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[Kirche von Unten]

Über die Geschichte der Braunschweiger Landessynode

Ein Kompendium von Dietrich Kuessner

(Download des Buches als pdf: Band 1 Band 2)



Über die Geschichte der Braunschweiger Landessynode in der Weimarer Zeit (1918-1933)

Der zweite Landeskirchentag (1929-1933)


Quelle: Die Sonderanlage zum landeskirchlichen Amtsblatt Nr. 4611 Stück 3/1931 ist leider lückenhaft.
LAW Syn 150 enthält einen vollständigeren Sitzungsbericht in Maschinenschrift.
Schon bald nach Beendigung des ersten Landeskirchentages im März 1929 begannen die Wahlvorbereitungen für den Zweiten Landeskirchentag im Oktober 1929.

Die Vorgeschichte
Die Beteiligung der Kirchenmitglieder an der Wahl am 27. Oktober 1929 war vergleichsweise befriedigend. Es gingen 66.576 Kirchenmitglieder zur Wahl. Die kirchliche Rechte erhielt mit 30.228 Stimmen 16 Sitze (bisher auch 16 Sitze), die Mitte mit 21.531 Stimmen 12 Sitze (bisher 10 Sitze), die Linke mit 14.817 Stimmen 8 Sitze (bisher 10 Sitze). (Braunschweigisches Volksblatt 1929, S. 358) Die Rechte hatte das Ziel einer absoluten Mehrheit nicht erreicht, sondern wiederum 16 Sitze gehalten. Die Linke war der Verlierer der Wahl und fiel auf den 3. Platz zurück, während die Mitte ausgesprochen gestärkt aus dem von ihr ungeliebten Wahlkampf hervorging. Die Stadt Braunschweig blieb, trotz der regen Aktivität vom Dompropst v. Schwartz und Oberregierungsrat Bode, eine Hochburg der Liberalen und Linken. Die Rechte erzielte in der Landeshauptstadt mit 2 Sitzen das schlechteste Ergebnis, die Mitte mit 4 Sitzen und die Linke mit 3 Sitzen das Beste aus allen Wahlkreisen. Überragende Ergebnisse erzielte die Rechte mit der Mehrheit aller Stimmen (jeweils 5 Sitze von insgesamt 9) im Wahlkreis Helmstedt/Braunschweig Land (Mitte und Linke jeweils 2 Sitze) und in Holzminden/Gandersheim (Mitte 3 Sitze, Linke 1 Sitz). Im Wahlkreis Wolfenbüttel/ Blankenburg entsprach das Ergebnis dem Landesdurchschnitt: Rechte 4 Sitze, Mitte 3 Sitze, Linke 2 Sitze.

Zeitgeschichte
Die Wahl zum Braunschweiger Landtag am 14. September 1930 brachte eine grundlegende Änderung der Landesgeschichte, denn die sozialdemokratische Regierung Jasper wurde mit knapper Mehrheit durch eine bürgerlich-nationalsozialistische Koalitionsregierung abgelöst. Diese Koalitionsregierung suchte durch eine neue Schul- und Finanzpolitik die Zustimmung der evangelischen Landeskirche zu ihrer Landespolitik zu gewinnen.
Im Reichstag erzielte die NSDAP am selben Tag hohe Gewinne. 1929 noch 12 Sitze gewann sie nun 95 Sitze und wurde mit insgesamt 107 Sitzen zweitstärkste Fraktion hinter der SPD.
Immer wieder war Hitler auch später in Braunschweig gewesen: Er sprach am 11. Dezember 1930 auf einer Kundgebung im Konzerthaus und Hofjäger, am 22. Februar 1931 im Konzerthaus, am 18. Oktober 1931 marschierten Zehntausende SA Männer an Hitler auf dem Schlossplatz vorbei, am 21. Juli 1932 sprach er im Eintrachtstadion.
Die Zahl der Arbeitslosen stieg von 31.000 im Januar 1930 auf 62.000 im Januar 1932. Die Reichssteuern fielen von 24.580 Millionen RM im Jahr 1930 auf 16.685 RM im Jahr 1932, die Landessteuern im selben Zeitraum von 16,825 Millionen RM auf 13,165 Millionen RM. (Alle Angaben nach Roloff, Braunschweig und der Staat von Weimar 209)
Reichspräsidenten Hindenburg setzte Papen als Reichskommissar von Preußen ein, der am 20. Juli 1932 die geschäftsführende preußische Regierung Braun absetzte, die sich wehrenden Minister von der Polizei aus den Berliner Ministerien abführen ließ und einen „christlichen Staat“ einrichten wollte. Das war der schwerste Schlag gegen die Weimarer Demokratie und führte zu deren Abriss. Das Land Braunschweig war von Preußen umgeben.

Die gewählten Mitglieder des 2. Landeskirchentages

01. Bebenroth, Heinrich, Kantor, Rautheim.
02. Cramm, Friedrich Wilhelm, Landwirt, Timmerlah.
03. Dehmann, Arbeiter, Vorwohle. *
04. Dosse, Fritz, Pfarrer, Braunschweig. *
05. Ernesti, Hans, Gr. Brunsrode, Pfarrer. *
06. Evers, Anna, Gutsbesitzerin, Jerxheim. *
07. Freise, Walter, Pfarrer, Braunschweig.
08. Gagelmann, Wilhelm, Pfarrer, Lutter a. B.
09. Gerhard, Kurt, Landgerichtsrat, Braunschweig.
10. Germer, Willi, Landwirt, Esbeck.
11. Gravenhorst, Hermann, Lehrer, Holzminden. *
12. Gronau, Karl, Oberstudiendirektor, Braunschweig. *
13. Grotrian-Steinweg, Elsbeth, Braunschweig.
14. Henseling, Friedrich, Fabrikant, Holzminden.
15. Holland, Wilhelm, Generalstaatsanwalt, Braunschweig.
16. Huhn, Otto, Eisenbahnobersekretär, Braunschweig. *
17. Jeep, Walter, Pfarrer, Braunschweig bis 1932,dafür
      17. Rauls, Wilhelm, Pfarrer, Halle.
18. Kiel, Wilhelm, Pfarrer, Wolfenbüttel. *
19. Kirchberg, Werner, Pfarrer, Uthmöden.
20. Koch, Wilhelm, Werkmeister, Helmstedt.
21. Lagershausen, Hermann, Pfarrer, Braunschweig.
22. Lange, Hermann, Studiendirektor Helmstedt. *
23. Langerfeldt, Hermann, Forstmeister, Seesen. *
24. Mack, Heinrich, Archivdirektor, Braunschweig. *
25. Meyer, Carl, Studienrat, Wolfenbüttel.
26. Naumann, Oberstudiendirektor, Wolfenbüttel, bis 1932, dafür
      26. Schlüter, Hermann, Landwirt, Veltheim a.d.O.
27. Niemann, Albert, Pfarrer, Gr. Stöckheim.
28. Niemann, Oberstleutnant, Blankenburg, bis 1933, dafür
      28. Roloff, Ernst-August, Braunschweig.
29. Palmer, Ottmar, Kirchenrat, Blankenburg.
30. Rippe, Heinrich, Höffner, Ötzen. *
31. Rudeloff, Hans, Oberregierungsrat, Wolfenbüttel.
32. v. Schwartz, Carl, Domprediger, Braunschweig. *
33. Stapel, Wilhelm, Regierungsinspektor, Holzminden. *
34. Steckel, Schneidermeister, Bad Harzburg. *
35. Tacke, Erich, Pfarrer, Gandersheim. *
36. Zerbst, Karl, Bürgermeister, Blankenburg.
* 18 neue Mitglieder von insgesamt 36 sind mit einem * gekennzeichnet

Dem Landeskirchentag gehörten 6 Lehrer an, drei von ihnen von der kirchlichen Linken. Das wäre für die Erörterung der strittigen Schulfrage wichtig gewesen. Aber eine Schuldebatte fand nicht statt. Die Landwirte stellten 5 Abgeordnete, davon eine Frau und einen Rittergutsbesitzer, die Juristen und Verwaltungsfachleute ebenfalls 5 Abgeordnete. Aus dem Mittelstand waren drei Abgeordnete, außerdem ein Arbeiter, zwei Fabrikanten, ein Offizier (Landeskirchliches Amtsblatt 1930 S. 1f). 18 Abgeordnete waren im Landeskirchentag neu. Von den 12 Pfarrern waren sechs zum ersten Mal im Landeskirchentag. Der Versuch, eine Gruppe der Religiösen Sozialisten zu bilden, war kurz vor der Wahl gescheitert.

