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[Kirche von Unten]

Über die Geschichte der Braunschweiger Landessynode

Ein Kompendium von Dietrich Kuessner

(Download des Buches als pdf: Band 1 Band 2)



Über die Geschichte der Braunschweiger Landessynode in der Nachkriegszeit (1946-1964)

II. Sitzungsperiode der Landessynode (1952 - 1958)


Literatur: Klaus Jürgens, Die Landessynode, Restaurativer Aufbau und neue Entwicklungen, in: Kirche in den 50iger Jahren, (Hg) Klaus Erich Pollmann, Braunschweig 1997 S. 133 ff

Politische Grunddaten

1952
10.03. Stalin Note zu einem Friedensvertrag.
26.05. Unterzeichnung des Deutschlandvertrages, die Demarkationslinie wurde abgeriegelte Grenze.
27.05. Europäischer Verteidigungsvertrag (EVG).
05.12. Zustimmung des Bundestages zu den Westverträgen.

1953
05.03. Tod Stalins.
09.05. Beitritt der BRD zur NATO.
17.06. Massenaufstand in vielen Städten der DDR.
27.07. Waffenstillstand in Korea.
06.09. Wahlen zum 2. Deutschen Bundestag: Die CDU gewann 45,2% und die SPD 28,8% der Stimmen. Konrad Adenauer bildete eine Koalition aus CDU/CSU, FDP, DP und BHE. Der BHE schied am 15.10.1955 aus.

1954
17.07. Theodor Heuss erneut in Berlin zum Bundespräsidenten gewählt.
20.07. Waffenstillstand in Indochina: Teilung Vietnams.
01.09. Niedersächsische Landesregierung unter Hinrich Kopf beschloss christliche Gemeinschaftsschule.

1955
24.04. Wahlen zum 3. niedersächsischen Landtag : die SPD Regierung wurde durch eine bürgerliche Regierung aus CDU, DP, BHE und FDP unter Ministerpräsident Heinrich Hellwege (DP) bis 1957 abgelöst. 1957 trennt sich Hellwege von dem BHE und der FDP, weil sechs rechtsradikale Abgeordnete Gastrecht in der FDP Fraktion erhalten hatten. Hellwege bildete nun eine Regierung aus DP, CDU und SPD. Kopf wurde Innenminister.
05.05. Inkrafttreten der Pariser Verträge und Beitritt der BRD zur Nato. Ende des Besatzungsstatuts.
06.06. erster westdeutscher Verteidigungsminister (Theodor Blank).
22.09. der Bundestag beschloss die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion.

1956
21.07. Einführung der allgemeinen Wehrpflicht.
17.08. Das Bundesverfassungsgericht erklärt die KPD für verfassungswidrig.
04.11. Aufstand in Ungarn von sowjetischen Truppen niedergeschlagen.
16.10. F. J. Strauss Verteidigungsminister.

1957
12.04. Göttinger Manifest gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr.
10.05. Der Bundestag stimmte einer atomaren Bewaffnung der Bundeswehr im Rahmen der NATO zu. Protestbewegung „Kampf dem Atomtod“.
15.09. Wahlen zum 3. Bundestag unter dem Motto „Europa christlich oder kommunistisch“. Die CDU gewann mit 50,2% der Stimmen die absolute Mehrheit. Konrad Adenauer bildete mit der DP eine Koalitionsregierung.

Kurze kirchliche Zeitgeschichte

1952
Januar Kirchenpräsident Niemöller reiste auf Einladung der russ.-orth. Kirche nach Moskau und löste einen Sturm der Entrüstung aus.

Februar „westdeutsche Kirchenführer“ befürworten einen deutschen Wehrbeitrag im Aufruf „Wehrbeitrag und christliches Gewissen.“

20. 03. Wort der 34. Oldenburger Synode über die Wiederaufrüstung an die Gemeinden.
24.-29. April Generalsynode der VELKD in Flensburg über die liturgische Ordnung der Taufe und zur „Frage der Entmythologisierung des Neuen Testaments“ (Rudolf Bultmann).

25. 06. Prof. Hahn im 3. Wahlgang mit 36:24 Stimmen gegen OKR Kloppenburg zum Bischof der Oldenburger Kirche gewählt, er verzichtete aber im Dezember auf das Amt.
01.-03.08 Tagung der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Hannover.

27. 08. Beginn des viertägigen 4. Deutschen Ev. Kirchentages in Stuttgart. Losung: „Wählt das Leben“. Kundgebung von 70.000 Teilnehmern vor der Ruine des Stuttgarter Schlosses.

6. 10. Beginn der EKD Synode im Mutterhaus Elbingerode (Ostzone) mit Grundsatzreferaten von Prof. Walter Künneth, Erlangen und Prof. Martin Fischer, Berlin zur politischen Verantwortung des Christen und von Bundestagspräsident Hermann Ehlers und MdB Pfleiderer zum Bonner Generalvertrag.

1953
28.01. Tod von Altbischof Theophil Wurm
12. 08. Beginn des 5. Deutschen Ev. Kirchentages in Hamburg. Losung: „Werft euer Vertrauen nicht weg“ .

1954
7.. 07. Beginn des 6. Deutschen Ev. Kirchentages in Leipzig. Losung: „Seid fröhlich in Hoffnung“.
650.000 Teilnehmer bei der Schlussversammlung auf der Rosentalwiese.
Von den 60.000 Dauerteilnehmern waren 10.000 aus Westdeutschland.

15.08. Beginn der 14 tägigen Weltkirchenkonferenz in Evanston (Verbot aller Atom- und Wasserstoffbomben).
09.10. Beginn der Generalsynode der VELKD in Braunschweig.

1955
06.03. EKD Synode in Espelkamp. Heinemann als Präses auf Druck der Lutheraner nicht wiedergewählt. Martin Niemöller als Leiter des kirchlichen Außenamtes abgelöst.

1956
26. 06. a.o. EKD Synode in Berlin-Spandau: keinen Militärseelsorgevertrag ohne Billigung der Synode .
08. 08. 7. Deutscher Ev. Kirchentag in Frankfurt/a.M Losung: „Lasset euch versöhnen mit Gott“.
Hauptversammlung mit 600.000 Teilnehmern auf dem Rebstockgelände.

1957
22.02. Unterzeichnung des Militärseelsorgevertrages durch Dibelius, Brunotte, Adenauer, Strauss
03.03. EKD-Synode in Berlin-Spandau, Zustimmung zum Militärseelsorgevertrag auch mit den Stimmen der EKD Synodalen aus der DDR.
16.04. Der Kirchentag in Thüringen wurde von der DDR verhindert. Stattdessen regionale Kirchentage.
Kampf um die Jugendweihe/ Verhaftung und Prozesse gegen die Pfarrer Maercker und Schmutzler.
15.08. Vierzehntägige Vollversammlung des Luth. Weltbundes in Minneapolis (Erdmann, Blümel, Wandersleb)

Daten der Landeskirchengeschichte

1952
31.01. Dr. Friedrich Berndt zum Oberlandeskirchenrat ernannt.
07.03. viertägiger Remerprozeß in Braunschweig mit theologischen Gutachten zum Widerstandsrecht durch die Professoren H.J. Iwand und E. Wolf.
Juni Einweihung des neuen Predigerseminars, Direktor: Rudolf Brinckmeier.
1952 Propsteisynode Goslar: Einführung in die neue Agende.

1953
07.01. Pfarrertag in Braunschweig mit 200 Pfarrern im Braunschweiger Dom und einem Abendmahlsgottesdienst nach der geplanten Agende I. Vortrag von Seminardirektor Kunze im Dom über „Lutherische Erwägungen zur Gottesdienstreform.“

26.01. Propst Hans Ernesti verstorben.
00.02. Volksmissionswoche im Helmstedter Kohlerevier.
04.02. Verfügung des Landeskirchenamtes: Fürbitte für den verstorbenen Herzog Ernst August.
03.05 Kirchliche Woche in Bad Harzburg mit 400-800 Besuchern.
11.09. Propst Hermann Gennrich 55 jährig verstorben.
29.09. als letzter Kriegsgefangener der Braunschweiger Pfarrer kommt Karl Adolf v. Schwartz aus der SU über Friedland nach Goslar.
Einführung von Willi Buchholz als Propst der Propstei Lebenstedt.

1954
06.03. Kirchliche Woche in Wolfenbüttel.
07.03. Kirchenvorstandswahlen; die Kirchenvorstände wurden meist ohne Wahl bestätigt oder ergänzt.
05.08. Verleihung des Gr. Verdienstkreuzes mit Stern der Bundesrepublik an Landesbischof Erdmann.
08.08. Einweihung der mit ausländischen Mitteln ermöglichten Dankeskirche in Braunschweig.
12.09. Weihe der Kriegerdenkmäler in Beuchte und Weddingen durch OLKR Röpke.
14.09. niedersächsisches Schulgesetz: Einführung der „christlichen Schule“.
09.10.-15.10. Tagung der VELKD Generalsynode in Braunschweig, Ehrendoktorwürde der Universität Erlangen für Bischof Erdmann.
20.10. Unterzeichnung des Domvertrages.
06.-12.12. Volksmissionswoche in Veltheim.

1955
19.03. Loccumer Vertrag zwischen der niedersächsischen Landesregierung und den fünf ev. Kirchen Niedersachsens.
Mai/Juni achtwöchige USA Reise Bischof Erdmanns.
11.07. Brüdernpfarrer Max Witte 46 jährig verstorben.
08.08. Propsteisynode Helmstedt beklagt „zuviel Zentrale“.
31.08. zehntätige Zeltmission in Schöningen mit hohen Teilnehmerzahlen.
11.09. Einweihung der Martin-Luther-Kirche in Neu Büddenstedt „an der Zonengrenze.“
27.09. Kirchliche Woche in Beddingen.
00 10. Kirchliche Woche in Bad Gandersheim mit bis zu 500 Besuchern.
18.12. Wiedereinweihung der kriegszerstörten Kirche in Rüningen.


1956
01.02. Pfarrertag in Braunschweig. Vor 260 Teilnehmern spricht Prof. Trillhas über Seelsorge.
12.02. Volksmissionswoche in Grasleben, Süpplingen, Emmerstedt und umliegenden Dörfern.
19.02. Evangelische Woche am Braunschweiger Dom.
Pfingsten Einweihung der neu erbauten Martin Lutherkirche in Salzgitter-Lebenstedt.
01. 07. 75 jähriges Jubiläum des Landesverbandes der Inneren Mission Braunschweig.
Sommer Einweihung des Gemeindehauses St. Lorenz Schöningen.
02.09. Einweihung der neuerbauten Johanniskirche in Lebenstedt.
Sep./.Okt. Zeltmission auf dem Schlossplatz in Braunschweig mit täglich 500 Teilnehmern.
14.-18.09. Generalversammlung des Ev. Bundes in Goslar.
05.-11.11. Volksmissionswoche in Seesen.
11.11. Einweihung der Martinikirche in Braunschweig.
12.11. Hauptversammlung des Braunschweiger Pfarrervereins. Prof. K. D. Schmidt über Nationalsozialismus.
25.11. Einweihung des Studentenheimes in Braunschweig.

1957
00.00. Matthäuspassion von Heinrich Schütz im Dom durch Ellinor v. d. Heyde-Dohrn.
25.04. OLKR Hans Eduard Seebaß verstorben.
00.00 Heinrich Schütz Kantorei Musikalische Exequien in vielen Kirchen durch Joh. Krüger.
25.06. Einweihung des Katechetischen Amtes in Braunschweig.
21./ 22.09. erster Landeskirchentag in Braunschweig, Thema „Der Herr ist Gott, der Herr ist Gott“ mit 8000 Teilnehmern bei der Hauptversammlung auf dem Burgplatz
3. Advent Einweihung der kriegszerstörten Kirche in Weferlingen


Vorgeschichte der Landessynode
Der vorherige Landeskirchentag hatte in seiner letzten Sitzung im November 1951 noch ein Gesetz erlassen, wonach nicht mehr in vier Wahlkreisen, sondern nach Propsteien in den Propsteisynoden gewählt werden sollte. Für die Durchführung der Wahl waren die Pröpste zuständig. Die Anzahl der Abgeordneten wurde von 39 auf insgesamt 48 (44 gewählte, vier berufene Abgeordnete) erhöht. Der Landesbischof erhielt das Berufungsrecht der vier Abgeordneten. Die Propstei Braunschweig erhielt drei geistliche und fünf weltliche Abgeordnete, alle 14 Propsteien je einen geistlichen Abgeordneten, dazu die Propsteien Goslar und Vienenburg je drei, die Propsteien Helmstedt, Lebenstedt, Seesen und Wolfenbüttel je zwei und die übrigen acht Propsteien je einen weltlichen Abgeordneten. Die Wahlen waren bis zum 15. Februar durchzuführen.
Das Ergebnis war synodengeschichtlich sensationell. Von dem 1. Landeskirchentag zogen nur noch neun Abgeordnete in das Kirchenparlament, die anderen 39 Abgeordneten waren alle neu. Zu den neun Ehemaligen gehörten die Pröpste Ernesti, Jürgens, Lehmberg, Rauls, außerdem Gutsbesitzer Jürges, Studienrat i.R. Oppermann und Landwirt Wiegel. Herdieckerhoff und Lerche wurden berufen. Die beiden Antreiber der vorherigen Landeskirchentages Linke und Hartmann fehlten.

Literaturhinweis: Klaus Erich Pollmann (Hg.) „Kirche in den fünfziger Jahren. Die Braunschweigische ev.-luth. Landeskirche“ Braunschweig 1997, darin besonders: Klaus Jürgens „Die Landessynode Restaurativer Aufbau und neue Entwicklungen“ S. 133-159


Die Namen der Abgeordneten zu Beginn der II. Sitzungsperiode

01. Barnstorf, Dr. med.,. Fritz, Arzt, Königslutter, neu.
02. Besser, Johannes, Propst, Wolfenbüttel, neu, bis Dezember 1956, dafür
      02. Schütze, Ernst-August, Pastor, Wolfenbüttel.
03. Bluhm, Konrad, Dr., Rechtsanwalt, Schöningen, neu.
04. Boes, Fritz, Zuckerfabrikdirektor, Vechelde, neu.
05. Bornemann, Betriebsleiter, Zorge, neu bis März 1956, dafür
      05. Kaufmann, Käthe, Mittelschullehrerin, Braunlage.
06. Bosse, Wilhelm, Dr., Pfarrer, Kreiensen, neu.
07. Braun, Ernst, Diakon, Blankenburg, neu.
08. Brinkmann, Heinrich, Dr., Pfarrer, Frellstedt, neu.
09. Buchholz, Willi, Pfarrer, Lesse, neu.
10. Buhbe, Otto, Landwirt und Bürgermeister, Schöppenstedt, neu.
11. Buschbohm, Bauer, Wenzen, neu.
12. Cieslar, Alfred, Propst, Salzgitter, neu.
13. Cramm, v., Freiherr, Oelber a. w. W., neu.
14. Dähling, Paul, Direktor des Waisenhauses in Braunschweig, neu.
15. Daniel, Hans-Joachim, Pfarrer, Schöppenstedt, neu.
16. Deppe, Walter, Pfarrer, Blankenburg, neu bis Oktober 1963. Deppe war in den Westen übergesiedelt, dafür
      16. Radkau, Rennig, Pfarrer, Hasselfelde.
17. Dürre, Erich, Oberforstmeister, Marienthal, neu, verstorben am 13.4.1953, dafür
      17. Scharf, Bergwerkassessor, Grasleben.
18. Ernesti, Hans, Propst, Querum, seit 1946, verstorben am 21.1.1953, dafür
      18. Dietz, Otto, Propst, Wendhausen.
19. Frühling, Gerhard, Pfarrer, Lutter a. B., neu.
20. Goßler, v., Gutsbesitzer, Sickte, neu, bis 17.4.1952, dafür
      20. Schlüter, Bauer, Hordorf.
21. Gremmelt, Otto, Propst, Braunschweig - Ölper, neu.
22. Heine, Wilhelm, Domänenpächter, Wieda, neu.
23. Herdieckerhoff, Reinhard, Pfarrer, berufen, seit 1946.
24. Herrl, Hugo, Regierungsbaurat, Braunschweig, neu, bis November 1953, dafür
      24. Bucher, Glasermeister, Braunschweig.
25. Höse, Karl, Landgerichtsdirektor, Braunschweig, neu.
26. Jacob, Karl, Stadtoberbauinspektor, Lebenstedt, neu.
27. Jahns, Arnold, Schulleiter, Hahausen, neu.
28. Jürgens, Otto, Propst, Braunschweig, seit 1946.
29. Jürges, Albert, Gutsbesitzer, Steinlah, seit 1946.
30. Kalberlah, Gerhard, Pfarrer, Kirchenrat, Braunschweig , neu.
31. Kümmel, Herbert, Rektor, Wolfenbüttel, neu, bis November 1953, dafür
      31. O. Wüstenhagen, Landwirt, Gr. Stöckheim.
32. Lehmberg, Wilhelm, Propst, Vorsfelde, seit 1946.
33. Lerche, Walter Oberlandeskirchenrat, berufen, seit 1946.
34. Marschhausen, Hans, Dr. med., Arzt, Salzgitter, neu.
35. Menzel, Walter, Lic. Dr., Pfarrer, Schöningen, neu.
36. Mumm, Anne - Minna, Fürsorgerin, Braunschweig, neu
37. Oppermann, Ernst, Dr., Studienrat, Wolfenbüttel, ab 1946.
38. Pfaffendorf, Frau Dr., Goslar, neu.
39. Propst, Wilhelm, Buchhalter, Ildehausen, neu.
40. Rauls, Wilhelm, Propst, Goslar, seit 1946.
41. Sauer, Polizeirat a.D., neu.
42. Schulze, Robert, lic. Dr., Pfarrer, Bad Harzburg.
43. Sinemus, Hedwig, Pfarrfrau, berufen, neu.
44. Stracke, Ernst, Landesjugendpfarrer, berufen, neu.
45. Vogel, Kurt, Handelsoberlehrer, Braunschweig, neu.
46. Wedemeyer, Max, Pfarrer, Braunschweig, neu.
47. Wiegel, Hermann, Bauer, Vorsfelde, seit 1947, bis März 1957, dafür
      47. Schwartzkopf, Gut Büstedt bei Vorsfelde.
48. Wiemer, Mittelschullehrer, Liebenburg, neu, bis November 1953, dafür
      48. Hasemann, Dipl. Ing., Oker.


Die personelle Zusammensetzung der Synode blieb ziemlich stabil. Es schieden insgesamt 10 Mitglieder aus, davon allein fünf bereits 1953. Am 21.1.1953 starb im Dienst Propst Hans Ernesti und am 13. 4.1953 Oberforstmeister Erich Dürre im Alter von 54 Jahren, und zur Novembersynode 1953 schieden Regierungsbaurat Hugo Herrl, Rektor Kümmel und Mittelschullehrer Wiemer aus.
Von den 19 ordinierten Mitgliedern waren sieben Pröpste, neun Gemeindepfarrer und drei aus übergemeindlichen Ämtern (Katechetisches Amt, Landesjugendpfarrer, Innere Mission). Die nichtordinierten Mitglieder verteilten sich u. a. auf folgende Berufe: sieben Landwirte, darunter drei Gutsbesitzer, sechs Pädagogen, zwei Ärzte, drei Juristen, vier Verwaltungsangestellte. Arbeiter, Handwerker und der Adel waren gar nicht repräsentiert.
Erstmals waren drei Frauen gewählt: Frau Mumm, Frau Dr. Pfaffendorf, Frau Sinemus.
Diese berufsmäßige Zusammensetzung zeigte die Grenzen des kirchlichen Einflusses auf die Braunschweiger Bevölkerung.

Zum Präsidenten der Synode wurden Otto Buhbe, zum 1. Stellvertreter Propst Cieslar, zum 2. Stellvertreter Baron Freiherr v. Cramm einstimmig gewählt.

