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[Kirche von Unten]

Über die Geschichte der Braunschweiger Landessynode

Ein Kompendium von Dietrich Kuessner

(Download des Buches als pdf: Band 1 Band 2)



Über die Geschichte der Landessynode zur herzoglichen Zeit (1869-1916)

Die dritte ordentliche Landessynode 1880
Die Beicht- und Abendmahls-Synode


Quelle: Verhandlungen der durch landesfürstliche Verordnung Nr. 27 vom 25. October 1880 berufene dritte ordentliche Landessynode Protokolle und Sitzungsberichte 1 - 11 nebst Anlagen 1-32.

Vom 25. November bis zum 10. Dezember 1880 fand die dritte ordentliche Landessynode an elf Sitzungstagen statt. Es war eine unruhige Zeit.

Vorgeschichte
Georg Eckert nennt 1880 „ein Jahr der Verwirrung“, (so Georg Eckert in: Die Braunschweiger Arbeiterbewegung unter dem Sozialistengesetz, Braunschweig 1961, S. 72). Die 1878 von Bismarck erlassenen Sozialistengesetze bewirkten auch in der Stadt Braunschweig eine zunehmende Verbitterung der Arbeiterschaft gegenüber dem Staat. Am 3. Osterfeiertag sprach Hofprediger Stöcker im Hotel d’Angleterre über das Thema „Sozialdemokratisch, sozialistisch und christlich sozial“ (Eckert, Arbeiterbewegung, S. 69 ff). Er nannte die Sozialdemokratie „die Peitsche Gottes für die Sünden der Gesellschaft“, die er vor allem im Liberalismus sah, die den Einfluss von Kirche und Geistlichkeit geschwächt habe. Die Lokalpresse berichtete mehrfach über die Stöckerveranstaltung. Im selben Monat, am 22. April 1880, verstarb mit 37 Jahren Wilhelm Bracke, „die große Leitfigur der Braunschweiger Sozialdemokratie (K.E. Pollmann in Br. Landesgeschichte S. 838). Er wurde unter riesiger Anteilnahme der Bevölkerung und von Kollegen aus dem Reichstag, dem Bracke angehört hatte, auf dem Petrifriedhof begraben. Sein Wohn- und Sterbehaus lag um die Ecke der Petrikirche. (Gerhard Schildt in BL S. 85) Der verbotene Volksfreund, nunmehr unter dem Titel „Braunschweiger Unterhaltungsblatt“, berichtete ausgiebig von dem im Oktober 1880 auf Antrag von Preußen und Hamburg verhängten Belagerungszustand über Hamburg und Umgebung und die folgende Ausweisung von 75 sozialistischen Funktionären, darunter 67 Familienvätern. Sie hatten das deutsche Reich zu verlassen. (ebd. S. 89 f). Trotz des Verbotes gelang es erstmals der SPD, im November 1880 einen Sitz in der Braunschweiger Stadtverordnetenversammlung zu erobern. (Georg Eckert, Die Braunschweiger Arbeiterbewegung unter dem Sozialistengesetz, Braunschweig 1961, S. 91 ff)

Am 25. November trat die Landessynode im Haus der Landesversammlung zusammen.
Staatskommissar E. Meyer erinnerte in seiner Eröffnungsansprache an die unruhige Zeit. „Seit der letzten Landessynode haben in unserem Deutschen Vaterlande auf kirchlichem Gebiet tiefgehende und ernste Bewegungen stattgefunden, um so ernster, als sie mit den wichtigsten politischen und socialen Fragen der Gegenwart in engster Verbindung standen und daher vorzugsweise geeignet waren, die Gemüter zu erregen“. (Anlage 1) Aber diese hätten im Braunschweiger Herzogtum „nirgend störend in das kirchliche Leben eingegriffen“. Das war eine sehr persönliche Einschätzung der Lage.

