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[Kirche von unten]

Die Braunschweiger Landeskirche in den 70er Jahren

und ihr Bischof Gerhard Heintze

Erinnerungen der Zeitgenossen

Gemischte Episode

Hans-Ludwig Althaus

Die Einladung zum Zeltlager-Gottesdienst hatte er gerne angenommen. Sein verlässlicher Chauffeur Rolf Jürgen Meier setzt ihn jedoch nicht pünktlich auf dem Pfarrhof Othfresen ab. Etwas seltsam: Denn wir alle kennen ihn, unseren Landesbischof Gerhard Heintze als jemanden, der penibel mit Verabredungen umgeht, gar Fahrpläne und -zeiten weitab liegender Strecken präzise im Kopf hat. Er lächelt, er lacht im lockeren Lodenmantel, auch ich freue mich.

In meinem Amtszimmer kann er sich noch mit einem Kännchen Kaffee in Ruhe auf den Gottesdienst einstellen, Talar anziehen, Kreuz antun und Kopfbedeckung aufsetzen, das Barett, eine Mischung zwischen Renaissance-Kappe und Baskenmütze (hat sprachlich nichts mit seiner zarten Barhäuptigkeit zu tun; ihm ist der Kopf durch die Haare gewachsen) – die evangelische Pastorenuniform. Vor sich Zettel im DIN A5-Format: Per Kugelschreiber korrigiert er in blassen Lettern auf engen Zeilen, was er von der Kanzel aussagen wird. Einige informative Worte – bekommt von mir einen Knirps – fragt nach dem Dabbelju-Cíe. Nun überlasse ich ihn seiner Einstimmung und stratze zur Kirche. Ein Pastor muss unter den Leuten sein, nach dem Rechten sehen, nach dem Linken; die Begleitung der Lieder mit der Organistin durchgehen und prüfen, ob die Küsterin die Nummern richtig angesteckt hat.

Und da kommt sie angestapft, am Trinitatis-Sonntag: Die Evangelische Jugend der Samtgemeinde Liebenburg aus dem Zeltlager vom 8.-9.Juni 1974, mit 40 Mitarbeitern, 500 Kindern und Jugendlichen im Alter von 6-15 Jahren, mit 30 Finnen, die schon 6 Tage lang in Liebenburg zu Gast sind. Auf den Hügeln oberhalb Heißums stehen etwa 20 helle Zelte. Man sieht sie mit scharfem Auge oder Fernglas von unten, der Innerste-Ebene. Ihr Programm ist vielseitig, schon am ersten Tag: Pfadfinderlauf, Geländespiel, Volkstanz, Rasenspiele. Das wechselhafte Wetter beeinträchtigt die Freude, aber wir ließen uns nicht unterkriegen, hieß es. In der Abendkühle Wurstgrillen am Lagerfeuer mit Tagesschlussandacht der Gemeindepastoren und zünftige Nachtwanderungen mit Überraschungen. Danach ratzen sie wie Murmeltiere, murmeln die Mitarbeiter. Am Sonntagmorgen reimen, basteln, malen, tanzen sie in verschiedenen Interessengruppen; die Arbeitsergebnisse stellen sie am Nachmittag den Eltern vor. Sie sind, wie auch die Jugend, vom diesjährigen Lager sehr angetan. Beim Bunten Rasen gibt es wieder Tänze, Spiele, Lieder und Sketche und – so etwas wie einen Höhepunkt: Start von etwa 800 Luftballons. Vom Winde verweht segeln sie gen Osten. Einer landet mit der Teilnehmeranschrift in der DDR.