Nachdem sich die Synode mit 31:13 Stimmen für eine siebenköpfige statt einer fünfköpfigen Kirchenregierung entschieden hatte, wurden in die Kirchenregierung gewählt: Buhbe (36 Stimmen), Dürre (29), Boes (29), Rauls (25), Wedemeyer (23). Damit war die alte Kirchenregierung vollständig abgelöst, obwohl sich mit Propst Ernesti und Pfr. Herdieckerhoff zwei ehemalige Mitglieder noch in der Synode befanden.
Im Laufe der Sitzungsperiode fanden in der Kirchenregierung folgende Wechsel statt: Für Oberforstmeister Dürre trat am 29.6.1953 Dr. Konrad Bluhm, für Boes im Dezember 1956 Studienrat i. R. Dr. Oppermann, für Max Wedemeyer im Juni 1957 Propst Otto Jürgens und für Dr. Konrad Bluhm im November 1957 Domänenpächter Heine in die Kirchenregierung


Termine und Themen

01. Sitzung am 26. März 1952 im Gemeindesaal der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
Anwesend: 45 Synodale; entschuldigt: 2 Synodale

Der älteste Abgeordnete Ernesti eröffnete und leitete die Sitzung, sowie die Wahl Otto Buhbes zum Präsidenten und von Cieslar und v. Cramm als Stellvertreter.
Wahl der Kirchenregierung (siehe oben).
Wahl der Ausschüsse und der Ausschussvorsitzenden. Die Synode bildete einen Geschäftsordnungsausschuss (Vorsitzender Kirchenrat Kalberlah), einen Finanzausschuss (Vorsitzender Propst Jürgens), einen Rechtsausschuss (Vorsitzender Oberlandeskirchenrat Dr. Lerche) und erstmals einen Gemeindeausschuss (Vorsitzender Pfarrer Dr. Brinkmann) (Amtsblatt 1952 S. 14). Diese vier Ausschüsse waren von insgesamt 25 Synodalen besetzt, sodass nicht jeder Synodale einen Sitz in einem Ausschuss erhielt. Es wurde aber eine gleich große Anzahl von Ersatzpersonen aufgestellt, die dann den Vertretungsdienst übernahmen oder nachrückten. 1953 wurde ein vierköpfiger Bauausschuss gebildet (siehe Amtsblatt 1953, S. 11, Nr. 5981 ).

17./18. April 1952 Fortsetzung der ersten Sitzung im Gemeindesaal der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
Anwesend: 17.4.: 47 Synodale, entschuldigt: 4 Synodale

Beschlussfassung des Haushaltsplanes 1952/53, ganztägige Debatte und zahlreiche Nachfragen. Kirchgelddebatte.
Die Sitzung am 18. April war vertraulich und die Protokolle sind gesperrt.

Quelle: LAW Syn 194


02. Sitzung am 19./20. Juni 1952 im Gemeindesaal der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
Anwesend:19.6.:44 Synodale; 20.6: 41 Synodale
Entschuldigt: 19.6: 3 Synodale; 20.6: 7 Synodale


Grußwort von Pfr. Deppe, Blankenburg und Schilderung der dortigen Lage nach Errichtung einer 5 km breiten Sperrzone.
Bei der Feststellung des Stellenplans des Landeskirchenamtes eine ausgedehnte Stellenplandebatte.
Kirchengesetz betr. Anstellung von Gemeindehelfern und Gemeindehelferinnen. Sehr lange Aussprache.
(Amtsbl. Nr. 5943 1952 S. 24 f vom 2.7.1952).
Aussprache und Genehmigung des Haushaltsvollzuges 1951/52. Dabei Darlegungen des Bischofs über seine Privatinitiative zu einer Verlegung des Landeskirchenamtes in das aufzubauende Brüdernkloster nach Braunschweig.
Ein Antrag für die Einrichtung eines Geistlichen Vertrauensrates (eine Eingabe des Pfarrervereins) wurde nach langer Debatte zurückgezogen.

Quelle LAW Syn 194


03. Sitzung am 13./14. Oktober 1952 als Arbeitstagung im Johannenser Kurhaus in Clausthal - Zellerfeld
Entschuldigt an beiden Tagen: 6 Synodale

Eine Tagung ohne Anträge und Beschlüsse.
Am 1. Tag: Grundsatzreferat von Prof. Maurer, Erlangen „Was bedeutet die Bindung an Schrift und Bekenntnis für die Verkündigung des Pfarrers“, Diskussion in fünf Arbeitsgruppen und Aussprache im Plenum.
Am 2. Tag: Grundsatzreferat von Seminardirektor Kunze, Preetz „Der Gemeindegottesdienst nach lutherischem Verständnis“, Diskussion in fünf Arbeitsgruppen und Aussprache im Plenum mit zahlreichen Anregungen.
Im Hintergrund immer wieder die Frage, wie man sich zur Brüderngemeinde stellen sollte.
Bischof Erdmann äußerte „unbändige Freude, dass Gott uns diese Arbeitstagung geschenkt hat“.

Quelle: LAW Syn 194/ BV 9.11.1952


23. Oktober 1952 außerordentliche Sitzung im Gemeindesaal der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
Entschuldigt: 9 Synodale

Beschlussfassung über einen Vergleich mit den Reichswerken betr. Rückgabe von Kirchenland, das in der nationalsozialistischer Zeit durch die Finanzabteilung im Landeskirchenamt abgegeben worden war.

Quelle: LAW Syn 194


04. Sitzung am 26./27. Februar 1953 im Gemeindesaal der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
entschuldigt: 26.2.: 5 Synodale; 27.2.: 6 Synodale

Tätigkeitsbericht des Bischofs mit vier eigenen Schwerpunkten: der Bekenntnisstand der Landeskirche und die Entscheidung der Kirchenregierung, Hilfsprediger Lieberg nicht einzustellen/ das katechetische Amt/ der Umzug des Landeskirchenamtes/ die Lage der Bauern in der Ostzone nach der Bodenreform. Danach Vorlesen der Berichte aus den Referaten
Ausgedehnte, kritische Beratung und Beschlussfassung des Haushaltsplanes 1953/54

Quelle: LAW Syn 195/ BV 15.3.1953 „Keine Erhöhung der Kirchensteuer“


16. März 1953 zusätzlicher Sitzungstag im Gemeindesaal der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
Entschuldigt: 9 Synodale

Bericht des Bischofs über Verhandlungen mit der Bezirksregierung wg Kauf des Zeughauses an der Brüdernkirche. Der Bauausschuss soll verschiedene Möglichkeiten zur Unterbringung des Landeskirchenamtes prüfen.
Aussprache über die Polemik des Brüdernpfarrers Witte gegen die Landessynode im Brüdernrundbrief, wobei der Landesbischof und OLKR Seebaß ihre deutlichen Sympathien für die hochorthodoxen Gebräuche in der Brüderngemeinde zu erkennen geben. Der Bischof verlässt nach Kritik von Pfr. Menzel vorübergehend aus Protest den Sitzungsraum.
Die Landessynode billigte einstimmig die Entscheidung der Kirchenregierung gegenüber Hilfsprediger Lieberg, der Bischof Erdmann nicht zugestimmt hatte.

Quelle: LAW Syn 195


05. Sitzung am 29./30 Juni 1953 im Gemeindesaal der Hauptkirche BMV Wolfenbüttel
Entschuldigt: 29.6.: 8 Synodale; am 30.6: 10 Synodale;
als Gäste: OKR Hübner, Hannover, KR Wilkens, Hannover

Tagesordnung:1. Gestaltung des Gottesdienstes. 2. Liturgische Gewänder und Gebräuche in der Landeskirche. 3.Das Verhältnis zur EKD. 4. Wahl eines Mitgliedes der Kirchenregierung statt des verstorbenen Dürre. 5. Grundstück Zeughaus. 6. Nachbewilligungen

Beschlussfassung über den von der VELKD erarbeiteten und vom Gemeindeausschuss überarbeiteten Entwurf für die Ordnung des Hauptgottesdienstes (Agende I), der von der Synode zur Erprobung freigegeben wurde, wenn der Kirchenvorstand zustimmt. (Braunschweigisches Amtsblatt vom 30.7.1953. Nr. 5990 1953 S. 17 f)
Ganztägige Beratung über liturgische Gebräuche in der Brüdernkirche, Braunschweig
das Verhältnis der Landeskirche zur EKD, dazu ein Bericht von OLKR Dr.Breust;
der Geschäftsordnung- und Bittschriftenausschuss fungierte in Zukunft auch als Ältestenausschuss: Buhbe, Cieslar, Kalberlah, Buchholz, Dr. Brinkmann,
zahlreiche Nachbewilligungen.
Dr. Bluhm mit 29 Stimmen als Mitglied der Kirchenregierung gegen Oppermann (5 St.) und Jürgens (3 St.) und Dr. Walter Lerche als Oberlandeskirchenrat (zuständig für Finanzen) als stimmführendes Mitglied des Kollegiums gewählt.
Ablehnung der Einrichtung eines Krankenhauspfarramtes.

Quelle: LAW Syn 195/ BV 12.07.1953 „Gottesdienst und Bekenntnis“


06. Sitzung am 30.11. 1953 im Gemeindesaal der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
entschuldigt: 2 Synodale

Tagesordnung: Vorlage II der letzten Sitzung, 2. Stadtkirchenverband Wolfenbüttel. 3. Etatfragen.

Wiederaufnahme der vertagten Beratung über eine Vorlage des Gemeindeausschusses zu den liturgischen Gebräuchen an der Brüdernkirche; Verlesung eines Briefes von Brüdernpfarrer Witte an den Bischof („ungehörig,“). Zustimmung, dass die Brüdernfrage in Form eines Gesetzes behandelt werden soll (35:7 St. bei 3 Ent).
Bildung eines Stadtkirchenverbandes Wolfenbüttel. Etatfragen

Quelle: LAW Syn 196


07. Sitzung am 31. März -2. April 1954 im Gemeindesaal der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
Entschuldigt: 31.3.: 5 Synodale; 1.4.: 6 Synodale; 2.4.: 5 Synodale

Tagesordnung: Voranschlag 1954/55. 5. Brüderngesetz

Bericht des Bischofs ohne Aussprache.
Haushaltsvoranschlag 1954/55 mit langer Debatte über einen Umzug der Kirchenbehörde nach Braunschweig.
Verabschiedung eines Brüderngesetzes mit 36:4 Stimmen bei drei Enthaltungen gegen den erbitterten Widerstand von OLKR Seebaß
Kirchengesetz zur Bildung des Stadtkirchenverbandes Goslar

Quelle: LAW Syn 196/ BV 11.4.1954


08. Sitzung am 6./7. Mai 1954 im Freizeit und Tagungsheim Hessenkopf
Entschuldigt: 6.5.: 14 Synodale; 7.5.: 13 Synodale
Zahlreiche Gäste aus dem schulischen Bereich.

Themensynode „Taufe“ mit vier Referaten: „Tauferziehung im Elternhaus“ (Bischof Erdmann), „Kirchliche Gedanken zur Unterweisung“ (Pfarrer Brinkmann), „Erziehung und Schule in Kirche und Welt“ (Prof. Hammelsbeck, Wuppertal), „Die Schulfrage in Niedersachsen“ (OLKR Bartels, Hannover). Aussprache und Zustimmung zum niedersächsischen Schulgesetz.
Einbringung der Lebensordnung Abschnitt II und III (Konfirmation und kirchliche Jugendarbeit).

Quelle: LAW Syn 197


09. Sitzung am 2./ 3.11.1954 im Gemeindesaal der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
Anwesend: 47 Synodale

Tagesordnung: 1. Domvergleich. 2. Kirchbau Salzgitter-Lebenstedt. 6. Neubau des Landeskirchenamtes. 7. Wahl der Mitglieder der VELKD Synode. 11. Religionslehrerbuch von Kümmel.

Zustimmung zum Domvergleich. Beschluss eines Neubaus eines Landeskirchenamtes in Braunschweig.
Kirchbau in Salzgitter-Lebenstedt,
Empfehlung des Religionsbuches von Rektor und Synodalen Kümmel
Wahl von Propst Otto Jürgens und OLKR Walter Lerche als Mitglieder der VELKD Generalsynode

Quelle: LAW Syn 197


10. Sitzung am 14./15. April 1955 im Gemeindesaal der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
Entschuldigt: 14.4.:8 Synodale; 15.4.: 10 Synodale: Gäste Vizepräsident des niedersächsischen Verwaltungsbezirkes Braunschweig Dr. Parisius und OLKR D Mahrenholz.

Tätigkeitsbericht des Landesbischofs. Heftige Debatte über die positive Haltung des Bischofs zur orthodoxen Theologie der Brüderngemeinde und dass das Brüderngesetz bekenntniswidrig wäre. Diesbezügliche Passage des Tätigkeitsberichts des Bischofs heißt die Synode ausdrücklich nicht für gut. 26 Wortmeldungen.
Beschlussfassung über den Haushaltsplan 1955/56 nach gründlicher Aussprache.
Beschluss eines Neubaus des Landeskirchenamtes in Braunschweig.
Grußwort von OLKR Mahrenholz vor der Beratung des Loccumer Vertrages. OLKR Breust, LKR Quast und OLKR Lerche führen in das Vertragswerk ein und empfehlen die Annahme. Zahlreiche Nachfragen.
Bei zwei Enthaltungen wurde dem Loccumer Vertrag einstimmig zugestimmt.
Die Frage eines Braunschweigischen Bevollmächtigten bei der Nieders. Regierung wurde n.ö. verhandelt.
Kirchengesetz betr.
Politische Betätigung der Pfarrer, Beamte und Angestellte der Landeskirche.

Quelle: LAW Syn 198


11. außerordentliche Sitzung am 1./2. September 1955 im Gemeindesaal der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
Entschuldigt an beiden Tagen: 5 Synodale

Nach mehrstündiger Debatte Änderung des Beschlusses über einen Neubau des Landeskirchenamtes in Braunschweig, auf Antrag der Synodalen Besser, Bosse, Wiegel, Oppermann, Lehmberg, Höse in namentlicher Abstimmung mit 32:11 angenommen. Der Landesbischof verlässt verärgert die Synodalsitzung, „Bischofskrise“, das Landeskirchenamt bleibt in Wolfenbüttel.
Ankauf eines Hauses für das Katechetische Amt.

Quelle: LAW Syn 199


12. Sitzung am 23./24. Februar 1956 im Tagungshaus Hessenkopf
Entschuldigt: 23.2.: 12 Synodale; 24.2.: 14 Synodale. Gäste: Sup. Klemm, Meißen, Kirchenrat Ehrhorn, Direktor Brinckmeier, OLGR Linke, Pfr. Padel.

Einlenkende Erklärung des Bischofs zu den Vorgängen während der Septembersynode.
1. Tag: Vortrag von Seminardirektor Brinckmeier (statt des angekündigten OLKR Mahrenholz) über die Lebensordnung der VELKD „Abschnitt VII - Ehe und kirchliche Trauung“. Vortrag von Sup. Klemm über Vorarbeit in der VELKD, danach Aussprache in drei Arbeitsgruppen und abschnittsweise Besprechung im Plenum.
2. Tag: Einführendes Referat von Rektor Dr. Hoffmann, Loccum, über die Abschnitte II (Konfirmation) und III (Jugendarbeit) der Lebensordnung. Referat von Sup. Klemm über die entsprechende Vorarbeit in der VELKD, Diskussion in drei Arbeitsgruppen und Aussprache im Plenum. Überweisung an den Gemeindeausschuss.

Quelle: LAW Syn 199


13. Sitzung am 16./17. April 1956 im Gemeindehaus der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
Entschuldigt: an beiden Tagen: 5 Synodale

Tagesordnung:1. Lagebericht des Bischofs. 2. Festsetzung des landeskirchlichen Haushaltes 1955/56. 3. Ankauf von zwei Häusern des Burbachkonzerns. 5. Neubau des landeskirchlichen Dienstgebäudes.

Beschlussfassung über den Haushaltsplan 1956/57, Rechnungslegung für das Jahr 1954/55.
Die Synode lehnt Zulagen für die Mitarbeiter des LKA entsprechend den staatlichen Richtlinien ab.
Statt eines Neubaus des Landeskirchenamtes Ankauf von Häusern des Burbachkonzerns und in der Justus v. Liebigstraße in Wolfenbüttel für 750.000 DM.
Antrag für die Bewilligung einer Ministerialzulage für Beamte und Angestellte an den Rechts- und Finanzausschuss überwiesen.
Ausschuss zur Neufestsetzung der Propsteigrenzen.

Quelle: LAW Syn 200 ; BV 24.4. 1955

14. Sitzung am 14./15. Juni 1956 im Gemeindesaal der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
Entschuldigt: 14.6.: 12 Synodale, 15.6.: 13 Synodale

Tagesordnung: 1. Vorträge von Maurer und Breust. 2. Beschlussfassung über Lebensordnung II und III 3. Geschäftsordnung

Vorträge von Prof. Wilhelm Maurer, Erlangen und OLKR Dr. Breust über die Umbildung der Braunschweigischen Kirchenverfassung, Bildung eines Verfassungsausschusses.
Verabschiedung eines Kirchengesetzes zur Lebensordnung Teil II und III (Braunschweigisches Amtsblatt. Nr. 6146 vom 16.7.1956).
Kirchengesetz zur Neufassung der Geschäftsordnung von 1922
Kirchengesetz zur Herabsetzung des aktiven Wahlalters von 25 auf 21 Jahre und des passiven Wahlalters von 30 auf 25 Jahre.
Zuschuss für den Bau eines evangelischen Mädchenheimes in Braunschweig.
Die Bitte des Pröpstekonventes, Epiphanias, Hagelfeiertag und Reformationsfest mit Gottesdiensten zu begehen, an das Landeskirchenamt weitergeleitet.

Quelle LAW Syn 200/ BV 24.6.1956


15. Sitzung am 6. Dezember 1956 im Gemeindehaus der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
Entschuldigt: 3 Synodale; als Gast OKR Wilkens, Hannover
Pfarrer Löcsei berichtet eingangs über eine Sammlung für Flüchtlinge aus Ungarn, die in Friedland ankommen
Beratung der Vorlage des Gemeindeausschusses über Abschnitt VII der Lebensordnung (Ehe, Trauung), vor allem über die Möglichkeit der Ehescheidung, der erneuten Trauung Geschiedener und der Zuständigkeit für eine solche kirchliche Trauung. In erster Lesung mit 30:8 Stimmen angenommen.
Auf Antrag von Wedemeyer erhalten alle Pfarrer eine Dienstaufwandsentschädigung von jährlich 480 DM
(mit 24:13: 7 Enthaltungen angenommen).
Für den aus der Kirchenregierung ausgeschiedenen Herrn Boes wird Herr Oppermann gewählt.
Beratung des Vikarinnengesetzes, die aus Zeitgründen abgebrochen wird.

Quelle: LAW Syn 201


16. Sitzung am 21./ 22. März 1957 im Gemeindehaus der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
Entschuldigt: 21.3.: 9 Synodale, 22.3.: 8 Synodale

Haushaltsplan 1957/58 gründlich beraten. 12 % Mehreinnahmen an Kirchensteuern erwartet.
In 2. Lesung wurde nach erneuter Aussprache vor allem über die kirchliche Trauung Geschiedener der Abschnitt VII der Lebensordnung einstimmig mit 33 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen
Ein Vikarinnengesetz mit großer Mehrheit bei fünf Gegenstimmen angenommen.