Eröffnungsgottesdienst
Der Landeskirchentag trete in einem „sichtbar verändertem Bestande zusammen“, stellte Bischof Bernewitz zu Anfang seiner Eröffnungspredigt am Epiphaniastag 1930 im Dom fest. (Ruf und Rüstung 1930, S. 1-4) Er nahm anhand des Predigttextes 1. Petr. 2,5 „Auch ihr als die lebendigen Steine, bauet euch zum geistlichen Hause“, den im Wahlkampf viel geäußerten Gedanken der inneren Erneuerung der Kirche auf. Bei der Begrüßung der Abgeordneten im Magnigemeindesaal spann der Bischof diesen Gedanken fort. Man habe gesagt, mehr als sein Vorgänger solle dieser Landeskirchentag die Möglichkeit haben, tatkräftig und zielbewusst an den inneren Ausbau der landeskirchlichen Verhältnisse zu gehen.

Termine und Themen

1930

1. Sitzungstag 6. Januar 1930 Montag im Magnigemeindehaus Braunschweig.
Es fehlte ein Abgeordneter: Gravenhorst.
Rückblick des Bischofs, der die Sitzung eröffnet, auf den schwierigen Anfang 1923. Wahl von Holland zum Präsidenten des Landeskirchentages, von Palmer als Stellvertreter und Meyer als zweiten Stellvertreter.
Bildung des Wahlprüfungsausschusses und des Ältestenausschusses.

2. Sitzungstag 7. Januar 1930 Dienstag im Magnigemeindehaus Braunschweig.
Es fehlte ein Abgeordneter: Gravenhorst.
Wahl von Holland und Niemann durch Zuruf in die Kirchenregierung. Für den 3. Synodalen kandidieren Gerhard und Bebenroth. Bebenroth erhielt 19 Stimmen, Gerhard 16 Stimmen. Als Stellvertreter werden durch Zuruf Zerbst, Palmer und Germer gewählt.
Wahl der Mitglieder des Finanz-, Rechts- und Bittschriftenausschusses.
„Bericht des Bischofs über den Verlauf des Prozesses vor dem Staatsgerichtshof betr. der Besoldungszuschüsse und Bericht über die finanzielle Lage der Landeskirche.“

3. Sitzungstag 19. März 1930 Mittwoch im Magnigemeindehaus.
Es fehlen zwei Abgeordnete: Zerbst, Dr. Naumann.
Bekanntgabe von eingegangenen Anträgen, die an die Ausschüsse überwiesen werden.
Der Bischof erläutert den umfassenden Bericht über die Entwicklung der Landeskirche in den Jahren 1923-1929 (Drucksache 4).
Genehmigung des Vollzugsetats.
Beratung des Haushaltsplanes.

4. Sitzungstag 20. März 1930 Donnerstag im Magnigemeindehaus.
Es fehlen zwei Abgeordnete: Zerbst und Dr. Naumann.
Fortsetzung der Haushaltsberatungen.

5. Sitzungstag 21. März 1930 Freitag vormittags im Magnigemeindehaus.
Es fehlt ein Abgeordneter: Dr. Naumann.
Fortsetzung der Haushaltsberatungen.

6. Sitzungstag 21. März 1930 Freitag nachmittags im Magnigemeindehaus.
Beratung der Veränderung der Kirchengemeindeordnung, die das Rechnungswesen in den Kirchengemeinden betrifft.

7. Sitzungstag 22. März 1930 Sonnabend im Magnigemeindehaus.
Es fehlen zwei Abgeordnete: Cramm, Dr. Naumann.
Verschiedene Anträge der Ausschüsse, von Lagershausen und des Ev.-Luth. Volksdienstes.
Bildung eines „Bildungsausschusses“.
Aussprache über Drucksache 4 Bericht der Kirchenregierung.

8. Sitzungstag 24. März 1930 Montag im Magnigemeindehaus.
Es fehlen drei Abgeordnete: Cramm, Dr.Naumann, Lange.
Fortsetzung der Beratung über den Bericht der Kirchenregierung.


9. Sitzungstag 25. März 1930 Dienstag vormittags im Magnigemeindehaus.
Es fehlen drei Abgeordnete: Cramm, Dr. Naumann, Frau Grotrian-Steinweg.
Fortsetzung und Ende der Beratung über den Bericht der Kirchenregierung.

10. Sitzungstag 25. März 1930 nachmittags
Weitere Anträge des ev.-luth. Volksdienstes, die alle abgelehnt werden.


1931

Außerordentliche Tagung des 2. Landeskirchentages
Quelle: Verhandlungen des zweiten Landeskirchentages der braunschweigischen evangelisch-lutherischen Landeskirche. Außerordentliche Tagungen vom 4.-7. März 1931 und vom 12. Mai 1931. am Ende des Amtsblatt 1931 beigefügt.

4. März 1931 11 Uhr Eröffnungsgottesdienst im Dom.

1.Sitzung 4. März 1931 Mittwoch im Magnigemeindehaus Braunschweig
15.00 Sitzungsbeginn.
Es fehlen 3 Abgeordnete: Gerhard, Dr. Gronau, Dr. Naumann.
Mehr als einstündiger Bericht des Landesbischofs über die kirchliche Lage im verflossenen Jahr.
Genehmigung des Vollzugsetats und von Ausgabeüberschreitungen.

2. Sitzung 5. März 1931 Donnerstag Vormittag im Magnigemeindehaus.
Es fehlt: Dr. Naumann.
Ausgedehnte Debatte über den Antrag, den Modus für die Wahl der Kreiskirchenräte durch die Kreissynoden zu verändern.
Kirchengesetz über die Anstellungsfähigkeit der Geistlichen. (LKAmtsbl. 1931 S. 54 Nr. 4621)

3. Sitzung 5. März 1931 Nachmittag im Magnigemeindehaus.
Fortsetzung der Beratung über das Kirchengesetz über die Anstellungsfähigkeit der Geistlichen.
Vertrag mit dem Braunschweigischen Staat über die Trennung des Opferei- und Schulvermögens.

4 Sitzung 6. März 1931 Freitag im Magnigmeindehaus.
Fortsetzung der Beratung und Beschlussfassung über die Anstellungsfähigkeit der Geistlichen.
Beratung über Abänderung des Haushaltsplanes 1930/31 und 1931/32.

5. Sitzung 6. März 1931 im Magnigemeindehaus.
Es fehlt: Gerhard.
Verschiedene Anträge des Bittschriftenausschusses z.B. zur Frage der Pensionsleistungen für den 2. Anstaltspfarrer des Marienstiftes.

6.Sitzung 7. März 1931 Sonnabend im Magnigemeindehaus.
Es fehlt: Dr. Gronau.
Antrag von , die 2. Adjunkturstelle in Braunschweig zu besetzen.
Aussprache über den Bericht des Landesbischofs. Elf Beiträge.
Die Anregung des Abgeordneten Gravenhorst, ärmeren Gemeinden bei der Unterstützung der Organisten entgegenzukommen, wird von OKR Breust schroff abgelehnt.

2. außerordentliche Tagung des zweiten Landeskirchentages

12. Mai 1931 Dienstag im Magnigemeindehaus.
Es fehlen: Dosse, Gerhard, Grotrian-Steinweg
Vertrauliche Sitzung mit dem einzigen Tagesordnungspunkt: Beratung über den mit dem Braunschweigischen Staat bezüglich der Trennung des Opferei- und Schulvermögens abzuschließenden Vertrag vom 9./11. Mai 1931.


1932

Zweite ordentliche Tagung vom 9.-14. März 1932
Quelle: Sonderanlage zum Landeskirchlichen Amtsblatt Nr. 4743 Stück 8/ 1932. Verhandlungen des zweiten Landeskirchentages der braunschweigischen evangelisch-lutherischen Landeskirche. Zweite ordentliche Tagung vom 9.-14. März 1932

1. Sitzung 9. März 1932 Mittwoch im Magnigemeindehaus.
Es fehlen sechs Abgeordnete: Cramm, Germer, Dr. Gronau, Dr. Mack, Palmer und Stapel.
Für die ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Naumann und Jeep treten Pfarrer Rauls, Halle und Landwirt Schlüter, Veltheim a.d.O. ein.
Ausführlicher eineinhalbstündiger Bericht des Landesbischofs zur Lage.