Da oben: Eine romantisch anmutende Kleingegend, stehendes Gewässer am Walde, beim Salzgitterscher Höhenzug ohne natürlichen Zufluss, umgeben von Schilf und Buschwerk, der Schlammteich – nicht, weil es dort etwa Schlammschlachten gab, sondern: Im benachbarten Tief- und Tagebau der Grube Fortuna, bei Gr. Döhren / LK Goslar, sind zwischen 1870 und 1963 etwa 11 Mill. To. Eisenerze gefördert und aufbereitet worden. Das Mahlgut wurde mit Wasser in der Anlage gewaschen. Tonig-sandige Bestände setzten sich als Schlämme ab und wurden durch Pumpen und Rohre in den ausgebaggerten Schlammteich geleitet. Das Teichgelände ist heute mehr oder minder abhängig von Niederschlägen und verlandet. Das Eisenerz kam damals ins Ruhrgebiet. Das Gebiet ist über Jahrzehnte hinweg bei Nachmittagswanderern beliebt. Sie genießen Freiheit dort oben. Und freuen sich zu allen Jahreszeiten immer wieder am Land da-hinten und da-unten mit seinen Dörfern und Feldern; auch über die dunkel-welligen, oft im Dunst verschwindenden geheimnisvollen Höhenzüge und Kuppen des Nordharzes, eine andere Art von Skyline. Geschätzt war das Biotopgelände auch bei Ornithologen, unter ihnen Martin Bollmeier aus der Jugend Heißums und Ewald Bürig – hochgeschätzter, populärer, begabter Dechant Goslars, der„Vogelpastor“, der im Schilf stehend seine gefiederten Freunde mit Pfiffen unterhielt und sie zeichnete. Sie beobachteten sorgfältig unterschiedliche, schnatternde Wildenten, Teichrohrsänger und Weidenmeisen unter vielen anderen. Bürig erzählte ich über eins der Arbeitsfelder Heintzes, der von 1975-1982 Catholica-Beauftragter der VELKD war (Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands).

Die Jugendlichen und Kinder können die malerische Bergkette in der Ferne nicht ausmachen. Düstere Wolken ziehen übers Land und regnen sich ab, reichlich, üppig, großzügig, und maikühl ist das Wetter auch. Aber dies hält die Zelter nicht ab: Karz und knupp: Wia patschn zua Körche, die fällt nich ins Wassa! Is nua zwa Kaämm wech; Lass doch strulln! Wolln den Bischof hörn! Er war in der Jugend bekannt als Sympathisant der Friedensbewegung, gegen Wiederaufrüstung, Mittelstreckenraketen und Nato-Doppelbeschluß.

Los geht’s: Ohne Schwimmwesten, unter Planen, die vier Schultern schützen, Regenschirmen, Capes – durch Matsch und Pfützen. Viele sehen übernächtigt aus, sind dennoch fröhlich und lebendig. Sie sind Geschwister der Familie-auf-Zeit in den für einige Frühsommer veranstalteten Schlammteich-Zeltlagern. Diakon Siegfried Labuhn / Liebenburg hat sie mit seinen Helfern organisiert, auch als Vorbereitung und Übung für große Sommerlager in Treffelstein. Wegen des erheblichen Aufwands – Zelte besorgen, aufstellen, wieder abrüsten – wurden später diese schönen Angebote eingestellt. Höhepunkte sollen nach Aussagen einiger Teilnehmer die Schlußgottesdienste gewesen sein. Heintze hat dazu gerne die Predigten im Freien gehalten. Er hatte gute Kontakte zur kirchlichen Jugendarbeit, besuchte das Sommerlager 1976 und das große Treffen 1980. Ins große Versammlungszelt passen nicht alle hinein. Bei Regenwetter geht es daher in die Kirche Othfresen.

Der Gottesdienst könnte beginnen. Etwa 800 Leute fasst die Kirche, Jugend und Gemeinde, gedrängt gesessen. Aber wir warten. Auf den Bischof. Er müsste und wollte längst hier sein. Ist irgendetwas im Pfarrhaus passiert? Hat er sich in der Zeit geirrt? Ist doch sonst so pünktlich! Warum kommt er nicht? Die Jugendlichen sind herrlich lebendig. Organistin und Bläser bitte ich, schon als Überbrückung, Beschwichtigung und Einübung zu spielen, etwa Lieder, die wir singen werden.