Quelle: LAW Syn 202


17. Sitzung am 4./5. Juni 1957 im Mutterhaus „Kinderheil“ in Bad Harzburg,
Entschuldigt: an beiden Tagen 9 Synodale. Als Gäste OLKR Mahrenholz, OLKR Wilkens, Seminardirektor Brinckmeier, Kantor Spittler und Kantor Kruse

Bericht des Bischofs über die kirchliche Lage ohne Aussprache
Zustimmung zum Militärseelsorgevertrag bei einer Gegenstimme ohne Aussprache.
OLKR Mahrenholz, Hannover über die Ordnung des Hauptgottesdienstes (Agende I), Vortrag von Rauls über den „Gottesdienst in der Braunschweiger Landeskirche“. Beratung eines Kirchengesetzes über die Ordnung des Hauptgottesdienstes mit zahlreichen Beschlussvorlagen des Gemeindeausschusses für Braunschweiger Besonderheiten.
Im dritten Wahlgang wurde Max Wedemeyer mit 25 Stimmen gegen Karl Adolf v. Schwartz (14 Stimmen) zum OLKR gewählt und OLKR Dr. Lerche zum stimmführenden Mitglied im Kollegium.
Anstellung von zwei zusätzlichen Angestellten für die Bauabteilung.
Der Präsident gedenkt des 10jährigen Bischofsjubiläums von Martin Erdmann.

Quelle: LAW Syn 202/ BV 16.6.1957


18. Sitzung 11./12. November 1957 im Gemeindesaal der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel
Entschuldigt: am 11.11.: 8 Synodale, am 12.11.: 12 Synodale

Tagesordnung: 1.Reisebericht des Landesbischofs über die Tagung des Lutherischen Weltbundes in Minneapolis unter dem Motto „Christus befreit und eint“. 2. Kirchengesetz über die Ordnung des Gottesdienstes für Gründonnerstag, Karfreitag, Hagelfeiertag, für Predigtgottesdienste (Abschnitt B der Agende I) mit Braunschweiger Abweichungen. 3. Vikarinnengesetz

Sehr heftige Debatte um das von der Kirchenregierung zurückgewiesene Vikarinnengesetz, das verändert mit einer Gegenstimme und 2 Enthaltungen erneut angenommen wird.
Es wird die zweite Stelle eines Juristen für den ausgeschiedenen Hilfsreferenten Notar Baersch geschaffen Zwischen Pfingsten 1958 und Pfingsten 1963 soll die Agende I in allen Gemeinden eingeführt sein.
Anlässlich von Nachbewilligungen zur finanziellen Ausstattung eines Pfarramtes für „Mission unter Zigeunern und Juden“ von Pfarrer Georg Althaus ausführliche Debatte über P. Althaus.
Zwölf Synodale fehlen an diesem letzten Sitzungstag.

Quelle: LAW Syn 203


Hauptgegenstände und Hintergründe


Die zweite Sitzungsperiode war von Hektik geprägt. Die Synodalen tagten nur 1955 wie geplant jährlich zweimal, in Jahren 1953,1954 und 1957 dagegen dreimal, 1956 viermal und 1952 sogar an fünf Sitzungstagen. Die vermehrten Sitzungen waren vor allem durch zwei von Bischof Erdmann unverhofft in die Landessynode hineingetragene Themen verursacht: die besonderen Gottesdienstformen der Brüderngemeinde, über die an sieben Sitzungstagen verhandelt wurde, und der Umzug des Landeskirchenamtes, der unverhofft bereits während der 2. Sitzung 1952 zur Sprache kam und seither immer wieder bis 1956 verhandelt wurde. Dagegen ließ der Landesbischof in zwei Jahren, 1952 und 1956, den üblichen Tätigkeitsbericht ausfallen.

Gespanntes Verhältnis zwischen Synode und Landeskirchenamt
Es herrschte zeitweise eine gereizte Atmosphäre zwischen den Synodalen und den leitenden Mitgliedern des Landeskirchenamtes, wenn bei den Haushaltsdebatten wiederholt Erhöhungen der Gehälter beantragt, aber nicht sofort bewilligt wurden. Die Bitte, die Oberlandeskirchenräte sollten sich mehr in den Kirchengemeinden sehen lassen, beantworteten die OLKR Röpke und Dr. Breust ungehalten. In der vorhergehenden Synode hätte eine Animosität gegen Oberlandeskirchenräte bestanden. Der Direktor des Braunschweiger Waisenhauses Dähling erklärte, es wäre nicht nötig, dass die Herren des Landeskirchenamtes immer wieder betonten, was sie zu tun hätten. „Wir wollen ihnen schon unser Vertrauen entgegenbringen“. Aber OLKR Lerche bedauerte, „dass immer wieder ein Misstrauen seitens der Synode dem Landeskirchenamt gegenüber geäußert wird.“
Zweimal verließ der Landesbischof sogar verärgert den Sitzungsraum, weil er sich aus seiner Sicht ungerechtfertigten Vorwürfen ausgesetzt sah. Das Verhältnis zwischen der Behörde und der Synode wurde auch dadurch getrübt, dass ein Oberlandeskirchenrat unumwunden erklärte, dass er ein von der Synode beschlossenes Gesetz als bekenntniswidrig erklärte und ein weiteres Gesetz aus ebenfalls theologischen Gründen von der Kirchenregierung in die Synode zurückverwiesen wurde und trotzdem von der Synode mit geringen Änderungen erneut beschlossen wurde. Unterschiedliche Auffassungen im Landeskirchenamt wurden nicht dort geklärt sondern in die Synodensitzungen getragen und erzeugten dort Spannungen. So waren die Oberlandeskirchenräte Röpke und Breust gegen einen Umzug der Kirchenbehörde nach Braunschweig, während OLKR Seebaß und der Bischof ihn dringend befürworteten.
Es wirkt noch heute geradezu tragisch, dass mitten in den Auseinandersetzungen zwei Hauptbeteiligte im Dienst starben: Brüdernpfarrer Max Witte mit 46 Jahren am 11. Juli 1955 und OLKR Hans Eduard Seebaß am 25. April 1957 mit 63 Jahren.

Außerdem verursachten bedeutsame, auf lange Sicht wirkende Vorhaben wie die Reform des Gottesdienstes und der Lebensordnung und der gründliche Bearbeitungs- und Genehmigungsstil einen zusätzlichen Kraftaufwand der Synodalen. Gelegentlich war es auch nur eine ungeschickte Sitzungsregie, die zusätzliche Sitzungstage verursachten. So war es keine glückliche Idee, die konstituierende Sitzung am 26. März mit der Verabschiedung des Haushaltsvoranschlages zu verbinden, es sei denn, der Finanzreferent hatte erwartet, dass die mehrheitlich unerfahrenen Synodalen den Haushaltsvoranschlag „durchwinken“ würden. Die Synodalen indes bestanden darauf, dass der Haushalt zunächst in dem frisch gebildeten Finanzausschuss beraten werden müsste und setzten einen zusätzlichen Sitzungstag drei Wochen später an.

So erscheint es nicht verwunderlich, dass die in Folge der vermehrten Sitzungen bröckelnde Anwesenheit der Synodalen vom Präsidenten beanstandet wurde und rechtzeitige Entschuldigungen immer wieder von ihm angemahnt und unentschuldigtes Fehlen unerbittlich protokolliert wurden. An neun Sitzungstagen fehlten zwischen 10 und 14 Synodale teils entschuldigt, teils unentschuldigt. Am letzten Sitzungstag fehlten 12 Synodale. So verlief sich auch diese 2. Sitzungsperiode wie schon die erste ohne einen dankbaren Rückblick auf die geleistete Arbeit.

Reform des Gottesdienstes
Eines der beherrschenden Themen dieser Sitzungsperiode war „der Gottesdienst“. In der dritten, fünften, 17. und 18. Sitzung behandelte die Landessynode die Fragen des Hauptgottesdienstes, und zwar das erste Mal grundsätzlich auf einer Themensynode am 13./14. Oktober 1952 im Johannenser Kurhaus in Clausthal Zellerfeld, wohin sich die Synodalen zurückgezogen hatten. Dort referierte der Erlanger Professor für Kirchengeschichte, Wilhelm Maurer, über „Was bedeutet die Bindung an Schrift und Bekenntnis für die Verkündigung des Pfarrers?“ und Seminardirektor Kunze, Preetz, am zweiten Tag über „Der Gemeindegottesdienst nach lutherischem Verständnis“. Absichtlich sollten auf dieser Tagung keine weiteren Themen behandelt und auch keine Beschlüsse gefasst werden. Die Synodalen gingen nach den Referaten in Arbeitsgruppen und besprachen danach im Plenum die Ergebnisse. Das Referat von Seminardirektor Kunze setzte ungewohnte Akzente: Der rechte und segensreiche Vollzug des Gottesdienstes wäre nicht nur Sache des Pfarrers, sondern ebenso der ganzen Gemeinde. Der auferstandene und erhöhte Herr vergegenwärtigte sich unter denen, die sich in Jesu Namen versammelten, in Wort und Sakrament. Diese Realpräsenz sah Kunze keineswegs auf das Abendmahl beschränkt, sondern sie spiegelte sich bis hinein in die Kirchenmusik und den Kirchenbau. Kunze rückte damit von der weit verbreiteten Vorstellung vom Gottesdienst als einer Alleinveranstaltung des Pfarrers ab und von der Verengung der Gegenwärtigkeit Christi auf das Abendmahl.
Die Arbeitsgruppe von Rudolf Brinckmeier hatte folgende fünf Fragen herausgearbeitet „1. Was ist eigentlich Kirche? 2. Was ist das kirchliche Amt? 3. Was bedeutet Liturgie? 4. Wie verstehen wir das heilige Abendmahl? 5. Gibt es „heilige Dinge“?“ Die Pfarrkonvente und Propsteisynoden wurden vom Bischof in einem im Braunschweiger Volksblatt vom 9.11.1952 veröffentlichten Brief gebeten, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen. Im Hintergrund dieser Fragen stand bereits eine erneute Beschäftigung mit der Gottesdienstordnung der Brüderngemeinde.
Am 29./30. Juni 1953 stand der von der Generalsynode der VELKD erarbeitete Entwurf einer neuen Ordnung des Hauptgottesdienstes zum ersten Mal auf der Tagesordnung der Landessynode. Der Gemeindeausschuss, dem Pastor Dr. Brinkmann, Rektor Kümmel, Studienrat Dr. Oppermann, Pfarrer Dr. Schulze, Rechtsanwalt Dr. Bluhm, Frau Dr. Pfaffendorf und Pastor Daniel angehörten, hatte eine Vorlage erarbeitet, die eine schrittweise Einführung verschiedener Teile der neuen Gottesdienstordnung ermöglichten. Die bisherige Ordnung von 1877 blieb in Geltung, aber es konnten die neuen Kollektengebete und Allgemeinen Kirchengebete verwendet werden. Es war aber auch möglich, eine völlig neue Form mit Eingangslied, Kyrie ohne Bußspruch und Gnadenantiphon, Gloria in excelsis statt „Allein Gott in der Höh sei Ehr“, Salutatio, Kollektengebet, Epistel, Wochenlied, Evangelium, Apostolikum statt des gesungenen Glaubensliedes, Predigt, Predigtlied, Abkündigungen, Allgemeines Kirchengebet vom Altar, Lied vor dem Abendmahl, aber das Abendmahl nach der alten Form zu wählen. Es wurden indes hohe Hürden vor der Einführung eingebaut. Auch bei Einzeländerungen war ein Kirchenvorstandsbeschluss nötig und dem Landeskirchenamt sollte Mitteilung gemacht werden. Ein regelmäßiger Gebrauch der neuen Ordnung war ebenfalls an einen Kirchenvorstandsbeschluss in Anwesenheit des Propstes und einer Genehmigung durch das Landeskirchenamt gebunden.

Für die Pfarrämter war in grauem Einband ein Exemplar der neuen sog. Agende I erschienen, die schon ab 1952 im Goslarer Pfarrkonvent unter Propst Rauls in mehreren Referaten behandelt worden war. Im Januar 1953 feierte der Landesbischof zur Eröffnung des Pfarrertages mit 200 Pfarrern im Braunschweiger Dom einen Abendmahlsgottesdienst nach der vorgesehenen neuen Gottesdienstordnung. Die Kirchenregierung publizierte im Kirchengesetz Nr. 5990 vom 30. Juli 1953 (Amtsblatt 1953, S. 17) diese Mischform und gab sie unter Vorbehalt zur Erprobung frei. Die Mitglieder des lutherischen Bruderkreises nahmen diese Möglichkeit dankbar an und machten ihre Kirchengemeinden mit dem Entwurf bekannt. Auch die anderen lutherischen Landeskirchen sollten diesen Gottesdienstentwurf erproben, bevor sie endgültig von der Generalsynode der VELKD beschlossen würde.
Diese tagte im Oktober 1954 in Braunschweig. Prof. Elert aus Erlangen hielt im Braunschweiger Dom einen Festvortrag anlässlich des 1600. Geburtstages des Kirchenvaters Augustin, Bischof Erdmann erhielt den Ehrendoktor der theologischen Fakultät Erlangen und OLKR Mahrenholz begründete das neue Agendenwerk der lutherischen Kirche, das nach der abgelaufenen Probezeit einstimmig endgültig verabschiedet wurde, wobei den einzelnen Landeskirchen durchaus kleinere Sonderbestimmungen erlaubt wurden. Nun mussten die einzelnen lutherischen Landeskirchen ihre Zustimmung und Sonderbestimmungen beschließen.
Am 4. Juni 1957 wurde von der Synode nach einem systematischen Referat von OLKR Mahrenholz über die Agende I und einem überwiegend historischen von Propst Rauls über den Gottesdienst in der Braunschweiger Landeskirche das Kirchengesetz über die Ordnung des Gottesdienstes von der Landesynode verabschiedet und im Amtsblatt vom 21. Juni 1958, S. 39 Nr. 6269 samt der neuen Liturgie abgedruckt.
Mit diesem Gesetz endete die jahrhundertealte, eigenständige, regionale Gottesdienstbildung, daher auch der historische Rückblick von Propst Rauls. Zur Einführung wurde ein langer, fünfjähriger Zeitraum von Pfingsten 1958 - Pfingsten 1963 vorgesehen, denn für die geübte, treue Gottesdienstgemeinde änderte sich sehr viel. Mit der bisherigen Gottesdienstordnung, die seit 1876 gegolten hatte, hatte die Gemeinde zwei Weltkriege und viele persönliche Opfer ertragen. In der fünfjährigen Erprobungsphase mussten sich auch die Flüchtlinge von ihrer gottesdienstlichen Tradition verabschieden, die für sie noch eine Erinnerung an die verlorene Heimat im Osten bedeutete. Für Einheimische und Flüchtlinge sollte nunmehr eine gemeinsame Gottesdienstordnung gelten.
Die Braunschweiger vermissten vor allem die gemütvollen, gelegentlich konzertartig vorgetragenen, mit Orgelspiel unterlegten liturgischen Stücke, die sich nunmehr musikalisch streng an der reformatorischen Ursprungszeit ausrichteten und „katholisch“ klangen. Auch die Gebete des Tages, damals Kollektengebete genannt, bedienten sich einer altertümlichen, fremdartigen Sprache. Sehr gewöhnungsbedürftig war die Tatsache, dass die Feier des Abendmahls grundsätzlich zum Hauptgottesdienst dazugehörte, „möglichst oft“ gehalten werden sollte, wie es einleitend hieß, und nicht an den Predigtgottesdienst „angehängt“ werden sollte. Das bedeutete, dass auch jene nicht am Abendmahl teilnehmenden Gottesdienstbesucher nicht den Gottesdienst verlassen, sondern ihm auch ohne zu essen und zu trinken beiwohnen sollten. Das wurde nur in ganz wenigen Kirchengemeinden, z.B. in der Marktkirche in Goslar von Propst Rauls praktiziert, aber es bürgerte sich allmählich in vielen Gemeinden ein, einmal im Monat Abendmahl zu feiern. Die Einführung eines liturgischen Chores, der das Kyrie im Wechsel mit der Gemeinde singen sollte, war vor allem in den Landgemeinden schwierig. Noch schwieriger war es, wenn der Chor zu Beginn einen Psalm singen sollte. Die gelegentlich im Gottesdienst singenden Kirchenchöre, geschult an „Die Himmel rühmen“, waren solche musikalischen Strukturen nicht gewohnt. Fester Bestandteil wurde nunmehr das apostolische Glaubensbekenntnis, das an die Stelle des noch üblichen Glaubensliedes trat, aber Predigerseminardirektor Rudolf Brinckmeier zweifelte, ob sich diese Sitte durchsetzen würde. („Ob sich das Mitsprechen des Glaubensbekenntnisses in unserer Kirche durchsetzen wird, wissen wir noch nicht“ (SONNTAG 8.6.1958 „Verbunden mit der Christenheit aller Zeiten“). Die Lesungen wurden nicht mehr vom Altar gehalten, sondern von einem Lesepult. Der vertraute 23. Psalm nach dem Abendmahl entfiel.
In der letzten Synodalsitzung am 11./12. November 1957 wurde auch der Abschnitt B über die sog. Nebengottesdienste, also am Gründonnerstag, Karfreitag und Hagelfeiertag, sowie für die Predigtgottesdienste verabschiedet. Da die Landeskirche vorwiegend aus an Traditionen fest gebundenen ländlichen Kirchengemeinden bestand, befürchtete Propst Rauls, dass die neue Gottesdienstordnung in den Gemeinden eine erhebliche Unruhe bringen werde. Die neue Gottesdienstordnung bürgerte sich von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich ein.

Der Streit mit der Brüderngemeinde
Nachdem sich bereits der vorherige Landeskirchentag in vier Sitzungen kritisch mit der Braunschweiger Brüderngemeinde beschäftigt hatte, wurde auch diese zweiten Sitzungsperiode von Bischof Erdmann immer wieder mit den Besonderheiten dieser Gemeinde befasst. Von den insgesamt 18 Sitzungen in dieser Periode befassten sich allein sieben mit Pfr. Max Witte und dem Spezialprofil dieser Braunschweiger Gemeinde. Möglicherweise erhoffte sich der Landesbischof durch die völlig neue Zusammensetzung der Landessynode eine größere Unterstützung für das Anliegen der Brüderngemeinde.
Schon bei der Themensitzung am 13./14. Oktober 1952 wurde in den Arbeitsgruppen über die Sonderbräuche bei Brüdern diskutiert. Da der Rückbezug auf die historischen Bekenntnisse der Reformationszeit für Pfr. Witte eine zentrale Rolle spielte, war Prof. Maurer aus Erlangen gebeten worden, über die Rolle des Bekenntnisses zu referieren. Obwohl Fachmann für die Reformationsgeschichte verzichtete Maurer darauf, die historischen Bekenntnisse unreflektiert für die Gegenwart gelten zu lassen. Mit der Definition „Das Bekenntnis ist das Zeugnis der Väter von der Wahrheit des Evangeliums“ ließ Maurer offen, ob er die Bekenntnisse der Reformatoren oder aus sehr viel früherer, der apostolischen Zeit oder aus dem 4. Jahrhundert (Nicäa) meinte. Das Bekenntnis wäre kein „totes Vätererbe, sondern die lebendige Kraft der das Evangelium bezeugenden Gemeinde von heute“. Eine mechanische oder formal rechtliche Bindung an das Bekenntnis wirke zerstörerisch. Das Bekenntnis bilde für die Kirche das unerlässliche Hilfsmittel, durch das ihre Schriftauslegung von allen subjektiv-willkürlichen Bindungen befreit und für den wahren Fortschritt unter der Leitung des Heiligen Geistes offen gehalten würde.
Maurer als gemäßigter Lutheraner betrachtete demnach die Bekenntnisbildung keineswegs als abgeschlossen, sondern hielt „wahre Fortschritte“ dabei für möglich. Maurer kannte natürlich die Situation in der Braunschweiger Landeskirche und hütete sich, für eine Seite Partei zu ergreifen. Sein Referat wurde richtig verstanden, dass das Bekenntnis eine zentrale Äußerung der Kirche wäre.
Nicht nur die Nähe zu katholischen Gebräuchen, sondern der Anspruch auf alleinige Rechtgläubigkeit stießen insbesondere jene Pfarrer in der Synode ab, die nach dem Krieg aus den deutschen Ostgebieten in die Landeskirche gekommen waren und einer unierten Landeskirche angehört hatten. Seminardirektor Kunze hatte an einem Gottesdienst in der Brüdernkirche während der Synodaltagung teilgenommen und erklärte vor der Synode: „Diese Dinge um Brüdern möchten doch zum Frieden der Landeskirche wieder vergehen.“