2. Sitzung 10. März 1932 Donnerstag im Magnigemeindehaus.
Es fehlen: Gerhard, Koch, Stapel.
Beratung der Gesetzesvorlage zu den Landes- und Gemeindekirchensteuern und einstimmige Annahme.
Genehmigung der Überschreitungen im Vollzug 1930/31.
Regelung der kirchlichen Versorgung von Grenzgemeinden zur Hannoverschen Landeskirche.

3. Sitzung 11. März 1932 Freitag vormittags im Magnigemeindehaus.
Es fehlen: Koch und Stapel.
Beratung des Haushaltsplanes für die Jahre 1932/33 und 1933/34.

4. Sitzung 11. März 1932 nachmittags
Es fehlen: Koch und Stapel.
Fortsetzung der Haushaltsberatung.

5. Sitzung 12. März 1932 Sonnabend im Magnigemeindehaus.
Es fehlt: Henseling
Fortsetzung der Haushaltsberatung.
Beratung des Gesetzes über die Einrichtung eines kirchlichen Hilfsdienstes der Kandidaten nach dem 2. theologischen Examen.
Es sind nur noch 23 Abgeordnete anwesend. Daher wird die Beschlussfassung verschoben.

6. Sitzung 14. März 1932 Montag im Magnigemeindehaus.
Es fehlen fünf Abgeordnete: Cramm, Germer, Meyer, Palmer, Zerbst.
Beschlussfassung über das Gesetz den kirchlichen Hilfsdienst der Kandidaten des Predigeramtes betreffend.
Antrag von Freise: Schaffung eines Konfirmandenbüchleins; dazu wird ein Ausschuss gebildet.
Antrag von Freise: Schaffung eines Anhangs zum Gesangbuch, dazu wird ein Ausschuss gebildet.


1933
Quelle: LAW S 156.

Eröffnungsgottesdienst im Dom mit Predigt von Bischof Bernewitz

7. Sitzung 10.Mai 1933 Mittwoch im Magnigemeindehaus Beginn: 15.15 Uhr.
Es fehlt: Frau Evers.
Vereidigung von Roloff, der für Niemann in die Synode eintritt.
Kurze Ausführungen des Präsidenten über den Anlass der Einberufung des Landeskirchentages.
Antrag Tacke: „Der Landeskirchentag überträgt seine Regierungsgewalt bis zum Antritt des neu zu wählenden Landeskirchentages an den Herrn Landesbischof, der seinerseits diese Gewalt als Kirchenkommissar im Sinne der Richtlinien der Deutschen Christen ausübt.“
Am 11. Juni soll eine Neuwahl stattfinden. Bis zum 21. Mai sollten die Wählerlisten ausliegen.
Der Antrag wird an den Rechtsausschuss überwiesen.
Der Präsident teilt mit, dass sich die Gruppen der kirchliche Mitte und der Freunde der evangelischen Freiheit aufgelöst hätten.

8. Sitzung 11. Mai 1933 Donnerstag im Magnigemeindehaus Beginn 10.50 Uhr
Es fehlt: Langerfeldt.
Die Notgesetze der Kirchenregierung vom 13.1.1933 über die Zahlung kirchlicher Dienst- und Versorgungsbezüge sowie das Notgesetz vom 2.5.1933 betr. Änderung des Gesetzes über die Landes- und Gemeindesteuern vom 10.3.1933 werden ohne Aussprache angenommen.
Entlastung der Rechnungsführung für das Rechnungsjahr 1930/31 und 1931/1932 wird ohne Aussprache erteilt.
Der Rechtsausschuss legt einen veränderten Antrag mit vier Paragrafen zur Auflösung des Landeskirchentages vor, der ohne Aussprache angenommen wird.
Antrag des Berichterstatters aus dem Rechtsausschuss: „Der jetzige Landeskirchentag beschließt hiermit seine Auflösung.“ Nachdem der Landesbischof hierzu Stellung genommen hat, wurde der Antrag ohne Aussprache einstimmig angenommen.
„Hiermit ist der Landeskirchentag um 11.15 aufgelöst.“
„Nach Schlussworten des Präsidenten und des Abgeordneten Zerbst geht die Versammlung 11.20 auseinander.“

Hintergründe und Hauptgegenstand

Das Urteil des Staatsgerichtshofes am 7. Dezember 1929
Schon am 2. Verhandlungstag, dem 7. Januar 1930 hielt der Landesbischof vor der Landesynode einen anderthalbstündigen Vortrag über die Verhandlungen vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig am 7./8. Dezember 1929. Die Landeskirche hatte den Braunschweiger Staat auf Zahlungen zum Pfarrergehalt verklagt, weil dieser die durch die Weimarer Verfassung gesicherten Zahlungen zunächst geleistet, dann aber teilweise eingestellt hatte. Das war innerhalb der Deutschen Evangelischen Kirche eine Ausnahmeerscheinung, denn die Preußische Landeskirche und die Württembergische sowie andere Landeskirchen erhielten von ihren Regierungen die vollständigen Zuschüsse. Die Landeskirche war vor Gericht durch Bischof Bernewitz, OKR Dr.Breust, Kirchenregierungsrat Dr. Lambrecht und Rechtsanwalt Dr. Jürgens vertreten. Als Beobachter kirchlicherseits war Vizepräsident Seetzen vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss anwesend. Die Braunschweigische Regierung war durch Ministerpräsident Dr. Jasper, die Ministerialräte Dr. Albrecht, Dr. v. Hantelmann und Oberlandesgerichtspräsident Lange, sowie als Beobachter Dr.v. Simmermann und den sächsischen Landesminister v. Kotte vertreten.

Ein vom Vorsitzenden Dr. Bumke zu Beginn und auch zum Schluss erhoffter Vergleich lehnten beide Seiten schroff als „völlig hoffnungslos“ ab. Die Plädoyers beider Seiten waren gespickt mit Vorwürfen, sodass der Vorsitzenden beide Seiten jeweils unterbrach und zur Sachlichkeit ermahnte.

Die Braunschweiger Regionalpresse, die durchaus sachlich und ausführlich berichtete, ließ sich allerdings die ungeschickte und teilweise peinliche Darstellung der Braunschweiger finanziellen Notsituation nicht entgehen, als z.B. der Vertreter der Landeskirche im Ernst behauptete, dass ein tauber und ein anderer epileptische Pfarrer sonntags Gottesdienst halten müsse, weil für Vertretungen die finanziellen Mittel fehlten. Der Vorsitzende erwiderte auf die beiderseitigen Schilderungen der Notsituationen trocken, dass „beide Seiten in gleicher Weise unter der allgemeinen Verarmung gelitten“ hätten.
Das salomonische Urteil gab der Landeskirche Recht, indem sie den Staat zu Zahlungen verpflichtete, sie gab dem Staat Recht, indem sie ihn zu Zahlungen in weit geringerer Höhe als von der Landeskirche erwartet, verurteilte. Es gab also auf beiden Seiten Gewinner und Verlierer. Das tiefer sitzende Problem des Verhältnisses von sozialistischem Staat und evangelischer Kirche im Braunschweigischen wurde nicht angesprochen und auch nicht beruhigt. Die Braunschweiger Regierung konnte sich mit der Realität einer Kirche nicht abfinden, sondern erstrebte die Umsetzung ihres Parteigrundsatzes, nämlich der Beseitigung von Kirche auf dem Wege zu einer glücklichen sozialistischem Gesellschaft. Die Braunschweiger Kirchenleitung unter Bernewitz und Breust betrachtete die sozialistische Bewegung als das zentrale Hindernis zu einer christlichen Gesellschaft und einem christlichen Staat und arbeitete schroff an ihrer Beseitigung.

Es folgt nun trotz seiner Länge der zeitnahe Bericht von Bischof Bernewitz vor dem Landeskirchentag am 7. Januar 1930.

