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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 137 - August 2015


Erinnerungen eines Oldtimers

von Axel Lang
(Download als pdf hier)

Im Herbst 1969 hat mein Vikariat in Ahlshausen/Propstei Bad Gandersheim begonnen. (Zuvor hatte ich ein halbjähriges Vikariat in Helmstedt absolviert und danach wieder in Göttingen im Septuaginta-Unternehmen gearbeitet und mich auch an einer Doktorarbeit versucht.) Mit Frau und zwei Kindern war der Umzug von Göttingen vonstatten gegangen. Mein Mentor war der Nachbarpfarrer in Opperhausen. Ihn habe ich zweimal kurz gesehen, bei meinem Antrittsbesuch und vor seinem Abschied, und einmal etwas länger zwischendurch, da hat er mich besucht und mir bei einigen Schnäpsen von seiner ersten Amtszeit erzählt. Ins Predigerseminar musste ich zu Beginn zu einem 4 Wochenkurs und danach jeden Mittwoch. Ich fuhr ungern nach Braunschweig, denn der Tag fehlte mir für meinen Pfarrdienst; die Pfarrstelle umfasste die Kirchengemeinden Ahlshausen und Rittierode; zu Ahlshausen gehörte noch Sievershausen mit einer Kapelle. Kurz vor Weihnachten sagte mir der Oberlandeskirchenrat, ich solle mich schleunigst zum 2. Examen melden; man hätte mir wegen der Arbeit in Göttingen 1 Jahr Vikariat erlassen. (?) Die nächsten 4 Monate versinken im Erinnerungsnebel: voller Pfarrdienst, daneben Hausarbeit, Klausuren und mündliche Prüfung und dann die Ordination Ende April 1970. Dann zusätzlich die Vertretung für meinen Mentor, der die Pfarrstelle wechselte. Aus der Vakanzvertretung wurde nach einem halben Jahr ein Pfarrverband; wir zogen nach Opperhausen, und ich hatte nun 4 Kirchengemeinden in 6 Dörfern zu versorgen, zu den vorigen noch Opperhausen mit Osterbruch und Olxheim. Ab 1971 bahnte sich die Gebietsreform in Niedersachsen an und mir wurde geraten (von wem eigentlich?), dafür zu sorgen, dass aus den 4 Kirchengemeinden eine einzige würde ( Lockmittel: Arbeisersparnis). Ich habe das nicht getan. Die Menschen in den Gemeinden waren nach ganz unterschiedlichen Städten hin ausgerichtet: Rittierode nach Einbeck, Opperhausen nach Gandersheim, Ahlshausen nach Northeim, und die Dörfer hatten untereinander keinen Kontakt. Es reichte, dass aus der vagen Fremdheit ein gutes Nebeneinander wurde. Manches wurde gemeinsam gemacht, Vieles eben aber auch nicht. Ich erinnere, dass eine Kirchengemeinde der anderen auch mal Geld vorgestreckt hat, wenn irgendwelche Maßnahmen die eigenen Verhältnisse überforderten.
Aber: die Kirchenvorsteher, Frauen und Männer in jedem der 6 Dörfer, waren geachtete und verantwortliche Multiplikatoren in jeweils ihrer Gemeinde. Ein paar Sitzungen mehr, jawohl, und 5 Haushalte, aber was ist das schon für ein Mehraufwand, wenn er aufgewogen wird durch mehr Mitverantwortung und mehr Eigenständigkeit. Gottesdienste? Zwei an normalen Sonntagen, oft und an Festtagen immer vier, in der Urlaubszeit durch zusätzliche Vertretungen 6 am Wochenende.
Gesunde eigenständige Kirchengemeinden, verantwortliche Christen in den Gemeinden – und Kollegen, die jeden notwendigen Vertretungsdienst übernahmen, ohne dass jemand offiziell beauftragt werden musste.
Das Landeskirchenamt war weit weg und hat nur manchmal gestört (Anweisung, das Papier beidseitig zu benutzen (gemeint war das Briefpapier, aber ich habe den Amtsblattartikel in der Toilette angebracht, oder Anweisung, „auf Anordnung des niedersächsischen Innenministers“ die Kunstschätze der Kirchen neu aufzulisten – aber der Innenminister ging mich nichts an), der Propst stand voll auf Seiten seiner Pfarrer und wir desgleichen auch auf seiner.
Ich hatte vor, nach den 7 Jahren in eine Pfarrstelle nach Afrika zu wechseln, wurde gefragt, ob ich denn keine Angst hätte „vor den Negern“. Meine fröhliche Antwort war: Wer bei Euch war, hat vor gar nichts mehr Angst. Mir wurde damals von den südafrikanisch Behörden die Einreise verweigert.
So bin ich angstfrei und gut gerüstet nach Braunschweig gekommen, und auch hier wieder mit der Devise: die Eigenständigkeit der Kirchengemeinden ist oberstes Gebot. Christen werden nicht im oder durch das Landeskirchenamt gemacht, sondern in den Gemeinden. Und ob die Landeskirche gut oder schlecht arbeitet ist gleichgültig, wenn die Kirchengemeinden gut sind. Umgekehrt aber geht gar nichts.




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