Es war ein bezeichnendes Missverständnis, dass Landesbischof Erdmann die darauf folgende Sitzung der Landessynode am 26. Februar 1953 mit einer Aufzählung der Bekenntnisse aus der Reformationszeit begann und daraus den „Bekenntnisstand der Landeskirche“ ableiten wollte. Außerdem ergab sich ein weiteres Personalproblem. Der junge Hilfsprediger Helmut Lieberg hatte sich vollständig der Brüderngemeinde angeschlossen und scharf gegen die Pfarrer der Braunschweiger Innenstadtgemeinden polemisiert und sie der Irrlehre bezichtigt. Die Kirchenregierung hatte daraufhin verzichtet, Lieberg fest als Pfarrer anzustellen. Allerdings hatte sich Bischof Erdmann in der Kirchenregierungssitzung gegen diese Entscheidung ausgesprochen.
Auf Grund dieser Debatte reichten zehn Synodale einen Antrag ein, wonach die Landessynode die Haltung der Kirchenregierung gegenüber Lieberg billigen und die Kirchenregierung und das Landeskirchenamt beauftragt werden sollten, „bis zum 1. April 1953 in der Gemeinde St. Ulrici in Braunschweig die Ordnungen der Landeskirche hinsichtlich der Agende und geistlicher Kleidung wieder herzustellen.“ Dieser Antrag war von den Pröpsten Cieslar und Rauls, den Pfarrern Buchholz und Dr. Schulze, und den nichtordinierten Mitgliedern, den Herren Bornemann, Heine, Jacob, Jürges, Sauer und Frau Dr. Pfaffendorf unterzeichnet. Die gesetzte kurze Frist von 14 Tagen zeigte die Entschlossenheit eines Teils der Synode, in Brüdern „Ordnung“ zu schaffen. Eben dies war der schwache Punkt des Antrages. Aus einer theologischen Frage wurde eine Ordnungsfrage gemacht. Nun ging es nicht mehr um die Frage der Vielfalt theologischer Meinungen und Gottesdienstformen in der Landeskirche, sondern um eine „Einheit“. Der Antrag wurde am 16. März unter „Verschiedenes“ eingebracht und auch auf die Tagesordnung gesetzt und ausführlich diskutiert.
Diese Gesprächslage wurde dadurch erheblich verschärft, dass einen Tag vorher Pfr. Witte in einem vier Seiten langen Artikel im Gemeindebrief vom 15. März 1953 unter dem Titel „Die Kammerfeldwebel-Perspektive“ bereits zu diesem Antrag Stellung genommen hatte. Darin hatte Witte die Lage der Landessynode mit der Position eines unbelehrbaren Feldwebels in der Etappe verglichen, um den herum bereits alles im Aufbruch zum Rückzug in die Heimat wäre, weil die Etappe von Feinden umzingelt wäre, nur eben der Kammerfeldwebel sähe auf seine sinnlos gewordene Haus- und Abgabeordnung. „Wir haben keine Zeit, uns lange mit Kammer-Feldwebel-Problemen zu beschäftigen. Wenn sie uns schon einen Etappenzauber vormachen wollen, dann kurz und präzise. Also: Kammerfeldwebel, verteidigt eure Ordnung! Es knallt zwar schon an allen Ecken und Enden, eure Kammer ist ohnehin in Liquidation, aber macht eure gründliche „Ordnung“ – und wenn dann nichts mehr zu ordnen ist, wenn die Kirchen ganz leer geworden sind, wenn der Katechismus restlos unter den Tisch gefallen ist, - dann habt ihr wenigstens eine „Ordnung.“
Pfr. Dr. Schulze begründete den Antrag und ließ sich durch den Kammerfeldwebelbrief nicht provozieren. Man wolle die Angelegenheit „wirklich brüderlich behandeln.. und möchten mit den Brüdern im Gespräch bleiben mit dem Ziel, die Einheit unserer Landeskirche wieder herzustellen.“ Pfr. Cieslar vermutete, die Grundsätze dieser Kreise um Brüdern bewegten sich „irgendwie in einem psychologischen Trauma“. Sie könnten die Armut der Kirche nicht ertragen. Pfr. Wedemeyer sah den Namen des Landesbischofs durch Witte missbraucht. Dagegen verteidigte OLKR Seebaß nachdrücklich die Vorgänge in der Brüdernkirche. „In Brüdern geschieht nichts, was die Braunschweiger Liturgie eigentlich verändert...mir hat Brüdern sehr reichen Segen geschenkt.“ OLKR Seebaß hatte Witte verschiedene Male im Gottesdienst vertreten. Als der Landesbischof der Synode mitteilte, dass er sein vom Kirchenregierungsbeschluss abweichendes Votum nach Rücksprache mit OLKR Dr. Breust Pfr. Witte schriftlich mitgeteilt habe, erklärte Pfr Menzel, die Vertrauensbasis zum Bischof wäre gestört. Erdmann verließ daraufhin verärgert den Sitzungsraum, kehrte aber auf gutes Zureden wieder zurück. Die Synode stärkte indes der Mehrheit der Kirchenregierung den Rücken und beschloss die Billigung ihres Beschlusses, Hilfsprediger Lieberg nicht anzustellen. Dieser Beschluss wäre nicht rechtlich nötig gewesen, aber die Synode wollte nunmehr gegenüber den Eigenwilligkeiten der Brüderngemeinde und auch gegenüber OLKR Seebaß und dem Landesbischof klare abgrenzende Position beziehen.
Die Brüdernthematik bedeutete mehr als eine spürbare atmosphärische Störung der Synodalsitzungen.
Der zweite Teil des Antrages, bis zum 1. April 1953 die Ordnung in Brüdern wieder herzustellen, wurde auf die nächste Sitzung vertagt, um Pfr. Witte im synodalen Gemeindeausschuss die Möglichkeit zur Aussprache zu geben. Witte wurde vom Ausschussvorsitzenden zweimal zu einer Sitzung eingeladen, erschien aber nicht. Es lag offenbar dem Kirchenvorstand der Brüderngemeinde und Pfr. Witte nicht an einem offenen Gespräch, das eine Veränderung einschloss, sondern an einer Demonstration ihres für einzig recht gehaltenen Glaubens. Außerdem erstrebte Witte eine Art Lehrgespräch, auf dem über die Richtigkeit der hinter der Gottesdienstform stehenden Lehre gestritten werden sollte. Auf ein Lehrgespräch hingegen wollte sich die Synode nicht einlassen, was Witte ihr als Schwäche auslegte. Auf der nächsten Sitzung der Synode am 29./30. Juni 1953 wurde die Frage der liturgischen Gebräuche auf die Tagesordnung gesetzt und in Anwesenheit vieler Gemeindemitglieder behandelt. Pfr. Witte hatte eine 15 Seiten lange „Apologie“ verfasst, die ein Kirchenvorsteher zu Beginn dieser Synodalsitzung vollständig vorlesen durfte. Aber die Apologie bot keine Brücke zu einer Verständigung. Pfr. Buchholz stöhnte, die Brüderngemeinde bestünde „nur aus Eingeweihten“ und die Gegensätze wären so tief, dass eine Gesprächsebene nicht mehr vorhanden wäre.
Sogar Pfr. Witte erhielt auf der Synode das Wort, nutzte die Gelegenheit allerdings nicht zum Einlenken, sondern forderte lediglich „Freiheit für Brüdern“, die anderen Stadtpfarrer sollten es halten wie sie wollten. Mit diesem Redebeitrag hatte sich Witte auch die Sympathie des Synodenpräsidenten Buhbe verscherzt.
Schließlich tagte die Synode gegen den Protest von Bischof Erdmann nicht öffentlich, vertagte eine Entscheidung und bat den Landesbischof, noch einmal mit Mitgliedern der Brüderngemeinde zu reden mit dem Ziel, „die Gemeinde zur freiwilligen Aufgabe der strittigen Zeremonien zu bewegen.“ Dieses Gespräch fand einen Monat später am 30. Juli 1953 in der Domsakristei unter Beisein von Synodenpräsident Buhbe, LKR Wilkens, Hannover, dem Bischof, Pfr. Witte und Mitgliedern des Kirchenvorstandes statt, brachte aber kein Ergebnis. Eine Aufforderung, am 5. Oktober 1953 im Landeskirchenamt zu erscheinen, ließ Pfr. Witte verstreichen, sodass Bischof Erdmann unter dem Datum vom 23.10.1953 eine „bischöfliche Weisung“ zur Aufgabe der Zeremonien ergehen ließ.
Auf diese bischöfliche Weisung, die einen Schlusspunkt hätte setzen können, reagierte nun allerdings Witte mit einem Schreiben vom 6. November, das selbst Erdmann als „ungehörig, ungebührlich und ungezogen“ titulierte.
Diese bisherige Entwicklung wurde in der Synodalsitzung am 30. November 1953 dargestellt und die Synode war nunmehr gewillt, durch ein Gesetz, in Brüdern „Ordnung“ zu schaffen. Der Synodale Radkau, der die Brüderngemeinde besucht hatte, berichtete entsetzt von der dort verbreiteten Meinung, die Braunschweiger Landeskirche wäre „eine Kirche ohne Wort und Sakrament“, daher „nicht von Gott“. „Das grenzt ja an religiösen Wahnsinn“, bilanzierte er. Der Synodale Stracke sah bei Brüdern „ein Stück Besessenheit“. Der Arzt und Synodale Barnstorff bedauerte, dass man anfangs nicht rigoros vorgegangen wäre. Dann wäre ein Gesetz überflüssig. Brüdern wäre keine Gemeinde im üblichen Sinne, sondern eine „verschworene Gemeinschaft“, die sich den Charakter ihres Pfarrers zu eigen gemacht habe. Pastor Witte müsste so reagieren, wie er es täte, aber „dieses paranoide Denken“ wäre nicht krankhaft. Bischof Erdmann beschwor die Synode, kein Gesetz zu verabschieden.

Als die Meinungsbildung der Synode bereits abgeschlossen war, votierte noch OLKR Seebaß sehr ausführlich für die Brüderngemeinde und nannte ein mögliches Gesetz bereits jetzt „bekenntniswidrig.“ Auch der Synodenpräsident Buhbe sprach sich gegen ein Gesetz aus. Er sah richtig, dass ein Gesetz gegen Brüdern das Verhältnis der Landeskirche zur Brüderngemeinde nicht verändern würde, wenn dieses Gesetz nicht auch angewendet werden würde. Die Landessynode beschloss mit 35 gegen 7 Stimmen und drei Enthaltungen, ein Brüderngesetz zu verabschieden, ließ jedoch den Inhalt des Gesetzes ausdrücklich offen und verschob die Angelegenheit auf die Frühjahrssynode 1954, vielleicht in der Hoffnung, dass Pfr. Witte und seine Gemeinde inhaltlich der Synode entgegenkommen würden. Diese jedoch befanden sich im Zustand des Bekennens und nicht des Diskutierens.
Am 31. März 1954 wurde das sog, „Brüderngesetz“ von der Landessynode mit 36:4 Stimmen angenommen. Unmittelbar vor der Abstimmung votierte OLKR Seebaß wiederum sehr scharf gegen eine Gesetzesform, die bereits in der vorhergehenden Sitzung beschlossen war. Er bat die „hohe Behörde, in der Verantwortung vor Gott dieses Gesetz nicht zu beschließen, weil es die Struktur unserer Landeskirche ändert“. Er fürchtete, dass die Landeskirche aufgrund dieses Gesetzes „sehr sehr schweren Zeiten entgegengehen“ würde und „wir diesen Beschluss einmal sehr zu bereuen haben.“ Das am 20. April 1954 im Amtsblatt veröffentlichte Gesetz besteht aus folgendem einzigen lakonischen Paragraphen: „Kultische Gebräuche, die der landeskirchlichen Übung nicht entsprechen und in einer Kirche anderen Bekenntnisses einen dem ev.-luth. Bekenntnis widersprechenden Sinn haben und darum der Missdeutung unterliegen, wie z.B. die Verwendung von Weihrauch, Asche und einer „ewigen Lampe“, sind nicht erlaubt.“ Diesem kurzen Kirchengesetz ist ungewöhnlicherweise eine fünf Spalten lange gründlich und streckenweise schonende Entstehungsgeschichte und Begründung beigefügt.

Das Brüderngesetz änderte an der liturgischen Ordnung in den Gottesdiensten an der Brüderngemeinde im Kern gar nichts, und in den Gottesdiensten der Landeskirche änderte sich durch die Verabschiedung dieses Gesetzes auch nichts. Wo der Bekenntnisnotstand ausgerufen wird, endet strukturell die gesprächsoffene Debattenmöglichkeit. Die zentrale Frage, unter welchen Bedingungen gravierende Bekenntnisunterschiede, ein entgegengesetztes Schrift- und Amtsverständnis in einer Landeskirche nebeneinander und wenn möglich fruchtbar bestehen könnten, wurde gar nicht gestellt und diskutiert. Die Synode schnitt durch das Gesetz die Brüderngemeinde von einer in ihr lebendigen Tradition ab, die Brüderngemeinde schloss die Landeskirche vom wahren protestantischen Glauben aus. Es reifte noch nicht die Erkenntnis, dass beide Glaubens- und Gottesdienstformen durch die sonntägliche Praxis auch im Gegeneinander nebeneinander bestehen konnten. Die Rolle des Bischofsamtes als eines zwischen den streitenden Parteien vermittelnden Amtes war durch diese Auseinandersetzung beschädigt worden, weil sich der Bischof unmissverständlich auf die Seite der Brüderngemeinde gestellt hatte.

Da sich offenbar auch der Landesbischof in einem Bekenntnisnotstand befand, fühlte er sich gedrängt, in seinem Tätigkeitsbericht am 14. April 1955 erneut provokativ die Frage der Brüderngemeinde aufzugreifen. Er zitierte in seinem Tätigkeitsbericht Formulierungen aus der Abteilung von OLKR Seebaß, der das Gesetz von 1953 als bekenntniswidrig bezeichnete, das „für die Kirche (als) schädlich grundsätzlich abgelehnt werden muß.“ Das war den Synodalen nicht neu. Seebaß hatte diese Ansicht immer wieder geäußert. In diesem Zusammenhang bedeutete sie allerdings, dass das Landeskirchenamt sich an einer Durchführung dieses Gesetzes aus Gewissensgründen gehindert sah. Erdmann hatte für diese gezielte Provokation der Synode die breite Öffentlichkeit gesucht.

Auf der Tagesordnung der Synode stand auch die Beschlussfassung über den Loccumer Vertrag. Vizepräsident Parisius nahm aus diesem Anlass bereits an der Synodaltagung teil, auch OLKR Mahrenholz wurde erwartet. Erstmals hatte der Landesbischof seinen Tätigkeitsbericht vervielfältigen lassen. Er erläuterte den ärgerlichen Absatz dahin, dass OLKR Seebaß am 26. Februar 1955 zu einem theologischen Gespräch zwischen Synode und Brüderngemeinde eingeladen habe. Der Leitende Bischof der VELKD, Bischof Meiser, hätte sich ganz besonders für ein Zustandekommen dieses Gespräches, das bereits am 25. Mai stattfinden sollte, eingesetzt. An diesem Gespräch sollten die Professoren Sommerlath, Leipzig, Rengstorf, Münster, Lehmann, Halle, OKR Hübner, Missionsinspektor Dr. Krause, Neuendettelsau und von der Landeskirche Pfr. Dr. Menzel, Predigerseminardirektor Brinckmeier, Propst Jürgens, Pfr. Witte und OLKR Seebaß teilnehmen. Themen des Gespräches sollten das Schriftverständnis, Realpräsenz und Konsekration beim Abendmahl und Adiaphora jeweils nach lutherischer Lehre sein.
Was Bischof Erdmann mit dieser neuen Initiative bezweckte, war den Synodalen völlig klar. Es sollte die leidige und unklärbare Bekenntnisfrage auf eine über die Landeskirche hinausreichende höhere Ebene gebracht werden. Die Gegensätze konnten dadurch inhaltlich nicht angenähert werden. Anstatt diese Initiative auf sich beruhen zu lassen und von der Synode aus das geplante Gespräch nicht zu beschicken, zeigte sich die Synode über die Äußerungen des Bischofs entsetzt und diskutierte mehr als zwei Stunden unvorhergesehen über diese Passage des Tätigkeitsberichtes.
Die Debatte wurde emotional geführt. Als der Synodale Kalberlah, der zugleich Vorsitzender des Pfarrervereins war, erklärte, er lehne den Tenor dieser Seebaßpassage vor der Pfarrerschaft des Landes auf das entschiedenste ab und drohte mit einer Protestaktion, wenn diese Passage auch dem Tätigkeitsbericht des Bischofs nicht gestrichen würde, erhielt er starken Beifall von den Synodalen. Präsident Buhbe rügte den Beifall als „unwürdig“, und musste diesen Ausdruck zurücknehmen. Der Redebeitrag des Landesbischofs wurde von Zwischenrufen unterbrochen, Seebaß forderte die Beseitigung des Gesetzes, der Synodale Schulze forderte die Zurücknahme der Einladung, zumal die in der Einladung genannten Synodalen vorher nicht gefragt worden waren. Die Einladung wurde auf den 5.-7. Juli im Marienstift verschoben und es sollte sich auch nicht mehr um ein Gespräch zwischen Synode und Brüderngemeinde handeln, sondern um ein die lutherische Kirche interessierendes Thema, wobei ausdrücklich weder über das Brüderngesetz noch über die sog. Apologie der Brüderngemeinde gesprochen werden sollte. Damit hatte sich die Synode von diesem Gespräch distanziert. Es kam auch nicht mehr zur Sprache. Wittes Teilnahme an dem geplanten Gespräch war krankheitshalber fraglich. Er verstarb an den Folgen einer Tuberkulose 46 jährig am 11. Juli 1955.