Die Glocken läuten länger als sonst. Ich flitze zum Pfarrhaus. Wie verlassen steht es da, teilnahmslos und still. Die Glocken schweigen inzwischen. Die Haustür ist zu, nanu? Ich drehe den Schlüssel um – da steht er, verlegen lächelnd, im Ornat. Im Windfang (2,60 x 1,50) eingesperrt, ausgeschlossen, gefangen, geduldig wartend, dass man ihn befreie (damals gab es noch keine Handys!). Die Zwischentür hat er hinter sich zugezogen, eingeschnappt ist sie. `Jetzt hab ich dich!` Und vorn, an der Haustür, hat einer (wohl aus der Familie!), vorm Kirchgang das platte Schlüsselchen einfach umgedreht. Einfach umgedreht! Ohne zu ahnen, dass sich noch jemand im Studierzimmer konzentriert. Der Gast konnte nicht einschreiten, er hatte es nicht gehört. Ist ja auch kein langer, schwerer, geschmiedeter, klappernder Kirchenknochen aus früheren Zeiten gewesen, als es galt, dieses ehrwürdige Alt-Haus vor Strolchen in langen Mänteln zu sichern, wenn sie merkten: leer!

Kein Hocker in der Zelle. Immerhin ein biblischer Psalmen-Gruß an der Wand: Der Befreite nickt seinen Barettkopf dahin: Du stellst meine Füße auf weiten Raum! Soso, bemerke ich später, als ich diese gemischte Episode bedenke. Der Hoffnungssatz hängt heut noch in meiner geräumigen Diele.

Als wir schließlich das Kirchenschiff betreten: Applaus, Applaus, SALUTATIO, wie in der Antike. Lockerlocker – sitting ovation.

Hier ist unser Bischof, melde ich. Kaum zu glauben, war eingesperrt im Pfarrhaus. Aus Versehen! Konnte nicht raus, zu uns hin. Musste stehen wie in einer Gefängniszelle. Warten und warten. Kommt denn nicht endlich wer? Ich fegte hin und befreite ihn, von außen. Das ist so bei uns Christen: von außen kommts – auf uns zu – in uns hinein – aus der Ferne – zur Nähe! Dass Gott und Christus nicht abseits und fern bleiben, sondern uns nahe sein wollen: Das ist wichtig, darum sind wir hier. Aber Schluss jetzt, er wird die Predigt halten! Willkommen, lieber verehrter Herr Landesbischof!

Der Gottesdienst war festlich, auch durch Posaunen- und Kinderchor, und zeigte auch, dass man in einer Kirche ganz natürlich beieinander sein kann. An bestimmten Stellen wurde geklatscht! Einmal sogar mitten in der Predigt, hieß es von Roman Hausherr im Gemeindebrief Nr.6, Sommer 1974, von Liebenburg, Döhren, Othfresen, Heissum, Dörnten, Ostharingen und Upen. Der Bischof verstand, die alte Geschichte des Ratsherrn Nikodemus zeitgemäß auszulegen.

Lockerlocker – sitting ovation. Hier seine Predigt über Joh. 3, 1-8, Sonntag Trinitatis 9.6.74, für das Jugendlager Heissum, gehalten in der Kirche Othfresen. In den zwei geschweiften Klammern stehen Sätze, die von der geplanten Lagersituation herrührten; er strich sie wegen des Umzugs in die Kirche. Die Intention ist jedoch lesenswert. Die Handschrift: schwer zu entziffern; Wegfall zahlreicher, leicht zu ergänzender Worte und Endungen.

