Kirche von unten: Home - Archiv - Geschichte - Vorträge, Beiträge - Cyty - Glaube

[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 137 - August 2015


Nich snacken or sabbeln - taupacken
Die internationale Genossenschaft Oikocredit – ein Beitrag zur Gerechtigkeit

von Wilfried Steen
(Download als pdf hier)

Einer meiner Freunde ist ein kritischer und wortgewaltiger Geist, ein hervorragenden Analytiker seiner Kirche und der Zeitläufte. Vor einiger Zeit sagt er mir, er habe sein Geld bei einer Tochterfirma der größten deutschen Bank angelegt.
Ach, habe ich mir gedacht, auch einer, der inkonsequent lebt. Wie ich selbst. Viele in der Kirche, Gruppen und Einzelpersonen, geißeln die kapitalistische Marktwirtschaft mit ihren desaströsen globalen Auswirkungen. Gerade jetzt gibt es massive Kritik an der Politik der Bundesregierung gegenüber Griechenland. Die Millionäre, die Banken sollen angesichts der horrenden Gewinne aus der Krise zahlen.
Manchmal frage ich während dieser hitziger Debatten: Müssen wir unser Geld nicht fair anlegen, damit wir dieses ungerechte globale Finanzsystem nicht fördern? Dann erlebe ich, wie das Gespräch schnell zurückhaltender wird. Aber an die eigenen Spareinlagen und Rücklagen denken die wenigsten, wenn es um das globale Finanzsystem geht. Dabei wissen wir alle, kein politisches System ändert sich, wenn wir selbst etwas tun und unser Geld gerechter anlegen. Damit bin ich bei Oikocredit.
Oikocredit wurde auf Initiative des Weltrates der Kirchen (ÖRK) 1975 gegründet. Mit dem ethischen Geldanlagen der Kirchen sollte Entwicklung in den armen Ländern gefördert werden. Die verfassten Kirchen und kirchlichen Organisationen im ÖRK waren aber nur zögerlich bereit, wesentliche Finanzmittel bei Oikocredit anzulegen. Die Rendite von zwei Prozent war ihnen zu gering.
Die gute Idee drohte zu scheitern. Da sprangen die Förderkreise engagierter Menschen in die Bresche. Bis heute gelang es dieser Gruppe ökumenischer Enthusiasten, allein Deutschland 22.000 Anleger zu finden, die sich für eine nachhaltige Entwicklung weltweit und für Gerechtigkeit auf den Finanzmärkten einsetzen. Bis heute haben sie für 340 Millionen Euro Genossenschaftsanteile gezeichnet und zum großen weltweiten Erfolg von Oikocredit beigetragen.
Mikrokreditfonds, Kleinbauerngenossenschaften, Produzenten fairer Produkte wie Kaffee und Kakao in Entwicklungs- und Schwellenländern erhalten durch die Arbeit von Oikocredit besseren Zugang zu Krediten. Keine Bank hätte die ihnen ohne Sicherheiten gegeben. Heute ist Oikocredit dank seiner 53.000 Anlegerinnen und Anleger weltweit der größte soziale Kreditgeber und Anleger überhaupt. Oikocredit spekuliert nicht auf hohe Gewinne, sondern auf soziale Rendite. Das Kapital der Anlegerinnen und Anleger soll soziale Wirkung entfalten. Bevorzugt werden Partnerorganisationen finanziert, die Einkommen für benachteiligte Menschen schaffen, genossenschaftlich organisiert sind und vor allem: die Frauen an der Entwicklung beteiligen. So entsteht ein Beispiel für mehr Gerechtigkeit auf den Finanzmärkten.
Wenn ich mit Vertretern von Gemeinden, aber auch mit Privatpersonen über eine Anlagemöglichkeit als Genossenschaftsanteil bei Oikocredit spreche, kommen Einwände: „Eure zwei Prozent Dividende sind uns nicht genug. Wir können nicht auf die höheren Zinsen und die Dividende bei unseren Geldanlagen verzichten. Wir brauchen das für unsere Arbeit, wir brauchen das für unsere Kinder, wir brauchen das als Altersrücklage.“
Andere wenden skeptisch ein und sagen: „Das, was Oikocredit an Projekten fördert, an Kleinwasserkraftwerken in abgelegenen Dörfern, an Kleinbauerngenossenschaften, ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein! Damit könnt ihr die globalen Player und Finanzinvestoren nicht aushebeln.“ Daraufhin sage ich: „Wenn all ihr Skeptiker mitmacht und eure Worte über Gerechtigkeit in die Tat umsetzt, dann kann die Bewegung für gerechte Alternativen auf den Finanzmärkten viel stärker werden!“
Zum Schluss: Gern hätte ich zur Sparanlage meines Freundes bei der größten deutschen Bank einen Kommentar gegeben: Sein Geld bildet die Verfügungsmasse einer globalen Spekulation zum Gewinn derer, die ohnehin schon ziemlich viel auf ihren Konten angehäuft haben. Ich habe mir diese Bemerkung verkniffen. Ich möchte nicht übergriffig und moralinsauer wirken. Über Geld redet man nicht, auch nicht unter Brüdern. Schade. Dabei könnten wir mehr kleine und große Schritte tun, um diese Welt nachhaltig zu verändern. Oder ich kann es auch mit einer Inschrift in einem Celler Fachwerkhaus sagen: Nich sabbeln or snacken – taupacken.

Wer sich näher informieren will: www.oikocredit.de! Für Niedersachsen/Bremen ist die Geschäftsstelle in Braunschweig, Goslarsche Str. 93 (im Friedenszentrum).




[Zurück] [Glaube] [Helfen]
Impressum  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/kvu137/oikocredit.htm, Stand: August 2015, dk