Bischof Bernewitz zum Urteil des Staatsgerichtshofes
Quelle: LAW Syn 150

Landesbischof Alexander Bernewitz:
Meine Damen und Herren, wenn ich dazu reden darf, so möchte ich hier sagen, dass die Berichte, obgleich sie in den Zeitungen gestanden haben und durch Radio verbreitet worden sind, nicht das Richtige getroffen haben oder doch wenigstens nicht Klarheit über das Ergebnis gebracht haben. Vielleicht ist es angebracht, wenn ich für diejenigen Damen und Herren, die neu als Abgeordnete in den Landeskirchentag eingetreten sind, ein wenig weiter aushole, ohne ihre Aufmerksamkeit deswegen zu lange in Anspruch nehmen zu wollen.
Es handelt sich um die Entscheidung folgender Fragen. Durch die Gesetze von 1902 und 1911, Staatsgesetze und parallele Kirchengesetze, hatte der Staat bestimmte Verpflichtungen auf sich genommen. Er teilte die Pfarren in Überschuß- und Unterschußpfarren ein. Zu welcher Gattung eine Pfarre gehörte, ergibt sich aus dem Einkommen. Überschußpfarren sind diejenigen, die mehr ergeben, als der Stelleninhaber an Gehalt bezieht. Unterschusspfarren sind diejenigen, die das bezogene Gehalt nicht erreichen.
Ich komme zunächst zu den Unterschußpfarren. Der Staat übernahm die Verpflichtung, die Differenz zwischen dem Pfründenaufkommen und dem Gehaltsanspruch seinerseits zu deckcn. Dazu hatte die Kirche den Überschuß der Überschusspfarren in einen bestimmten Fonds abzuführen. Er trägt den Namen Pfarrbesoldungsfond. Dieser Fonds sollte dadurch, dass ihm jährlich die Überschüsse der Überschusspfarren zuflossen, einmal die Höhe erreichen, dass er stark genug wäre, die Leistungen, die der Staat für die Unterschusspfarren auf sich genommen hatte, dem Staate abzunehmen und seinerseits zu tragen, sodass das ganze Arrangement von 1902 und 1911 eine gewissen Zwischenregelung darstellt, indem der Staat nur zeitweilig die Last übernommen hatte, bis der Pfarrbesoldungsfonds stark genug wäre, sie ihm abzunehmen.
Danach ist verfahren worden. Das Konsistorium hat dem Staate jährlich Rechnungen zugesandt, wie hoch die Einnahmen der Pfarren sind und hat die Überschüsse an den Pfarrbesoldungsfonds abgeführt, während der Staat den Unterschuß gedeckt hat. Die Inflation hat die ganze Lage zerstört. Der Staat erklärte, die Forderungen, die die einzelnen Pfarren an den Staat zu stellen hätten, seien Papiermarkforderungen und seien durch die Inflation erloschen. Die Kirche sah sich genötigt, zu klagen. Sie führte erst einen Versuchsprozeß. Das Landgericht sprach der Kirche die gesamte Forderung zu, also die vollen Aufwertung. Das Oberlandesgericht sprach der Kirche bloß 25 % dieser Forderung zu. Das Reichsgericht sprach ihr wieder die Gesamtforderung zu. Hieraus zog der Staat aber keine Konsequenzen für die Pfarren, die nicht geklagt hatten, sondern er sagte: Für diejenigen, die geklagt haben, bin ich vom Reichsgericht in letzter Instanz verurteilt, da werde ich also zahlen, für die Andern aber zahle ich nicht. Das geschah in der Zeit der Regierung Marquordt. Die Kirche war infolgedessen gezwungen, nochmals einen Prozeß anzustrengen. Es sind später zwei geworden. Das Landgericht sprach der Kirche wie im ersten Falle die gesamte Forderung zu. Das Oberlandesgericht sprach der Kirche diesmal nicht 25, sondern 40 % zu mit der Begründung, inzwischen hätte die Finanzlage des Staates sich durch die günstige Abfindung des Herzog-Hauses so gebessert, dass man dem Staate zumuten dürfte, 40 % zu zahlen. Unsere Berufung beim Reichsgericht wurde verworfen, weil das Oberlandesgericht diesmal absolut unmissverständlich und eindeutig sein Urteil mit Landesrecht begründet hatte und dadurch die Zuständigkeit des Reichsgerichts ausgeschaltet hatte.

Wir wären also in allen künftigen Prozessen, die von Pfarrern geführt worden waren, immer bei der Entscheidung des Oberlandesgerichts als letzter Instanz stehen geblieben und hätten immer eine unsichere Situation gehabt. Denn wie das Urteil einmal damit begründet worden war, der Herzog sei günstig abgefunden worden und deswegen könne der Staat eine höhere Leistung tragen, könnte jederzeit mit der Begründung, dass nun die Finanzlage des Staates sich verschlechtert habe, eine Herabsetzung dieser40 % bis ins Untragbare stattfinden.
Ich darf hier noch einschalten: Die Gesetze von 1902 und 1911 besagten nicht, dass der Staat die Gehälter der Inhaber von Unterschußpfarren bis zur Gruppe 10 und 11 aufzufüllen habe. Es gab damals diese Gruppe noch nicht. Die Gesetze sagten vollends nicht, dass sie bis zu der heutigen Gruppe A 2 b aufzufüllen seien, denn diese Gruppe gab es erst recht nicht. Es hieß vielmehr, die Gehälter der Pfarrer sollten „tunlichst“ – zu unterstreichen tunlichst – den Gehältern der gleichwertigen akademischen Gruppen angeglichen werden.

In der Zeit, in die der Abschluss dieser letzten Prozesse fiel, stellte sich nun durch ein Urteil in einem Prozeß, den die sächsische Landeskirche mit dem Staate führte, heraus, dass der Staatsgerichtshof seine Zuständigkeit bejahte, und bei unseren Juristen entstand nun die Meinung: Erklärt der Staatsgerichtshof sich in dem sächsischen Fall für zuständig, so ist er auch für den braunschweigischen Fall zuständig; dadurch ist die Möglichkeit gegeben, den Staatsgerichtshof als letzte Instanz für Braunschweig anzurufen. Es wurde also beim Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich geklagt.

Nachdem die Klage eine Zeit geschwebt hatte, wünsche der Referent des Staatsgerichtshofes, ein Oberverwaltungsgerichtsrat, eine persönliche Aussprache mit der Kirchenregierung und der Staatsregierung. Sie fand im Juli 1928 statt. Dabei wurden nicht eigentlich Rechtsfragen erörtert, sondern es stellte sich heraus, dass der Referent des Staatsgerichtshofes die Absicht hatte, gewisse Lücken in dem Material, das ihm vorlag, auszufüllen. Diese Aussprache hat also das persönliche Wissen des Referenten bereichert. Dann ist sehr viel Wasser ins Meer geflossen. Wir haben vom Juli 1928 an warten müssen. Ein Urteil wurde schon für September 1928 in Aussicht gestellt. Endlich am 6. und 7. Dezember 1929 ist vor dem Staatsgerichtshof verhandelt worden. Inzwischen hatte der Staatsgerichtshof einen anderen Präsidenten erhalten. Zu unserm Bedauern war der Doktor der Theologie Simons ausgeschieden. Er war durch den Präsidenten Bumke ersetzt worden. Ausserdem aber hatte sich auch der Bestand des Staatsgerichtshofes geändert.

Am 6. und 7. Dezember standen nun folgende Fragen zur Entscheidung: Einmal: Ist der Staatsgerichtshof zuständig? Ferner: Ist die Landeskirche aktiv legitimiert, für die Pfarrer zu klagen, oder müssten das nicht alle Pastoren einzeln für sich tun? Und dann die Entscheidung der Materie selbst: Ist der Staat verpflichtet, auch jetzt noch Besoldungszuschüsse zu leisten? In welcher Höhe ist er dazu verpflichtet? Bis zur Höhe welcher Gehälter hat er die Differenz zwischen dem Einkommen der Pfründe und dem Gehalt des Pfarrers auszugleichen, und von welchem Zeitpunkt an hat das eventuell zu geschehen?

