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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 125 - April 2009


Der Papst in Berlin

von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

In vollem Wichs, mit Umhang und Hut und roten Schuhen, mit Schreibmaschine und natürlich der edelsteinbestückten Tiara, der dreistöckigen Krone. Im Charlottenburger Schloss. Von Pius, dem Zwölften, ist die Rede, dem das päpstliche Komitee für Geschichtswissenschaft eine Ausstellung gewidmet hat, die im Herbst 2008 in Rom gezeigt wurde und im März auf Initiative des Schauspielers Ingo Langner in Berlin gelandet ist. Es werden Briefe und Fotos gezeigt aus Kindheit und Ausbildung, Pacelli als Nuntius in München und Berlin (1920-29), dann als Kardinalstaatsekretär in Rom und ab 1939 als Papst und schließlich auf dem Totenbett im Jahre 1958. Da war er 80 Jahre alt. Als besondere Verdienste werden hervorgehoben: das Konkordat 1933, Kommentar: "zu retten, was noch zu retten war", die Rettung von Juden in Rom 1941, die Solidarität mit der ausgebombten Bevölkerung 1943, das Dogma von der leiblichen Himmelfahrt Marias 1950 und im letzten Raum die Tonbandaufnahme einer Rede, in der Pius XII. den Nationalsozialismus verurteilt hatte. An die Wand gepinselt: "Hier hören Sie das Schweigen des Papstes", was die Absicht der Ausstellung offenbart. Sie will dem Vorwurf begegnen, der Papst hätte deutlicher zur Judenfrage Stellung nehmen sollen. Es ist komisch, dass dieser seit dem Theaterstück von Rolf Hochhuth "Der Stellvertreter" 1963 vielfach benagte Knochen von Rom wieder vorgeholt wird. Die einen beharren auf einer Schuld von Pius XII., die andern hauen ihn raus. Die Ausstellung will ihn mehr als reinwaschen. Die katholische, in Würzburg hergestellte Zeitung Die Tagespost unterstützt die Ausstellung mit zwei Matineen "Verfälschte Geschichte. Pius XII. und Rolf Hochhuth. Ein Rückblick" und die zweite "Hitlers Papst? - ein Dialog über Pius XII."
Man muss die katholische Kirche vor dieser Ausstellung in Schutz nehmen. Ich kenne eine katholische Kirche, die differenziert und Argumente abwägt. Die Ausstellung dagegen ist völlig undifferenziert. Der oben zitierte Kommentar zum Abschluss des Konkordats im Sommer 1933 ist geradezu lächerlich. Damals stellte sich Hitler als Wohltäter der Kirchen dar, besonders dadurch, dass er schroff antikommunistisch die politische Linke in Deutschland "ausmerzte", zum Wohlgefallen der Kirchen, die im Kommunismus nur den Antichristen sah.
Tatsächlich verschaffte das Konkordat Hitler einen ersten beträchtlichen außenpolitischen Erfolg. Dieser schroffe Antikommunismus, der katholische Kirche und nationalsozialistische Ideologie vereinte, kam dann 1941 zu Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion besonders drastisch zum Ausdruck. Man lese die Predigten des Bischofs von Münster v. Galen dazu.
Bei einer Ausstellung in Berlin hätte ich mir gewünscht, dass auch die evangelische Reaktion auf das unappetitliche Dogma von der leiblichen (!) Aufnahme Marias in den Himmel zur Darstellung gekommen wäre.
Es ist eine binnenkatholische Darstellung, die wohl in der Hedwigskathedrale gut platziert gewesen wäre, aber im Charlottenburger Schloss als öffentlichem Ausstellungsraum hätte das Thema in gut katholischer Tradition durch eine Darstellung auch der anderen Stimmen und Positionen attraktiv gemacht werden können.
Ich besuchte die erste Matinee, gute Zeit, 11.30 nach dem Besuch der Messe. In der Grossen Orangerie des Charlottenburger Schlosses verloren sich 25 Leutchen, eine als Schauspielerin vorgestellte jüngere Dame las eine längere katholische Kritik auf die erste Hochhuthinszenierung an der Berliner Volksbühne von 1963, die ich mir sogar von Offleben aus nicht habe entgehen lassen. Dieter Borsche als Pius XII. Und das bei Piscator. Das wollte ich sehen. Die Dame las eine extrem binnenkatholische Kritik. Danach die Verlesung eines SPIEGELgespräches mit Hochhuth in verteilten Rollen ebenfalls von 1963. Die alten Positionen. Wieder hatte man den Eindruck, dem wachsenden rechten Flügel der katholischen Kirche fällt es schwer, einen Dialog zu führen. Sie hat nur eine Botschaft, die sie weltweit im Namen der "Wahrheit" ablegt. Am Ende der Matinee fragte ich, ob eine Aussprache über die Ausstellung stattfinden würde. Schauspieler und Organisator Langer verstand die Frage gar nicht, und verneinte sie, nachdem ich sie noch mal gestellt hatte.
Hat die Ausstellung etwas mit einer möglichen Seligsprechung Pius XII. zu tun? Aber was sagt uns schon die Seligsprechung eines problematischen, "diplomatischen" Papstes durch einen bereits zu Lebzeiten unseligen Papst Benedikt?

