Kirche von unten: Home - Archiv - Geschichte - Vorträge, Beiträge - Cyty - Glaube

[Kirche von Unten]

Über die Geschichte der Braunschweiger Landessynode

Ein Kompendium von Dietrich Kuessner

(Download des Buches als pdf: Band 1 Band 2)



Über die Geschichte der Braunschweiger Landessynode in der Weimarer Zeit (1918-1933)

Der Landeskirchentag (1920)


Quellen: Die Wahlordnung für den Landeskirchentag in: Amtsblatt Nr. 2472 1920 S. 13ff; das Ergebnis der Wahlen zum Landeskirchentag in: Amtsblatt Nr. 2489 1920 S. 51ff; die Kandidaten teilweise nach Kirchenparteien geordnet in: „Die Kandidaten für den Landeskirchentag“ Ev.-luth. Wochenblätter 1920 S. 31f, außerdem: Kirchliche Umschau in: ebd. S. 35. Die berufliche Zusammensetzung des Landeskirchentages und nach Fraktionen in: H. E. Schomburg: Der Landeskirchentag in: Braun-schweigisches Sonntagsblatt 1920 S. 81f. „Vom Landeskirchentage in Braunschweig. Drei Stimmungsbilder“ in: Braunschweigisches Volksblatt 1920 S. 110f. Ein Bericht über den Verlauf des Landeskirchentages aus der Sicht der kirchlichen Rechten von Pfarrer Kiel „Vom Landeskirchentage“ in: Ev.-luth. Wochenblätter 1920 S. 38, aus der Sicht der Linken von Pfarrer Schomburg, Braunschweigisches Sonntagsblatt 4. Juli 1920 S. 81 f.

Der Landeskirchenrat hatte in seiner ersten Sitzung am 20.12.1919 die Abhaltung einer Kirchengemeinderatswahl zum Februar 1920 angeordnet. Dabei profilierten sich die inzwischen gegründeten drei Kirchenparteien: Die Freunde der evangelischen Freiheit (Spitzname: Freunde der evangelischen Frechheit), die kirchliche Mitte, und die orthodoxen in der kirchlichen Rechten. Sie hielten eigene Presseorgane, organisieren Wahlveranstaltungen und Wahlplakate und Wahlanzeigen.
Die bestätigten oder gewählten Kirchengemeinderatsmitglieder sollten am 12. Juni die Mitglieder des Landeskirchentages wählen. Daraus wurde aber nichts, denn in den Wahlkreisen Braunschweig Stadt, Wolfenbüttel – Blankenburg und Holzminden – Gandersheim einigten sich die Kirchenparteien auf Einheitslisten und verteilten die Sitze untereinander. Die Wahlordnung besagte, dass bei Aufstellung einer einzigen Liste die Kandidaten der Reihe nach als gewählt galten. Nur im Wahlkreis Braunschweig Land – Helmstedt fand dagegen eine Wahl statt, denn es waren verschiedene Listen aufgestellt worden. Erstmals in der Braunschweiger Synodengeschichte teilten sich die Abgeordneten nun in folgende drei Gruppen: 18 Sitze für die Freunde evangelischen Freiheit, 18 Sitze für die kirchliche Mitte, 12 Sitze für die Kirchliche Rechte. Dem Landeskirchentag gehörten 16 Pastoren, 2 Frauen, 4 Lehrer, 13 Beamte, 6 Landwirte, 5 Kaufleute und Gewerbetreibende, 2 Arbeiter an. Am Vorabend des ersten Sitzungstages, des 22. Juli 1920, hatten sich die Abgeordneten der kirchliche Mitte und der Freunde ev. Freiheit in getrennten, vorbereitenden Sitzungen zu Vorabsprachen und technischen Vorbereitungen getroffen.

Die Predigt zur Eröffnung des Landeskirchentages (1920)
Quelle: „Predigt zur Eröffnung des Landeskirchentages am 22. Juni 1920 in: Braunschweigisches Volksblatt 17. Juni 1920.

In seiner Predigt zur Eröffnung des Landeskirchentages im Dom über 2. Kor, 3,17 „Der Herr ist Geist. Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“, forderte Domprediger v. Schwartz die Zuhörer auf, die Trennung der Landeskirche vom Staat freudig zu begrüßen. Die „Entwicklung unserer Tage“ wäre „doch auch nicht ohne Gottes Willen“ erfolgt. Es wäre zwar eine selbstverständliche Pflicht, in Dankbarkeit dessen zu gedenken, was Braunschweigs Herzöge der evangelisch-lutherischen Kirche unseres Landes gewesen seien. „Und doch begrüßen wir die Scheidung mit Freuden, nicht nur weil der Staat ein anderer geworden ist; denn es liegt auf der Hand, wie unter den sich wandelnden Verhältnissen gerade die Gebundenheit an den früheren Staat der Kirche in den letzten Jahrzehnten ungeheuer geschadet hat. Die Gegnerschaft gegenüber dem Staate ließ viele Tausende der mit ihm verbundenen Kirche in Misstrauen, Feindschaft und Gehässigkeit gegenübertreten, und weil sie im Verdachte stand, des Staates Interessen zu vertreten, war es ihr unmöglich gemacht, an die Herzen der Menschen heranzukommen, die diesen Staat verurteilen. Es waren nicht die schlechtesten Bestrebungen innerhalb der Kirche, die schon 40 Jahre und länger darauf hinarbeiten, dass dieses Band gelöst würde, und es war gewiss nicht im Interesse der Kirche, dass diese Lösung nicht zustande gekommen ist.“
Die klare Bejahung der republikanischen Wende konnten die Synodalen als Ermunterung empfinden, mit demokratischen Mitteln die Volkskirche zu beleben.

Der Landeskirchentag hatte die einzige Aufgabe, einen Wahlmodus für die Wahl einer verfassungsgebenden Synode zu verabschieden. In den fünftägigen Verhandlungen machte sich die kirchliche Mitte wirkungsvoll geltend. Zusammen mit der Linken setzte sie die Urwahl, zusammen mit der Rechten jedoch die Drittelung der Zusammensetzung der Synode (ein Drittel Pfarrer, ein Drittel Kirchengemeinderatsmitglieder, ein Drittel Kirchengemeindeglieder) und die Eintragung der Wahlberechtigten in Wählerlisten durch.

Nach fünf Verhandlungstagen lag das Ergebnis vor, aber der Landeskirchentag hatte sich außerplanmäßig noch eine weitere Aufgabe gesetzt, nämlich die Ausarbeitung einer Verfassung.



Zum nächsten Kapitel
Zum vorherigen Kapitel
Zum Inhaltsverzeichnis


[Zurück] [Glaube] [Helfen]
Impressum  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/Synode/, Stand: August 2020, dk