Ausschlaggeben war von vorneherein natürlich die Stellungnahme zu der ersten Frage, der Zuständigkeit. Um diesen Punkt ist während des ganzen ersten Verhandlungstages sehr heiß gestritten worden. Während unsere Juristen den Streit als einen Verfassungsstreit vertraten und damit die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofes behaupteten, hat der Staat durch seine Vertreter – ausser dem Minister Dr. Jasper waren anwesend Ministerialrat von Hantelmann, Ministerialrat Dr. Albrecht und Oberlandesgerichtsrat Lange – mit grossem Gewicht die Zuständigkeit verneint und hat behauptet, rechtlich gesehen handele es sich überhaupt nicht um einen Verfassungsstreit, den etwa die Landeskirche mit dem Staate habe, sondern es handle sich um Summenforderungen der einzelnen Herren, und solche Summenforderungen der einzelnen Herren wären eben auf dem ordentlichen Rechtswege zu entscheiden. Das habe die Landeskirche auch anerkannt, indem sie ja den ordentlichen Rechtsweg beschritten habe, wiederholt beim Landgericht und Oberlandesgericht geklagt habe. Hier entstand eine offensichtlich sehr schwere Gefahr für die Interessen und Forderungen der Kirche, umso mehr, als deutlich fühlbar war – alle Vertreter der Kirche waren derselben Meinung -, dass unter den 7 Mitgliedern des Staatsgerichtshofes differente Meinungen bestanden, dass namentlich bei den Zivilrichtern – und 3 von den Herren waren Zivilrichter – ernste Bedenken bestanden, ob der Staatsgerichtshof sich für zuständig erklären könne. Wie wir später erfuhren, hatte einer dieser Herren sogar ein Gutachten ausgearbeitet, das der Meinung des Staates zustimmte, wonach also die Landeskirche mit ihren Forderungen abzuweisen sei. Unsere Rechtsvertreter hatten sich dann auf Art. 173 der Reichsverfassung berufen, nach dem den Religionsgesellschaften die bis zu dem Erscheinen der Reichsverfassung geleisteten Zuschüsse des Staates fortzugewähren sind, bis dann später einmal ein besonderes Reichsgesetz erlassen wird. Daraus ergibt sich dann, dass der Anspruch der Religionsgesellschaften an den Staat besteht, und der Vertreter der Religionsgesellschaften wäre dann eben die Landeskirche. Demgegenüber hat der Staat dann allerdings behauptet, „Religionsgesellschaften“ bedeute nicht „Landeskirche“, sondern bedeute – und nun wurde der Referent etwas unsicher - bedeute die Summe der Gemeinden, die Pfarrerschaft, ja den einzelnen Beamten, den einzelnen Pfarrer. Als er soweit war, hat Herr Dr. Breust ihm entgegengehalten, können Sie uns aus der gesamten deutschen, juristischen Literatur und aus der Rechtsprechung irgend eines Gerichtes einen Nachweis dafür erbringen, dass ein einzelner Pfarrer eine Religionsgesellschaft ist? Darauf machte dann der Vorsitzende einen Vergleichsvorschlag.

Ich trage nach: gleich zu Beginn der Verhandlungen hatte der Vorsitzende schon einen Vergleichsvorschlag gemacht, nicht materiell, sondern er hatte den Parteien nachdrücklich ans Herz gelegt, sie sollten sich verständigen. Die Situation war für uns gefährlich. Ich bitte doch zu bedenken, wie schwer die Last war, wenn so einzelne Menschen hingehen müssen und an ganz entscheidender Stelle Alles zu verantworten haben. Wir haben erwidert: Die Kirche ist grundsätzlich , ihrem ganzen Geist und ihrer Vergangenheit nach, zu Vereinbarungen bereit; aber nach allen Erfahrungen, die wir gemacht hätten, müssten wir es für aussichtslos halten, nun noch einmal, nachdem die Pfarrer schon so lange Mangel leiden, eine schwere lange Zeit vergehen zu lassen. Es war nicht ganz angenehm, dass Minister Dr. Jasper in dem ihm eigenen Tone sagte, mit der Kirche könne er überhaupt keine Vergleichsverhandlungen führen, die Kirche halte keine Verträge, mit einer Begründung , die ich hier nicht anführen möchte.

Nachdem darauf den ganzen Tag über die Frage der Zuständigkeit und der Aktivlegitimation der Landeskirche verhandelt worden war, stellte der Vorsitzende noch einmal die Frage, indem er erklärte, die Materie sei ausserst kompliziert, die Dinge seien höchst schwierig, man sollte doch den Versuch machen, sich zu vergleichen. Was sollte nun die Vertretung der Landeskirche tun? Hätten wir gesagt, wir könnten auf Vergleichsverhandlungen nicht eingehen und wir wären dann vom Staatsgerichtshof abgewiesen worden, dann hätte man uns in Braunschweig gesagt: Ihr seid da gewesen, Euch ist zweimal der Wink gegeben worden, Euch doch zu vergleichen, Ihr habt Euch nicht vergleichen wollen. Was hätten wir darauf erwidern sollen? Es wären doch Steine auf uns geworfen worden. Wenn wir aber auf Vergleichsverhandlungen eingegangen wären, so hätten sie sich bei der Regierung Jasper auch nicht in kürzester Zeit erledigen lassen als bei der Regierung Marquordt. Wir hätten Monate, ja vielleicht Jahre versäumt und wären doch nicht zur Entscheidung gekommen. Wir haben dann noch alles Mögliche erwogen und haben schließlich erklärt, wir sehen die Aussichten zwar als hoffnungslos an und sehen uns zwar nicht in der Lage, dem Staat spezifische Vergleichsvorschläge zu machen, wenn aber das Gericht seinerseits einen solchen Vorschlag ausarbeiten könnte, dann würden wir unter folgenden Bedingungen bereit sein, zu prüfen, ob wir diesen Vergleichsvorschlag dem Landeskirchentage zur Annahme empfehlen könnten, nämlich unter den Bedingungen, dass eine kurze Frist gesetzt werde, innerhalb welcher beide Teile die Frage zu beantworten haben, ob sie auf diesen zu machenden Vorschlag eingehen, weiter dass die Verhandlungen am dem damaligen Tage im Dezember zu Ende geführt würden und für den Fall einer Ablehnung des gerichtlichen Vergleichsvorschlages Entscheidungstermine schon jetzt angesetzt würde. Am folgenden Tage wurde dieser Schriftsatz verlesen, er wurde zu den Akten genommen. Weiter erfolgte nichts darauf. Die Spannung stieg noch höher, als der Vorsitzende verkündete, über die Frage der Zuständigkeit und der Aktivlegitimation sollte nun nicht weiter gesprochen werden.
Wie der Staatsgerichtshof sich diese Frage beantwortet hatte, wurde nicht gesagt. (Es war nur Klarheit dadurch vorhaben, daß er zu der Materie selbst überging.) (Dieser Satz mit Bleistift von Bernewitz eingeklammert. D.K.)

Hierzu war nun unsererseits mit einer sehr feinen Arbeit und sehr starkem Zahlenmaterial der Beweis dafür erbracht worden, wie lebensnotwendig die Staatszuschüsse für die Landeskirche sind. Es sind lange, auch in tabellarischer Form gebrachte Vergleiche angestellt worden zwischen Braunschweig und Preussen, zwischen der Lage der braunschweigischen Landeskirche und anderen Landeskirchen. Dieses Zahlenmaterial am zweiten Tage machte doch wohl einen fühlbaren Eindruck auf die Richter. Auch diejenigen, die unserer Meinung nach sehr ablehnend bezüglich der Zuständigkeit gewesen waren, machten sich doch Notizen, und man glaubte daraus folgern zu können, eine reine Abweisung wegen Unzuständigkeit würde nun nicht mehr in Betracht kommen. Wir haben uns dann bemüht, auch darüber ein Bild zu geben, wie sich etwa ein abweisendes Urteil des Staatsgerichtshofes auf das innere Leben der Kirche auswirken würde, als eine Abschnürung der Tätigkeit auf dem ganzen Gebiete, der Arbeitsfreudigkeit auf allen geistlichen Gebieten.

Dann zog sich der Gerichtshof zur Beratung zurück. Sie dauerte sehr lange. Es war fühlbar, dass differente Meinungen herrschten. Und dann wurde das Urteil verkündet: Der Staatgerichtshof ist zuständig. Die Landeskirche ist aktiv legitimiert. Der Staat ist zur Zahlung von Besoldungszuschüssen verpflichtet. Aber als Maßstab, nach dem der Staat Zuschuss zu zahlen hat, gilt nicht das Gehalt nach Gruppe 10 oder 11, auch nicht das Gehalt nach Gruppe A 2 b , sondern das Gehalt vom Jahre 1911, weil ja der Staat sich nur „tunlichst“ verpflichtet habe, das Gehalt der Geistlichen dem Gehalt der akademisch gebildeten Beamten tunlichst gleichzusetzen, und über das „tunlichst“ zu entscheiden, ist Sache des Staates., und ist niemals Sache der Landeskirche gewesen. Also der Staat hat Besoldungszuschüsse zu leisten nicht bis zur Höhe der heutigen Gehälter, sondern nur bis zur Höhe der Pfarrergehälter von 1911. Nun klafft zwischen den Gehältern von 1911 und denen von heute ein sehr erheblicher Unterschied, sodaß die Besoldungszuschüsse eben sehr hinter dem zurückbleiben, was zu zahlen wäre, wenn man bis zur Höhe der heutigen Beamtengehälter gehen müßte. Die weitere Frage war dann die Nachzahlung von der Zeit seit der Stabilisierung der Mark an. Zugesprochen wurde uns Nachzahlung vom 1. April 1928 ab.

