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[Kirche von unten]

Die Braunschweiger Landeskirche in den 70er Jahren

und ihr Bischof Gerhard Heintze

Erinnerungen der Zeitgenossen

Gerhard Heintze und die Versöhnung mit Polen

Ulrike Block v. Schwartz

1965 veröffentlichte die EKD die Denkschrift „ Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn“, kurz „Ostdenkschrift“ genannt. Damit war für Gerhard Heintze, seit einem halben Jahr Landesbischof der Braunschweigischen Landeskirche, ein wichtiges Thema angesprochen. In Vorträgen, Briefen an die Pfarrerschaft, Synodentagungen und vielen Gemeindebesuchen hat er die Intention der Denkschrift verteidigt (s. den Artikel von Martin Grubert in „Gott dem Herrn Dank sagen“, Festschrift für Gerhard Heintze zum 90. Geburtstag). Besonders die Beziehungen zu Polen, vor allem zur dortigen Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses lagen ihm am Herzen. Deshalb nahm er oft teil an den Pastoralkollegs, die seit 1981 gemeinsam mit Pfarrern aus der Braunschweigischen Landeskirche und polnischen protestantischen Pfarrern stattfanden. Die polnische evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses war in der Situation einer Minderheitenkirche im katholischen Polen. Im ehemalig überwiegend protestantischen Masuren hatten nach der Flucht der deutschen Gemeindeglieder von Ostpolen eingewanderte Katholiken die evangelischen Kirchen besetzt, auch wenn noch wenige Protestanten diese nutzen wollten. Also eine durchaus komplizierte Lage in der Gegend um Gizycko (Lötzen), wohin seit 1983 im Sommer jeweils eine Reise unternommen wurde. Im VW-Bus fuhren neben Altbischof Heintze, im Rollstuhl sitzend seine zweite Frau Renate, Propst Schliepack mit einem Familienmitglied, als Reiseleiter Pfarrer Hartwig Block und seine Frau Ulrike. Renate Heintze stammte aus Ostpreussen, Schliepack und Block aus Elbing, und natürlich wurde oft auch Elbing besucht und die Fortschritte des Wiederaufbaus dieser stark zerstörten Stadt registriert. Die Fahrt durch die DDR war wegen der Grenzformalitäten sehr mühsam, erst spät abends wurde das erste Ziel in Polen, meistens Warschau erreicht. Dann weiter nach Masuren, wo im Pfarrhaus in Gizycko Quartier gemacht wurde. Das Pfarrerehepaar Jagucki nahm uns gastfreundlich auf. In Sondergottesdiensten für die zahlreichen deutschen Touristen predigte Heintze, gelegentlich auch Schliepack oder Block, natürlich in deutscher Sprache, obwohl das zu der Zeit noch nicht erlaubt war. Auch in den polnischen Gottesdiensten wurde von den deutschen Besuchern auf Wunsch des Pfarrers Jagucki ausführlich über die Situation in ihren Kirchen und Gemeinden berichtet, was ins Polnische übersetzt wurde. Es gab viele Treffen mit Gemeindemitgliedern und auch Einladungen in die Häuser und Ausflüge in die Umgebung. Immer wieder las Heintze polnische Worte und versuchte, diese Sprache zu lernen, was ihm unter Lachen misslang. Er hat sehr bedauert, dass nur Kenner der deutschen Sprache auf der polnischen Seite an den Pastoralkollegs teilnehmen konnten, „weil wir Deutschen zumeist nur sehr ungenügend des Polnischen mächtig sind.“ Die Eisenbahnstrecken kannte er genau, wusste welche Zugverbindungen es zwischen Danzig und Marienburg oder Elbing und Königsberg gegeben hatte. Nach dem Abendessen wurde oft diskutiert, manchmal auch kontrovers mit Frau Danuta Jagucki, die Theologin war und als Katechetin arbeitete. In der polnischen evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses wurden Frauen nicht ordiniert, und Danuta Jagucki fand das auch in Ordnung.


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Impressum, http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/Heintze/, Stand: November 2015, dk