1. Herzlich grüße ich alle, die dieses Zeltlager mitmachen und jetzt zum Gottesdienst hier zusammen sind. Freue mich, dass trotz R e g e n s einiges organisiert wird. Dank all denen, die seit Wochen mit viel Liebe das Lager vorbereitet haben. Wenn manches nicht so durchgeführt werden kann, ist es keine Katastrophe. Tut uns manchmal sogar gut, wenn nicht alles nach unserm Plan verläuft. Auch an die vielen Menschen denken, die kräftigen Regen herbeisehnen! {Es gibt in unserer Welt L a g e r, die etwas Schreckliches sind und in die sich keiner hinein wünscht: Gefangenenlager, Flüchtlingslager, KZ. Von den Älteren hat mancher solche Lagererfahrung. Traurig, dass viele Menschen auch heute unschuldig in solchen Lagern eingesperrt sind. Wenn ihr selber so ein schönes Lager habt, könnt ihr auch an Menschen in diesen Zwangslagern denken und Gott bitten, dass er sie bald aus ihnen befreit. – ursprünglicher Satz, fürs Zeltlager vorgesehen, im trockenen Amtszimmer vor dem Gottesdienst gestrichen s.o.}

Besonders herzlich möchte ich unsere f i n n i s c h e n Freunde grüßen. Bin selber letzes Jahr dort im Urlaub gewesen und habe gemerkt: Welch wunderbares Land und wie freundlich die Menschen! Ich habe leider nur wenig Finnisch gelernt, möchte aber versuchen, unsere Freunde mit ein paar finnischen Worten zu grüßen: Hyvää päivää rakkaat, Suomalarset ystävät! „Tarvetullerta Saksassa! On haus-kaa tehdä tuttavuutanne. Lausun terlle sydämellisimät onnitteluni. Jääkää hyvästi! (Guten Morgen liebe finnische Freunde! … Deutschland!)

2. Wir haben die Geschichte gehört, wie der vornehme Mann aus Jerusalem, Ratsherr Nikodemus, Jesus heimlich bei Nacht Besuch macht. Tagsüber hat der es nicht gewagt, weil die meisten seiner Kollegen nicht einverstanden gewesen wären – vielleicht aufgeregt, hätten ihn ausgelacht. Das mag keiner gern, kein junger Mensch und kein Erwachsener. Ist auch heute gar nicht so selten, dass Menschen nicht riskieren, sich offen als Christen zu bekennen, besonders wo sie in der Minderheit sind und Schwierigkeiten befürchten müssen, wie in der DDR, wenn sie an Gottesdienst und Kirche teilnehmen. Nun, Jesus sucht eigentlich Leute, die es wagen, offen zu ihm zu halten und sich als seine Jünger zu bekennen, wie es die Apostel lernten. Aber wichtig ist, dass Jesus den Nikodemus nicht zurückweist, sondern bereit ist, ihn zu hören und mit ihm zu reden. Er freut sich, dass er überhaupt kommt. Jedenfalls ist es besser, wenn jemand überhaupt anfängt nach Jesus zu fragen, als wenn es völlig unterbleibt. Es wäre schön, wenn Zeltlager und Gottesdienst dazu dienten, manchen neuen Mut zu machen.

3. Nikodemus kommt also zu Jesus, weil er hofft, von ihm Antwort auf ganz wichtige Fragen zu bekommen, die ihn bewegen. Allerdings ist er anscheinend nicht in der Lage, seine Fragen ganz klar und bestimmt auszusprechen. Jedenfalls geht es uns auch manchmal so, dass wir es nicht richtig hinkriegen, was wir sagen möchten. Aber Jesus versteht ihn auch so, wie er immer uns Menschen besser versteht, als wir uns verstehen und es ausdrücken können. Jesus merkt: Dieser Nikodemus sehnt sich nach einer neuen, besseren Welt, in der es nicht mehr soviel Not und Elend und vor allem nicht mehr soviel Unfrieden und Ungerechtigkeit gibt. Und er möchte Jesus fragen: Wie kann es zu dieser neuen, besseren Welt kommen? Ich glaube: diese Fragen des Nikodemus können die meisten von uns gerade heute ganz gut verstehen, auch schon ihr Jüngeren! Jede Tagesschau erinnert daran, was alles in der heutigen Welt nicht in Ordnung ist und ganz anders werden müßte. Denkt an Bilder von Hungersnöten in Afrika oder aus Kriegsgebieten oder von Terroranschlägen in Nordirland. Aber jeder könnte auch im Blick auf eigenes Leben, in Familie, Schule oder Beruf wahrscheinlich sofort manches nennen, was nach seiner Meinung eigentlich ganz anders sein müsste, um wirklich zufrieden und glücklich zu sein.

