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[Kirche von Unten]

Hans Wilhelm Jürgens

Die Geschichte eines vergessenen Oberlandeskirchenrates

Eine Erzählung


von Dietrich Kuessner

(Download des Buches als pdf hier)




Die Erzählung


Rückkehr nach Hamburg
Jürgens beschloss schließlich, mit seiner Familie 1941 nach Hamburg zurückzukehren. Das war ein schwerer, schmerzlicher Entschluss. Er hatte sich in Wolfenbüttel Familie und Wohnhaus aufgebaut und verkaufte nun seine Villa in der Adolf Hitlerstraße (Neuer Weg). Er gab die Nachbarschaft zur Familie Johnsen auf, eine Verbindung, die den Krieg über anhielt. Jürgens hat das Ausscheiden aus dem Hoffmeister-Landeskirchenamt zeit seines Lebens als Niederlage verstanden.
Die Rückkehr nach Hamburg war riskant, weil die Luftangriffe auf Hamburg begonnen hatten und sein Vater ein kriegswichtiges Unternehmen im Bereich der Kriegsmarine führte. Andererseits war von hier aus eine uk-Stellung eher zu erwirken.
Der Fortgang von Jürgens war auch für OKR Röpke eine schwere Enttäuschung, dessen Stellung im Landeskirchenamt nun weiter geschwächt wurde. Möglicherweise hatte sich Röpke eine Zusammenarbeit mit Jürgens gut vorstellen können. Röpke konnte sich allein gelassen vorkommen. Ob eine Verabschiedung aus der Behörde zustande kam, ist nicht bekannt. Nach Hamburg schrieb Bischof Johnsen am 31. März 1941, dass Röpke ihm berichtet habe, „daß etliche Kreise innerhalb der Landeskirche ungehalten seien wegen Ihres Ausscheidens. Ich habe ihm geantwortet, daß ich Ihren Standpunkt sehr gut verstünde, man könne niemandem zumuten, seinen Dienst unter unwürdigen Umständen zu tun, erst recht keinem Kriegsteilnehmer.“

Für Jürgens war die Rückkehr nach Hamburg zugleich ein Berufswechsel. Er arbeitete nicht mehr als Jurist, sondern arbeitete im Betrieb seines Vaters und wurde dazu tatsächlich uk gestellt, denn es war ja ein kriegswichtiger Marinerüstungsbetrieb. Im Frühjahr 1945 wurden sämtliche Werkshallen durch einen Bombenangriff vollständig zerstört.


Pläne für eine Rückkehr nach dem Kriege
In der Zusammenbruchgesellschaft der Nachkriegszeit suchte das Landeskirchenamt die Verbindung zu Hans Wilhelm Jürgens. Es fehlten in der Behörde Kirchenjuristen. Die Voraussetzungen schienen günstig. Wilhelm Röpke hatte als amtierender stellvertretender Bischof die Auflösung der Finanzabteilung betrieben und die engsten Mitarbeiter Hoffmeisters entlassen. In seinem Vorzimmer saß nun seine Tochter, Käthe Röpke, und sorgte für einen geordneten Geschäftsgang. Die meisten Mitarbeiter schwenkten um und versprachen loyale Zusammenarbeit mit der neuen Kirchenleitung. Röpke stellte die traditionelle und bewährte Geschäftsordnung mit vier Referaten wieder her, so wie sie auch Hans Wilhelm Jürgens aus seiner Zeit geläufig war. Die Anfrage an Jürgens kam von Oberlandeskirchenrat Dr. Breust, dessen Mitarbeit in einer erneuerten Behörde wegen seiner Mitarbeit unter Hoffmeister umstritten war. Jürgens war im März 1947 nach Wolfenbüttel gefahren und war angenehm überrascht. Auch die Verbindung nach Alvesse zum Schwiegervater war nicht abgerissen, denn die Kinder spielten gerne auf dem Hofgelände des Großvaters. Jürgens stand nach dem Tod seines Vaters 1948 vor der Entscheidung, ob er seine ausbombardierten Mitarbeiter im Hamburg an der Elbe zu Gunsten einer Arbeit im Landeskirchenamt verlassen sollte.
Trotz der neuen guten Voraussetzungen gab es für Jürgens eine Frage, die sich für ihn schon 1927 zu Beginn seiner Dienstzeit gestellt hatte, nämlich eine Zusammenarbeit mit Dr. Reinhold Breust.
Breust sei ein Problem, das wohl auch in der Zukunft nicht gelöst werden kann, hatte Jürgens den Eindruck. Niemand im Dienste der Kirche hat so widersprüchlich gehandelt wie Breust, niemand hat so viel Intelligenz mit so wenig Menschenkenntnis in sich vereinigt, niemand hat so viel unberechtigten Zorn und ebenso viel unberechtigte Gunst verteilt! Er war unberechenbar, wer von ihm als Freund, und wer als Feind deklariert wurde. Zu mir zeigte er immer eine positive Einstellung, obwohl ich einseitig auf Johnsens Seite stand. Auch Timmermann sieht Breust in einem ganz falschen Licht. Breust wittert in ihm den Staatskommissar, der ihn und alle Mitarbeiter des LKA „hinauskanten“ wollte.. Breust Gedanken führen in einen Irrgarten. Niemand wird ihn in seinen Widersprüchen verstehen und niemand wird sein Bündnis mit Hoffmeister billigen können.“ (Brief 26.7.1982)

Es waren durch die harte Kriegs- und Nachkriegszeit engere Verbindungen zur Hamburger Belegschaft entstanden. Daher blieb Jürgens in Hamburg im Betrieb, dessen Führung er nun nach dem Tod des Vaters übernahm. Die Kirchenregierung beschloss, bisherige Zahlungen einzustellen und die Zusammenarbeit zu beenden. Zum 1. April 1948 wurde die Personalakte Jürgens geschlossen,

Unentwegt aber suchte Oberlandeskirchenrat Breust auch weiterhin den fachlichen Rat des „Oberlandeskirchenrat Dr. Jürgens“, wie er ihn weiterhin titulierte. Nach den Wiederaufbaujahren baute Jürgens das Werk um, verkaufte es schließlich und übernahm für einige Zeit die Leitung eines anderen Werkes, bevor er im Jahre 1968 in den Ruhestand ging.
Hier widmete er sich einem 20-bändigen Memoirenwerk, welches für die Familie bestimmt war und nicht veröffentlicht wurde. Jürgens starb am 25.03.1995 im hohen Alter von 95 Jahren in einem Hamburger Seniorenheim der Diakonie. Sit tibi terra levis.



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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/Juergens/, Stand: März 2022, dk