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[Kirche von Unten]

Über die Geschichte der Braunschweiger Landessynode

Ein Kompendium von Dietrich Kuessner

(Download des Buches als pdf: Band 1 Band 2)



Über die Geschichte der Landessynode zur herzoglichen Zeit (1869-1916)

Die zweite außerordentliche Landessynode November 1882
Die Emeritierungssynode


Quelle: Verhandlungen der durch die Landesfürstliche Verordnung Nr. 40 vom 24. Oktober 1882 berufene außerordentliche Landessynode

Vom 16.-22. November 1882 tagte an vier Tagen die Landessynode, beriet und beschloss das Kirchengesetz die Emeritierung und das Ruheeinkommen der Geistlichen betr.

Die Vorgeschichte
Die dritte ordentliche Landessynode hatte am 7. und 9. Dezember 1880 bereits Grundsätze zur Reform des Emeritierungswesen aufgestellt. Sie musste abwarten, wie die Landesversammlung auf ihre Vorschläge reagieren würde, denn der einzurichtende Pensionierungsfonds wurde wesentlich von Staatszuschüssen gespeist. Nachdem die Grundsätze angenommen waren, war die Landesversammlung in Verhandlungen eingetreten, denn das Staatsministerium sollte die Pensionskasse verwalten, und der feste Betrag aus dem Klosterfonds zur Pensionskasse musste ausgehandelt werden.
Die Vorlage für die Landesversammlung sah einen festen Betrag von 55.000 M vor, der von der Landesversammlung auf 33.000 M gekürzt wurde. Die höhere Summe beruhte auf Berechnungen einer Lebensversicherungsanstalt, die in einem Gutachten eine sog. Mortalitätstabelle geliefert hatte, in dem von einem längeren Zeitraum für den Ruheständler ausgegangen war, was höhere staatliche Zuschüsse zur Folge gehabt hätte. Dagegen wandte die Kommission ein, dieser längere Zeitraum gelte nur für „normale Menschen“, „während die Emeritierten (da die Emeritierung nur im Falle eingetretener Dienstunfähigkeit stattfinden soll), Menschen mit bereits gebrochener Konstitution“ wären. (Anlage 6 b S. 4 für die a.o. Synode 16. und 22. November 1882)

Postkarte Gebäude der braunschweigischen Landschaft

Im Gebäude der braunschweigischen Landschaft, heute Amtsgericht, tagte die Landssynode. Links die Martinikirche.

Namen der gewählten und berufenen Synodalen der 2. außerordentlichen Landessynode 1882

01. Apfel, Hermann, Superintendent, Seesen, seit 1869.
02. Bank, Bernhard, Generalsuperintendent, Holzminden, seit 1880.
03. Baumgarten, Karl Wilhelm, Stadtdirektor, Wolfenbüttel, neu.
04. Beste, Wilhelm, Generalsuperintendent, Braunschweig, neu, berufen.
05. Blanke, Friedrich, Holzhändler, Kl. Rhüden, seit 1880.
06. Bode, Wilhelm, Oberlandesgerichtsrat, Braunschweig, seit 1869.
07. Brunke, Heinrich, Superintendent, Wolsdorf, seit 1872.
08. v. Cramm, Hausmarschall, Burgdorf, seit 1876.
09. Cunze, August, Superintendent, Ahlum, seit 1880.
10. Dedekind, Theodor, Superintendent, Stadtoldendorf, seit 1872.
11. Eggeling, Otto, Pastor, Braunschweig, seit 1875.
12. Eimecke, Christoph Friedrich, Gemeindevorsteher, Watzum, seit 1869.
13. Guericke, Hildebert, Bürgermeister, Helmstedt, neu, berufen.
14. v. Heinemann, Otto, Oberbibliothekar, Wolfenbüttel, neu, berufen.
15. v. Kalm, Regierungsrat, Braunschweig, seit 1880.
16. Keunecke, Gemeindevorsteher, Frellstedt, seit 1876.
17. Kuhn, August, Generalsuperintendent, Helmstedt, seit 1869.
18. Kühne, Landgerichtsrat a.D., Blankenburg, seit 1869, fehlt.
19. Lerche, Kreisdirektor, Gandersheim, seit 1869.
20. v. Löhneysen, Kammerherr, Brunkensen, neu, berufen.
21. Otto, Albert, Landsyndikus, Braunschweig, seit 1880.
22. v. Peinen, Bernhard, Superintendent, Sickte, neu.
23. Pockels, Wilhelm, Oberbürgermeister, Braunschweig, seit 1880.
24. Rose, Heinrich, Generalsuperintendent, Blankenburg, seit 1876.
25. Scholvien, Kreisbaumeister, Gandersheim, seit 1880.
26. Schröter, Wilhelm, Pastor. Broistedt, neu.
27. Skerl, August, Pastor, Braunschweig, seit 1869.
28. Teichmann, Friedrich, Pastor, Naensen, seit 1880; fehlt.
29. Thiele, Heinrich, Domprediger, Braunschweig, seit 1872.
30. Ude, Oberlandesgerichtsrat, Braunschweig, seit 1872, fehlt.
31. Vasel, Ackermann, Beierstedt, seit 1880.
32. Wolff, Friedrich Theodor, Landgerichtspräsident, Holzminden, wieder seit 1880.

