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[Kirche von Unten]

Zum Hitlerbild in der Deutschen Evangelischen Kirche

und

Ein Beitrag zur Kirchlichen Mitte

von Dietrich Kuessner

(Download des Buches einschließlich Anmerkungen als pdf hier)




Eine Leserstimme

in Auszügen zum Buch bzw. zur Internet-Veröffentlichung
„Der christliche Staatsmann – Ein Beitrag zum Hitlerbild in der Deutschen Evangelischen Kirche und zur kirchlichen Mitte“.
261 Seiten. 2021



Helmut Liersch, Propst von Goslar em.,
Direktor des Predigerseminars


Es ist das Markenzeichen von Kuessners Forschungen zum Nationalsozialismus, dass er lustvoll „gegen den Trend der kirchengeschichtlichen Forschung“ anschreibt. Das ist auch hier der Fall. Energisch widerspricht er den gewöhnlichen Erzählungen, die er als unvollständig und einseitig entlarvt.... Mit besonderem Nachdruck stemmt sich Kuessner gegen das Narrativ vom Gegensatz von Deutschen Christen und Bekennender Kirche, der damals das Geschehen bestimmt habe. Zwar gab es auf beiden Seiten jeweils einen „harten Kern“, dazwischen aber entdeckt der Autor „den großen Bereich der sog. Kirchlichen Mitte“. Das war die große Mehrzahl der Volksgemeinschaft, die im „Dritten Reich“ leben wollte und sich mit dem Bestehen des Nationalsozialismus abgefunden hatte. Diese Kirchliche Mitte hatte das Leitbild einer Volkskirche, das sich vom Bild der Staatskirche der Kaiserzeit abhob. Mit Zahlen belegt Kuessner, dass das Bild vom kirchenfeindlichen Nationalsozialismus nicht stimmt: 1939 bekennen sich 93,6 % der deutschen Bevölkerung als christlich – und das trotz der unentwegten Aufforderungen zum Austritt durch Rosenberg, Himmler, Bormann und andere. An sein Versprechen von 1933, an der Landeskirchensteuer festzuhalten, hat sich Hitler gehalten.

Als biblische Begründung für ihr Verhalten diente den Theologen der Kirchlichen Mitte die Auslegung von Römer 13, 1-5. Man hielt den Hitler-Staat für eine Ordnung Gottes. Dieses „opportunistische Missverständnis“ pflegten alle Gruppen der deutschen evangelischen Kirche. Zu dieser theologischen Festlegung kam noch der Hitler geleistete Eid, der gleich dreifach erfolgte: als Beamteneid, seit 1938 als Treueeid und ab 1939 ggf. als Fahneneid.

Für die Handlungsräume der Kirchlichen Mitte im Nationalsozialismus nennt Kuessner drei Beispiele: Die evangelische Presse, das kirchliche Bauen und die Diakonissenhäuser des Kaiserswerther Verbandes. Für eine nachhaltige Untergrundpresse fehlte seinerzeit die Basis. Zu beobachten ist im Blick auf August Hinderers Zeitung „Das Evangelische Deutschland“ ein „Paradestück des Taktierens und Informierens unter den schwierigen Begleitumständen“. Erstaunlich die Aufzählung der weiterhin erscheinenden theologischen Fachliteratur. Ebenso verhält es sich mit dem Kirchenbau. Entgegen den „gefühlten“ Vorgängen jener Zeit wurden 370 katholische und 190 evangelische Kirchen errichtet. Auch für die Mutterhäuser der Diakonie hatte sich der „Kurs der Mitte“ als praktikabel erwiesen. Bei ethischen Fragen – etwa der Euthanasie – führte das die Verantwortlichen in schlimmste Konflikte. Insgesamt, so Kuessner, sei aber das Verhalten nicht kritischer zu beurteilen als das der Kirchlichen Mitte insgesamt.

Vernichtend fällt Kuessners Urteil über die Kirchenkonferenz von Treysa am 27.-30. August 1945 aus: „…kein Dank, keine Buße…“ Eingeladen waren nur die Vertreter der „amtlichen Kirche“, nicht die BKler, die aber trotzdem kamen. Einen Monat vorher hatten sie in Spandau einen Neustart der Kirche angedacht, der von den Gemeinden ausgehen sollte. Die „Normallage in den Kirchengemeinden“ kam bei der Konferenz nicht in den Blick. Stattdessen gab es ein Gerangel um Posten. Eine Würdigung dessen, was in schwerer Zeit gelungen war, so etwa das reichhaltige Lied-Schaffen und die christliche Literatur, fand nicht statt. Die Protagonisten der Kirchlichen Mitte kamen nicht zu Wort – ein bis heute andauerndes Phänomen: Sie ist bis heute kein Gegenstand der kirchengeschichtlichen Forschung, so Kuessners Beobachtung. Auch die 2. Ratssitzung im Oktober 1945 in Stuttgart brachte – im Gegensatz zur verbreiteten Anschauung - kein klares Schuldbekenntnis hervor, sondern stützte die Legende, dass zwar das Volk, nicht aber die Kirche schuldig geworden sei.

So „trottelte“ (Niemöller) die Kirche in der Nachkriegszeit weiter, ohne Buße zu tun. Ausnahmen sieht Kuessner in der Aktion Sühnezeichen, in der Kirchentagsbewegung und in der kirchlichen Entwicklung in einigen Landeskirchen der DDR, wo sich die bruderrätlichen Verhältnisse teilweise etablieren konnten. Bei der „Osterweiterung“ der BRD 1989/90 wurde es aber versäumt, die dortigen Impulse für die im Kapitalismus behäbig weitertrottelnde „Kirche der Mitte“ fruchtbar zu machen. Trost weiß der Autor dennoch zu geben: „Die evangelische Kirche geht auf das Ende der zählebigen Epoche der Kirchlichen Mitte zu.“



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