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Kirche von Unten Nr. 135 - Mai 2012
Beobachtungen zur achten Kirchenvorstandswahlvon Dietrich Kuessner
Die Kirchenvorstandswahl ist passe, aber die Kirchenvorstände sind noch nicht eingeführt, das ist der richtige Moment, sich noch einmal über die Wahl und die Arbeit in den Kirchenvorständen auszutauschen.
Von den 66 Kirchengemeinden mit über 50 % Beteiligung haben 20 keine hundert Gemeindemitglieder, sind also Minigemeinden, was die Redensart bestätigt. Aber schon 31 weitere haben zwischen 100 und 200, und 12 zwischen 200 und 300 Wahlberechtigte; eine zwischen 300 und 400, und zwei zwischen 400 und 500 Wahlberechtigte, nämlich Lengde aus der Propstei Bad Harzburg bei Vienenburg mit 417 Wahlberechtigten und 53,72 % Beteiligung und Evessen mit 451 Wahlberechtigten und 52,77 % Beteiligung. Es sind also keineswegs ausschließlich die Kleinstgemeinden, die eine hohe Wahlbeteiligung erzielen. Wir sind nun eben mal eine fein- und kleingliedrige Landeskirche, aber es pulsiert noch. Auch unter den 144 Kirchengemeinden, in denen zwischen 33 % und 49 % der Wahlberechtigten zur Kirchenvorstandswahl gingen, verfügten nur 38 über 100 Wahlberechtigte und 36 über 200 Wahlberechtigte. Die andere Hälfte jedoch sind etwas größere und sogar sehr große Dorfgemeinden, in denen sich wenigstens jeder dritte Wahlberechtigte zur Kivowahl einfand. Es sind ausgezählt 25 Gemeinden mit über 300 Wahlberechtigten, 17 Gemeinden mit über 400 Wahlberechtigte, 10 mit über 500 Wahlberechtigte, vier mit über 600 Wahlberechtigte (Wenzen, Wieda, Völkenrode, Heere), fünf Gemeinden über 700 Wahlberechtigte (Salzdahlum, Kaierde, Bettingerode, Burgdorf-Assel, Lesse) zwei mit über 800 Wahlberechtigte (Immenrode, Gr. u.Kl. Döhren), eine mit über 900 Wahlberechtigte (Gr. Twülpstedt) und eine mit über 1.100 Wahlberechtigte (Bortfeld). Diese hohen Ergebnisse von über 33 % wurden in allen Propsteien erzielt. Es weist nach, was in anderen Gemeinden von vergleichbarer Größe auch möglich wäre. Die Latte von 33 % ist demnach für die Landgemeinden durchaus erreichbar, wie es an 144 Gemeinden ersichtlich ist. Das ist ein wichtiges Argument gegen alle Zentraltheoretiker in der EKD und in Wolfenbüttel. Auch in den kleinen und etwas größeren Gemeindeeinheiten gibt es ein erhebliches Interesse an der Kirche vor Ort. Zunehmende Wählerschaft Eine andere Beobachtung ist ebenso überraschend: es gibt eine Reihe von Kirchengemeinden, in denen die Wählerschaft stabil blieb oder sogar zunahm. Der Trend ging ja in die entgegengesetzte Richtung: die Zahl der Wahlberechtigten ging in der Landeskirche insgesamt um 23.552 Gemeindemitglieder zurück. Das entspricht in etwa der alters- und wegzugbedingten Schrumpfung der Landeskirche in den letzten sechs Jahren. Entsprechend sank landeskirchenweit auch die Zahl derer, die zur Wahl gingen: in absoluten Zahlen: von 85.863 Gemeindemitglieder im Jahr 2006 auf 74.377, also 11.484 Wahlberechtigte weniger. Die Wahlbeteiligung fiel von 24,25 auf 22,560 %. Umso auffälliger ist es, dass auch Gegenteiliges zu beobachten ist.
Ein Vergleich der Kirchengemeinden mit über 3.000 Wahlberechtigten In allen sehr großen Gemeinden von rund 3.000 und mehr Wahlberechtigten hat die Zahl der Wahlberechtigten trendgemäß abgenommen, aber die Wahlbeteiligung schwankt ganz erheblich zwischen 21,37 % und 8,77 %, in Zahlen: zwischen 813 und 444 WählerInnen. Ein Hinweis, dass sich Strukturveränderungen auf die Wahlbeteiligung negativ ausgewirkt hätten, - das Schlusslicht, die Apostelgemeinde, ist ein jüngere Fusion der Matthäus- und Paulusgemeinde – kann nicht überzeugen, denn auch die Gemeinde Oker hat mit erheblichen Strukturfragen zu tun, und trotz geringerer Anzahl von Wahlberechtigen als die Apostelgemeinde ein mehr als doppelt so gutes Ergebnis eingefahren.
Besonders belebend wirkt es, wenn Kirchengemeinden in einen unerklärten Wettlauf miteinander eintreten. So lässt sich das Wahlergebnis der beiden großen Kirchen in Königslutter lesen.