Literaturhinweis: Jürgen Diestelmann „Pastor Max Witte zum Gedenken an seinen 50. Todestag 11. Juli 1955“ Beilage in: Brüdernrundbrief Nr. 5 August/September 2005

Lebensordnung
Auf vier Sitzungen wurden die von der VELKD erarbeiteten und verabschiedeten Vorlagen für die Abschnitte II (Konfirmation) und III (Gemeindejugend) und VII (Trauung) überarbeitet. Dabei war der Arbeitsvorgang ausgesprochen intensiv. Über diese drei Abschnitte wurden die Synodalen am 23./24 Februar 1956 durch je einen systematischen Vortrag von Predigerseminardirektor Brinckmeier und Rektor Hoffmann, Loccum und zwei weitere Vorträge von Superintendent Klemm vom Gemeindeausschuss der VELKD Synode grundlegend informiert. Sie hatten an jedem Vormittag zwei gehaltvolle einstündige Vorträge aufzunehmen. In drei Arbeitsgruppen wurden die Referate diskutiert und im Plenum ausgetauscht. Die Ergebnisse der Plenardebatte wurden dem Gemeindeausschuss überwiesen. Die veränderte Vorlage des Gemeindeausschusses über die Trauung wurde dem Plenum am 6. Dezember 1956 vorgelegt, in Anwesenheit von OKR Wilkens, Hannover, verändert, Abschnitt für Abschnitt behandelt und in erster Lesung mit 30:8 angenommen. Eine zweite Lesung erfolgte am 21. März 1957 und wurde dann einstimmig mit 33 Stimmen bei drei Enthaltungen verabschiedet und im Amtsblatt vom 20. Mai 1957 S. 15 f, Kirchengesetz Nr. 6190 veröffentlicht. Der Abschnitt über die Konfirmation und Gemeindejugend wurde am 14. Juni 1956 verabschiedet und als Kirchengesetz unter demselben Datum unter der Nr. 6146 im Amtsblatt 1956, S. 27 f veröffentlicht.
Der Abschnitt über den „Dienst an den Kindern“ signalisierte Weltfremdheit und einen beängstigenden Realitätsverlust in der lutherischen Kirche. Dort heißt es: „Die Eltern beten täglich für ihre Kinder und lehren sie selbst beten. Sie erzählen ihnen die biblische Geschichte und lernen mit ihnen den kleinen Katechismus. Sie beten mit ihnen bei Tisch, halten Hausandacht und singen die Lieder der Kirche“. Diese Idylle aus der christlichen Gartenlaube, illustriert von Julius Schwind, war schon im 19. Jahrhundert völlig realitätsfern. Jedes nüchterne Taufgespräch konnte den Pfarrer darüber aufklären, dass Gebet, Kirchenlied, Vaterunser, Zehn Gebote nicht einmal bruchstückhaft zum geistigen Haushalt einer deutschen christlichen Alltagsfamilie gehörten. Nicht erst die zwölf Jahre Nationalsozialismus, die die Eltern durchlaufen hatten, die weit davor liegende Entkirchlichung in Stadt und Land, die die Großeltern erlebt hatten, hatten feste religiöse Traditionen aufgelöst. Mit der Vorstellung einer „Hausgemeinde“, die der Schlusssatz behauptet, befand sich die lutherische Kirche in einem konfessionellen Ghetto, das sie unfähig machte, realistisch auf Kinder und Jugendliche zuzugehen. „So stellen sich Vater und Mutter mit ihren Kindern als Hausgemeinde unter die Liebe und Zucht Christi, erfüllen ihren Auftrag, den Gott ihnen gegeben hat, und helfen ihren Kindern, lebendige Glieder der Gemeinde zu werden.“

Kinder und Jugendliche von 1956 hatten in Trümmern gespielt, die Hungerzeit nach Kriegsende erlebt, in notvoller Enge in Bunkern und in gedrängten Hausgemeinschaften oder auch nur in Nissenhütten das Überleben und Durchkommen mit List, Gewalt und Entbehrung durchgestanden – die Atmosphäre und die Rahmenbedingungen waren nicht für eine „unter der Zucht und Liebe Christi gestellte Hausgemeinde“ geschaffen. Es ist nicht vorstellbar, dass die Landessynode diese Sprache gesprochen hätte, wenn sie ihr nicht vorgegeben worden wäre.
Der Konfirmandenunterricht war als zwischen den Sakramenten gelegen gedacht. Er käme von der Taufe und führte zum Abendmahl hin. Aber die Taufe spielte für Eltern und Konfirmanden keine Rolle, sie war eine Eintragung im Stammbuch, und das Abendmahl war eine einmalige Veranstaltung, an der oftmals noch nicht einmal die Eltern teilnahmen. Auch diese ideelle Ortsbezeichnung hatte mit dem gelebten Ort der Jugendlichen nichts zu tun.
Die Lebensordnung regelte die Voraussetzungen für die Konfirmation, den Ablauf der Konfirmation und die Zulassung „auf ihr öffentliches Bekenntnis hin zum heiligen Abendmahl“, sie öffnete den Unterricht auch für Kinder, die nicht der evangelischen Kirche angehörten und beschrieb die Fälle, wann eine Konfirmation versagt werden sollte, die unter die Verantwortung des zuständigen Pfarrers fiel. So war die Lebensordnung ein Leitfaden für den amtierenden Pfarrer, aber keine Hilfe, den Kalamitäten des wöchentlichen Unterrichtes standzuhalten, geschweige denn, durch Öffnung der Unterrichtsformen und – Inhalte Lust zum Unterricht zu erzeugen und die Konfirmanden in ihrem geistigen Umfeld zu erreichen.

Der Abschnitt VII über die „christliche Ehe und kirchliche Trauung“ ging von gleichen realitätsfernen Voraussetzungen aus. Die Ehe war durch sechs Kriegsjahre, dann oftmals durch folgende Kriegsgefangenschaft in fast allen Familien in eine furchtbare Belastung und Unnormalität gestürzt worden. Die Kinder waren ohne das Beispiel einer funktionierenden Ehe aufgewachsen. Als die Väter zurückkamen, war ihre Eingliederung etwa in einen normalen Ehealltag kaum zu bewältigen, geschweige denn eine „christliche Familie“ oder „christliche Ehe“ vorstellbar. Von einer Analyse der gegenwärtigen „Ehenot“ unberührt, formulierte die Lebensordnung die Voraussetzung und Durchführung einer kirchlichen Trauung, behauptete, dass nichts die Eheleute so fest verbände wie „die Einmütigkeit im Glauben“, hielt die Trauung einer konfessionsverschiedenen Ehe dann für denkbar, wenn die Kinder evangelisch erzogen würden und – das war neu und heftig umstritten – hielt eine Trauung Geschiedener unter der seelsorgerlichen Verantwortung des Pfarrers im Ausnahmefall für möglich. Grundsätzlich jedoch galt die Unauflöslichkeit der Ehe, und das seelsorgerliche Bemühen sollte dahin gehen, „den Geschiedenen zur Rückkehr in die Ehe oder zum Verzicht auf eine neue Ehe zu helfen.“
Predigerseminardirektor Brinckmeier grenzte sich in seinem Einleitungsreferat hart von dem Eheverständnis als einem Vertrag ab. Das Wesen der Vertragstheorie der Ehe wäre ihre Gottlosigkeit. Friedrich d. Gr. hatte im preußischen Landrecht die Ehe als einen Vertrag definiert. In der konfessionalistischen Reaktion des 19. Jahrhunderts wurde die sog. Ordnungstheologie entwickelt, wonach Staat und Ehe besondere Schöpfungsordnungen Gottes wären. Diese theologische Vorstellung war nach dem 2. Weltkrieg in Misskredit geraten, weil auch der Staat Hitlers von den deutschen Lutheranern als Ordnung Gottes anerkannt worden war. Die Ehe, so Brinckmeier, wäre „eine Sache zu dritt“, von Mann, Frau und Gott. In seinen weiteren Thesen grenzte sich Brinckmeier stark von der Vorstellung ab, als ob die Ehe durch die kirchliche Trauung geschlossen würde. Das Verständnis der kirchlichen Trauung finge notwendigerweise damit an, dass man auf den Gedanken der Eheschließung in der Kirche verzichte. Das war weit über diesen Beratungstag hinaus eine volkstümliche, volkskirchliche Vorstellung. Es war schade, dass Brinckmeier diese wichtige These ans Ende seines Vortrages stellte, anstatt von ihr aus sein Trauungsverständnis zu entfalten. Aufhorchen mochten die Synodalen auch bei dem Satz „Ehelosigkeit ist eine Gabe Gottes, die andre reich macht.“

Die Vorlage der VELKD ging jedoch in ihrem grundlegenden Artikel von der Ehe als einer Stiftung Gottes aus. „Gott der Herr hat den Ehestand selbst eingesetzt“. Das war nichts anderes als die verderbliche Auffassung von der Ehe als Schöpfungsordnung. So wurde folgerichtig als an der Wirklichkeit völlig vorbei unter 2) behauptet: „Christen beginnen ihren Ehestand mit der kirchlichen Trauung.“ Tatsächlich begannen auch Christenleute ihren Ehestand mit dem gegenseitigen stillschweigenden Einverständnis über einen verantwortlichen Umgang miteinander und mit dem Beischlaf. Die Eheschließung war die Voraussetzung für die kirchliche Trauung, die Lebensordnung hingegen wolle, so berichtete OLKR Seebaß aus dem liturgischen Ausschuss der VELKD, „auf keinen Fall das christliche Volksempfinden aufgeben, dass (die Ehe) mit der kirchlichen Trauung beginne“. Es wäre nun folgerichtig gewesen, wenn die Lebensordnung eine Wiedertrauung Geschiedener konsequent verboten hätte.
Die Praxis in den Kirchengemeinden sah jedoch anders aus. Die Pröpste Bosse, Lehmberg und Jürgens berichteten aus ihrer Seelsorgepraxis, in der sie auch Geschiedene erneut getraut hätten. Das wiederholt angeführte Beispiel war der aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrte Ehemann, dessen Frau inzwischen mit einem anderen Mann zusammenlebte, der sich daraufhin scheiden ließ und eine neue Ehe beginnen wollte und die kirchliche Trauung begehrte. Propst Jürgens hielt es sogar für möglich, dass Gott selber die Ehe löst. Er plädierte auch dafür, die Formel, was Gott zusammenfügt, solle der Mensch nicht scheiden, auch bei der Wiedertrauung Geschiedener zu verwenden. Für Pfarrer Menzel war der leitende Gedanke, ob er durch eine Trauung den Geschiedenen „eine Lebenshilfe“ bieten könnte. Die Schrift gebiete, keinem Menschen den Segen vorzuenthalten.
Auch die Vorlage der Lebensordnung hielt eine Trauung Geschiedener für möglich, baute allerdings sehr hohe Hürden auf. Grundsätzlich wäre die Ehe unauflöslich und das seelsorgerliche Bemühen müsse dahin gehen,, „den Geschiedenen zur Rückkehr in ihre Ehe oder zum Verzicht auf eine neue Ehe zu verhelfen“. Der Psychiatriearzt und Synodale Barnstoff aus Königslutter bedauerte diesen Wortlaut aus „ärztlicher und brüderlicher“ Sicht. Der Antrag von Pfr. Herdieckerhoff, diesen Abschnitt zu streichen, wurde mit Stimmengleichheit (20:20) abgelehnt.
Zwischen der 1. und 2. Lesung erreichte die Synode eine Eingabe von fünf Pfarrern aus dem Umkreis Goslar (Wiese, Liebenburg; Rüß, Goslar; Hallwaß, Bredelem; Capelle, Immerode; Jürgens, Goslar), eine Trauung Geschiedener abzulehnen, weil sie im Widerspruch zur Grundsatzerklärung von der Ehe als Stiftung Gottes stünde und weil die Vergebung einer Scheidung nicht als Freibrief für eine neue Ehe verstanden werden dürfe, sondern Vergebung führe zu neuem Gehorsam, nämlich sich nicht erneut trauen zu lassen. Es war eine Debatte auf hohem Niveau mit viel Praxisbezug. Quälend lange indes zog sich die Diskussion darüber hin, ob der zuständige Pfarrer für den Fall einer Trauversagung ein sog. Dimissoriale ausstellen musste und welcher Pfarrer für einen Traugottesdienst zuständig wäre. Da spielte die Frage der Ausübung von geistlichem Druck eine Rolle ebenso wie die Frage, ob denn Kinder getauft werden könnten, wenn die Eltern nicht kirchlich getraut wären. Propst Gremmelt berichtete es als großen Erfolg, dass solche Taufen verweigert worden wären, woraufhin sich die Eheleute „in großer Zahl“ hätten nachtrauen lassen. Die Lebensordnung hingegen sah im letzten Satz vor, dass Kindern die Taufe nicht allein aus dem Grund versagt werden dürfe, weil die Eltern nicht getraut wurden. Der Abschnitt über die Lebensordnung wurde schließlich mit 33 Stimmen einstimmig bei drei Enthaltungen angenommen und im Amtsblatt 1957 S. 15 f Kgs Nr. 6190 veröffentlicht.

Die Tätigkeitsberichte des Landesbischofs und die Lage der Landeskirche.
Die zweite Sitzungsperiode wurde nach Erledigung der Regularien und Wahlen nicht mit einem Tätigkeitsbericht des Bischofs eröffnet, der den weit überwiegenden neuen Synodalen einen Überblick über die Lage der Landeskirche hätte bieten können, sondern mit einer fast 10 stündigen Haushaltsdebatte. Das ist auffällig im Vergleich zu den sehr häufigen Lageberichten des Bischofs in der ersten Sitzungsperiode. Der Bischof gab seinen ersten Tätigkeitsbericht erst in der 4. Sitzung am 26. Februar 1953. Es folgten noch drei weitere und zwar am 31. März 1954, am 14. April 1955 und am 4. Juni 1957, davon drei ohne Aussprache. (26.2. 53/ 31.3.54/ 4.6.57) Nach dem Tätigkeitsbericht vom 14.4.1955 erhob sich ein Sturm der Entrüstung, jedoch nur über eine einzige Äußerung von OLKR Seebaß über das Verhältnis seines Gemeindereferates zur Arbeit des Gemeindeausschusses. Es waren nicht die Tätigkeitsberichte des Bischofs, die die Synodalen zu einer Aussprache über die Lage der Landeskirche animierten, sondern die Haushaltsdebatte, die dann allerdings von finanziellen Gesichtspunkten dominiert wurde. Für die Berichte hatten die sechs Referate des Landeskirchenamtes sehr fleißige Sachberichte erstellt, die der Landesbischof zweimal ermüdend vollständig vortrug. Zweimal hingegen stellte er seine Lieblingsthemen, die Bekenntnisnöte und Bekenntnisgrundlagen der Landeskirche in den Vordergrund. Den letzten Tätigkeitsbericht vom 4.6.1957 erhielten die Synodalen schriftlich in die Hand. Die dem Bischof vorgelegten Berichte enthielten wohl auch die Ziffern über die Anzahl der Taufen, Trauungen und Beerdigungen, aber Erdmann erwähnte nur einmal das Ansteigen des Besuches beim Abendmahl, was gewiss damit zusammenhing, dass mit Beginn der Gottesdienstreform das Abendmahl häufiger angeboten wurde. Die stabile Anzahl bei Taufen und Trauungen überging Erdmann, weil sie ihm keine Aussage über die Lebendigkeit der Kirche vermittelten. Sie waren ein Erweis für die gefestigte volkskirchliche Struktur der Landeskirche, Erdmann hingegen warb für eine intensivere Bekenntnisstruktur der Landeskirche, die nicht an den Zahlen ablesbar war.

Der Bischof beklagte zu Recht die viel zu groß gewordenen Kirchengemeinden in der Stadt Braunschweig und im Salzgittergebiet. Propst Jürgens teilte den Pfarrern des Stadtkirchenverbandes folgende Gemeindemitgliederzahlen für das Ende des Jahres 1954 mit:

Anzahl der Gemeindemitglieder in der Stadt Braunschweig Ende 1954:
St. Martini: 10.396/ St. Michaelis: 10.455/ St. Jakobi: 11.699/ St. Georg: 12.566
St. Johannis: 16.654/ St. Pauli: 24.854
An allen diesen Kirchen amtierten zwei oder drei Pfarrer.
St. Andreas: 9.526 hatte einen Pfarrer

Die anderen Innenstadtkirchen hatten in ihrer unmittelbaren Umgebung wegen totaler Zerstörung weniger Wohnraum und daher eine geringere Anzahl an Gemeindemitgliedern.
St. Magni: 7.195/ St. Katharinen: 6.661/ St. Petri: 4.925/ St. Ulrici: 1.285

Fortsetzung der Bischofsberichte: Für die Kirchengemeinden war es bedeutsam, dass nach dem Tod von OLKR Seebaß, der seine Tätigkeit im Landeskirchenamt als Nebenamt betrieben hatte, aus dem Referat II (Gemeindereferat) ein den anderen gleichwertiges, hauptamtliches Referat von der Synode beschlossen wurde. Die beiden theologischen Referate (Referat I Personal und Referat II Gemeinden) waren beim Anwachsen der Kirchenbehörde ins Hintertreffen geraten. Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Baureferates vor allem und des Finanzreferates waren beständig gestiegen. OLKR Seebaß hingegen verfügte mit Frau Käthe Kaulitz, geb. Röpke nur über eine Sekretärin. Am 5. Juni 1957 hatte die Landessynode Max Wedemeyer im dritten Wahlgang gegen Karl Adolf v. Schwartz mit 25:14 Stimmen zum hauptamtlichen Oberlandeskirchenrat in dieses Referat II gewählt. Bischof Erdmann hatte die Wahl sehr gefördert und wollte damit behutsam seinen Nachfolger aufbauen.
Zwei Pröpste verstarben 1953 im Dienst: der Propst der Propstei Lehre Hans Ernesti mit 69 Jahren und der Propst der Propstei Lebenstedt Hermann Gennrich mit 55 Jahren. Ihre Nachfolger wurden Otto Dietz (Lehre) und Willi Buchholz (Lebenstedt).
Infolge der Wiederaufrüstung wurde Braunschweig auch als Garnisonstandort reaktiviert. Die Landeskirche stellte als Garnisonpfarrer Friedrich Wilhelm Wandersleb zur Verfügung.
Die Mitgliedschaft im Lutherischen Weltbund und die ersten Auslandsreisen des Bischofs nach Italien, Spanien und USA weiteten auch für die Landeskirche den Horizont in die Ökumene hinein. So erlebten die Synodalen bei der letzten Sitzung am 11. November 1957 einen ausgiebigen Reisebericht über die Versammlung des Lutherischen Weltbundes in Minneapolis unter dem Motto „Christus befreit und eint,“ wobei die theologischen Ergebnisse in den Hintergrund traten.

Vikarinnengesetz
Zur festgefügten kirchlichen Sitte gehörte die Vorstellung der Gemeinde, dass ein Pfarrer männlich zu sein habe. Für Frauen war im Dienst der Verkündigung nur zur Not Platz. Im März 1957 diskutierte die Landessynode über ein Vikarinnengesetz, das im Gemeindeausschuss unter Leitung von Pastor Dr. Brinkmann beraten worden war. Hier wurde ein Erbe der Bekennenden Kirche bemerkbar, das von den Mitgliedern des Pfarrernotbundes besonders unterstützt wurde. Nach der Vorlage sollten Theologinnen „zur Mitarbeit im geistlichen Amt“ angestellt werden können. „Das Amt der Pfarrvikarin besteht in Wortverkündigung, Seelsorge und Unterweisung. Sie ist in ihrem Dienst vor allem an Frauen, Mädchen und Kinder gewiesen. Im Rahmen des Dienstes kann für geschlossene Abendmahlsfeiern der Pfarrvikarin das Recht zur Sakramentsverwaltung eingeräumt werden“ (§ 2) Die Pfarrvikarin wurde nicht ordiniert, sondern eingesegnet, sie durfte auch nicht eine Gemeinde selbständig leiten, sondern konnte an Verhandlungen eines Kirchenvorstandes nur als Gast teilnehmen, sie trug keinen Talar, sondern ein schlichtes schwarzes Kleid. Die Vikarinnen erhielten 90% des Pfarrergehaltes und hatten unverheiratet zu sein. Im Falle der Eheschließung endete das Dienstverhältnis.
Nach den Vorstellungen der damaligen Zeit war das Gesetz trotz seiner zahlreichen, diskriminierenden Einschränkungen ein großer Schritt nach vorne. Die Landessynode stimmte diesem Gesetz am 22. März 1957 zu, aber die Kirchenregierung weigerte sich, das Gesetz zu veröffentlichen, sondern verwies es mit Hilfe des § 61 der Verfassung zur erneuten Beratung an die Synode zurück. Einen Monat später starb überraschend im Alter von 63 Jahren einer der heftigsten Gegner dieses Gesetzes, OLKR Seebaß. Der Gemeindeausschuss überarbeitete die Gesetzesvorlage, ohne den entscheidenden Anstoß, nämlich die Verleihung der Wortverkündigung und der Sakramentsverwaltung zu beseitigen. In einem Schreiben vom 29. Oktober 1957 schlossen sich die Pröpste Lehmberg, Vorsfelde, Blümel, Königslutter und Hobom, Hoiersdorf, sowie Pfarrer Johann Heinrich Lerche, Bevenrode vom Lutherischen Bruderkreis und Sup. a. D. Günther Leppin, Velpke, der Haltung der Kirchenregierung an und wünschten die völlige Ablehnung des Gesetzes. Pfarrer Dr. Menzel erarbeitete ein umfangreiches Memorandum, der Landesbischof lud zweimal zu einem vermittelnden Gespräch am runden Tisch ein. Aber die Positionen blieben unverändert. Am 4. Juni 1957 wählte die Landessynode zum Nachfolger von Hans-Eduard Seebaß Max Wedemeyer zum Oberlandeskirchenrat. Wedemeyer bat in einem Schreiben am 4. November 1957 an alle Synodale, das Pfarrvikarinnengesetz zwar so zu belassen, aber den besonders umstrittenen § 8, Abs 2 (Wortverkündigung und Sakramentverwaltung) fallenzulassen. Er sei „wirklich unhaltbar“. In ihrer letzten Sitzung am 11. November beriet die Landessynode das zurückverwiesene Gesetz erneut. Der Vorsitzende des Gemeindeausschusses, Pfarrer Dr. Brinkmann, wies die Einwände, das Gesetz widerspreche der Bibel und presche innerhalb der lutherischen Kirchen ohne Not voraus, zurück. Er verlas einen Brief von OKR Wilcken, Hannover, wonach sich die Synode mit ihrer Gesetzesvorlage innerhalb dessen befände, was in der VELKD seit 1948 praktiziert würde. Frau Dr. Pfaffendorf, Pfarrer Dr. Schulze und Jürgens traten nachdrücklich für die alte Formulierung ein, Frühling lehnte dagegen das ganze Gesetz ab. Allerdings schlug Pfarrer Dr. Menzel schon zu Beginn der Debatte selber vor, den umstrittenen § 8,2 fallen zu lassen. Stattdessen beantragte Rauls die vage Kompromissformulierung, dass in einzelnen Fällen der Aufgabenkreis einer Pfarrvikarin in der Dienstanweisung erweitert werden könne. Mit 27:10 Stimmen entschied sich die Landessynode gegen die Aufnahme des § 8,2 und mit 23:14 für den Kompromissvorschlag Rauls. Das ganze Gesetz wurde mit einer Gegenstimme bei zwei Enthaltungen angenommen. Tatsächlich war der theologische Durchbruch nicht erreicht worden. Die Kirchenregierung veröffentlichte das Kirchengesetz Nr. 6234 am 10. Januar im Amtsblatt 1958, S. 1 „Über die Anstellung und Rechtsverhältnisse der Pfarrvikarinnen“, in dessen §1 es nun hieß: „Der Dienst der Pfarrvikarin in der Landeskirche ist ein geistlicher Dienst eigener Art.“