Verstorben waren seit 1880 Gymnasialdirektor v. Heinemann, Pastor Klügel, Steinbruchbesitzer Körner und Generalsuperintendent Steinmeyer.

Drei Abgeordnete fehlten krankheitshalber, sieben Abgeordnete waren neu: die gewählten Stadtdirektor Baumgarten, Superintendent v. Peinen, Pastor Schröter, und die vom Herzog ernannten Generalsuperintendent Beste, Bürgermeister Guericke, Oberbibliothekar v. Heinemann, Freiherr v. Löhneysen.

Von der Regierung nahmen erstmals der neue Minister und Kirchenkommissar Adolf Wirk und Regierungsassessor Hartwieg teil, am 2. und 3. Tag auch der Vorsitzende Staatsminister Görtz-Wrisberg.
Vom Konsistorium nahmen die Konsistorialräte v. Schmidt-Phiseldeck, Sallentien, Spies und Rohde teil.

Den Gottesdienst im Dom und Predigt hielt Domprediger Thiele.

Dem Herzog wurden präsentiert Lerche (27 St), Pockels (20 St), Skerl (19 St), und Lerche zum Präsidenten und Skerl zum Stellvertreter ausgewählt.

Termine und Themen

1. Sitzung 16. November 1882 Donnerstag.
Eröffnungsrede durch Kirchenkommissar Geheimrat Wirk, Gelöbnis von sieben neuen Abgeordneten. Wahl des Vorsitzenden und des Stellvertreters. Wieder kurze Debatte, ob vor der Sitzung ein Schriftwort verlesen werden soll. Bode argumentiert dagegen, aber dieser von Rose gestellte Antrag wurde angenommen. Bekanntmachung der Eingänge.

2. Sitzung am 17. November 1882 Freitag.
Längere Debatte über die Gültigkeit der Wahl von Pastor Schröter.
Wahl einer Kommission zur Vorprüfung des Emeritierungsgesetzes. Ihr gehören an: die Synodalen Pockels, Rose, Skerl, Wolff und Otto.

3. Sitzung 21. November 1882 Dienstag.
Berichterstattung über die Gesetzesvorlage Emeritierung und Ruheeinkommen der Geistlichen. Aussprache über die einzelnen Paragrafen §§ 1-14.

4. Sitzung am 22. November 1882 Mittwoch.
Fortsetzung der Beratung § 17, 18, 19, Beschlußfassung und Zustimmung zum Gesetz.
Blumiges Schlusswort des Kirchenkommissars Wirk.

Hauptgegenstand und Hintergründe

Das Emeritierungsgesetz
Die eigentliche Arbeit für das Emeritierungsgesetz war bereits durch die Aufstellung und Diskussion über die Grundsätze eines Emeritierungsgesetzes in der dritten Landessynode am 9. Dezember 1880 passiert. Nun legte das Staatsministerium ein bereits von der Landesversammlung in den Grundzügen beschlossenes Gesetz vor. Der Landessynode lag der Wortlaut des Kirchengesetzes mit einer 22 Seiten langen Begründung vor. (Anlage 6a und 6b) Der Sprecher der am 2. Tag gewählten synodalen Kommission, Landsyndikus Otto, gab sich Mühe, die Empfindlichkeit der Synodalen zu dämpfen, dass das Gesetz in seinen Grundzügen bereits von der Landesversammlung beschlossen war und Änderungen eigentlich unerwünscht waren. Schon in der Begründung des Gesetzes hieß es eingangs, dass das Emeritierungswesen „keine rein kirchliche Angelegenheit sei“. (Anlage 6b Motive zu dem Entwurf S. 1) Das bringe eine „gewisse Gebundenheit der Verhandlungen und Beschlüsse mit sich“. (ebd S. 3) Es war geschickt, dass der Synodale Otto, der als Landsyndikus die Verhandlungen in der Landesversammlung sehr genau beobachtet hatte, der Synode in Kleinigkeiten Freiheit ließ, aber die Vorlage im Grunde unverändert anzunehmen empfahl, was die Synode am vierten Verhandlungstag auch tat. Auf eine Generaldebatte hatte die Synode verzichtet.

