Kirche von unten: Home - Archiv - Geschichte - Vorträge, Beiträge - Cyty - Glaube
 
[Kirche von unten]

Die Geschichte der Revision der biblischen Lesungen (Perikopen)

im Gottesdienst der Braunschweigischen Landeskirche
in den Jahren 1852 - 1950

Die Perikopenrevision in der Spezialinspektion Schöppenstedt

"Schöppenstedt kann mit Recht eine wohlhabende Landstadt genannt werden, wozu auch die wohlhabenden und fleißigen Bewohner der Umgebung nicht wenig beitragen... Mehrere trefflich arbeitende Leineweber sind in Schöppenstedt auch bei jetzt widrigen Handelsconjuncturen beschäftigt; dazu haben zwei große Gerbereien vollauf zu thun.. wäre der Wohlstand in und um Schöppenstedt nicht im Wachsen, so können dort schwerlich 15 Gewürz- und Ellenwaaren-Handlungen gedeihen."
So die Sicht des Zeitgenossen Venturini.
Die Landstadt war umgeben von großen Domänen und Rittergütern:
in Ambleben vom Gut der Familie Wahnschaffe mit 365 Morgen Acker und 1122 Morgen Wald, von der Domäne in Gr. Dahlum mit 984 Morgen Acker, vom Rittergut derer v. Cramm mit 1212 Morgen Acker, das Gut Schliestedt von v. Schwicheldt mit 915 Morgen Acker, das Dietrichsche Gut in Watzum mit 524 Morgen Acker, das Gräflich von Schwicheldtschge Gut in Küblingen ist "im Besitz von 697 Morgen Acker, 16 Fuder Wiesenwachs, 12 Morgen Gärten, 6 Morgen Holztheilung im Elm und im Lah, einer Ziegelbrennerei im Burgthal, einer Schäferei und der Unterjagd in der Umgebung." ( Venturini 213). Nach dem Pfarrerverzeichnis von 1845 gab es folgende Patronate: v. Bülow über die Kirche in Schliestedt, v. Münchhausen über die Kirche in Gr. Vahlberg,, über Kl. Vahlberg die v. Schwarzkoppen, über Ampleben die v. Bötticher, über Sambleben und Kneitlingen die v. Cramm, über die Staatsdomänen in Eilum und Eitzum die Landesregierung.
Welche Einfluss die Rittergüter und Domänen auf das kirchliche Leben der Inspektion Schöppenstedt gehabt haben, ist fraglich.

 

Die Pfarrerschaft der Spezialinspektion Schöppenstedt

 

 

 

Dienst

 

 

 

geb.

gest.

Dienstort

Einw.

Eink.

Ack.

Beginn

Ende

Seiten

Lüttich

Georg

1795

1876

Schöppenstedt

2630

968

80

1842

1876

3

Goldmann

Georg

1785

1855

Gr. Dahlum

605

1906

305

1830

1855

18 h

 

 

 

 

Kl.Dahlum

164

 

 

 

 

 

Kräntzer

Wilhelm

1811

1878

p.coll

 

312

 

1844

1852

 

Stölting

Bruno

1799

1890

Schliestedt

280

875

151

1824

1877

10

 

 

 

 

Warle

202

 

 

 

 

 

Breymann

Ferdinand

1797

1865

Watzum

505

1224

173

1851

1866

5

 

 

 

 

Kl. Vahlberg

204

304

 

 

 

 

Austrup

Constantin

1897

1865

Uerde

380

786

28

1848

1865

2

Görtz

Emil

1806

1888

Berklingen

294

635

121

1849

1888

2 h

Friedrich

Johann

1787

1879

Gr. Vahlberg

400

759

93

1820

1879

11

 

 

 

 

Bansleben

135

 

44

 

 

 

Thomä

Friedrich

1802

1856

Eilum

157

629

96

1828

1852

3

 

 

 

 

Weferlingen

105

 

 

 

 

 

Krämer

Carl

1791

1872

Evessen

450

1142

108

1846

1872

5

 

 

 

 

Gilzum

165

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hachum

149

 

 

 

 

 

Nolte

Gustav

1817

1870

Ampleben

262

791

157

1853

1870

4

Böhme

Johann

1818

1907

Sambleben

320

642

75

1850

1879

1

Lerche

August

1783

1867

Eitzum

440

804

99

1839

1867

 

 

 

 

 

Küblingen

450

 

 

 

 

 


Superintendent der Inspektion Schöppenstedt war Georg Lüttich, 57 Jahre alt und seit 1842 an der Stephanikirche. Zu seiner Inspektion gehörten 11 Pfarrämter in 19 Kirchengemeinden. Acht Amtsbrüder blieben bis zu ihrem Tod tätig und starben dort in ihren Gemeinden: Lüttich mit 81 Jahren, Goldmann mit 70 Jahren in Gr. Dahlum, Austrup mit 68 Jahren in Uerde, Görtz mit 82 Jahren in Berklingen, Friedrich mit 92 Jahren in Gr. Vahlberg, Krämer mit 81 Jahren in Evessen, Nolte mit 51 Jahren in Ampleben, Lerche mit 84 Jahren in Eitzum. Das könnte auf die einkommensmäßig gute Ausstattung der Kirchengemeinden hinweisen, drei mit weit über 1000 Taler Einkommen, eine fast 1000 Taler, fünf zwischen 700 und 900 Taler, drei zwischen 600 und 635 Talern.