Darf ich dann noch, aber nicht für die Presse, folgendes sagen? Der Staatsgerichtshof ist wohl der Meinung gewesen, Nachzahlungen sollten nicht geleistet werden. Eine Anfrage bei sehr autoritativer Seite hat die Antwort ergeben, dass, wenn ein Staat zur Nachzahlung grösserer Summen für viele zurückliegende Jahre verurteilt würde, das seine Finanzen zu sehr derangieren würden; wohl aber könnte er verurteilt werden zur Nachzahlung von da an, wo (unleserlich) bestände. So hat man dann den 1. April 1928 genommen. Das bedeutet für die Landeskirche allerdings eine ganz erhebliche Enttäuschung; denn für die ganze Zeit von der Stabilisierung der Mark an bis dahin, gibt es also keine Zuschüsse und das ist ein schwerer Verlust.

So lautet also das Urteil. Man fragt sich nun: wie wirkt das so geartete Urteil sich finanziell konkret auf unsere Landeskirche aus? Es ist erstens noch einmal zu betonen, dass die Differenz zwischen den Gehältern von 1911 und heute sehr groß ist. Die große Summe der ursprünglich gewünschten Nachzahlungen fällt aus. Und, was wichtig ist, in der Not der Jahre haben wir in wohlverstandenem Interesse der Landeskirche das eigene Einkommen der Pfarren denkbar gesteigert, wir haben unsere Pachten um 100 % gesteigert, und dadurch haben wir nun eine große Fülle von Überschußpfarren geschaffen, deren Zahl umso grösser ist, als es sich bei dem Vergleich mit dem Gehalt eben nicht um die heutigen Gehälter handelt. Wir haben also nun eine grosse Zahl von Überschußpfarren und müssen deshalb große Beiträge an den Pfarrbesoldungsfonds abführen, an dem die Kirche ja nur indirekt interessiert ist; denn ob einmal die Zeit kommt, und wann die Zeit kommt, daß der Pfarrbesoldungsfonds dem Staat Leistungen abnehmen kann, das berührt zwar wesentlich die Interessen des Staates, aber nicht eigentlich die Interessen der Landeskirche, insofern es dem Pfarrer ja gleichgültig ist, ob er aus staatlichen Mitteln oder aus Mitteln der Landeskirche bezahlt wird.

Wir haben nun zunächst erst schätzungsweise darüber sprechen können, wie sich die finanzielle Auswirkung gestaltet. Die Kirchenregierung hat im Einvernehmen mit dem Finanzausschuss - so ist das geordnet – die Fragen auf Grund vorläufiger Schätzung beurteilt und meint damit nicht warten zu dürfen, da die Pfarrerschaft doch die Beantwortung der Frage am dringendsten ist: Was ergibt sich daraus für uns, die wir uns heute 15 % unseres Gehaltes abziehen lassen müssen? Meine Damen und Herren, die vorgenommene Schätzung ergab etwa folgendes: Den ersten großen Vorteil, den dieses Urteil uns gebracht hat, bitte ich Sie doch darin zu sehen, dass, seit wir dieses Urteil haben und seit diese Leistungen des Staates gesichert sind, nicht mehr – wenn nicht Dinge eintreten, die heute nicht übersehbar sind – die Notwendigkeit einer Erhöhung der Kirchensteuer besteht. Ich wiederhole: wenn nicht Dinge eintreten die heute nicht vorauszusehen sind, in Steuerfragen und dergleichen: Ferner hält die Kirchenregierung im Einvernehmen mit dem Finanzausschuss es für möglich, die Pfarrergehälter um 2 % - meine Herren, sehr bescheiden! – zu erhöhen, rückwirkend vom 1.April vorigen Jahres, also im Rahmen des gegenwärtigen Haushaltsplanes. Die Zahlung ist inzwischen erfolgt. Berechnungen werden weiter gemacht. Bei den Berechnungen scheint sich aber zu ergeben, dass die Beträge, die an den Pfarrbesoldungsfonds abzuführen sind, sich als noch höher erweisen, als ursprünglich angenommen war. Die Zinsen des Pfarrbesoldungsfonds bezieht nicht die Landeskirche, sondern der Pfarrbesoldungsfonds selbst. Er wächst durch die fortgesetzten Zahlungen und die Zinsen.

Das ist die heutige finanzielle Lage. Ich wiederhole: Wir sehen zunächst bei Fortbestehen der sonstigen heutigen Verhältnisse keine Notwendigkeit, die Steuern zu erhöhen. Wir halten die Zulage von 2 % des Gehaltes für möglich. Die Berechnungen werden fortgesetzt. Der nächsten Tagung des Landeskirchentages und seines Finanzausschusses werden detaillierte Unterlagen gegeben werden können, nach denen dann festgestellt wird, wie hoch die Gehälter sein werden, die künftig gelten sollen.

Das ist im großen und ganzen das Ergebnis. Es handelt sich nicht, meine Damen und Herren, um ein Ereignis, es handelt sich nicht um eine befriedigende Lösung, es handelt sich vollends nicht darum, dass die Finanznot der Landeskirche überwunden wäre. Aber es handelt sich um einen wichtigen Schritt, durch den wir einen Vorteil errungen haben und durch den die grossen Reibungsflächen etwas verkürzt worden sind, die immer noch zwischen Staat und Landeskirche bestehen. Wir werden uns im Einvernehmen mit Ihnen nach wie vor das Ziel setzen, eine klare Linie zu ziehen zwischen Landeskirche und Staat, nicht nur in verfassungsrechtlicher, sondern auch in vermögensrechtlicher Beziehung, und je früher wir diese klare Linie ziehen, desto besser ist es für beide Teile, damit doch endlich diese Reibungen ein Ende haben. Nicht alles ist erreicht, aber viel ist erreicht, und den Dank dafür wollen Sie den Juristen der Kirchenregierung und des Landeskirchenamtes zollen, die mit wahrer Leidenschaft sich für die Interessen der Landeskirche eingesetzt haben.

Weitere Hintergründe und Hauptgegenstände

Bischofsberichte
Es gab in dieser kurzen Zeit vier Bischofsberichte: am 7.1.1930 den vorstehenden Bericht über die Verhandlungen vor dem Leipziger Staatsgerichtshof; am 19. März 1930 Ausführungen zum umfassenden Bericht über die Entwicklung der Landeskirche 1923-1929, am 4. März 1931 einen sehr ausführlichen Bericht über die veränderte kirchliche Lage; am 9. März 1932 über den Weltanschauungskampf der Gegenwart und Braunschweigische Details.

Vor Beginn der Bischofsberichte und vor Eröffnung des 2. Landeskirchentages hatte der Landesbischof noch einen Trost für die Abgeordneten bereit. „Ich darf Sie, die neu sind im Landeskirchentag, bitten: Lassen Sie keine Enttäuschung über sich kommen, wenn Sie finden, dass die Arbeit des Landeskirchentages sich vielfach mit äußeren, ja mit formalen Dingen beschäftigen muss. Werden Sie nicht müde bei langatmigen Verhandlungen über Haushaltspläne, Steuern und allerlei dergleichen mehr. Das ist sicher, nicht durch Verordnungen und Verfügungen, nicht durch Äußeres werden wir unsere Landeskirche stark machen.“ (LAW S 150 Protokoll des Landeskirchentages)
Der Bischof trug nun Jahr für Jahr weit mehr als einstündige Berichte den Abgeordneten vor. Der zweite Bericht führte vor allem den 18 neuen Abgeordneten die Situation der Landeskirche seit 1923 vor Augen.
Der dritte Bericht am 4. März 1931 behandelte die Erledigung der Wünsche des Landeskirchentages aus den vorangegangenen Tagungen (Gesetz über die Vorbildung der Geistlichen, Zusammenarbeit mit der Hannoverschen Landeskirche, Änderung des Wahlmodus der Kirchenräte durch die Kreiskirchentage) und gab interessante Einblicke über den Vollzug des Urteils des Staatsgerichtshofes vom 9. Dezember 1929.
Die Regierung Jasper hatte nämlich keine Folgerungen aus dem Urteil gezogen und die Mittel der dazu verurteilten Besoldungszuschüsse gesperrt. Die Kirchenregierung stellte einen Vollstreckungsantrag beim Reichspräsidenten. Die ab 1. Oktober 1930 im Amt befindliche DNVP/NSDAP Landesregierung hingegen hat die Zahlung der staatlichen Besoldungs-zuschüsse aufgenommen, sowie Neuverhandlungen über das Schul- und Opfereivermögen, bei denen offenbar 40.000 RM jährlich in die Landeskirchenkasse fließen könnten. Bernewitz meinte, „dass es vielleicht möglich sein werde, in den großen Kulturfragen mit der gegenwärtigen Regierung zusammen zu arbeiten. In manchen Punkten habe sie den langjährigen kirchlichen Wünschen entsprochen.“