Namen der gewählten und berufenen Synodalen der 3. Landessynode 1880

01. Apfel, Hermann, Superintendent, Seesen, seit 1869.
02. Bank, Bernhard, Generalsuperintendent, Holzminden, neu.
03. Blanke, Friedrich, Holzhändler, Kl. Rüden, neu.
04. Bode, Wilhelm, Oberlandesgerichtsrat, Braunschweig seit 1869.
05. Brunke, Heinrich, Superintendent, Wolsdorf, seit 1872.
06. v. Cramm, Hausmarschall, Burgdorf, seit 1876.
07. Cunze, August, Superintendent, Ahlum, neu.
08. Dedekind, Theodor, Superintendent, Stadtoldendorf, seit 1872.
09. Eggeling, Otto, Pastor, Braunschweig, seit 1875.
10. Eimecke, Christoph Friedrich, Gemeindevorsteher, Watzum, seit 1869.
11. Freist, Friedrich, Superintendent, Timmerlah, seit 1869.
12. v. Heinemann, Ferdinand, Gymnasialdirektor, Wolfenbüttel, seit 1872.
13. v. Kalm, Regierungsrat, Braunschweig, neu.
14. Keunecke, Gemeindevorsteher, Frellstedt, seit 1876.
15. Klügel, Carl Adolph, Pastor Braunschweig, neu, berufen.
16. Körner, Steinbruchbesitzer, Velpke, seit 1869, erkrankt.
17. Kuhn, August, Generalsuperintendent, Helmstedt, seit 1869.
18. Kühne, Landgerichtsrat, Braunschweig, seit 1875.
19. Lerche, Kreisdirektor, Gandersheim, seit 1869.
20. Oesterreich, Johann Wilhelm, Landsyndikus a.D., Braunschweig, seit 1869, berufen.
21. Otto, Albert, Landsyndikus, Braunschweig, neu.
22. Pockels, Wilhelm, Oberbürgermeister, Braunschweig, neu.
23. Rose, Heinrich, Generalsuperintendent, Blankenburg, seit 1876.
24. Scholvien, Kreisbaumeister, Gandersheim, neu.
25. Skerl, August, Pastor, Braunschweig, seit 1869.
26. Steinmeyer, Wilhelm, Generalsuperintendent, Braunschweig, seit 1872.
27. Teichmann, Friedrich, Pastor, Naensen, neu.
28. Thiele, Heinrich, Domprediger, Braunschweig, seit 1872, berufen.
29. Ude, Oberlandesgerichtsrat, Braunschweig, seit 1872.
30. Vasel, Ackermann, Beierstedt, neu.
31. Wirk, Oberlandesgerichtsvizepräsident, Braunschweig, neu, berufen.
32. Wolff, Friedrich Theodor, Landgerichtspräsident, Holzminden, wieder eingetreten.

Es fand erstmals unter den Synodalen ein deutlicher personeller Wechsel statt. Es waren insgesamt seit der letzten Synode 12 Mitglieder ausgeschieden, darunter der Braunschweiger Oberbürgermeister und langjährige Präsident der Landessynode Caspari, der am 3.5.1880 verstorben war. Außerdem fehlten die beiden Exponenten der lutherischen Rechten, Superintendent Wolff und Pastor Rohde, die mit ihrer Bekenntnispenetranz die Synode in Atem gehalten hatten. Superintendent Ludwig Wolff war bereits am 15.10.1877 verstorben. Die Synodalen gedachten der Toten durch Erheben von den Plätzen. Den zwölf neuen Mitgliedern, zu denen der neue Braunschweiger Oberbürgermeister Pockels gehörte sowie der amtierende Landsyndikus Otto, dem Nachfolger von Oesterreich im Geschäftsablauf der Landesversammlung, standen, zieht man den erkranken Steinbruchbesitzer Körner ab, noch 14 Männer der „ersten Stunde“ aus den Jahren 1869 und 1872 gegenüber.

Von Seiten der Staatsregierung nahmen an der Landesynode Ministerialrat Meyer und Regierungsassessor Hartwieg teil. Es fehlte also die ganz große Repräsentanz der Staatsregierung wie bei den vorhergehenden Synoden, ein Zeichen der Normalisierung und der Tatsache, dass die Landessynode ihren festen Platz im neu gestalteten Gefüge der Kirchenleitung gefunden hatte.
Der erste Staatsminister Görtz-Wrisberg war zur Sitzung am 7. Dezember gekommen, um des am 5.12. im Alter von 80 Jahren verstorbenen Präsidenten der Landessynode Oesterreich zu gedenken. (zu Osterreich BL S. 448)

Vom Konsistorium waren die Konsistorialräte v. Schmidt-Phiseldeck, Sallentien, Spies und Rohde anwesend. Erstmals fehlte der Konsistorialvizepräsident Ludwig Ernesti, der den Gang der Synode durch grundsätzliche Vorträge vertieft und weitergeführt hatte Er war wenige Monate vor Zusammentritt der Synode am 17.8.1880 im Alter von 66 Jahren verstorben. (zu Ernesti BL S. 167)

Der Landesversammlung gehörten folgende Mitglieder der Synode an: Bode, v. Cramm, Eimecke, v. Heinemann, Keunecke, Kuhn, Lerche, v. Veltheim, sowie das Mitglied des Konsistoriums Heinrich Sallentien. Karl v. Schmidt-Phiseldeck, Konsistorialrat, war aus der Wolfenbütteler Gruppe der den Gewerbe-und Grundstücksteuern nicht unterworfenen Kandidaten gewählt worden. (nach Braunschweiger Adressbuch für das Jahr 1880)

Dem Herzog wurden zum Präsidenten die Altsynodalen Oesterreich (29 Stimmen), Steinmeyer (26 St), und Bode (24 St.) präsentiert und Oesterreich zum Präsidenten und Steinmeyer als Stellvertreter bestimmt. Da Osterreich erkrankte und im Laufe der Synode verstarb, leitete Steinmeyer seit der 4. Sitzung die Verhandlungen.

Zu Mitgliedern des Synodalausschusses wurden in der vierten Sitzung Skerl (30 St.), Steinmeyer (29 St.), Bode (22 St.), Thiele (17 St.) und Ude (16 St.) gewählt.