Literaturhinweis: Kühnbaum-Schmidt in: „Mit Phantasie und Tatkraft“

Verhältnis Staat-Kirche: Domvertrag und Loccumer Vertrag.
Ein weiterer, historisch gewordener Schwerpunkt dieser II. Sitzungsperiode wurde das bereinigte Verhältnis von Staat und Kirche durch die Neuordnung der rechtlichen Verhältnisse am Braunschweiger Dom und durch den Loccumer Vertrag.
Am 20. Oktober 1954 unterzeichneten in der Domsakristei Dr. Bojunga, Staatssekretär im Kultusministerium, und Ministerialrat Müller vom Kultusministerium sowie Landesbischof Erdmann den Domvertrag, mit dem der Dom, das Dompfarrhaus, das Domkantorenhaus und der Domfriedhof rechtlich der Landeskirche kostenlos übereignet wurden. Für diese vier Objekte war eine Gesamtsumme von 929.500 DM und eine Beihilfe des Landes Niedersachsen in gleicher Höhe genannt worden. (Artikel 9) Außerdem erhielt die Landeskirche für bereits geleistete Bauarbeiten und für künftige Bauarbeiten am Dom und Dompfarrhaus insgesamt 283.000 DM (Artikel 2). Das Land verpflichtete sich zur Bezahlung der Gehälter des Dompfarrers und des Domkantors.(Artikel 5)

Die Landeskirche hatte einen attraktiven und finanziell interessanten Vertrag ausgehandelt, der wesentlich zu Lasten des Landes Niedersachsen ging. Die SPD/BHE Regierung in Hannover hatte kein großes Interesse, diesen Vertrag durch eine ausgiebige Debatte im niedersächsischen Landtag zusätzlich publik zu machen. In der ersten Lesung am 25. Juni 1954 begründete Kultusminister Voigt die Regierungsvorlage nur knapp und überging die erheblichen finanziellen Zugeständnisse. Auch im Haushaltsausschuss des Landtages kam es am 17. August 1954 zu keiner Aussprache. Ministerialrat Blumig trug lediglich vor, dass das Land künftig von der Baulast für den Dom befreit sei. Von den weiteren Zuwendungen und Verpflichtungen war nicht die Rede. Ohne Aussprache empfahl der Haushaltsausschuss dem Plenum die Annahme der Vorlage. Schon nach drei Monaten wurde am 3. September 1954 in zweiter und dritter Lesung die Regierungsvorlage angenommen. Außer dem Berichterstatter Wache vom Gesamtdeutschen Block - BHE ergriff kein Abgeordneter das Wort, etwa um das partnerschaftliche Verhältnis von Staat und Kirche hervorzuheben, oder um im Rückblick auf die unseligen Auseinandersetzungen um den Braunschweiger Dom in der nationalsozialistischen Zeit auf die Wohltat einer Trennung von Staat und Kirche hinzuweisen.
An der Unterzeichnung in der Domsakristei nahmen vom Land Braunschweig noch Vizepräsident Parisius und von der Bezirksregierung Regierungsdirektor Wolf, von der Landeskirche außerdem OLKR Dr. Breust, OLKR Seebaß und Landeskirchenrat Quast teil. Während die Landeskirche mit ihren kompletten institutionellen Spitzen vertreten war, behandelte die Regierung die Angelegenheit auf einer repräsentativ niedrigeren Stufe.
In seiner Sitzung am 2./3. November 1954 lag der Landessynode der Domvertrag vor. Der Landesbischof deutete in seinem Bericht zur Lage die günstigen Bedingungen an, dann tagte die Landessynode nicht-öffentlich. OLKR Dr. Breust hatte für die Synodalen eine gründliche 14 Seiten lange Denkschrift über die „Entwicklung der Rechtsverhältnisse am Braunschweiger Dom von 1924 bis zur Gegenwart“ erstellt, die mit der lakonischen Bemerkung schloss: „Der finanzielle Enderfolg für das laufende Haushaltsjahr ist also ein Plus von 100 487 DM.“ Die Landessynode stimmte dem Vertrag zu.

Loccumer Vertrag
In jeder Hinsicht umfangreicher und grundlegender war die Neugestaltung des Verhältnisses von Staat und Kirche im Loccumer Vertrag. Nach einem Anschreiben von Ministerpräsident Kopf am 10.1.1955 an die niedersächsischen Bischöfe hatten sich am 20. Januar 1955 erstmals Vertreter der Landesregierung unter Ministerpräsident Kopf und der fünf niedersächsischen Landeskirchen (Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Schaumburg-Lippe, reformierte Kirche) zu offiziösen Gesprächen getroffen. Bereits am 19. März 1955 wurde der Loccumer Vertrag unterzeichnet, der die erheblichen Eingriffsrechte des Staates in die Hannoversche Landeskirche durch den Staatsvertrag mit Preußen von 1931 beendete und die besonders von der Braunschweiger Landeskirche seinerzeit ständig vorgebrachten finanziellen Forderungen an die Braunschweiger Landesregierung grundsätzlich bereinigte. Der Staatsvertrag gewährte die Freiheit des evangelischen Bekenntnisses und respektierte die Selbständigkeit der Kirchen (Art. 1), die Kirchen wurden bei der Anstellung von Theologieprofessoren in Göttingen vorher gutachterlich gehört (Art. 3), an den pädagogischen Hochschulen das Fach Religionspädagogik gewährleistet (Art. 4), Beschlüsse über die Bildung und Veränderung ihrer Kirchengemeinden würden die Kirchen acht Wochen vorher der Landesregierung mitteilen (Art. 11), die Kirchensteuer bedürfte der Genehmigung durch die Landesregierung, jedoch nur, wenn sie über 10% betrüge und der Prozentsatz in den niedersächsischen Landeskirchen ungleich wäre (Art. 12), die Einziehung der Kirchensteuer erfolgte durch die Finanzämter (Art. 13), die Kirchen erhielten das Recht von Sammlungen freiwilliger Gaben (Art. 14), das Land zahlt einen festen Zuschuss zur Pfarrerbesoldung an die Kirchen (Art. 16) und zur Bauunterhaltung den einmaligen Betrag von 5,5 Millionen DM (Art. 17), das Eigentum an staatlichen Gebäuden und Grundstücken, die ausschließlich evangelischen ortskirchlichen Zwecken gewidmet waren, übertrug das Land den Kirchen, und das Land Niedersachsen war von Verpflichtungen zur baulichen Unterhaltung frei (Art. 17). Der Vertrag enthält insgesamt 23 Artikel. Er wäre Ausdruck des „guten Willens der Regierung“ wurde Bischof Lilje im Untertitel auf Seite 1 der Braunschweiger Zeitung vom 21. März zitiert, und der Chefredakteur Hans Jürgen Heidebrecht widmete am 23. März dem Loccumer Vertrag einen positiven Kommentar: „Beginn eines neuen Abschnitts in den Beziehungen zwischen Kirche und Staat.“

Ganz erstaunlich schnell ratifizierte der niedersächsische Landtag bereits am 30.3.1955 in verkürzten Fristen alle drei Lesungen des Vertrages an einem Tag. Es gab keine gründliche Beratung in den Ausschüssen, der Abgeordnete Böhme als erster und einziger Redner der SPD murrte dann auch, man habe den bevorstehenden Abschluss des Kirchenvertrages nur aus der Presse entnommen, aber der Ministerpräsident Hinrich Kopf hatte eingangs erklärt, mit diesem Vertrag erfülle sich „ein Anliegen seines Herzens“, er hoffte im Stillen auf eine Vereinigung aller evangelischen Landeskirchen Niedersachsens und hob das geschaffene partnerschaftliche Verhältnis von Staat und Kirche hervor. Kultusminister Voigt, dem man nicht eine besondere Nähe zur Kirche nachsagen konnte, begründete ausführlich den Vertrag, die FDP wollte nur noch wissen, wie die finanzielle Deckung für die gut 13 Millionen DM war, Minister Kubel, der Altbraunschweiger, verwies auf Wertpapiere, die die Kirchen annehmen würden, es redete noch ein Abgeordneter für den BHE, und dann wurde der Vertrag in allen drei Lesungen mit wenigen Gegenstimmen und großer Mehrheit angenommen.

Von diesem Tempo war nun sogar Landesbischof Erdmann überrascht, vermerkt der Bischof in seinem Lagebericht am 14. April und hob später die „erheblichen finanziellen Vorteile“ des Vertrages hervor. Der jährliche feste Staatszuschuss war für die Braunschweiger Landeskirche von 330.000 DM auf 730.000 DM gestiegen und die jährliche Staatsrente für die Unterhaltung des Landeskirchenamtes von 107.000 DM auf 220.000 DM, wobei sich dieser Betrag je nach der Konjunktur in Zukunft nach oben veränderte. OLKR Breust wies auf diese besonderen finanziellen Vorteile in seinem Referat vor der Synode hin.
In Verkennung der staatsrechtlichen Voraussetzungen äußerte der Bischof leicht beklommen zu den Bindungen der Kirche an den Staat: „Zu bestreiten ist dabei natürlich nicht, dass anstelle der bisherigen völligen Freiheit der Landeskirche ein Vertrag mit Bindungen tritt, der auf dem Gebiete der Pfarrbesetzung, Gemeindebildung und auch des Schulgesetzes Fragen hat, die wir beantworten müssen.“
OLKR Mahrenholz, Hannover, berichtete eingangs von der einstimmigen Zustimmung der Hannoverschen Landessynode am Vortag, die sich zu einer außerordentlichen ganztägigen Sitzung getroffen hatte und warb für die Bildung einer niedersächsischen Landeskirche. Für den vereinten Rechts- und Finanzausschuss empfahl OLKR Dr. Lerche die Annahme des Vertrages wie danach auch LKR Quast, der die Verhandlungen für die Landeskirche begleitet hatte. Der Vertrag sah später einen Bevollmächtigten bei der Landesregierung vor, der von einem Mitglied einer Konferenz aller von den fünf Landeskirchen Bevollmächtigten gestellt werden sollte. Da die Kirchenregierung dafür Pfr. Quast mit dem Titel eines Oberlandeskirchenrats ausersehen und während dieser Debatte beantragt hatte, außerdem für ihn ein „Domvikariat“ schaffen wollte, entglitt die Aussprache ins Persönliche, die Landessynode fühlte sich überfahren und tagte nicht-öffentlich weiter. Nach zahlreichen Nachfragen zum Vertragswerk wurde der Loccumer Vertrag schließlich mit zwei Enthaltungen angenommen.
Im Amtsblatt vom 30. April 1955 S. 7ff wurde der Loccumer Vertrag unter Nr. 6074 veröffentlicht.

Der Ministerpräsident und die Parteien hatten sich zur Eile durch die bevorstehenden Landtagswahlen genötigt gesehen und auf die Zustimmung der evangelischen Wählerschaft gehofft. Bereits am 23.3.1955 signalisierte die CDU Zuversicht für die Niedersachsenwahl. Bei der Wahl zum 3. Niedersächsischen Landtag am 24.4.1955 wurde die langjährige SPD-Landesregierung abgelöst, weil der BHE sich aus der Koalition mit der SPD löste und Heinrich Hellwege (DP) mit der CDU, FDP und dem BHE eine Koalitionsregierung bildete. Unausgesprochene, parteipolitische Hoffnungen hatten sich für die SPD durch den Loccumer Vertrag nicht erfüllt. Die günstigen Bedingungen des Domvertrages und des Loccumer Vertrages wurden nicht ganz grundlos von den zeitgenössischen Kommentaren als Belohung für das Wohlverhalten der Landeskirchen gegenüber dem ein Jahr zuvor verabschiedeten Schulgesetz interpretiert.

Literaturhinweis: Arno Schilberg „Der Loccumer Vertrag. Entstehung und Folgen“ in: Klaus Erich Pollmann „Kirche in den fünfziger Jahren“ (Hg) S. 89 ff

Schulgesetz und Militärseelsorgevertrag
Gottesdienstreform und Brüderndebatte betrafen die inneren Angelegenheiten der Landeskirche. Zweimal musste sich die Landessynode jedoch tagespolitischen Themen stellen: 1954 dem niedersächsischen Schulgesetz und 1957 dem Militärseelsorgevertrag.

Das Schulgesetz
Am 14.9.1954 hatte der niedersächsische Landtag ein Schulgesetz verabschiedet, in dem die „christliche Gemeinschaftsschule“ propagiert wurde. „Die von Gemeinden, Landkreisen, Zweckverbänden und vom Land getragenen Schulen sind grundsätzlich christliche Schulen“ (§ 2) Erstaunlicherweise hatte die FDP von dieser Bezeichnung ihre Zustimmung zum Gesetz abhängig gemacht. In dieser christlichen Schule „werden die Schüler ohne Unterschied des Bekenntnisses und der Weltanschauung gemeinsam erzogen“. Auf die Empfindungen Andersdenkender wäre Rücksicht zu nehmen. § 5 sicherte den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach. Kein Lehrer konnte gezwungen werden, Religionsunterricht zu geben und mit 14 Jahren konnte sich ein Schüler schriftlich vom Religionsunterricht abmelden. Nur unter schwierigen Bedingungen konnten die Kirchen eigene, konfessionell geprägte Schulen gründen. Es sollte in Niedersachsen einen einzigen Schultyp, nämlich diese christliche Gemeinschaftsschule geben. Für die Braunschweiger Landeskirche war dieses Gesetz kein großes Problem, weil es anders als in der Hannoverschen Landeskirche keine konfessionellen Schulen unterhielt.

Dagegen sah sich das Bistum Hildesheim in seinen Rechten erheblich eingeschränkt und entfaltete eine scharfe, öffentlichkeitswirksame Agitation unter der Alternative „Bekenntnisschule oder Gemeinschaftschule“ und klagte vor dem Bundesverfassungsgericht. Die evangelischen Kirchen hatten sich an den vorbereitenden Verhandlungen mit der Landesregierung beteiligt und ihre Wünsche geäußert, auf die auch große Rücksicht genommen wurde. Sie beteiligten sich nicht an den von der katholischen Kirchen veranstalteten Kundgebungen und Demonstrationszügen. Immerhin sah sich der sozialdemokratische Ministerpräsident Hinrich Kopf von der politischen Linken bedrängt, der die Zugeständnisse aus der programmatischen Sicht einer grundsätzlichen Trennung von Schule und Kirche zu weit gingen. Ebenso wurde Kopf von der politischen Rechten bedrängt, die die Freiheit der Wahl zwischen unterschiedlichen Schulträgern beschnitten sah. Tatsächlich gab es in anderen Bundesländern mehrere Schultypen.

Die Braunschweiger Landeskirche wollte eine kirchenpolitische Debatte im kirchlichen Raum und auch in der Landessynode vermeiden. Noch waren auch auf kirchlicher Seite Erinnerungen an den unseligen sogenannten Schulkampf in der Weimarer Zeit im Braunschweiger Land lebendig. So war es begreiflich, dass auf der Synodalsitzung am 6./7. Mai 1954 auf dem Hessenkopf das niedersächsische Schulgesetz ans Ende der Tagesordnung plaziert wurde, zu dem OLKR Bartel, Hannover, über „Die Schulfrage in Niedersachsen“ referierte. Vorangegangen waren drei andere Themen. Über „Die Tauferziehung in Elternhaus, Kirche und Schule“ referierte der Landesbischof aus seiner sehr persönlichen Sicht; der Leiter des Katechetischen Amtes, Pastor Dr. Brinkmann über „Kritische Gedanken zur Unterweisung in der Kirche“ und Prof. Hammelsbeck, Düsseldorf, über „Das Problem der Konfessionalität für Schule und Erziehung.“ Wenige Tage vorher hatte die Hannoversche Landessynode getagt und das Schulgesetz der Regierung befürwortet. „Wir treten für eine gemeinsame Schulerziehung verschiedener Konfessionen ein“, hatte sie erklärt. Die Braunschweiger Landessynode schloss sich diesem Standpunkt an, bedauerte den Verlust einer bewusst evangelischen Elternschaft und einer in einer lebendigen Gemeinde wurzelnden Lehrerschaft. „Solange diese Mängel nicht wirklich behoben sind, erscheint der Streit über die missverständlichen Schlagworte „Bekenntnisschule“ und „Gemeinschaftsschule“ als abwegig.“ Das war eine realistische Einschätzung der Schulwirklichkeit aus der Sicht der Kirche und benannte offen die für die Landeskirche eigentlichen Probleme, die weniger in der Bezeichnung des Schultyps lagen sondern in der Kirchenfremdheit von Eltern- und Lehrerschaft. Im Braunschweiger Volksblatt vom 30.5.1954 berichtete Propst Padel ausführlich.

Literaturhinweis: Gottfried Niemeier „Vom Dienst der Kirche an und in der Schule 1950-1955“ in KJ 1955 S. 232 ff

Der Militärseelsorgevertrag
Der Militärseelsorgevertrag zwischen der Bundesrepublik und der Ev. Kirche war am 22. Februar 1957 von Kanzler Adenauer, Minister Strauss, dem Ratsvorsitzenden Dibelius und dem Präsidenten der Kirchenkanzlei Brunotte in Bonn paraphiert worden, obwohl die EKD-Synode im Juni 1956 erklärt hatte, ohne ihre Billigung keine weiteren Schritte zu unternehmen. Im März 1957 hatte die EKD Synode nach heftiger Debatte aber mit großer Mehrheit, auch der Delegierten aus den DDR-Kirchen, den Militärseelsorgevertrag gebilligt. Danach hatten auch alle Gliedkirchen ihre Zustimmung zum Vertrag zu erteilen.