Mit einer fast gleich großen Anzahl von Wahlberechtigten konnte Pfarrer Trümer an der Stiftskirche doppelt so viele WählerInnen am die Wahlurne locken wie Propst Weiß an der Stadtkirche. Zu einem Wettkampf mehr untereinander kam es auch in den vier Kirchengemeinden des Pfarrerehepaares Mattias Bischoff und Frau Coordes-Bischoff in Westerlinde, Osterlinde, Binder und Wartjenstedt. Alle vier Ortschaften hatten bereits 2006 außergewöhnliche Prozentzahlen erreicht und wollten diese nun noch übertreffen („toppen“ sagt man heutzutage in schlechtem Deutsch).
Ein solches Ereignis fällt nicht vom Himmel sondern ist eine Anstrengung aller kirchlichen Mitarbeiter der Pfarramtssekretärin, der Organisten, der Küster, Pfarrer und der Einbindung der Gemeindearbeit in die dörfliche Vereinsarbeit. Der Landesbischof besuchte die vereinten Kirchenvorstände und gratulierte zu dem herausragenden Ergebnis. Große Abstürze Es ist allgemeiner Trend, dass fast alle Gemeinden eine geringere Wahlbeteiligung aufweisen. In einigen Kirchengemeinden hingegen ist der Verlust dramatisch. In der Kirchengemeinde Michaelis, Helmstedt sank die Wahlbeteiligung von 48,28 % auf 17,81 %; in Zahlen 2006: 464 Wähler/Innen, 2012: 158, also 306 Gemeindemitglieder weniger. Ein Grund ist deutlich: es gab fast 200 Briefwähler weniger. Die Zahl der Wahlberechtigten sank verhältnismäßig geringfügig um 74 von 961 auf 887 und rechtfertigt nicht die Höhe des Verlustes. Die Wahl im Jahre 2006 lag noch in den Händen von Pfr. Meerheimb, der die Gemeinde gewechselt hat. Im benachbarten Emmerstedt sank die Wählerschaft von 317 (27,42 %) auf 170 (17.00 %) fast um die Hälfte. In dieser Gegend ist die Quartiersbildung misslungen, In Calvörde mag die Zurruhesetzung von Pfr. Knauf den Verlust der halben Wählerschaft von 399 Wählern (2006) auf 188 (2012) erklären. Er erfolgte außerdem von einem hohen Niveau von 47,22 % im Jahre 2006, jetzt: 24,67 % ein Minus von 22,55 %. Es gestattet auch einen Blick auf die pfarrerzentrierte Gemeindearbeit. Ebenfalls fast halbiert hat sich die Wählerschaft der Apostelgemeinde, eine Zusammenlegung der Matthäus- und Paulusgemeinde, von 444 (2006) auf 239 (2012) WählerInnen um 205 Gemeindemitglieder. Propstei Schöppenstedt Die 45 Kirchengemeinden der Propstei Schöppenstedt werden von 16 Pfarrerinnen und Pfarrern „versorgt“. 43 der 45 Kirchengemeinden erreichten eine Wahlbeteiligung über dem landeskirchlichen Durchschnitt, 15 sogar eine über 50 %ige Beteiligung. Das ist ganz außerordentlich. Der stellvertretende Propst Axel Bothe, seit 19 Jahren Pfarrer in Gr. Dahlum,(insgesamt vier Gemeinden), meinte, auf den Dörfern gehörte die Wahl noch zum Dorfleben und sei nichts außergewöhnliches. Jeder wisse Bescheid, die Hälfte geht hin. Der Anteil der Dissidenten und Katholiken in der Propstei sei relativ niedrig. Ca 70 % der Dorfbevölkerung gehöre noch der Landeskirche an. Das klingt nach dörflich, sittlich, christlich. Ehepaar Cachej-Büttner verwaltet folgende fünf Kirchengemeinden mit dieser Wahlbeteiligung: Evessen 451 Wahlberechtigte / 238 Wählerinnen u. Wähler/ (52,77 % ), Gilzum 103/ 49/ (47,57 %), Kneitlingen 76/ 50/ (65,79 %), Eilum 162/ 76/ (56,86 %), Ampleben 162/ 76/ (46,91 %). Die Wahlbeteiligung ist außerordentlich hoch. Frau Pfrn Büttner berichtet, es sei überhaupt keine besondere Werbung veranstaltet und keine Plakate in den Geschäften ausgehängt worden. Die Wahl bekommt den Charakter eines casus: man geht zur Taufe, Konfirmation und Trauung und eben auch alle sechs Jahre zur Kirchenvorstandswahl. Und zwar in der beachtlichen traditionellen Höhe. Die Ergebnisse in der Propstei Braunschweig Die erste Beobachtung überrascht. Ein Vergleich der Zahl der Wahlberechtigten zwischen 2006 und 2012 (erste und zweite Spalte) ergibt, dass sich diese Zahl zwischen 2006 und 2012 ganz gegen den trend in 10 Gemeinden vermehrt hat. Mehr erwachsene Wählerinnen und Wähler in Randgemeinden und