Die kostenlos verteilte Würzburger Tagespost vom 31.1. brachte in einem vierspaltigen Artikel von Alexander Riebel das angeblich "positive Medienecho" über die Berliner Ausstellung und zitierte Jubelbesprechungen von BILD (!!) und WELT, was wunder; es zitierte auch den Berliner Tagesspiegel, das päpstliche Komitee versuche eine "Ehrenrettung", indem es den Blick auf diesen Papst über die Kriegsjahre hinaus weite, und überhört den kritischen Unterton; ein Artikel von Günter Seibt in der Süddeutschen scheint mir unvollständig wiedergegeben, die Frankfurter Allgemeine nennt es eine "verklärende Sicht auf die Weihnachtsansprache des Papstes" von 1942, "einzig die linke Tageszeitung "taz" schere völlig aus dem Konzert der Pressestimmen aus, die sich auf die Seite Hochhuths schlage. Die Berliner Zeitung hatte Hochhuth zu einer Besichtigung der Ausstellung eingeladen und dabei war es zu einem Eklat mit Herrn Langner gekommen. (Berl. Zeitung 21.1.)
Die BZ hatte am 26.1. einen Artikel geschrieben unter der zweideutigen Überschrift "Kein bisschen schuldig" und dabei festgestellt, dass die Ausstellung den Holocaust relativiere.

Und damit wären wir bei Benedikt. Die Würzburger Tagespost vom 31.1. schrieb, gerade im Moment, in dem das Verhältnis zwischen Rom und den Juden erneut Gegenstand hitziger Debatten wäre, zeige die Ausstellung, wie wichtig es wäre, "genau hinzusehen und hinzuhören". Genau hingesehen ist der rechtsradikale Flügel der katholischen Kirche (Lefebre und Brüder), den Benedikt "um der Einheit der Kirche" wieder integrieren möchte, bevor sie ihren rechtslastigen, vorkonziliaren Saustall ausgemistet haben, das Problem dieses Papstes und seines Kirchenflügels und Gegenstand berechtigter "hitziger Debatten".
Frau Merkel hat nun den Papst ermahnt, was ich sehr gut finde. Sie hat endlich den Papst als Staatsoberhaupt angesprochen, was ja besonders abstoßend bei seiner Inthronisation Benedicts zum Ausdruck gekommen war. Und als Staatsoberhaupt duldet er unter seinen Staatsbürgern und Schäfchen Judenbekehrung und Leugner des Holocaust, doch nicht nur bei Williams.

Schlimmer als das "diplomatische" Reden des Papstes während des Krieges war sein undiplomatisches Reden nach dem Krieg. Im August 1945 erklärte Pius, der Zwölfte, amtlich, alle deutschen Katholiken wären gegen Hitler gewesen. Nur wenige Monate vorher hatte noch der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Bertram, nach der Falschmeldung, Hitler wäre auf den Schanzen von Berlin gefallen, ein Requiem für Hitler angesetzt, d.i. für ein im Stand eines gläubigen Katholiken verstorbenes Kirchenmitglied. Diese Meldung wurde später durchgestrichen, hat Scholder rausgefunden (siehe seinen Artikel im Aufsatzband). Und die spanischen Katholiken, für die dieser Papst schließlich auch zuständig war, konnten sich in Requiems für den toten Hitler gar nicht genug tun. Zu einem Bild, auf dem der spanische General Juan Yagüe während einer Messe in Barcelona niederkniet, dichtete Brecht bitter in seiner Kriegsfibel: "Die Glocken läuten und die Salven krachen/ Nun danket Gott als Mörder und als Christ/ Er gab uns Feuer, Feuer anzufachen/ Wisst: Volk ist Pöbel, Gott ist ein Faschist." Das sollte man von seinem Stellvertreter nicht behaupten.




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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/kvu125/papstinberlin.htm, Stand: April 2009, dk