Braunschweig, Wolfenbüttel und Blankenburg waren historische Garnisonstädte, die Landeskirche hatte jeweils in den Städten Pfarrer gestellt, die spezielle Aufgaben in den Garnisonen hatten. Die Beratung des Militärseelsorgevertrages war eine Gelegenheit, in der in der Landessynode an historische Bindungen zu erinnern und die Frage einer kirchlichen Begleitung der seit 1950 von Adenauer betriebenen Wiederaufrüstung zu diskutieren. Eine solche Diskussion wurde indes von der Landeskirchenleitung gefürchtet, daher wurde die Beratung des Militärseelsorgevertrages in eine bereits volle Tagesordnung der Sitzung am 4. Juni 1957 gepresst. Der Präsident Buhbe rief den Tagesordnungspunkt mit dem Bemerken auf, man werde nicht viel Zeit brauchen, um über diesen Tagesordnungspunkt kurz zu sprechen. Damit waren die Synodalen bereits vor längeren Redebeiträgen gewarnt. OLKR Röpke legte der Synode mit vier Sätzen die beiden Kirchengesetze vor und grenzte die Aufgabe der Synodalen drastisch ein. „Es ist nicht Ihre Aufgabe, nun diese Gesetze von A – Z noch einmal durchzulesen, abzuändern oder Wünsche vorzutragen. Es geht nur um ein Ja oder Nein.“ Röpke schlug vor, nicht in die einzelnen Lesungen einzutreten.
Das war eine nicht untypische Maulkorbrede, die sich nicht alle Synodalen gefallen ließen. Pfr. Bosse fragte, ob auch jene Landeskirchen, von denen „erhebliche Bedenken“ vorgetragen worden wären, den Militärseelsorgevertrag annehmen würden. Röpke erwiderte lakonisch, darüber wäre nichts bekannt. Der Präsident, der nun die Eröffnung einer Debatte befürchtete, schaltete sich sofort ein. Es ginge seiner Ansicht nach nur darum, ob das Militär versorgt werden solle. „Es handelt sich nicht darum, dass wir hier Stellung nehmen zur Wehrpflicht oder Nichtwehrpflicht.“ Deutlicher konnte sich die Angst vor einer nun womöglich einsetzenden Debatte nicht artikulieren. Röpke unterstützte den Präsidenten, dass man sich über die Tatsache der Notwendigkeit der Seelsorge an Soldaten völlig einig wäre. „Ich habe diese Verhandlungen in Bonn mitgemacht“, prahlte Röpke, ohne auch nur ein Sterbenswörtchen über diese Verhandlungen zu verlieren. Strittig wäre allerdings die Ausführung. Man könne auch andere Wege gehen, aber darum ginge es bei dieser Vorlage gar nicht. Ein Weg müsse gegangen werden. Da die Vorlage ziemlich ausführlich war, fragte nun Dr. Barnstoff weiter, ob es ein ähnlich ausführliches Gesetz zur „Seelsorge der Wehrmacht“ auch in anderen lutherischen Ländern gäbe. Kaum hatte ein Synodaler gefragt, beeilten sich in diesem Falle gleich zwei Oberlandeskirchenräte zur Antwort. Röpke verwies darauf, dass es in der schwedischen Staatskirche „selbstverständlich“ hauptamtliche Militärpfarrer gäbe, und OLKR Dr. Breust pflichtete bei, dass es in Schweden genau so wäre, „wie es früher im monarchistischen Deutschland war“. Er merkte nicht, dass der anachronistische Verweis auf die Zeit der Hofprediger das Problem, insbesondere nach zwei trotz anfeuernder Militärseelsorge verlorenen Weltkriegen zu einer Debatte geradezu aufforderte. Der Präsident empfand die Peinlichkeit des Vergleiches, schaltete sich zum zweiten Mal in die drohende Debatte ein und erklärte bündig, die Frage von Dr. Barnstorf wäre nicht zu beantworten. Nun meldete sich Propst Rauls, um eine beginnende Debatte im Keim zu ersticken. Die hessische Landeskirche habe die Beschlussfassung durch ihre Synode auf den Herbst hinausgeschoben. Für den Fall, dass die Braunschweiger Landeskirche nicht zustimmen würde, wäre sie von der Regelung einer „geordnete(n) Militärseelsorge ausgenommen, Er empfehle doch, sich nicht in eine „Aussprache über das Einzelne einzulassen.“
Nachdem die Synode von ihrem Präsidenten und OLKR Röpke nunmehr auch vom Kirchenregierungsmitglied Rauls einen Maulkorb erhalten hatte, fügte sich die Landessynode, ließ sich von OLKR Röpke den einzigen Paragrafen vorlesen und stimmte ab. Einer stimmte dagegen.
Unter den Synodalen waren zahlreiche Kriegsteilnehmer, einige in Offizierspositionen. Sie hätten vom Segen oder Fluch der Militärseelsorge aus eigener Erfahrung berichten können. Der Synodale Wedemeyer hatte ein viel gelesenes Buch über seinen Kriegseinsatz geschrieben „In der Welt habt ihr Angst“. Sie schwiegen alle und stimmten zu. Dem Wiederaufbau der Stadtkirchen folgte zeitgleich die Wiederaufrüstung und die Einberufung jener jungen Männer, die im ersten Kriegsjahr 1939 geboren worden waren.
So ist dieses drei Seiten umfassende Synodenprotokoll ein Lehrstück für penetrante Debattenstrategie, Ängstlichkeit vor der Behandlung kirchenpolitischer Themen, auch wenn sie hochaktuell waren, und mangelnder Courage vor dem massiven Druck der Kirchenleitung.

Unter den Synodalen herrschte gelegentlich größere Unbefangenheit. Nach dem Bischofsbericht am 19.6.1952 forderte der Synodale Dr. Barnstorf die Synode zu einer Stellungnahme zum Thema „Niemöller“ auf, wie sie die Schleswig- Holsteinsche Synode abgegeben hatte. Was in allen Gemeinden mit brennendem Interesse diskutiert würde, davor könnte die Synode die Augen nicht verschließen. Niemöller war als Leiter des Kirchlichen Außenamtes auf Einladung der orthodoxen Kirche Anfang 1952 nach Moskau gereist, was einen Sturm der Entrüstung in der Presse und in den Kirchen ausgelöst hatte. Die Reise passte auch nicht in das außenpolitische Konzept der Regierung Adenauer. Wie politisch die Kirche sein dürfte, wurde an Stammtischen und in Akademien diskutiert. Niemöller war mit seinem Ausspruch, der Bonner Weststaat wäre in Rom gezeugt und in Washington geboren, als schärfster Gegner der westdeutschen Regierung bekannt. Es war folgerichtig, dass er nach seiner Rückkehr als „nützlicher Idiot“ Moskaus beschimpft wurde. Niemöller verfasste mehrere ruhige Reiseberichte. Einer davon endete mit folgendem Resume: „Alles in allem: ich habe in Moskau eine Kirche gefunden, von der ich überzeugt bin, dass sie in ihren Gemeinden wie in ihren Ämtern Kirche Jesu Christi sein will. Wir können uns von dieser Kirche nicht lossagen oder auch nur als desinteressiert erklären; wir werden an sie denken, für sie beten und zu ihr hingehen..“ Die Mehrheit der Synode folgte nicht der Anregung von Dr. Barnstorf.
Sie wandte sich einem unverfänglichen Thema zu, dem Hauptgottesdienst, und hörte dazu ein Referat von OLKR Mahrenholz.

Umzug des Landeskirchenamtes
Das Dienstgebäude des Landeskirchenamtes, das seit 1827 gegenüber dem Wolfenbütteler Schloss in der Schlossstraße 1 und 2 untergebracht war, war dringend renovierungsbedürftig. Die Frage nach einer anderen Lösung lag nahe. Diese wurde jedoch amtlicherseits nicht gestellt, weil es unvertretbar erschien, ein neues Gebäude für die Kirchenbehörde ins Auge zu fassen, solange noch alle Innenstadtkirchen Braunschweigs und weitere Landkirchen kaum benutzbar waren. Es war keine glückliche Idee, dass Landesbischof Erdmann als Privatinitiative eine Verlegung der Kirchenbehörde nach Braunschweig und zwar in unmittelbare Nähe der Brüderngemeinde auf das Gelände des ehemaligen Franziskanerklosters plante. Das Gelände war im Besitz der Stadt. Erdmann hatte OLKR Berndt gebeten, unverbindlich eine Bauskizze anzugfertigen. Dies wurde bekannt, als der Landesbischof in der Sitzung am 20. Juni 1952 bei den Haushaltsberatungen en passent mitteilte, dass die Landeskirche die Möglichkeit hätte, das Gelände des ganzen Zeughauses zu erwerben. Der Finanzausschussvorsitzende Jürgens erwähnte, dass für eine Verlegung bereits Baupläne existierten. Der Synodale Höse erbat nähere Auskunft und der Bischof nahm alle Verantwortung auf sich: „Alles, was mit der Verlegung nach Braunschweig zusammenhängt, geht auf mein Konto.“ Die bereits getroffenen Verhandlungen wären „rein persönlich“. OLKR Berndt sekundierte dem Bischof, das Brüdernkloster würde „so oder so“ aufgebaut. „Wenn wir es nicht machen, machen es eben andere“. Damit sollte die Befürchtung vor den Synodalen aufgebaut werden, dass etwa die katholische Kirche Interesse zeigen würde. OLKR Seebaß nannte als warnendes Beispiel die Garnisonkirche. Die wäre bereits in katholischen Händen.

Im Bischofsbericht in der Sitzung am 26. Februar 1953 berichtete Erdmann, warum es zu diesem Alleingang gekommen war. Er hatte zu diesem Vorhaben nicht die Unterstützung der Oberlandeskirchenräte Röpke und Dr. Breust gefunden, die begreiflicherweise die Behörde in der Nähe ihrer Wolfenbütteler Wohnsitze wünschten. OLKR Seebaß, OLKR Lerche, OLKR Berndt hingegen wohnten in Braunschweig. Die Kirchenregierung hatte mit 5 Stimmen eine Verlegung nach Braunschweig zwar für wünschenswert, jedoch zur Zeit für undurchführbar gehalten. Damit schienen jedoch Verhandlungen für den Erwerb des Grundstückes noch nicht blockiert. Erdmann erhoffte sich die nötige Unterstützung nunmehr durch die Landessynode. Das war jedoch ein gewagtes Unterfangen, da er auch bei einer Mehrheitsentscheidung kaum hoffen konnte, dass das Kollegium des Landeskirchenamtes und die Kirchenregierung ihre Meinung ändern würden. Es hatten auch schon bereits Verhandlungen mit dem Verwaltungspräsidenten Schlebusch und Regierungsdirektor Wolf am 11. November 1952, also nur eine Woche vor der Synodensitzung stattgefunden. Dabei wären sich die Beteiligten grundsätzlich darüber einig geworden, das Gelände der Landeskirche zu übereignen. Am 15. Dezember hatten sich schon die Baufachleute beider Seiten getroffen. Der Sachstand war also bis zum 26. Februar schon sehr weit gediehen. Es sollten offenbar Sachzwänge hergestellt werden, bei der der Synode keine andere Wahl blieb, als dankbar zuzustimmen.
Erst auf einer schon drei Wochen später erneut einberufenen Sitzung am 6. März 1953 berichtete der Bischof von diesen Verhandlungen, die er und OLKR Berndt mit dem Regierungspräsidenten Schlebusch und Regierungsdirektor Wolf geführt hätten. Röpke und Dr. Breust hatten dem Bischof die Initiative überlassen in der festen Erwartung, dass dieses Projekt scheitern würde. OLKR Berndt versuchte die Synode mit dem Schreckensbild eines kleinen Ofenbrandes im Schlossplatzgebäude zu beeindrucken, wobei „nicht mehr in Millionen auszudrückende Werte, die in unseren Akten stecken,“ vernichtet würden. „Wir wollen ein Verwaltungsgebäude mit Sitz des Herrn Landesbischofs bauen“, erklärte Berndt und traf damit wohl genau die Vorstellung Erdmanns: ein Bischofssitz auf dem Gelände des ehrwürdigen Franziskanerklosters in unmittelbarer Nachbarschaft der hochorthodoxen Brüderngemeinde. Erdmann drängte auf eine Entscheidung, es handele sich „um ein Wagnis des Glaubens“, aber der Synodenpräsident wollte davon unbeeindruckt zunächst die Ausschüsse mit der Sache befassen. So entschied sich die Synode, den Bauausschuss mit einer Prüfung für verschiedene Lösungen zu beauftragen. Das war für den Bischof eine schwere Enttäuschung, weil der Regierungspräsident auf ein positives Signal aus dem Landeskirchenamt wartete.

Während der Haushaltsdebatte ein Jahr später am 31. März 1954 berichtete Pfr. Buchholz als Vorsitzender des Bauausschusses über die alternativen Vorschläge: Außer einem Neubau in Braunschweig kam auch ein Neubau in Wolfenbüttel in Frage. Es gab keinen Vorzug für das eine oder andere Projekt aus finanziellen Gründen. Daneben stand aber immer noch eine Renovierung der Gebäude am Schlossplatz zur Beratung, vor allem, weil es als die preisgünstigste Lösung erschien. Der Bericht löste eine ausgiebige Debatte aus und die dissentierenden Oberlandeskirchenräte zeigten sich pikiert, dass sie den Bericht des Bauausschussvorsitzenden nicht vor der Sitzung erhalten hatten. OLKR Röpke erklärte bündig: „Das Landeskirchenamt gehört nach Wolfenbüttel und ich verstehe einfach nicht, dass wir in die Trümmer gehen wollen“, das war ein Hinweis auf die straßenweise zwar geräumte, aber schwer mitgenommene Braunschweiger Innenstadt. Röpke verband seine Sicht mit einer Kritik am Baureferat: „Wir bauen viel, wir bauen auch zu schnell, wir bauen uns bankrott“. Damit war der im Kollegium der Oberlandeskirchenräte offene Konflikt mitten in die Synode getragen, was eine sehr schwierige Situation schuf, die von der Synode allein auch mit einer Mehrheitsentscheidung dauerhaft nicht zu lösen war. Die Synode forderte nunmehr das Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen einer anderen Landeskirche, was der Landesbischof wiederum nur als eine Verschiebung der Entscheidung verstehen konnte.

Aber der Landesbischof schien am Ziel, als der Sachverständige Kirchenoberbaurat Schenk die Gebäude am Schlossplatz noch viel miserabler einschätzte als OLKR Dr. Berndt. Daraufhin beschloss die Synode am 2.11.1954 bei nur vier Gegenstimmen und einer Enthaltung einen Neubau, ohne bereits einen Ort zu bestimmen. Sogar der in der nächsten Sitzung am 15. April beschlossene Loccumer Vertrag ging im Artikel 17 auf dieses heiß umkämpfte Thema ein. Dort war zu lesen: „Der Verzicht der Braunschweigischen ev.-luth. Landeskirche auf die Rechte an Gebäude und Grundstück in Wolfenbüttel, Schlossplatz 1-2, wird nur wirksam, wenn das Land das Grundstück in Braunschweig an der Brüdernkirche der Landeskirche überträgt.“ In eben derselben Sitzung beschloss die Landessynode am Ende einer langen Sitzung nach ganz kurzer Beratung mit 18:13 Stimmen einen Neubau des Landeskirchenamtes in Braunschweig auf dem Platz „Alter Zeughof“ für gut eine Million DM. Die beiden bisher widerstrebenden Oberlandeskirchenräte Röpke und Dr. Breust hätten schweren Herzens zugestimmt und erklärt: „Wir gehen nach Braunschweig“, berichtete Erdmann der Synode. Damit war der Landesbischof am Ziel seiner Wünsche und konnte beruhigt die zweimonatige Reise in die USA planen.

Der Beschluss der Synode, dass die Behörde endgültig Wolfenbüttel verlassen würde, machte nun die Kommunalbehörde mobil, und auch der Bürgerverein rührte sich, während sich Erdmann in den USA aufhielt. Die Braunschweiger Presse vom 9. Mai 1955 berichtete unter der Überschrift „Wolfenbüttel möchte das Landeskirchenamt behalten“ der Bürgerverein habe eine Protestversammlung abgehalten, und eine Kommission aus Propst Besser, Studienrat Oppermann, Bürgermeister Roloff, Stadtdirektor Mull und dem Vorsitzenden des Bürgervereins, Kreishandwerkmeister Wedemeyer sollten Rücksprache mit dem Synodalpräsidenten halten. Die Synodalen Besser, Oppermann, Bosse, Höse und Wiegel beantragten am 24. Mai bei der Kirchenregierung, „möglichst bald“ eine Synodalsitzung einzuberufen und diese Angelegenheit noch einmal auf die Tagesordnung zu setzen.