Termine und Themen

1. Sitzung 25. November 1880 Donnerstag.
Eingangsansprache von Ministerialrat Meyer und Abnahme des Gelöbnisse von zwölf neuen Synodalen; Bekanntgabe der Eingänge von 11 Vorlagen. In namentliche Kampfabstimmung wurde nach lebhafter Debatte der Antrag, vor Sitzungsbeginn ein Schriftwort zu verlesen, mit 17:12 Stimmen angenommen.

2. Sitzung 26. November 1880 Freitag.
Wahl einer Kommission zur Vorberatung des Emeritierungsgesetzes, der Ude, Pockels und Skerl (je 28 Stimmen), Wirk (25 St.) und Rose (15 Stimmen) angehörten, und einer liturgischen Kommission mit Thiele (28 Stimmen), Eggeling (27 St.) und v. Cramm 18 (St.).

3. Sitzung 27. November 1880 Sonnabend.
Aussprache über den Bericht die Zustände in der Landeskirche betr.

4. Sitzung 30. November 1880 Dienstag.
Fortsetzung der Aussprache über den Bericht die Zustände in der Landeskirche betr.;
Wahl des Synodalausschusses.

5. Sitzung 1. Dezember 1880 Mittwoch.
Fortsetzung der Aussprache über den Bericht die Zustände der Landeskirche betr. und Antrag der Inspektionssynode Blankenburg, den alten Kirchenvorstandswahlmodus von 1851 wieder einzuführen.

6. Sitzung 2. Dezember 1880 Donnerstag.
Fortsetzung der Aussprache über den Bericht die Zustände der Landeskirche betr.

7. Sitzung 3. Dezember 1880 Freitag.
Staatsminister Schulz anwesend
Zustimmung zum Gesetz Erweiterung der finanziellen Kompetenzen der Kirchenvorstände betr. Die Kirchenvorstände können kleinere Reparaturen bis 50 M ausführen lassen, und für andere kirchliche Zwecke bis zu 150 M ausgeben.
Zustimmung zur Feier des Reformationstages am ersten Sonntag nach dem 31. Oktober. Zustimmung zur Verlegung des Bußtages auf den letzten Freitag im Kirchenjahr.

8. Sitzung 4. Dezember 1880 Sonnabend.
Verschiedene Anträge

9. Sitzung 7. Dezember 1880 Dienstag.
Staatsminister Görtz-Wrisberg anwesend
Bekanntgabe des Todes des Präsidenten Osterreich
Aussprache und Beschlussfassung des Gesetzes betr. Ordnung von Beichte und Abendmahl.

10. Sitzung 9. Dezember 1880 Donnerstag.
Aussprache über Grundsätze zur Reform des Emeritierungswesens.

11. Sitzung 1880 10. Dezember 1880 Freitag.
Staatsminister Schulz anwesend
Erklärung vom Kirchenkommissar Meyer, dass die lutherische Lehre durch die neue Abendmahlsordnung nicht angetastet wird.
Fortsetzung der Aussprache über Grundsätze zur Reform des Emeritierungswesens
Schlussansprache des Kirchen- und Regierungskommissars Meyer.

Hauptgegenstände und Hintergründe

Nach der Reform des Gottesdienstes sollte in dieser Synode die Agendenreform fortgesetzt und der Beichtgottesdienst und die Abendmahlsfeier reformiert werden. Außerdem wurden grundlegende Vorschläge zur Reform eines Emeritierungsgesetzes debattiert. Zuvor wurde über den vom Konsistorium zum dritten Mal vorgelegten Lagebericht diskutiert.

Der 3. Lagebericht
Den Synodalen lag ein sehr umfangreicher Bericht über die Zustände und Verhältnisse in der Landeskirche für die Jahre 1876 - 1879 vor. (Anlage 6a) Er umfasste 74 Seiten mit insgesamt acht Anlagen von insgesamt 49 Seiten über die gehaltenen Kirchenvisitationen (Anlage II), über die Wünsche und Anträge der Inspektionssynoden (Anlage III und IV), Verzeichnis der besetzten und unbesetzten Pfarr- und Hilfspredigerstellen (Anlage V und VI), eine Übersicht über Einnahmen und Ausgaben sowie den Vermögensbestand von sämtlichen Kirchengemeinden (Anlage VII) und einen Nachweis über den Kirch- und Pfarrhausbau und - renovierung (VIII). Vier Tage lang diskutierten die Synodalen über diesen nahrhaften Bericht.

