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[Kirche von Unten]

Die Evangelische Kirche und der Russlandfeldzug

von Dietrich Kuessner

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Antikommunismus in der evangelischen Kirche

Einer der weiter zurückliegenden Gründe für den Russlandfeldzug und für seine Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung war der Antikommunismus in Deutschland. Bei Hitler verknüpfte er sich zusätzlich mit seinem Antisemitismus. Hitler sprach mit Vorliebe von der „jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung“. Die evangelische Kirche hat am Erstarken des Antikommunismus in Deutschland erheblichen Anteil. Hitler und die evangelische Kirche waren sich im Antikommunismus einig. Ihre Gründe waren aber unterschiedlich.

Die Religionskritik von Marx, Engels und Bebel brachten die Linke in schroffen Gegensatz zu den staatskirchlichen Landeskirchen. Die Sozialisten wollten eine Trennung von Staat und Kirche, von Schule und Kirche. Die evangelische Kirche wollte die Verbindung unbedingt aufrechterhalten. Die Sozialisten erstrebten eine Demokratie, die evangelische Kirche wollte bei der Monarchie bleiben. Sie Sozialisten agierten mit dem Schlachtruf „Heraus aus der Kirche“, die evangelische Kirche blieb formal neutral, tatsächlich aber dachte und predigte sie national.

Als nach 1918 die Sozialdemokraten im Reich und für längere Zeit im Land Preußen in die Regierungsverantwortung kamen, versuchten sie, ihre Grundsätze in die Wirklichkeit umzusetzen. Es gelang ihnen gegen den Widerstand der evangelischen Kirche nur in geringerem Maße. Als Anfang der 20iger Jahre die erste nennenswerte Kirchenaustrittsbewegung wegen der Einführung der Kirchensteuer aufkam, wurde sie fälschlicherweise der Agitation der Kommunisten und Sozialdemokraten angelastet. Der Graben zwischen der politischen Linken und der evangelischen Kirche vertiefte sich. Weil die Weimarer Republik demokratisch und Preußen obendrein sozialdemokratisch geprägt war, hatte die evangelische Kirch ein teilweise gestörtes Verhältnis zu diesem Staatswesen entwickelt. Der Regierungsantritt Hitlers wurde deshalb von der evangelischen Kirche so herzlich begrüßt, weil der „roten Flut“ ein Ende bereitet werden sollte.
Der Antikommunismus in der Kirche hat unter anderem die Form des Antibolschewismus. Die Bolschewisierung Rußlands unter Lenin und Stalin hatte für die russisch-orthodoxe Kirche verheerende Folgen: der Staat trennte sich vollständig von der Kirche, der Kirche wurden alle Zuschüsse gesperrt, Gotteshäuser und Priesterseminare wurden geschlossen, im Lande wütete eine wüste Gottlosenpropaganda, das Oberhaupt der orthodoxen Kirche Tychon sprach feierlich den Fluch über den Bolschewismus aus und wurde verhaftet.

Eine neue Verfolgungswelle ging im Jahre 1935 über die orthodoxe Kirche. In diesem Jahr sind nach Angaben des Volksinnenkommissariates 14.000 Gotteshäuser geschlossen worden, gegen 3.687 Priester Untersuchungen angestrengt und 29 Pfarrer zum Tode verurteilt worden.
Besonders bedrückend war die Lage der evangelischen Kirche in Russland. Von den 230 evangelischen Pfarrern, die in 539 Kirchspielen 1.828 Gotteshäuser verwalteten, waren im Jahre 1936 noch 3 oder 4 Pfarrer übrig. Die evangelische Kirche in Deutschland hatte gute Gründe, gegen den Bolschewismus zu sein.
Die innenpolitische Situation in Spanien 1936 gab dem Antikommunismus auch im deutschen Reich neuen Auftrieb. Als die konservativen Kräfte in Spanien gegen die gewählte links-republikanische Mehrheit putschen und einen Bürgerkrieg entfesseln, stellte sich Hitler als Bewahrer und Retter abendländlich-christlicher Werte gegen die kommunistische Weltrevolution dar und schickte Waffen nach Spanien. Das gab der evangelischen Kirche erneut Gelegenheit, sich gegen den Bolschewismus zu äußern und an die Seite Hitlers zu stellen. Eine Anzahl von Kirchenführern erklärte in einem Wort „Zur kirchlichen Lage“ am 20. November 1936: „Wir stehen hinter dem Führer im Lebenskampf des deutschen Volkes gegen den Bolschewismus.“

Der erklärte Antikommunismus der evangelischen Kirche war nicht uneigennützig. Die Kirchenführer verknüpften ihr Angebot an die Nationalsozialsten zum gemeinsamen Kampf gegen den Bolschewismus mit der energisch ausgesprochenen Bitte, die Regierung möge den kirchenfeindlichen Flügel der Partei zurückpfeifen und die gegenchristliche Propaganda bei Kundgebung, Parteischulungen und in der Erziehungsarbeit beenden.
Mit einem besonders antikommunistischen Akzent war das Wort des Reichskirchen-ausschusses, der provisorischen Reichskirchenleitung von 1935-1937, an die Gemeinden anlässlich des 4.Jahrestages der sog. „Machtergreifung“, versehen. Hier wurde die Regierung Hitler als „gute Ordnung Gottes“ der „bolschewistische(n) Zersetzung und Auflösung der göttlichen Ordnung“ gegenüberstellt. In diesem Kampf zwischen guter Obrigkeit und „dunklen Mächten“ stehe die Kirche in vorderster Front. „Wir haben im letzten Jahr besonders eindringlich erlebt, wie der Kampf des Führers ein Kampf gegen Bolschewismus ist. Die Deutsche Evangelische Kirche steht in diesem Kampf von ihrem Auftrag her mit in vorderster Linie“. Die evangelische Kirche und Hitler befanden sich in einer Art Kampfgemeinschaft: der eine kämpft mit politischen Waffen, die Kirche mit „geistlichen Waffen, ohne die dieser Kampf nicht endgültig siegreich entschieden werden kann“.
Völlig unvorbereitet traf der Hitler-Stalin-Pakt Mitte 1939 die deutsche und kirchliche Öffentlichkeit. Es gab auch kaum Äußerungen dazu. Zu Beginn des Russlandfeldzuges dagegen konnte die evangelische Kirche an die alte antikommunistische Linie wieder anknüpfen. Nun war das gewohnte Feindbild wieder hergestellt.



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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/Russlandfeldzug/, Stand: März 2021, dk