Auch die Kirchengemeinden meldeten sich schriftlich bei dem Synodalpräsidenten, und acht der Eingaben lehnten jeden Neubau ab. Auch die Propsteisynode Gandersheim und der Pfarrkonvent Vorsfelde machten eine Eingabe an die Kirchenregierung mit der Bitte, die Entscheidung noch einmal zu überdenken. Nach seiner Rückkehr aus den USA teilten Röpke und Dr. Breust dem Landesbischof mit, dass sie doch lieber in Wolfenbüttel bleiben wollten und ihre Entscheidung zurückzögen.
Zur Synodalsitzung am 1. September 1955 hatte die Freie Presse bereits eigene Recherche unternommen und diese am 28. August unter der Überschrift „Landeskirchenamt bleibt wahrscheinlich hier“ veröffentlicht.
Präsident Buhbe hatte den Synodalen noch einmal eine Chronik der Ereignisse zugeschickt und die Hoffnung auf eine rasche Entscheidung ausgedrückt. Aber die Synodalen Besser, Bosse, Höse, Lehmberg, Oppermann und Wiegel beantragten, den Beschluss vom 15. April aufzuheben und den Neubau des Landeskirchenamtes in Wolfenbüttel zu errichten. Der Landesbischof fühlte sich durch den Sinneswandel während seiner Abwesenheit hintergangen und witterte ein Komplott. Es wäre in die Geschlossenheit des Kollegiums Zwiespalt gesät worden und gewachsen. OLKR Röpke wehrte sich heftig gegen diesen öffentlich vorgebrachten Vorwurf. Der Bischof warnte vor einer Zurücknahme der Entscheidung und drohte mit einer „für das Bischofsamt, die Synode und das Landeskirchenamt schwerwiegende(n) Konsequenz.“, ohne sie konkret zu benennen. In einer schriftlich ausgearbeiteten Erklärung versuchte Erdmann ein sehr gewagtes Argument. Er habe als einziger Bischof innerhalb der evangelischen Kirche die Selbstreinigung von Nationalsozialismus und Deutschem Christentum in der Kirchenbehörde, Kirchenregierung, Synode und Pfarrerschaft abseits der staatlichen Entnazifizierung vorgenommen. „Ich wollte aus selbsterfahrener Vergebung auch in Vergebung mit meinen Kollegen im Landeskirchenamt, in der Kirchenregierung, Synode und Pfarrerschaft leben“. Forderte der Bischof nun eine Art Zustimmung zu seinem Bauprojekt von den dissentierenden Oberlandeskirchenräten, weil er ihnen seinerzeit ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus und zu den Deutschen Christen vergeben hatte?
Jeder mache sich schuldig, so schloss der Bischof seine Erklärung drohend, der hinter dem Rücken nach dem Grundsatz divide et impera glaube, seinen eigenen Willen durchzudrücken. „Zwingen Sie aber Ihren Bischof nicht, dass er das von der heutigen Sitzung denken und bei einem Widerruf Ihres Beschlusses vom 15.4.55 Konsequenzen ziehen muss.“ Der Bischof hoffte offenbar, dass die Synodalen nun erschreckt den Antrag zurückziehen oder sonstwie einlenken würden. Nachdem bereits den ganzen Vormittag über diesen Antrag diskutiert worden war, fragte der Synodale Wedemeyer am Nachmittag, an welche Konsequenzen der Landesbischof denn dächte, und Propst Jürgens forderte „den Marsch im Kessel“ zu beenden und endlich eine Abstimmung herbeizuführen. Daraufhin verließ der Bischof verärgert den Sitzungsraum, ohne zurückzukehren. Er ließ sich auch nicht bewegen, am nächsten Tag an der Sitzung teilzunehmen.“
Die Synode verschob die Abstimmung daraufhin auf den folgenden Tag und schickte eine kleine Kommission zum Landesbischof, um dessen künftige Haltung zu erkunden. Die Regionalpresse, die die Synodalen am nächsten Tag in der Hand hatten, berichtete unter den Überschriften „Landesbischof verlässt die Synode“ (Freie Presse), „Wie ist das zu verstehen? Der Landesbischof verlässt Tagung der Synode“ (Wolfenbüttler Zeitung). Die Synode nahm die Debatte wieder auf, und nach einer insgesamt mehr als fünfstündigen Debatte hob die Synode in namentlicher Abstimmung mit 32:11 Stimmen den alten Beschluss auf und entschied sich für einen Neubau in Wolfenbüttel. LKR Wedemeyer als Pressesprecher interpretierte den Vorgang als „momentane Bischofskrise und mit ihr in Zusammenhang stehend eine Krise des Kollegiums“, auf keinen Fall aber bestehe eine Krise der Synode. Diese Version wurde auch von der Regionalpresse aufgenommen. Unter der Zwischenüberschrift, Landesbischof habe keine Rücktrittsabsichten, berichtete die Wolfenbüttler Zeitung, wie weit das Zerwürfnis bereits gediehen war.
Das Verhalten des Landesbischofs wurde zum Gespräch in den Kirchengemeinden, sodass der Gemeindeausschussvorsitzende Brinkmann in einem für die Öffentlichkeit nicht bestimmten Schreiben den Kirchengemeinden die Entwicklung mitteilte und vor allem die Tatsache erläuterte, dass trotz dringlicher bevorstehender Bauvorhaben zur Beseitigung der offenkundigen Kriegsschäden an kirchlichen Gebäuden nunmehr ein Verwaltungsgebäude für das Landeskirchenamt neu errichtet werden sollte. Auf die eigentliche „Bischofskrise“ ging Brinkmann nicht ein.
Der Bischof lenkte rasch ein und einigte sich noch im selben Monat mit den beschuldigten Oberlandeskirchenräten Röpke und Breust, was der Präsident den Synodalen am 23.9.1955 mitteilte. Es wären Spannungen beseitigt, „die anscheinend seit langem die Arbeit im Landeskirchenamt behinderten.“ Das gestörte Verhältnis zwischen Synode und Bischof sah der Synodenpräsident damit noch nicht bereinigt. Erst sehr viel später, zu Beginn der nächsten Synodalsitzung, im Februar1956, gab Bischof Erdmann eine knappe Erklärung heraus. Er hätte nicht an Rücktritt gedacht oder daran, seine Verbindung zur Synode zu lösen. „Meine Bereitschaft zu fröhlicher Zusammenarbeit“ mit den Synodalen und allen Gliedern der Landeskirche hätte er schon damals vor der Synode geäußert. Der Landesbischof fragte nicht nach seinem eigenen Anteil an dieser peinliche Entwicklung, die in dem eigenmächtigen Einfädeln des Projektes lag und an der fehlenden Kooperation innerhalb der Behörde, ohne die ein so bedeutendes Vorhaben gar nicht hätte gestartet werden dürfen. Er erklärte auch nicht den massiven Druck, den er mit der mehrmaligen Androhung von Konsequenzen gegenüber den Synodalen aufgebaut hatte und mit dem er das Ansehen des Bischofsamtes nicht nur bei den Synodalen erheblich beschädigt hatte. Die nunmehrige Bereitschaft zu „fröhlicher Zusammenarbeit“ war nicht nur sprachlich eine völlig unangemessene Reaktion auf sein Davonlaufen aus einer ihm nicht genehmen synodalen Entscheidung, der Bischof ließ es an der notwendigen Nachdenklichkeit über die von ihm mit heraufbeschworene Situation vermissen. Anstatt bei allen weiteren Vorhaben äußerste Zurückhaltung zu üben, kündigte Erdmann im zweiten Teil seiner Erklärung bereits ein weiteres, neues Projekt an: eine Verfassungsreform. Darüber sollte auf der nächsten Synodalsitzung eine Generalaussprache stattfinden.
Der Neubau eines Landeskirchenamtes kam auch nach diesem Synodalbeschluss nicht zu Stande. Am 28. März 1956 einigten sich nämlich Vertreter des Burbachkonzerns und des Landeskirchenamtes auf den Kauf der Gebäude am Neuen Weg 88/89 und der Justus v. Liebigstraße Nr. 7 und 9 sowie von einem Morgen Baugelände in Wolfenbüttel für 750.000 DM. Die Synode billigte diese Lösung nachträglich in der Tagung am 16./17. April 1956. Dieses Thema war zusätzlich auf die Tagesordnung gesetzt worden.

Finanzen
Zu den besonders gründlich vorbereiteten Sitzungen der Landessynode gehörten die jährlichen Haushaltsberatungen. Das war das Verdienst des siebenköpfigen Finanzausschusses unter dem Vorsitzenden Propst Otto Jürgens. Jürgens wahrte die Balance von Eigenständigkeit der Synode und Loyalität gegenüber dem Landeskirchenamt und verschuf dem Finanzausschuss auf diese Weise ein beträchtliches Gewicht. Dem Finanzausschuss gehörten außerdem an: Fabrikdirektor Boes, Stadtoberbauinspektor Jacob, Propst Cieslar, Domänenpächter Heine, Handelsoberlehrer Vogel und Polizeirat a.D. Sauer. Die Landessynode nahm sich für die Haushaltsberatungen sehr ausgiebig Zeit und debattierte stundenlang, zumal dabei auch andere landeskirchliche Themen zur Sprache kamen. Die Haushaltspläne wurden im Amtsblatt veröffentlicht und waren so für jedermann einsehbar.
Es war die Zeit des Wirtschaftswunders, in der auch die Kirchen finanziell profitierten. Das Haushaltsvolumen steigerte sich auf der geschätzten Einnahmeseite von 5.7 Millionen DM (1952/ 53) auf 9.3 Millionen DM (1957/ 58). Die geschätzten Kirchensteuern stiegen im selben Zeitraum von 3.7 Millionen DM auf 6.9 Millionen. Die tatsächlichen Einnahmen lagen jedoch höher. So stiegen z.B. die tatsächlich eingenommenen Landeskirchensteuern von 3.632.368,73 DM (1951) auf 7.222.858,42 DM. (1957). Auch das Kirchgeld, das durch einen vom Staat freigestellten Vollziehungsbeamten eingezogen wurde, stabilisierte sich bei den Gemeindemitgliedern als eine bei den Kirchengemeinden verbleibende Ortskirchensteuer.

Als der Bundestag vor Weihnachten 1954 eine große Steuerreform beschloss, von der die Kirchen erhebliche Mindereinnahmen befürchteten, erhöhte das Landeskirchenamt mit Hilfe einer Notverordnung den Prozentsatz der Kirchensteuer von 8% auf 10%. Die Zustimmung der Landessynode wurde beim nächsten Haushaltsvoranschlag „nachgeholt.“ Der Prozentsatz von 10 % wurde bis 1972 beibehalten.

Erstmals wurde 1953/54 ein außerordentlicher Haushaltsplan vorgelegt, aus dem insbesondere die Baumaßnahmen der Landeskirche finanziert werden sollten. Er betrug nach dem Voranschlag 1953/54 1.3 Millionen DM und 1956 1.563 Millionen DM. Für den Tätigkeitsbericht des Bischofs verfasste OLKR Berndt Tabellen über vollendete und geplante Bauvorhaben, die der Landesbischof meist unkommentiert verlas. Im Tätigkeitsbericht vom April 1955 wurde die Fertigstellung einer Kirche, von sechs Pfarrhäusern, vier davon kombiniert mit einem Gemeindehaus, und von drei Friedhofskapellen aufgezählt. Fünf kriegszerstörte Kirchen auf dem Lande wurden restauriert. Im Bau befanden sich drei Kirchen, zwei Gemeindehäuser, ein Pfarrhaus, ein Kindergarten. Dazu kamen die ständigen Baumaßnahmen an den zerstörten Innenstadtkirchen Braunschweigs.

Bei diesem Kirchbauprogramm ging es nicht nur um einen „Wiederaufbau“ kriegszerstörter Kirchen wie z. B. 1954 in Salzgitter-Heerte, sondern um die Entwicklung eines völlig neuen Kirchbautyps. Die im September 1954 eingeweihte Dankeskirche im Norden der Stadt Braunschweig war zwar noch als traditionell mit Mittelgang und Schrägdach konzipiert, wobei die Gemeinderäume praktisch in das Untergeschoss des Gebäudes verlegt worden waren. Aber schon in Salzgitter- Heerte, der Martin Lutherkirche in Büddenstedt (eingeweiht September 1955) und der Johanniskirche in Lebenstedt (eingeweiht September 1956) wurde infolge einer kostengünstigen Montagebauweise ein aparter hochgewölbter Altarraum geschaffen, wobei die Kanzel eher in den Hintergrund trat. Dass der Altar und damit das Abendmahl einen besonderen Stellenwert erhielt, wurde an der für 700 Kirchenbesucher errichteten Martin-Lutherkirche in Lebenstedt deutlich. Mehrere Stufen führten zu dem zentralen Altartisch, und dieselben Stufen hinab zentral zu einer kleinen Kanzel, eher einem Ambo. Diese von OLKR Berndt konzipierte neue Anordnung entsprach der Begeisterung des Bischofs für ein betontes Verständnis des Abendmahls als „Altarsakrament“. Die in den Dorfkirchen viel vorhandene Überordnung der Kanzel über den Altären in den barocken Kanzelaltären wurde hier in das Gegenteil verkehrt. Die Gleichwertigkeit von Wort und Sakrament war beseitigt.

Die neuen Kirchbauten waren nicht frei von antikatholischen und antikommunistischen Effekten. Die katholische Gemeinde hatte in Büddenstedt bereits eine St. Barbarakirche errichtet, was die evangelische Gemeinde beflügelte, aus der Kirchenbaubaracke möglichst rasch in einen Neubau umzuziehen. Der Kirchbau in Lebenstedt war ohne Frage dringend. Die Dorfkirche war für die 13.394 Gemeindemitglieder (1946), 15.576 (1950) zu klein. Der lichtdurchflutete Saalbau und der markante Kirchenturm war mit hohen Bonner Staatszuschüssen errichtet worden. Der Zonenrand, zu dem aus rheinischer Perspektive das Salzgitter-Gebiet gerechnet wurde, wurde auch als Bollwerk gegen den nahen kommunistischen Atheismus verstanden, ein Damm gegen die rote Flut.

Zur weiteren Stabilisierung trugen die finanzgünstigen Verträge mit dem niedersächsischen Staat bei.
Die sog. Staatsrente war ein Staatsbeitrag früher zur Unterhaltung des Konsistoriums, nunmehr des Landeskirchenamtes. Die Besoldungszuschüsse zu den Pfarrergehältern beruhten ebenfalls auf früheren Staatsverträgen, die ihr Zustandekommen der nur halbherzigen Entflechtung von Staat und Kirche in der Weimarer Verfassung verdankten und die in dem sich christlich definierenden Adenauerstaat verstärkt fortgesetzt wurden.
Auch die konjunkturgebundenen Staatszuschüsse stiegen entsprechend, so die sog. „Staatsrente“, die ursprünglich für die Unterhaltung des Landeskirchenamtes gedacht war, von 116.974,49 (1953) auf 242.614,95 DM (1957) und die Pfarrerbesoldungszuschüsse im gleichen Zeitraum von 282.925,80 DM auf 839.964,93 DM. Die Landeskirche ging unerwartet herrlichen Zeiten entgegen, zumal kein Ende des Aufschwunges zu befürchten war.

Ärgernis bereitet wie schon in der 1. Sitzungsperiode der wachsende Haushalt des Landeskirchenamtes. Die Besoldung für die Beamten der Kirchenbehörde stieg in den Vollzugszahlen von 184.865,56 (1953) auf 312.586,54 (1957), die Besoldung der Angestellten im gleichen Zeitraum von 245.300,22 DM auf 402.141,33 DM und der Gesamtetat für die Behörde von 634.050,98 (1953) auf 1.014.277,31 DM (1957). Mehrfach lehnte die Synode die beantragte Erhöhung der Gehälter im Landeskirchenamt ab. Darin spiegelte sich ein Unbehagen an der als mangelhaft empfundenen Transparenz der Finanzverwaltung, der sich auch artikulierte.

Es wurde den Synodalen nicht erklärt und sie wurden auch nicht in die Mitverantwortung genommen z.B. über die zusätzlichen Einnahmen der Landeskirchensteuer, die sich aus der Differenz der geschätzten und tatsächlichen Einnahmen ergaben. Die 1955 eingenommenen Landeskirchensteuern in Höhe von 6.117.423,58 DM überstiegen die für dieses Haushaltsjahr geschätzte Summe von 5.200.000 DM um 917.423,58 DM. Schon 1953 überstieg ebenfalls die tatsächlich eingenommene Summe die geschätzte um 969.915,96 DM. Der Abgeordnete Dähling fragte, wo denn die hohen Überschüsse blieben und rührte damit an einen heiklen Punkt. Sie wurden nicht anteilmäßig auf die Kirchengemeinden verteilt, sondern wurden in einem sog. Ausgleichsstock verbucht, aus dem unkontrolliert von der Landessynode den Kirchengemeinden Zuschüsse bei einem defizitären Haushalt gewährt wurden. Die sog. Schätzungen waren deshalb unecht, weil nicht kalkuliert wurde, was an Einnahmen zu erwarten war, sondern es wurde gezielt niedrig geschätzt, um die Überschüsse dem Ausgleichsstock zuzuführen. Das erwies sich als fragwürdig, weil sich nunmehr die Gemeinden auf Zuschüsse aus dem immer voller werdenden Ausgleichsstock verließen. Es wäre richtiger gewesen, durch eine von vorneherein variable Zuweisung der Landeskirchensteuer die Kirchengemeinden strikt daran zu gewöhnen, mit den ihnen zugewiesenen Mitteln hauszuhalten. Das Landeskirchenamt kam in die bequeme Rolle des paternalistisch zuteilenden Großonkels, wobei Gutdünken und Wohlverhalten nicht auszuschließen waren. Es war ein grundlegender Fehler, dass der Ausgleichsstock kein Bestandteil des Haushaltes wurde. Es war bezeichnend, dass bei der Suche nach den Gründen für die sog, „Bischofskrise“, also in jener Sitzung, die der Bischof aus Verärgerung über die Synodenmehrheit am 1. 9.1955 verlassen hatte, „ein gewisses Gegrummel im Hintergrund“ genannt wurde. Das bestünde unter anderem darin, dass die Synodalen „nicht immer ausreichend in finanziellen Dingen unterrichtet“ würden.

Voranschlag und Vollzug der Landeskirchensteuern

      
Voranschlag Vollzug
1951 2.555.000 3.632.368,73
1953 4.250.000 5.219.915,96
1954 4.600.000 5.178.846,96
1955 5.250.000 6.117.423,58
1956 6.125.000 7.278.935,05
1957 6.900.000 7.222.858,43

Rückzieher des Landeskirchenamtes bei Forderungen gegen die Salzgitterwerke
Zu einem unerwarteten Bumerang entwickelten sich die Finanzverhandlungen der Landeskirche mit den „Reichswerken Salzgitter“ um die Herausgabe von Kirch- und Pfarrland, das im 3. Reich von der Finanzabteilung des Landeskirchenamtes verkauft worden war. Dabei ging es um 395 ha Land, das als Industriegelände, Straßen- und Kanalbau und als Ersatzland für enteignete Landwirte benutzt worden war. 86 ha waren noch unvergeben im Besitz der Vermögensverwaltung der Reichswerke, die darauf pochte, dass dieses Kirchenland seinerzeit käuflich erworben worden war. OLKR Breust jagte geradezu jedem Hektar Land nach, hatte auch vor einigen Gerichten Erfolg, vor anderen nicht, hielt in dieser Sache einen weiteren Rechtsweg nur dann für aussichtsreich, wenn das gesamte Kirchenvolk hinter einem Klageweg stünde. Er argumentierte vor allem mit der „Kirchenfeindlichkeit der Finanzabteilung.“ Eine außerordentlich einberufene Synode beriet am 23. Oktober 1952 die Angelegenheit, die Synodalen hielten nach diesen Informationen einen Klageweg für erfolgreicher als den Vergleichsvorschlag der Reichswerke, der 180.000 DM vorsah, bzw entsprechendes Land. Landesbischof Erdmann beendete die Diskussion mit dem Hinweis, dass die Bonner Regierung 1952 bereits 500.000 DM für den kirchlichen Wiederaufbau im Salzgittergebiet gezahlt hätte und im kommenden Jahr erneut 300.000 DM zahlen werde. Bei einem Vorgehen vor Gericht müsste die Landeskirche im Übrigen „einwandfrei nachweisen, dass die Landverkäufe eine Sache der Naziverfolgung“ gewesen wären. Man würde also die Tätigkeit der Finanzabteilung genau unter die Lupe nehmen. „Ich weiß nicht, ob dies gut ist für die Braunschweigische Landeskirche“. Das konnte für die Kenner der damaligen Verhältnisse ein Hinweis darauf sein, dass OLKR Dr. Breust seit 1943 laut Stellenplan, also aktenkundig, selber Mitglied der „kirchenfeindlichen Finanzabteilung“ gewesen war, und der amtierende OLKR Steffen, seit 1939 in diesem Rang in der Finanzabteilung tätig, ebenfalls für die Politik der Finanzabteilung mitverantwortlich gemacht werden konnte. Da erschien eine genauere, womöglich gerichtsverwertbare Durchleuchtung dem Landesbischof ungünstig. Das überzeugte offensichtlich die Abgeordneten. Die Synodalen stimmten diesem Vergleich mit geringen Abänderungen dann doch zu.

Fast ein finanzpolitischer Unfall
Zu einem finanzpolitischen Unfall wäre es im Frühjahr 1955 gekommen. Die Automatik des Kirchensteuerabzugs von der Lohnsteuer war bis zum 1.4.1955 begrenzt. Der CDU Fraktionsführer und OKR Cillien hatte 1948 in der Debatte im Landtag die Befristung des automatischen Abzugs auch damit begründet, dass sich die niedersächsischen Landeskirchen bis 1955 auf einen eigenständigen Einzug eingestellt hätten. Stattdessen hatten sie sich an die zuverlässige Zuarbeit der Finanzämter gewöhnt und waren an einer Veränderung nicht interessiert. Der Bischof berichtete in seinem Tätigkeitsbericht im Frühjahr 1955, welcher Bemühungen und Einzelgespräche es bei den Landtagsabgeordneten des Regierungsbezirkes bedurfte, um sie von der Beendigung der Befristung zu überzeugen.
Am Ende der 2. Sitzungsperiode stand die Landeskirche finanziell gefestigt da.


Der Synodalpräsident Otto Buhbe

Otto Buhbe und Landesbishof Erdmann

Otto Buhbe (1903 - 1993) war drei Sitzungsperioden lang (1952 bis 1958, 1958 bis 1964 und 1964 bis 1970) Präsident der Landessynode.
Er war gebürtiger Hamburger, hatte in Halle und Berlin Landwirtschaft studiert, gehörte in Halle einer schlagenden Verbindung an, meldete sich 1937 und 1938 freiwillig zur Wehrmacht, wurde aber aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Front eingesetzt. In den 20er Jahren kaufte ihm seine Tante einen heruntergekommenen Hof in Schöppenstedt, den er gut bewirtschaftete und dann verpachtete. Er wohnte in dem Herrenhaus des „Kreuzhofes“, wurde nach 1945 als CDU-Mitglied Bürgermeister von Schöppenstedt und blieb bis 1976 im Rat der Stadt tätig. Er gründete den Freundeskreis des Till-Eulenspiegel-Museums, für den er prominete Mitglieder werben konnte. Er war aktives Mitglied im Schöppenstedter Kirchenvorstand und regelmäßiger Gottesdienstbesucher.

Theologisch war er dem früheren Hamburger Pfarrer der Hauptkirche St. Nicolai, Paul Schütz verbunden, der innerhalb der theologischen Auseinandersetzungen der Nachkriegszeit um Karl Barth und Rudolf Bultman eine Sonderrolle spielte.

Auf dem Bild gratuliert er dem im Ruhestand befindlichen Landesbishof Erdmann zum 70. Geburtstag im Jahre 1966.



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Impressum  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/Synode/, Stand: August 2020, dk