Der Bericht gab einen guten Einblick in das, was die Kirchengemeinden und Pfarrerschaft beschäftigte. Es erstaunt heutzutage die Visitationsdichte in den vier Berichtsjahren. 1876: 33 Visitationen: 1877: 29; 1878: 28; 1879: 34, insgesamt 124 Kirchengemeinden dazu acht noch nicht ausgewertete. (Anlage II S. 3). Die Inspektionssynoden beschäftigten sich mit der Frage der Sonntagsruhe und dem nachteiligen Einfluss der periodischen Presse und Unterhaltungsliteratur. Die Inspektionssynoden hatten die vom Konsistorium gestellte Frage „Was kann seitens der kirchlichen Organe behuf Förderung der Sonntagsruhe und Sonntagsheiligung geschehen?“ zu bearbeiten. Das einhellige Urteil war, dass die Sonntagsheiligung schwer beschädigt sei. Es wurde über die Feuerwehrübungen am Sonntag vormittag geklagt (Stadtoldendorf Anlage III, S. 12), Schützen- und Turnerfeste (Holzminden-Bevern ebd. S. 11), über Vergnügungssucht und Straßenunfug am Sonnabend abend (Gittelde ebd. S. 10 und Greene), über Auftragserteilung und Auslohnung am Sonntag im Harz (Hasselfelde ebd. S. 12), Viehhandel am Sonntag (Campen ebd. S. 8) über Schulunterricht am Sonntag Vormittag (Eingabe der Stadtgeistlichkeit Braunschweig Anlage 6 a S. 13), über Sonntagsarbeit in der Industrie (Querum S. 9), am Sedanstag wurden in Wendeburg die Kirchenglocken von den Trompeten der einquartierten Soldaten übertönt, die zur Pferdeinspektion sammelten (Anlage III S. 9), kurz: Sonntagsruhe und Sonntagsheiligung seien „durch den immer weiter einreißenden Materialismus und Atheismus ernstlich bedroht“ (Lunsen ebd. S. 13). Die Diskussion in den Inspektionssynoden geben ein anschauliches Bild von dem vorübergehenden Wirtschaftsaufschwung jener Zeit, eine Folge der hohen französischen Reparationszahlungen nach dem deutsch-französischen Krieg und dem steigenden Vergnügungsbedürfnis auch auf dem Lande.

Die Inspektionssynodalen reagierten durchaus selbstkritisch, mahnten zu häufigerem Gottesdienstbesuch und lebendigeren Gottesdiensten, Kirchenvorsteher und kirchliche Mitarbeiter sollten mit gutem Beispiel voran gehen, auch das Konsistorium wurde um Hilfe angerufen. Es sollte sich beim Staatsministerium für eine verschärfte Beachtung der Feiertagsgesetze einsetzen und für eine Beschränkung der Zahl der Dorfkneipen. Die Kirche sollte den Staat auf die soziale Bedeutung des Sonntags für Gesundheit, Wohlstand und Sittlichkeit seiner Bürger hinweisen (Schöppenstedt ebd. S. 6). Die Inspektionssynoden stellten ihre Beratungen in Resolutionen und Thesen zusammen und sandten sie an das Konsistorium. Diese wurden sämtlich von der Kirchenbehörde beantwortet und im Zustandsbericht veröffentlicht (Anlage 6 a S. 8 ff)

Auch das andere vom Konsistorium gestellte Thema beschäftigte sich mit einer modernen Erscheinung, nämlich der Presse. (Anlage IV) Schon die Fragestellung des Konsistoriums ging von einem „nachteiligen Einflusse eines Teils der Presse und Unterhaltungsliteratur“ aus. Die Inspektionssynodalen sparten nicht mit harschen Urteilen und sprachen von einer „die Grundlagen der Volkswohlfahrt schädigenden Presse“ (Wolfenbüttel Anlage IV S. 15), von „verderblichen Einflüssen einer antichristlichen Presse“ (Winnigstedt ebd. S. 16), vom bedeutenden sittlichen Schaden, der unserm Volk durch die Vertreibung schmutziger Literatur auf Bahnhöfen wie in Schenkwirtschaften, auch in besonderem Masse durch Colportage in den Städten wie auf dem Lande“ erwächst. (Langelsheim ebd. S. 18) Der verderbliche Einfluss komme nicht nur durch die sozialdemokratische und liberale Presse, sondern am meisten durch die Unterhaltungsliteratur, die „vom entschiedensten Hasse und Widerwillen gegen das wahre Christentum erfüllt sei“ (Lunsen ebd. S. 19)

Aussprache über die Zustände in der Landeskirche

Die Synodalen diskutierten zu Beginn der Synode an vier Tagen über den umfänglichen Konsistorialbericht. Die Debattenbeiträge mündeten in zahlreiche Wünsche, Anregungen und Anträge gegenüber dem Kirchenregiment: Einige Spezialinspektionen sollten zusammengelegt werden, Tanzbelustigungen am Sonnabend abend auch in geschlossener Gesellschaft verboten werden, kein Unterricht für die konfirmierte Jugend am Sonntag, eine gesetzliche Regelung zur Teilnahme von Anstaltsgeistlichen an den Inspektionssynoden, die auch für Lehrer und Kirchenvorsteher geöffnet werden sollten, der Sedanstag sollte so wie in den Nachbarländern gefeiert werden, die Bestimmungen der Heilighaltung für Karfreitag sollten auch auf den Totensonntag ausgedehnt werden, der Sonntag Palmarum zum Konfirmationstag bestimmt werden, Taufe, Konfirmation und Begräbnis sollten bei den nächsten Synoden liturgisch geordnete werden, ein Anstaltsgeistlicher für die Heil- und Pflegeanstalt in Königslutter bewilligt werden.