Die Beteiligung an den Stellungnahmen war hoch, es lagen zehn Arbeiten vor. Superintendent Lüttich beschwerte sich zu Beginn seiner Stellungnahme über die knappe Zeit zur Bearbeitung der eingegangenen Arbeiten. Abgabetermin war Ende Januar, nur drei hatte in dieser Zeit der Superintendent erhalten, die meisten anderen Stellungnahmen kamen erst Ende Februar in Schöppenstedt an.

Emil Görtz, 46 Jahre, Pfarrer in Berklingen, fasst das allgemeine Unbehagen an der älteren Perikopenreihe so zusammen: "Da nicht allein fast allgemein die Mängel der ältesten Pericopensammlung gefühlt, sondern auch über die engen Schranken, in welchen man sich zu halten gezwungen sei, geklagt worden ist, so wird die Berichtigung jener Mängel und die Erweiterung der bisherigen Schranken nur zweckmäßig erscheinen können."
Führender Kopf in der Inspektion war Georg Goldmann, schon lange Pfarrer in Gr. Dahlum, der sich einen Kollaborator leisten konnte. Er war zum Dr. phil promoviert, hatte zwei Predigtbände herausgegeben und ein Buch über den Gottesdienst der Kirche verfasst. Er legte eine überdurchschnittlich lange Arbeit über die Perikopenreform von 18 Seiten vor. Er war von der Reform angetan und hatte nur wenige Einzelheiten zu verbessern. "Sehr vieles in dem neun Jahrgang ist mir erfreulich und erwecklich gewesen sowohl dem Stoffe als dem Zusammenhang der Ev. und Ep. nach, wenn auch in einzelnen Fällen mir die Verwandtschaft des Inhalts desselben nicht klar geworden ist."
Er wünscht die Beibehaltung des Evangeliums von der Beschneidung Jesu am Neujahrstag und der Taufe Jesu am darauf folgenden Sonntag und spricht interessanter Weise von einem Zusammenhang
des "Sakramentes der Juden und der Christen". Goldmann schlägt eine fortlaufende Lesung der Episteln am Altar, z.B. des Römerbriefes und fortlaufende Schriftauslegung z.B. Matthäusevangeliums vor. Der Vorschlag wäre indes schwierig zu verwirklichen, weil es dazu keine Lesepredigten gebe.
An den Hauptfesten sollten die bekannten Evangelien der alten Reihe gelesen werden. Er empfahl, die Gemeinde aufzufordern, zum Gottesdienst die Bibeln mitzubringen, um die Texte aufzuschlagen und mitlesen zu können. Die Schüler hatten die Texte bereits in der Schule bezeichnet und gelesen.

Pfarrer Friedrich Thomä war der Einzige, der die neue Reihe ablehnte: "eine dringende Notwendigkeit, einen zweiten Jahrgang kirchlicher Perikopen zu haben, scheint mir nicht vorhanden." Er empfindet die neue Reihe als "ein Beiseiteschieben" der alten Reihe. "Die alten Perikopen sind der Gemeinde so lieb und werth geworden, sind so tief in das innere Leben eingedrungen, dass sie sich schwer, sehr schwer davon trennen möchten." Schon in der Fastenzeit möchte er die Passionstexte lesen. Dazu erschienen die Gemeindemitglieder in schwarzer Kleidung zum Gottesdienst. "Ihr äußerer Anzug beim Erscheinen in der Kirche" solle zeigen, wie sie sich an dem Beispiel dessen, der für sie gelitten, gestorben und auferstanden ist, stärken und kräftigen."
Thomä verließ noch 1852 die Gemeinde und ging nach Bahrdorf, wo er nach vier Jahren im Alter von 54 Jahren starb. Er hinterließ elf Kinder.
Ferdinand Breymann, der erst 1851 nach Watzum gekommen war, berichtete aus seiner Predigterfahrung in seiner früheren Gemeinde in Mahlum: "Ich habe oft erfahren, dass Texte, die von historischen Gegenständen und von dem Leben frommer Männer handeln, die Aufmerksamkeit der Zuhörer sehr fesseln und die eine anziehende homilieartige Predigtform leicht zulassen." Daher hätte er sich mehr Texte aus dem Alten Testament und der Apostelgeschichte gewünscht.
Insgesamt merkt man den Stellungnahmen aber an, dass sie pflichtgemäß, ohne besondere Anteilnahme an dem Thema, geschrieben und dann abgeliefert wurden.

Die Schriftprobe nebenan mit seinen interessanten zierlichen Unterlängen stammt aus der Arbeit von Pfarrer Constantin Austrup. Austrup gibt die Frage wieder und beantwortet sie größtenteils mit einem knappen Ja oder Nein.
Schriftprobe Constantin Austrup


Zum nächsten Kapitel
Zum vorherigen Kapitel
Zum Inhaltsverzeichnis


[Zurück] [Glaube]
Impressum, http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/Perikopen/, Stand: Dezember 2016, dk