Innenstadtgemeinden: in Lamme um 147/ in Stöckheim um 89/ in Katharinen um 62/ in der Christuskirche um 60/ in Jakobi um 57/ in Magni um 51/ in Martin Chemnitz um 42/ am Dom um 38/ in St. Georg um 35/ in Andreas um 17. Lamme und Stöckheim sind Zuzugsgebiete, das Wachstum ist erklärlich, aber keineswegs selbstverständlich und kennzeichnet die Gemeindearbeit. Aber auch alle anderen Zahlen sprechen, besonders in den Innenstadtkirchen, für das Konzept: einladende Kirche. Dieser positive Trend bedeutete in zwei Gemeinden, auch eine Vermehrung der Wähler, am Dom um 21, in Lamme um 43 Gemeindemitglieder. Die anderen acht Gemeinden verzeichnen trendgenmäß einen Rückgang der Wahlbeteiligung. Auch eine zweite Beobachtung hat mich überrascht: noch zwei weitere Gemeinden (neben Lamme und Dom) haben geringfügig mehr Wähler erreicht (Lukas und Martini), und fünf weitere Gemeinden ihr Vorwahlergebnis mit verschwindend geringen Verlusten fast gehalten: Christuskirche (-8), Jakobi (-7), Magni (-5), Michaelis (-2), Matthäus (- 11). Schließlich dritte Beobachtung: sieben Kirchengemeinden liegen über dem landeskirchlichen Durchschnitt von 22,5 % nämlich 52,25 % Martin Chemnitz (Jünke) 29,12 % Dom (Hempel-Kohn) 27,73 % Mascherode (Bartling) 27,54 % Auferstehungskirche (Plümke-Meiners) 25,52 % Hondelage (Paret) 25,71 % Markus (Kopkow) 24,24 % Christuskirche (Borchardt) Nicht tolerabel ist es dagegen, dass 14 Kirchengemeinden nur noch eine „Wahlbeteiligung“ von unter 10 % erzielten. 2006 waren es noch sieben Gemeinden. Die Zahl der nicht hinnehmbaren „Wahlunbeteiligung“ hat sich also verdoppelt. Das muss nicht sein. 9,41 % St. Magni 9,31 % St. Matthäus 9,05 % St. Johannis 8,42 % St. Trinitatis-Rühme 8,17 % St. Petri 7,86 % St. Martini 7,81 % St. Katharinen 7,12 % Weststadt 6,79 % St. Georg 6,29 % St. Jakobi 5,04 % St. Michaelis Der gern behauptete Gegensatz von den Innenstadtgemeinden und Außenbezirken ist eine Ausrede. Der Dom mit seinem zweitbesten Ergebnis liegt in der Innenstadt. Da ist in den Gruppen mehr mobilisiert worden. Es ist doch ein Witz, wenn am Dom mit seinen 841 Wahlberechtigten genauso viel Leutchen zur Wahl schreiten, nämlich 245 wie in St. Georg, nämlich 234 bei 3.447 Wahlberechtigten. Die Weststadt (473) und Riddagshausen (471) haben die gleiche Anzahl an Wählern und Wählerinnen an die Urne gebracht, obwohl die Weststadt zweieinhalb mal so viel Wahlberechtigte hat (6.645) wie Riddagshausen (2.489). Wirft das keine Fragen auf? Eine ähnliche Delegitimierung lässt sich auch anderswo beobachten: die Johanniskirche in Wolfenbüttel, die so beliebte Hochzeitskirche, bringt von 2.724 Wahlberechtigten nur 256, also 9,40 % ins Gemeindehaus zur Wahl, die Martin Luther Gemeinde in Lebenstedt von 1.668 Wahlberechtigten nur noch 149 Wähler/Innen, 8,93 %, 2 % weniger als vor sechs Jahren, auf diesem bereits sehr niedrigen Niveau. In dem mehr dörflichen Steterburg sackte bei gleichbleibendem Pfarrer Frisch die Wahlbeteiligung von 13,24 % auf beschämende 9,99 % also 206 WählerInnen von 2.062 Wahlberechtigten. Da wäre eine themenspezifische Visitation wohl angebracht. Ein Bedankbrief Ein Vorschlag am Ende der unmaßgeblichen Betrachtungen, der vermutlich nur Stöhnen auslösen wird, weil er wieder Arbeit bedeutet: Wie, wenn die gewählten und berufenen Kirchenvorstandsmitglieder bei den Wählerinnen und Wählern einen Bedankbrief abgeben würden. Etwa so: „Sie haben an der Kirchenvorstandswahl am 18. März teilgenommen. Damit haben Sie uns eine Freude gemacht. Sie sind auf uns zugekommen und haben Interesse an unserer Kirchengemeinde gezeigt. Nun kommen wir auf Sie zu und zeigen unser Interesse an Ihrem Leben und was sie bewegt und beschäftigt. Wir danken für Ihr Entgegenkommen und grüßen Sie freundlich Ihre ....“ Der neue Gemeindebrief, der dem Bedankbrief beigelegt ist, informiert den Empfänger über den Einführungsgottesdienst.
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