4. Jesus gibt nun eine ganz merkwürdige Antwort auf die von Nikodemus angedeutete Frage: „Nur wer v o n n e u e m geboren ist, wird Gottes vollkommene neue Welt zu sehen bekommen.“ Nikodemus wundert sich zu Recht darüber. Denn er weiß wie jeder von uns:geboren werden kann man nur einmal. Niemand kann in den Leib der Mutter zurück und ein zweites Mal auf die Welt kommen. Aber Jesus gebraucht dieses merkwürdige Bild, um uns ganz deutlich zu machen: es genügt nicht, dieses oder jenes im eigenen Leben oder der Politik oder an den

Arbeits- und Lebensbedingungen zu ändern. Wenn alles wohl gut und rein und schön werden soll, dann muss unser ganzes Leben von Grund auf erneuert werden. Das kann keiner von sich aus fertigbringen, so wenig wir zur eigenen Geburt etwas beitragen konnten. Aber ein ganz neuer Lebensanfang ist für jeden möglich geworden, weil Jesus zu uns gekommen ist. Wenn wir uns an ihn halten, auf ihn hören und ihm nachfolgen, bekommt alles, was wir erleben und tun,ein ganz neues Aussehen. Sagt jedem ganz persönlich: Gott sieht dich, Gott kennt dich, Gott hat dich lieb, auch wenn du noch gar nicht angefangen hast, nach ihm zu fragen. Er behält dich lieb, selbst wenn du dich so weit von ihm entfernt hast, wie Jesus im Gleichnis vom Verlorenen Sohn über den jungen Mann erzählt, der das Vaterhaus verlässt und in die Fremde zieht und denkt: Jetzt bin ich endlich frei, jetzt bin ich mein eigener Herr. Er merkt anfangs nicht, wie er dadurch in Unfreiheit, Elend und Not gerät. Aber als er sich schließlich aufmacht, um nach Haus zurückzukehren, erfährt er: Vater hat die ganze Zeit auf ihn gewartet. Er freut sich, dass er wieder da ist. Das sagt Jesus auch jedem von uns, zu den Jungen und Alten, auch denen, die vielleicht das ganze Leben lang versuchten, ihm aus dem Weg zu gehen. Wo wir aber Jesus und durch ihn Gott kennenlernen, da fängt die große Veränderung an. Da kommt ein neuer Geist über uns. Und er wird in der Geschichte von Nikodemus verglichen mit dem Wehen eines kräftigen Windes, der frische Luft heranführt, und was welk und morsch und nicht fest gegründet ist, umreißt. Der Geist vertreibt Langeweile und trübe, wie unrechte, böse Gedanken. Er schafft das Urteilsvermögen, dass wir unterscheiden lernen zwischen Lüge und Wahrheit und nicht auf jeden Schwindel hereinfallen. Der Geist lässt nicht zu, dass wir immer nur fragen: Wie kann ich mein Leben genießen? Wie können Wünsche und Ansprüche, die ich ans Leben stelle, erfüllt werden? Vielmehr lehrt und zeigt er uns, Nöte anderer zu sehen und ernst zu nehmen, wie wir ihnen helfen und für sie eintreten können. Und wenn wir auch nicht die Welt im Ganzen verändern und heil machen können, so gibt es Gelegenheiten genug mitzuwirken, dass hier oder dort, in Nähe oder Ferne, Hunger und Not bekämpft, Ungerechtigkeit beseitigt und Frieden gestiftet werden, wo Hass und Streit herrschen. Weil Jesus nicht nur vor langer Zeit gelebt hat, sondern noch heute seinen Geist sendet, darum sind wir hier in seinem Namen versammelt. Darum braucht dieser Tag kein außerordentliches Ereignis zu bleiben. Ich möchte einladen: Haltet euch weiter zu Gemeinden und Gruppen, die nach ihm fragen und miteinander versuchen, heute als Christen zu leben. Wir wollen ihn bitten, dass er wahr macht, was wir nun im nächsten Lied als unsere Bitte vor ihn bringen: „Hilf, Herr meines Lebens, dass ich nicht vergebens, dass ich nicht vergebens, hier auf Erden bin.“ Amen