Reform des Beicht- und Abendmahlsgottesdienstes
(siehe Inge Mager Amtshandlungen S. 644 ff in: Friedrich Weber u.a. Von der Taufe der Sachsen)
Das Konsistorium legte einen so abgewogenen, begründeten, mehrheitsfähigen Text zur allgemeinen Beichte und zur Abendmahlsliturgie vor (Anlage 16), dass bereits an einem Tag die Beratungen abgeschlossen waren.

Der Beichtgottesdienst
Die damals gängige Beichtordnung nach dem Kirchenbuch von Anton Ulrich.
Die gängige Kirchenordnung von Anton Ulrich von 1709 und neu aufgelegt 1862 sah keine eigene Beichtordnung vor, sondern § 12 der Ordnung des Hauptgottesdienstes sah vor, dass „der Pfarrer soll mit wenigen Worten zu Gebet und Bekenntnis der Sünde vermahnen, darauf folgende Beichte verlesen: Ich armer Sünder bekenne vor Gott meinem himmlischen Vater, daß ich leider schwerlich und mannigfaltig gesündigt habe, (nicht allein mit äußerlichen groben Sünden, sondern auch und vielmehr mit innerlicher angeborener Blindheit, Unglauben, Zweifel, Kleinmütigkeit, Ungeduld, Hoffart, bösen Lüsten, Geiz, heimlichen Neid, Hass, Missgunst und andere Sünden). Dass ich auf mancherlei Weise in Gedanken, Gebärden, Worten und Werken...“ Die Aufzählung der Sünden waren in der Ordnung von Anton Ulrich bereits in Klammern gesetzt. Es folgte auf das Sündenbekenntnis „alsbald darauf die Absolution“. (KO 1709 2. Teil S. 6 und 7). Die Absolution endete mit der sog. Retentionsformel (von retenare= behalten). Sie lautete: „Dahingegen aber sage ich allen Unbußfertigen und Ungläubigen aus Gottes Wort und im Namen Jesu Christi: dass Gott ihnen ihre Sünden vorbehalten hat und gewisslich strafen wird. Gott gebe ihnen seinen heiligen Geist, dass sie auch mögen wahre Busse tun und selig werden.“
Diese Beichte und Absolution erfolgte von der Kanzel. Da die Gemeinde jedoch nicht selten nach der Predigt die Kirche verließ, blieb ihr dieses Sündenbekenntnis und die lieblos wirkende „Behaltungsformel“ erspart.
Eine neue Beichtordnung nach einer Höchsten Verordnung vom 5. März 1775 schaffte die Privatbeichte ab und verordnete dafür eine öffentliche Beichte. Sie verlegte die Beichte von der Kanzel vor den Altar und bestimmte folgende Ordnung: Lied - kurze Beichtansprache – Generalbeichte und Absolution – Segen. (Anlage 16, S. 11 Motive)
Ob damit die Beichte von der Kanzel nach der Predigt entfallen war, ist unbestimmt.

Beichtordnung im Kirchenbuch von Domprediger Thiele
Domprediger Thiele veröffentlichte in seinem Kirchenbuch 1852 eine Beichtordnung und löste die Beichte aus dem üblichen Hauptgottesdienst. Sie sollte im vorhergehenden Abendgottesdienst stattfinden. Nach einem Eingangslied und verschiedenen Bibelsprüchen oder dem Psalm 32 folgte eine Beichtrede mit dem Sündenbekenntnis. Dies wurde nun nicht von der Kanzel verlesen, sondern der Pastor kniete mit der Gemeinde nieder und sprach ein Sündenbekenntnis, das teilweise dem traditionellen Wortlaut folgte samt dem auch von Thiele in Klammern gesetzten Sündenkatalog. Darauf fragte der Pastor, ob die Gemeinde das Bekenntnis „in freier Beistimmung“ mit einem lauten, vernehmlich Ja“ bekräftigen wolle. Auf das „Ja“ der Gemeinde folgte die Absolution mit der anschließenden Retentionsformel, die die Gemeinde mit einem nachgesungenen „Amen“ bestätigen konnte. Nach einem Dankgebet wurde die Gemeinde mit dem Segen entlassen, wenn sich ein Abendmahlsgottesdienst anschloss, sprach der Pastor ein Vorbereitungsgebet.

Damit war die Beichte wesentlich verändert. Der Pfarrer sprach das allgemeine Sündenbekenntnis nicht als Predigt zur Gemeinde, sondern als Gebet zum Altar. Das war mehr als eine bloß optische Änderung. Nun reihte sich der Pfarrer mit der Gemeinde gemeinsam vor Gott in das Sündenbekenntnis ein. Die bisher schweigende Gemeinde bekannte sich nunmehr selber ausdrücklich mit einem „Ja“ zu Schuld und Sünde, was bisher nicht üblich gewesen war. Die Gemeinde war also mit einbezogen.