Der Bischof hob die segensreiche Tätigkeit der Inneren Mission unter Pfarrer Jeep hervor (wachsende Leserschaft des Braunschweigischen Volksblattes, Abiturientenfreizeiten, Einrichtung von Fürsorgerinnenkursen, die Gründung des Müttererholungsheimes in Bad Harzburg durch die Frauenhilfe). Der Bischof beendete seinen Bericht mit dem Bibelzitat: „Siehe, ich habe vor dir gegeben eine offene Tür.“ Dieses Wort (Offenbarung Joh. 3, 8) ist an die bedrängten Gemeindemitglieder in der kleinasiatischen Gemeinde in Philadelphia gerichtet als Dank für ihr Festhalten am Evangelium und als Hoffnungsschimmer. Bernewitz deutete dieses Wort als Hoffnungsschimmer für die seiner Ansicht nach vom Bolschewismus bedrängte deutsche evangelische Kirche. Davon war dann ausgiebig im vierten Bischofsbericht die Rede.

Landesbischof Bernewitz beschäftigte sich im ersten Teil seines vierten Berichtes am 9. März 1932 sehr ausführlich mit der von ihm wiederholt vorgetragenen Entscheidungssituation der damaligen Gegenwart: Bolschewismus oder Christentum. Er nahm den bei der Weltmissionskonferenz in Jerusalem diskutierten Begriff des „Säkularismus“ auf und verstand ihn als „Geist der radikalen Diesseitigkeit.“ Sie erzeuge den Typ des entwurzelten Massenmenschen. Alle Bindungen an ewige Normen sollten abgeschafft werden. Dieser Menschentyp sei in Sowjetrußland verwirklicht und strebe weit über die Grenzen Rußlands hinaus hin zu einer Weltrevolution. „Es geht nicht um Rußland, sondern um die Welt, die Menschheit. Der Mensch als solcher soll Bolschewist sein oder er soll nicht sein, koste, was es wolle. Bis tief in breite Schichten hinein ist unser Volk stark bolschewisiert“.
Aber der Bischof sah in der Jugend ein „Erwachen der deutschen Seele“. „Heute geht ein Schrei nach Führung durch das Land. Millionen gehen dorthin , wo sie starke Führer fühlen. Man erkennt nachgerade, daß es ums Ganze geht und dass das Entscheidende der Kampf gegen den Marxismus ist. In den Breiten und Tiefen des Volkes wird diese Erkenntnis wach.“
Nach diesem Ausflug in die Weltlage beschäftigte sich der Bischof mit der Lage der deutschen evangelischen Kirche, deren Finanzen durch Notverordnungen des Reichspräsidenten schwere Sorgen wegen eines möglichen Steuerausfalls von 30-40 % bereiteten, ebenfalls sinke das Pachteinkommen.

Gemeindefragen – Ausbildung und Prüfung von Theologiestudentinnen
Der Rechtsausschuss hatte dem Landeskirchentag ein Gesetz vorgelegt, das eine Änderung der Wahl von Kreiskirchenräten nicht mehr durch die Kreissynoden, sondern durch den kleineren Kreisausschuss zusammen mit dem Landeskirchenamt empfahl. Aber die Mehrheit des Landeskirchentages scheute die damit verbundene Verfassungsänderung und lehnte den Gesetzesvorschlag am 5. März 1931 nach 12 Debattenbeiträgen ab.
Eine längere Debatte löste danach der Gesetzesentwurf betr. die Vorbildung und Anstellung von Geistlichen aus. Unter den 18 Debattenbeiträgen waren die von Frau Evers bemerkenswert. Sie vermisste bei den Pfarrern vielfach das Verständnis für die Eigenart der Landbewohner. Daher sollten die Vikare innerhalb des Lehrvikariats unbedingt eine Stelle auf dem Lande antreten. (Landeskirchliches Amtsblatt 1931, Außerordentliche Tagung vom 4-7. März 1931 12) Am Ende der Aussprache über die Ausbildung der Vikare wünschte die Abgeordnete Evers, „dass der beratene Gesetzesentwurf sinngemäß Anwendung auf weibliche Studierende fände.“ (ebd 13) Das löste unterschiedliche Antworten aus: OKR Meyer erklärte, eine solche Anwendung käme „schon aus formellen Gründen nicht in Frage.“ (ebd 14) Aber Frau Evers hakte nach. „ob es nicht möglich sei, in den Ausführungsbestimmungen des Gesetzes eine Bestimmung aufzunehmen, gemäß welcher auch weibliche Personen die Ablegung der theologischen Prüfung möglich sei“, fragte sie. Die Abgeordneten Zerbst und Dosse wiegelten ab. Der Landesbischof hingegen glaubte, dass es möglich sei, dem Gesetz einen Paragraphen beizufügen, der eine Bestimmung darüber vorsehe, dass die Theologinnen nach gleichen Grundsätzen geprüft werden könnten, ohne dass ihnen dadurch ein Recht auf Anstellung in ein Pfarramt eingeräumt werde.. Der Präsident beendete die Aussprache. Diese Angelegenheit sollte am nächsten Tag weiter verhandelt werden. Der Berichterstatter Dosse berichtete am nächsten Tag, dass sich der Rechtsausschuss der Ansicht des Bischofs nicht anschließen könne, schlug aber vor, der Landeskirchentag solle die Kirchenregierung bitten, „baldigst ein Gesetz über die Vorbildung und Anstellungsfähigkeit von Theologinnen vorzulegen.“(ebd 15). Nun meldete sich Frau Grotrian-Steinweg und wünschte die Vorlage eines solchen Gesetzesentwurfes „bereits zum nächsten Landeskirchentag“. Offenbar hatte das Votum des Landesbischofs ein Fass geöffnet.

Finanzen
Der Landeskirchentag beschäftigte sich in der Regel in den Frühjahrssitzungen mit den Finanzen der Landeskirche, mit der Höhe der Kirchensteuer und den vorgelegten Haushaltsplänen. Für den Herbst waren Sitzungen mit inhaltlichen Themen geplant. Dazu kam es aber im Zweiten Landeskirchentag nicht, und so blieb bei den besprochenen Themen der Eindruck drückender Dominanz der Kirchenfinanzen. 1930 verhandelte der Landeskirchentag an drei Tagen in vier Sitzungen (19. März, 20. März, 21. März) über den Haushalt, 1932 ebenfalls an drei Tagen in vier Sitzungen (10. März, 11. und 12. März 1932). Den dem Landeskirchentag vorgelegten Haushaltsplänen ließ sich eine anhaltend aufsteigende Entwicklung der kirchlichen Finanzen entnehmen:
Die Landeskirchensteuer war von 904.872,40 (1928) auf 1.086.401,12 (1929) und 1.421.061,64 (1930/31) gestiegen. Der Voranschlag für 1931/32 sah noch 1.100.00 RM vor und für 1932/33 770.000 RM.
Der Gesamtetat betrug 1928: 2.145.206,40 RM. 1929: 2.332.521 RM, 1930/31: 2.730.496 RM. Die Ausgaben für die Gehälter der Pfarrerschaft blieben bei 1.282.722 (1928) und 1.280.589 (1930/31) stabil. Teile der Pfarrerschaft klagten zwar, dass ihnen immer noch nicht die zugesagten Beamtengehälter in Höhe von A 2b voll ausgezahlt wurden, aber es war angesichts der herrschenden Arbeitslosigkeit ein Jammern auf hohem Niveau.
Der Abgeordnete Niemann hob zu Beginn der allgemeinen Aussprache in der Sitzung am 10. März 1932 hervor, „dass es der vorsichtigen und vorausschauenden Tätigkeit des- Landeskirchenamtes zu danken sei, wenn ein Vollzugsetat vorgelegt werde, der ein solch außerordentlich günstiges Ergebnis aufweist.“ (Zweite ordentliche Tagung 9.-14. März 1932 S. 7) Aber das Interesse des Landeskirchentages an den Kirchenfinanzen ließ nach. Das Plenum leerte sich am 12. März 1932. Es waren nur noch 23 Abgeordnete geblieben.

