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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 135 - Mai 2012


Zum Tod von Propst i.R. Hans Martin Brackhahn

von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

Nach seinem 82. Geburtstag ist der frühere Propst Hans Martin Brackhahn nach langem schweren Leiden in Drübeck gestorben und dort auf dem Dorffriedhof im April begraben worden. Unter den Trauergästen befanden sich zahlreiche Bekannte aus der Landeskirche.
Hans Martin Brackhahn entstammte einer Braunschweiger Pastorenfamilie. Auf der ersten Pfarrstelle seines Vaters Walter Brackhahn wurde er im Januar 1930 geboren. Er war der Älteste von insgesamt fünf Kindern. Er hatte noch einen Bruder und drei Schwestern. Im Pfarrort Heckenbeck besuchte der Pastorensohn Hans Martin die einklassige Volksschule und danach das Gymnasium von Gandersheim. „Ich erinnere mich... genauer an die 2. Hälfte des 3. Reiches, die ich schon bewusster erleben konnte“, schrieb er im Vorwort in „Die evangelische Kirche und der Nationalsozialismus im Salzgittergebiet“ (S.3). „Ich war damals eingebunden in Jungvolk und Hitlerjugend, auch mit dem, was einen 10- bis 15 Jährigen begeistern konnte, daneben aber auch in ein Pfarrhaus, in dem der Kampf gegen die Kirche erfahren und die Augen für das Furchtbare und Verbrecherische geöffnet wurden. Diesen Zwiespalt habe ich damals sehr empfunden und auch durchlitten.“ (S. 3) Das war bereits im Kriege, in den der Vater zum Heeresdienst eingezogen und sein Onkel Gerhard seit 1941 als vermisst gemeldet wurde und nicht wieder zurückkehrte. Der Vater war als Pfarrer schon am 1.8.1932 in die NSDAP eingetreten und hatte die Parteinummer 1248550. Die Parteimitgliedschaft bewahrte einen Pfarrer nicht vor den Schikanen der örtlichen Parteigrößen. Das frühe Eintrittsdatum besagt nur, dass Pfarrer Walter Brackhahn mit vielen anderen Amtsbrüdern den Beginn des sog. „Dritte Reiches“ begrüßte.
Sein Abitur machte der Pastorensohn in Helmstedt, weil der Vater seit 1946 Pfarrer in Süpplingen geworden war. Einer seiner Klassenkameraden und Mitabiturienten 1949 war Helmut Kramer.
In Süpplingen heiratete der Pastorensohn und Theologiestudent im 2. Semester im Dezember 1949 die benachbarte Landwirtstochter Marie Sophie Schaper. Nach dem Theologiestudium in Hamburg, Erlangen und Göttingen und nach der Ordination im Dezember 1955 erhielt er seine erste Pfarrstelle in der Propstei Salzgitter 1956 in der Dorfgemeinde Ohlendorf. Von dort wurde er 1963 in die reformorientierte Thomasgemeinde in Wolfenbüttel gewählt, und war seit 1974 für 20 Jahre als Propst der Propstei Lebenstedt tätig, zuerst von der Johannisgemeinde aus, zum Schluss von der Paulusgemeinde. Von dort ging er 1994 mit seiner zweiten Frau in den Ruhestand nach Heimburg.
Ich lernte ihn 1963 kennen, als ich für einiger Monate als „Hilfsprediger“ zwei unversehens ausgefallene Pfarrer in Salzgitter Bad (in der Gnadenkirche und der Nikolaikirche) vertreten musste. Da gab es einen theologischen Arbeitskreis mit dem etwas älteren Hans Adolf Oelker von der Johanneskirche in Lebenstedt, Helmut Bertram aus Flachstöckheim, Hans Martin Brackhahn, der schon an der Thomaskirche in Wolfenbüttel war, und mir. An andere kann ich mich nicht erinnern. Uns verbanden anziehende, kritische, theologische Fragestellungen. Als Propst beteiligte sich Brackhahn an der Aufarbeitung des Verhältnisses der Propsteien zur NS-Zeit, die wesentlich von der Ev. Erwachsenenbildung begleitet wurde. Es hatte dazu eine Veranstaltungsreihe in Braunschweig, in Helmstedt und anlässlich des 40 jährigen Stadtjubiläums in Zusammenarbeit mit dem Schulpfarramt nun auch 1982 im Fürstensaal des Museums Salder gegeben. Das war damals durchaus nicht populär. Der Nachbarpropst Erich Warmers lehnte derlei kategorisch ab. Brackhahn unterstützte das Unternehmen, nahm an den Veranstaltungen teil, schrieb ein Vorwort zur oben genannten Veröffentlichung und ist auf einigen Fotos jener Zeit zu sehen.
Die Landeskirche stand damals vor einem Umbruch. Die Zeit von Landesbischof Heintze war unter unerfreulichen Umständen ausgelaufen und man hatte Brackhahn gebeten, eine Art Abschiedsbrief im Organ der Landessynode „KURIER“ zu verfassen. Brackhahn war mit der Synodearbeit über mehrere Sitzungsperioden eng verbunden. Er dankte Bischof Heintze für die Impulse durch die Visitationen und ihre dialogische Durchführung, für die Anstöße zur ökumenischen Gemeinschaft, und er verstand eine Brücke zum Bischof zu schlagen, dem die Kirchenregierung eine Übergabe an den Nachfolger verweigert hatte. „Vielleicht scheuen wir uns in er Kirche ganz besonders vor dem Austragen von Konflikten, weil wir sie im Gegensatz zum Liebegebot Jesu sehen. Aber leider führen unausgetragene Konflikte zu Tabuisierungen und so zu Mißverständnissen. Und so entstehen daraus neue Konflikte gerade dann, wenn keiner damit rechnet. Für mich bedeutet dieser Missklang deshalb, gerade im Raum der Kirche Konflikten nicht aus dem Wege zu gehen, sondern sie im Vertrauen auf Gottes Führung und Vergebung anzusprechen und durchzustehen.“ (KURIER Mai 1982 S. 2)




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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/kvu135/propstbrackhahn.htm, Stand: Mai 2012, dk