Der Entwurf des Konsistoriums entsprach der Beichtordnung in Thieles Kirchenbuch, was nicht verwundert, denn Thiele gehörte der synodalen liturgischen Kommission an, die den Entwurf des Konsistoriums bearbeiten und der Synode vorlegen sollte. Thiele war auch Sprecher der Kommission vor dem Plenum. Der Beichtgottesdienst, der in der Regel am Sonnabendabend gehalten wurde, begann nach dem Vorschlag des Konsistoriums mit einem Choral, einigen Bibelversen, einer Beichtansprache, einem längeren, von Pastor gesprochenen Sündenbekenntnis, dann wandte sich der Pastor an die Gemeinde, die das vom Pastor gesprochene Sündenbekenntnis mit einem „Ja“ als das ihre bekannte, woraufhin die Absolution durch den Pastor „verkündet“ wurde, Gebet. Vaterunser, Segen und Schlusslied beendeten den Beichtgottesdienst.

Als wesentliche Änderung ließ die Konsistoriumsvorlage die Retentionsformel am Ende der Absolution fallen. Man wolle, erklärte Konsistorialrat Sallentien „den Beichtenden den Trost der Erlösung voll und ganz geben und ihn durch hinterherige Beschränkungen nicht wieder verwischen“. (Sb 9 S. 47)

In der Aussprache versuchte zwar Katharinenpfarrer Skerl die herkömmliche Form noch zu bewahren, fand aber, nachdem sich Konsistorialrat Sallentien, Superintendent Apfel und Syndikus Otto für die Vorlage stark gemacht hatten, keine Mehrheit.

Vorher hatten sich die Gottesdienstteilnehmer meist im Pfarrhaus zum Abendmahl am folgenden Sonntag angemeldet. Die Teilnehmer wurden in ein „Konfitentenregister“ eingetragen und bezahlten eine Art Kollekte. Es waren aber auch Beichte und Abendmahl in einem einzigen Gottesdienst, meist an Wochentagen, möglich.
Die Grundform dieses Beichtgottesdienstes hatte auch in den Agendenreformen der 1960er Jahre noch Bestand.

Aussprache über die Vorlage zum Abendmahlsgottesdienst
Unmittelbar daran schloss sich die Aussprache über die Vorlage zum Abendmahl an, Thiele hob als Referent der liturgischen Kommission die Vorzüge der Vorlage hervor, die das Gebet zu Beginn (Präfationsgebet?) sprachlich erheblich „entdogmatisiert“ habe. Damit schien die Zustimmung der Synode bereits sicher, als Gymnasialdirektor v. Heinemann beantragte, bei der Austeilung sollte der Pastor auf das Wörtchen „wahr“ („das ist der wahre Leib“, „das ist das wahre Blut“) verzichten. Der biblischen Text sprach für v. Heinemann, wo das Wörtchen „wahr“ fehlt. Der Antrag löste eine muntere Debatte aus, in der sich Konsistorialrat Sallentien sofort, aber daraufhin auch die Pfarrer Eggeling, Rose, Teichmann und Thiele gegen den Antrag aussprachen. Man müsse Rücksicht auf die Gemeinde nehmen. Lediglich Bürgermeister Eimecke sprach sich für den Antrag aus, und erstaunlicherweise wurde der Antrag auch angenommen, offensichtlich durch die Majorität der nicht ordinierten Synodalen. Der Zusatz „wahrer Leib“ war erst durch Abt Treuer in die Abendmahlsliturgie von 1709 eingeführt worden. Für Heinemann sprach also auch die ältere Tradition. Der Regierungskommissar erklärte noch in der Sitzung die Zustimmung der höchsten Kirchengewalt, woraufhin die neue Abendmahlsliturgie angenommen wurde.

Aber am Ende der vorletzten Sitzung brachten Domprediger Thiele und Katharinenpfarrer Skerl noch eine Eingabe vor. Durch die Streichung des Wörtchens „wahr“ seien „viele Gemüter beunruhigt“ worden, die Hohe Kirchenregierung möge eine offizielle Erklärung abgeben, dass dadurch an der lutherischen Lehre vom Abendmahl nichts geändert werde. ( Sb 10 S. 57) Diese Eingabe löste in der letzten Sitzung eine sehr scharfe Debatte aus. Die Erklärung war aus Geschäftsordnungsgründen aus dem Protokoll entfernt worden. Sie wurde daher auch von Thiele und Skerl wieder zurückgezogen. Trotzdem sah sich der Regierungskommissar zu einer Erklärung veranlasst, die lutherische Lehre werde nicht geändert und „in keiner Weise abgeschwächt“. (Sb 11 S. 59) Der erzliberale Abgeordnete Bode war entsetzt und schäumte. Die Erklärung des Dompredigers wäre eine Beleidigung, als ob die Synode die Glaubenslehre durch Annahme des Heinemannschen Antrags haben antasten wollen. Ihn ärgerte aber vor allem die Verletzung der Geschäftsordnung, denn die Eingabe war in der Tat unzulässig. Die Geschäftsordnung sei unter allen Umständen aufrecht zu erhalten, „wolle man nicht zu schweren Schädigungen der parlamentarischen Rechte gelangen“. (Sb 11 S. 60) Thiele tat harmlos und erwiderte, er habe nur Verstimmungen und Missdeutungen „im Publico“ zerstreuen wollen. Darin aber lag gerade die Geschäftsordnungswidrigkeit. Missdeutungen konnte der Domprediger bei der nächsten Predigt zerstreuen und sich auf die Seite des Synodenbeschlusses stellen. Aber das wollte er gerade nicht und sich distanzieren. Konsistorialrat Sallentien sprang Thiele bei und sah keine Beleidigung, Kirchenkommissar Meyer wollte ebenfalls Thiele verteidigen und machte alles nur noch schlimmer, seine verlesene Erklärung sei nicht für die Synode sondern „für das außerhalb derselben stehende Publikum berechnet“ (ebd). Gerade dies hatte Bode zu seiner Entrüstung veranlasst. Aber Oberlandesgerichtsvizepräsident Wirk hakte nach und bemerkte, aus der Erklärung des Regierungskommissars könne man möglicherweise entnehmen, dass er mit der Streichung nicht einverstanden sei. Bode behielt das letzte Wort in dieser Sache. Die Erklärung des Kirchenkommissars hätte in einer anderen Form erfolgen müssen. Und da hatte er recht. Kirchenpolitisch gesehen war die Streichung der Worte „wahr“ ein Sieg der Liberalen und den wollte sich Bode nicht vermasseln lassen.