Die Abgeordneten nutzten jedoch die Beratung der einzelnen Kapitel eines Haushaltes 1932, um Schwerpunkte zu setzen, z.B. u.a. die Einstellung eines Sozialpfarrers, Förderung des Religionsunterrichtes an Berufsschulen, die Verpflichtung von Kandidaten zu einem kirchlichen Hilfsdienst, finanzielle Unterhaltung von kirchlichen Bauten, Unterstützung für ein Wohnheim für emeritierte Pfarrer (Haus Abendfrieden in Riddagshausen).

Das unerwartete Ende
Die Legislaturperiode des zweiten Landeskirchentages endete 1935. Inzwischen hatte sich die politische und gesellschaftliche Situation im Reich und auch im Freistaat Braunschweig drastisch geändert. Seit dem Beginn der Kanzlerschaft Hitlers und dem Reichstagsbrand Ende Februar 1933 hatte sich im Reich bei einem großen Teil der deutschen Bevölkerung eine aggressive Wechselstimmung gebildet. In einem ständigen Wechsel von lebensbedrohender Einschüchterung und fast hysterischer Hitlerbegeisterung wurden Parteien und Vereine gedrängt, sich dem Nationalsozialismus anzuschließen. Das modische Zauberwort, das damals die Runde machte, lautete „Gleichschaltung“. Dieses aus dem Vokabular der Elektrik entnommene Wort forderte die rasche Selbstaufgabe und Unterwerfung unter nationalsozialistische Formen und Normen. Die Vielfalt der Parteien und Vereine sollte sich auf eine gleichartige Ebene herunterschalten. Das sollte auch die kirchlichen Vereine betreffen.

Landesbischof Bernewitz stellt seinen Erinnerungen zu Folge die Lage folgendermaßen dar:
„Der Landeskirchentag war vor vier Jahren gewählt, seine Mandate liefen noch 2 Jahre. Jene Wahl hatte natürlich ein ganz anderes Ergebnis gehabt als eine Neuwahl jetzt haben würde. Er paßte nicht mehr in die veränderte Lage, er fühlte das u. man warf ihm das vor. Ich hatte beantragt, ihn zusammentreten zu lassen u. ihm die Frage vorzulegen, ob er unter den nun gegebenen Verhältnissen noch den Ablauf seiner Mandate abwarten wollte. Er übertrug alle seine Rechte u. Zuständigkeiten, auch das Recht der Gesetzgebung u. selbst das der Verfassungsänderung auf mich.“

Offenbar hatte der Landesbischof diese eigentlich nicht vorgesehene Sitzung des Landeskirchentages veranlasst. Dieser Sitzung ging wie sonst auch ein Gottesdienst im Dom voraus und der Bischof gab in seiner Predigt die Leitlinie des Landeskirchentages schon voraus. Sie lautete: „Nun Kirche kommt deine Zeit“.
Der Predigt lag das Bibelwort Mt. 23,8 zugrunde: „Einer ist euer Meister. Christus. Ihr aber seid alle Brüder.“ Eingangs betonte der Bischof stark den augenscheinlichen Gegensatz zur Weimarer Zeit.
„Es ziehen keine Demonstrationszüge der Gottlosen mehr durch unsere Straßen. Es ist kein gottloses Wort in der Öffentlichkeit mehr zu hören, und es geht eine Generalsäuberung durch das Land, es geht um die Reinigung aller der geistigen Faktoren, die das Volksleben verdorben, ja vergiftet haben, die Presse, Theater und wer weiß wo noch. Ich sehe geöffnete Türen, ich sehe bereiten Boden, nun Kirche, nun kommt deine Zeit.“ (Braunschweigisches Volksblatt 21. Mai 1933 S. 82)

Auf der Sitzung des Landeskirchentages am 10. Mai 1933 gab der Synodenpräsident bekannt, dass sich die kirchliche Linke, die Freunde der evangelischen Freiheit, und die kirchliche Mitte, organisatorisch aufgelöst hätten. Die Landeskirchentagssitzung sollte der Gleichschaltung des Landeskirchentages dienen. Der 49jährige Abgeordnete Erich Tacke, Kirchenrat von Gandersheim, hatte den Antrag gestellt, dass sich der Landeskirchentag auflösen, der Bischof in der Zwischenzeit als Kirchenkommissar im Sinne der Deutschen Christen fungieren und Neuwahlen ausschreiben sollte. Die Abgeordneten hatte sich bis auf Frau Evers vollzählig am Mittwochnachmittag dem 10. Mai im Magnigemeindehaus versammelt. Die Abgeordneten widerstanden einer umgehenden Beschlussfassung am selben Tag, überwiesen den Antrag Tackes an den Rechtsausschuss und vertagten sich auf den nächsten Donnerstagvormittag. Dann legte der Rechtsausschuss dem Landeskirchentag einen veränderten Antrag vor. Er hatte den Begriff „Deutsche Christen“ aus dem Antrag gestrichen, um den Bischof freie Hand zu lassen.

Die Deutschen Christen im Lande Braunschweig unter der Führung des jungen Dorfpfarrers Wilhelm Beye und des stadtbekannten und volkstümlichen Pfarrers der Katharinengemeinde Johannes Schlott hatten eine ungewöhnlich dreiste Art, öffentlich den Rücktritt der Kirchenregierung zu betreiben. Sie kritisierten, dass die Braunschweigische Kirchenleitung sich immer noch nicht zustimmend zur Kanzlerschaft und dem kirchenfreundlichen Regierungsprogramms Hitlers geäußert hatte. Die Kirchenregierung hatte dann am 2. Mai einen Aufruf an das Braunschweigische Kirchenvolk verfasst und im Landeskirchlichen Amtsblatt veröffentlicht. Sie zitierte aus der Regierungserklärung vom 23. März, dass „die nationale Regierung in den Kirchen beider Konfessionen die wichtigsten Faktoren der Erneuerung unseres Volkstums“ sehe. „Nun tritt nicht zögernd, sondern freudig und kraftvoll auf den Plan mit d e i n e m „Deutschland erwache“. Der Aufruf war unterzeichnet vom Bischof und Dr. Breust, und von den der Kirchenregierung angehörenden Mitgliedern des Landeskirchentages: dem Präsidenten Holland, Dr. Niemann und Kantor Bebenroth.
Bei aller offensichtlichen Zustimmung war doch auch eine gewisse Reserve herauszulesen: Der Aufruf vermied das Wort „Nationalsozialismus“, sprach stattdessen „von der deutschen Erhebung“ und vermied auch die damals übliche Bemerkung, dass Hitler das Deutsche Reich vom Bolschewismus errettet habe. Möglicherweise bremsten die Mitglieder des Landeskirchentages die Begeisterung von Bernewitz und Breust für den Nationalsozialismus.

Der Berichterstatter des Rechtsausschusses stellte nach einstimmiger Annahme seines Antrages, den Bischof als Übergangskommissar einzusetzen am 11. Mai 1933 den weiteren Antrag: „Der jetzige Landeskirchentag beschließt hiermit seine Auflösung.“ Bernewitz nahm dazu noch Stellung und dann wurde der Antrag ohne Aussprache einstimmig angenommen. Das war ziemlich unrühmlich und ist nur aus der damaligen Zeitstimmung erklärlich. „Hiermit ist der Landeskirchentag um 11.15 aufgelöst,“ stellte das Protokoll trocken fest. Der Präsident und der Abgeordnete Zerbst rafften sich noch zu kurzen Schlussworten auf. „Dann geht die Versammlung 11.20 auseinander.“
Das war noch nicht das Ende der Synodengeschichte und auch nicht das Ende des demokratischen Gedankens in der Landeskirche, denn der Landeskirchentag wollte nach Wahlen im Juni wieder zusammenkommen. Diese Vorhaben wurde durch die Vorgänge im Reich gestört, denn Hitler selber ordnete Neuwahlen im Juli 1933 an. Es begann die Phase der „braunen Synoden“.



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