G e b e t:
Herr, wir danken dir, dass du uns diesen Tag schenkst und wir in deinem Namen hier zusammen sein dürfen. Lass unser Hören und Reden, unser Singen und Spielen nicht vergeblich sein. Lass es dazu dienen, dass neues Leben in unseren Gemeinden und in unserer ganzen Kirche entsteht.
   Wir rufen dich an: Herr, erbarme dich! Wir bitten dich für die ganze Christenheit in aller Welt. Führe die heute noch getrennten Kirchen in der Einheit deines Geistes zusammen. Gib denen einen unverzagten, getrosten Mut, denen es schwer gemacht wird, sich zu dir zu halten. Hilf, dass viele, die dich nicht kennen, neu anfangen, nach dir zu fragen.
   Wir rufen dich an: Herr, erbarme dich! Wir bitten dich für alle, die in unserem Volk und in anderen Ländern regieren und Anteil an der politischen Verantwortung haben, besonders auch für alle, denen durch die heutige Wahl in unserm Land neue Aufgaben anvertraut werden. Lass sie Wege suchen und finden, die der Gerechtigkeit und dem Frieden dienen.
   Wir rufen dich an: Herr, erbarme dich! Wir bitten dich für alle Kranken und Behinderten, für die Alten und Einsamen, die Hungernden, für alle Menschen in allen Völkern, denen Unrecht geschieht. Zeige uns, wie wir mithelfen können, der Not und der Ungerechtigkeit zu wehren.
   Wir rufen dich an: Herr, erbarme dich! Wir fassen alle alle unsere Bitten zusammen in dem Gebet, das du deine Jünger gelehrt hast; und dass wir nun miteinander singen.

Am Ende des Gottesdienstes, ehe alles nach Gebet, Segen und Nachspiel aufbricht (zur kräftigen Erbsensuppe der Bundeswehr auf dem Lagergelände und Fortsetzung des Programms): Lockerlocker – standing ovation. Jemand zu mir: Vermutlich das erste Mal in der Landeskirche, dass so ausdauernd, vergnügt und kräftig im Gottesdienst geklatscht wurde! Ein Anderer, mit Spott und Lächeln: Bischof, der Beklatschte! Ich darauf: Heintze, der Gefeierte! Ein Oberschüler: Wir sind keine bezahlten Claqueure – Wirklich, es war spontan und ungewöhnlich. Keiner hat gepfiffen und gezischt, kein Buh, kein Tadel und Missfallen wie in unbefriedigendem Theater, sondern nur Lob. In der christlichen Kirche der Antike hat man, las ich, dem Geistlichen mit Applaus und Zurufen als Zeichen von Ehrung und Einverständnis versichert: Wir mögen dich und freuen uns über die „frohe Botschaft“!


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Impressum, http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/Heintze/, Stand: November 2015, dk