmann seinen 75. Geburtstag feierte, stellte er in einer Fernsehsendung in einigen Szenen sich selber dar. In nachdrücklicher Erinnerung blieb mir eine Szene, die man überschreiben könnte: „Ich bekomme eine Nebenrolle“. Es ging darum, daß in einer Aufführung des „Don Carlos“ dem Schauspieler statt eine der Hauptrollen die kleine Nebenrolle des Herzogs von Feria zugedacht wurde. Zuerst war er ärgerlich und enttäuscht, Dann aber versenkte er sich liebevoll in die Nebenrolle, und unter der Hand wurde gerade sie bedeutsam für ihn und bekam den Charakter einer Hauptrolle. Ähnlich hoffe auch ich den Abschied von den mir bislang aufgetragenen Hauptrollen zu bewältigen und den verbleibenden Nebenrollen mit Liebe und Intensität gerecht zu werden.

In der Bibellese des heutigen Tages (22.3.), an dem ich Ihnen diesen Brief schreibe, steht das Wort Jesu: „Ihr habt mich nicht erwählt; sondern ich habe euch erwählt und gesetzt, daß ihr hingehet und Frucht bringet und eure Frucht bleibe, auf daß, so ihr den Vater bittet in meinem Namen, er‘s euch gebe.“ (Joh.15,16)

Möchten wir in dieser Zuversicht miteinander verbunden bleiben! In herzlichem Gedenken und mit allen guten Wünschen

Ihr Heintze

Anlage Lagebericht 1981

Quelle: LAW Altablage Nr. 161


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Impressum, http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/Heintze/, Stand: November 2015, dk