Spürbar aber hatte die unangefochtene Mehrheit der Liberalen in der Synode eine erstarkende Opposition bekommen. Kirchenkommissar Meyer betonte in seinem Schlusswort am selben Tag, das Abendmahl, „dieses bedeutsamste und erhebendste Sakrament unserer Kirche“ werde „an Feierlichkeit und Tiefe des Eindrucks erheblich gewinnen“. (Sb 11 S. 63) Darum war es Domprediger Thiele vermutlich nicht gegangen. Kirchenkommissar Meyer wünschte abschließend, dass sich die Entwicklung unserer kirchlichen Zustände auch ferner in demselben Geiste der Liebe und Eintracht, wie er in dieser Synode geherrscht hat, sich vollziehen möge.“
„Das Publikum“, richtiger: die Gemeinden gewöhnten sich an die im Grunde wenig veränderte Form. Auf lange Sicht gesehen wurde das Abendmahl in der beschlossenen Form fast drei Generationen lang in der Landeskirche gefeiert.

Weitere Fragen des Kirchenjahres
Nur kurz beschäftigte sich die Synode mit anderen liturgischen Fragen. Nach der Gründung eines deutschen Kaiserreiches wünschten die Liberalen auch eine dem geeinten Deutschland entsprechende gemeinsame evangelische Kirche in Deutschland. Einen kleinen Anfang sollten dabei gemeinsam gefeierte Feste im Kirchenjahr machen. Der Abgeordnete Bode hatte daher in den vorhergehenden Synoden darauf gedrängt, den Bußtag und den Reformationstag in allen evangelischen Landeskirchen gemeinsam zu feiern. Die Kirchenregierung solle dieses Anliegen bei der Eisenacher Konferenz vortragen. Die Kirchenregierung berichtete daraufhin der Synode von ihren Bemühungen (Anlage 9 Reformationsfest; Anlage 14 Bußtag) und empfahl, den Reformationstag wie die meisten anderen Landeskirchen am ersten Sonntag nach dem 30. Oktober zu begehen und den Bußtag von der Martiniwoche auf den letzten Freitag im Kirchenjahr zu verlegen. Die Synode folgte auf Empfehlung der Liturgischen Kommission diesen Vorschlägen ohne Debatte. Für das Braunschweiger Landvolk war die Verlegung des Bußtages von Bedeutung, denn an diesem Tag wurde herkömmlicherweise geschlachtet.

Grundsätze zur Reform des Emeritierungswesens
Der Dienst und die Versorgung der alten Pfarrer
Die finanzielle Sicherstellung der alt gewordenen Pfarrer war erbärmlich. Seit der Reformationszeit gab es keine gesetzliche Regelung, wann ein Pfarrer seinen Dienst quittieren konnte und welches Ruhegehalt er erhielt. Es galt in der Praxis die undeutliche Regelung von der Kirchenordnung Herzog Julius aus dem Jahr 1569, wonach ein dienstunfähiger Pfarrer „von den Kirchengütern mit einem ziemlichen Leibgedinge bedacht und versehen werden sollte.“ (Verhandlungen der 3. Landessynode Anlage 7a S. 1). In der Braunschweigischen Landeskirche blieb ein Pfarrer möglichst bis zu seinem Tode in Pfarramt, und zwar ehrenhalber, weil er sein Amt auf Lebenszeit erhalten hatte, tatsächlich aber, weil für seinen Ruhestand nicht gesorgt war. Wenn er seinen Dienst nur noch unvollkommen versehen konnte, nahm er sich einen jüngeren Amtskollegen ins Haus, für den er allerdings aus den Einkünften der Pfarre auch finanziell aufkommen musste. Dieser erhielt freien Lebensunterhalt und eine ausgehandelte, mäßige Vergütung.
Seit einiger Zeit war das Amt des sog. Adjunkten eingeführt worden. Der Adjunkt hatte beide theologische Examen absolviert und strebte in eine Pfarrerstelle. Wenn keine frei war, weil die Alten nicht weichen konnten und wollten, erhielt der Adjunkt von Konsistorium den regelrechten Auftrag, diese Pfarre zu verwalten. Der Emeritus verließ vielleicht das Pfarrhaus, der Adjunkt erhielt aus dem Pfarrvermögen den Mindestbetrag von 1.950 M, den Rest erhielt der Emeritus. Formal jedoch blieb der Alte der Inhaber der Pfarrstelle, und für den Adjunkt erlosch der Dienst in der Kirchengemeinde mit dem Tode des Emeritus.

In der Regel wehrte sich ein Emeritus gegen seine Emeritierung mit Händen und Füßen. Zwischen 1850 und 1859 wurden nur 18 und zwischen 1860 und 1869 nur 10 Pfarrer emeritiert, von 1870 – 1879 waren es 31. Von den insgesamt 59 Pfarrern waren beim Eintritt in den Ruhestand 5 über 80 Jahre, 12 über 75 Jahre und 14 über 70 Jahre. Davon waren in diesem Zeitraum bereits 42 verstorben. (Anlage 7a A Ergebnisse der vorstehenden Übersicht S. 8). Es gab in der Landeskirche 1880 nur 17 Ruheständler.
Dieses allgemeine Problem war von den umliegenden Landeskirchen bereits aufgegriffen worden, in der hannoverschen 1873, im Königreich Sachsen 1872, auch in den altpreußischen Provinzen und in Oldenburg.
In der 3. Landessynode im November 1880 wurde das Emeritierungswesen für die Braunschweiger Landeskirche behandelt und endlich auf eine rechtliche Grundlage gestellt. Das Konsistorium hatte dazu eine gründliche Vorlage erarbeitet, die von der Synodalkommission fast vollständig übernommen und der Synode vorgelegt wurde. (Anlage 7a „Das Emeritierungswesen in der evangelischen Landeskirche des Herzogthums Braunschweig und dessen Umgestaltung“ (S. 1-28). Die Synode wählte eine Kommission, der die Abgeordneten Ude, Pockels und Skerl (je 28 Stimmen), Wirk (25 St.) und Rose (15 Stimmen) angehörten.

Die neuen Grundsätze sahen vor, dass ein Emeritierungsfonds eingerichtet wurde, dessen Einnahmen sich aus prozentualen Abzügen aller zum Emeritierungsfonds beitretenden Pfarrer mit dem Anrecht auf einen späteren Betrag im Falle der Emeritierung, aus den Einkünften der Pfarrvakanzen und aus Zuschüssen des Kloster- und Studienfonds ergaben. Außerdem sollte der Anfänger in einer frei gewordenen Emeritusstelle acht Jahre lang die Hälfte dessen, was die Stelle mehr als das Minimaleinkommen abwarf, an den Emeritierungsfonds einzahlen, was aus heutiger Sicht erhebliche Härten für den jungen Pfarrer bedeutete.
Der Ruheständler erhielt ein festes Ruhegehalt und war nicht mehr abhängig von den wechselnden Einkünften seiner alten Pfarre. Es wurde ein Minimum von 1.500 pro Jahr ansteigend und ein Maximum, abhängig vom Dienstalter bis zu 80 % des Diensteinkommens, festgelegt. Wenn ein Pfarrer in den Ruhestand ging, wurde seine Pfarre sofort zur Neubesetzung frei. Die einzelnen Pfarrstellen wurden von Zahlungen für den Ruheständler befreit, denn die an den Emeritierungsfonds zu leistenden Abgaben wurden fest reguliert und mit dem Einkommen des neuen Pfarrstelleninhabers verknüpft.
Allerdings verzichtete das Gesetz ausdrücklich darauf, ein bestimmtes Emeritierungsalter, etwa von 70 Jahren, festzulegen. Die Kommission äußerte sich dazu folgendermaßen: „Gegen die Einführung spricht sehr entschieden die ethische Forderung, nach welcher der Geistliche mit der ihm anvertrauten Gemeinde und seinem Amt in derselben so verwachsen sein soll, dass er sich von ihr, so lange ihm Kraft zur Versehung des Amtes geblieben, nicht trennen mag. Überdies ist aber auch zu berücksichtigen, wie sehr in dem Falle, dass ein solches Recht eingeräumt, und dann regelmäßig benutzt, also z.B. die Emeritierung regelmäßig bei Vollendung des 70. Lebensjahres begehrt werden sollte, die Zahl der Emeritierungsfälle wachsen und damit das Maß der an den Emeritierungsfonds zu machenden Ansprüche vergrößert werden würde.“ (Anlage 7a S. 11 f)
Demnach hatte ein Pfarrer so lange im Amt zu verbleiben, bis seine Kräfte erschöpft waren. Erst wenn er in seinem Pfarramt dienstunfähig geworden war, konnte er vom Konsistorium in den Emeritenstand versetzt werden. Es handelte sich also weder um eine Art von Pension im heutigen Sinne, noch um einen durch den Dienst erworbenen bezahlten Ruhestand, sondern der Emeritus musste körperlich oder geistig kaputt sein. Der Paragraf eins des Gesetzes drückt dies unverhohlen aus.



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