Uns fällt heutzutage die Härte des § 1 auf: „Jeder im Gemeinde-Pfarramt der evangelisch-lutherischen Landeskirche des Herzogtums fest angestellte Geistliche, dessen Pfarrsitz innerhalb der Landesgrenzen gelegen ist, wird, wenn er durch Alter, Krankheit oder in Folge eines körperlichen oder geistigen Gebrechens zur Fortführung seines Pfarramtes dauernd unfähig geworden ist, unter Enthebung von seiner Stelle in den Ruhestand versetzt (emeritiert).“ ( Kirchengesetz Anlage 6a S. 1)
An der Voraussetzung für den Eintritt in den Ruhestand hatte sich also seit der Reformationszeit nichts geändert. Der Ruheständler musste dienstunfähig sein. Man amtierte bis zum Tode. Ein Eintrittsalter wurde gar nicht diskutiert.
Es erlosch aber in Zukunft ein Anspruch auf Altersversorgung von der Pfarrstelle. Die Altersversorgung hing also nicht mehr von den Einkünften der Pfarrstelle ab. Das bedeutete eine erhebliche Sicherheit und auch Unabhängigkeit von den gelegentlich wegen der Pachtpreise schwankenden Einkünften der Pfarrstelle. Es wurde ein Minimaleinkommen von 1.500 M und dann ansteigend festgelegt, das nun vom Staatsministerium ausgezahlt wurde. Insofern würden die Ruheständler in Zukunft besser dastehen als zur Zeit, prognostizierte Otto. Allerdings blieben die 17 aktuellen Ruheständler noch abhängig und ein Antrag von Skerl zielte darauf hin, dass auch die Pensionäre ihr Ruhestandsgehalt nicht mehr von den Adjunkten auf der Pfarrstelle erhalten sollten. Die zahlten nämlich unregelmäßig, verspätet oder waren gar nicht in der Lage, die Pensionsansprüche des Vorgängers aus den Pfarreinkünften pünktlich zu entrichten. ( Sb 4 S. 31 f)
Der Emeritierungsfonds wurde gefüllt von den dauernden Pfarrbeiträgen, Eintrittsgeldern, zeitweiligen Pfründenabgaben, aus Überschüssen der Pfarrvakanzkasse, aus Zinsen, Schenkungen und „die ihm staatsseitig bewilligten Zuschüsse oder sonst überwiesenen Einnahmen“ (§ 9). (Anlage 9 S. 3 und Sb 3 S. 19) Der Beitritt zur Pensionskasse war freiwillig. Nur 15 Pfarrer verweigerten den Beitritt (Zustandsbericht der 4. Landessynode Anlage 6a S. 39) Die Pfarrer hatten in den Emeritierungsfonds je nach Höhe des Diensteinkommens ½ Prozent bis 2 % einzuzahlen. Der Staat zahlte ein Fixum vom 33.000 M. aus dem Klosterfonds.

Die Debatte
Die Synode hätte sich mit einem Seufzer der Enttäuschung „Das ist nun einmal so“ aus der prekären Lage wieder rasch nach Hause verabschieden können, da ja eine Debatte wegen des von der Landesversammlung bereits fest beschlossenen Gesetzestexte aussichtslos erschien, stattdessen aber begann sie unerschrocken eine Debatte um Änderungsvorschläge. Dazu wurde sie durch Änderungsanträge der Kommission selber angeregt. Diese hatte zu § 10 beantragt, den Beitrag des Pfarrers von einem ½ % auf ¾ % des Einkommens zu erhöhen. Nach 11 Redebeiträgen wurde der Kommissionsantrag mit 15: 13 Stimmen abgelehnt. Der Synodale Keunecke schlug zu § 19 vor, statt eines freiwilligen Beitritts, wie es die Vorlage vorsah, den Beitritt zwangsweise einzuführen. Nach fünf Redebeiträgen wurde der Antrag abgelehnt. Der Synodale v. Löhneysen befürchtete eine Verschlechterung in der Seelsorge und im Kirchendienst, wenn die Überschüsse der Pfarrvakanzen im Emeritierungsfonds vereinnahmt würden statt z.B. in der Ortskirchenkasse und wünschte dazu eine Erklärung des Konsistoriums, wozu Konsistorialrat Schmidt-Phiseldeck sich vor Synode beruhigend herbeiließ. Noch nach Ende der Debatte beantragte der Synodale Skerl die Einbeziehung der gegenwärtigen Ruheständler in die Wohltaten des Gesetzes, was leicht abgeändert angenommen wurde. Andere Anträge der Kommission betrafen vor allem Formulierungen, die angenommen wurden. So vermittelten die Synodalen den sympathischen Eindruck, ihrem synodalen Auftrag, das Wohl der Landeskirche zu fördern, gerecht zu werden.
In Zukunft berichtete das Konsistorium beim Lagebericht über die Anzahl der Emeritierungen und die Höhe des Fonds.

Die Umsetzung des Gesetzes
Finanziell bewährte sich dieses System vom ersten Jahr an. Der Emeritierungsfonds erwirtschaftete im ersten Jahr seines Bestehens 1884 einen „nicht unerheblichen Überschuss“, (4. Landessynode Lagebericht Anlage 6 a S.40) der allerdings durch die zahlreichen Vakanzen verursacht war. Das Gesetz erleichterte den sehr alten Pfarrern den Schritt in den Ruhestand. Noch nie waren in den vergangenen drei Jahrzehnten so viele Pfarrer in den Ruhestand versetzt worden wie 1883, nämlich acht. Sieben von ihnen waren zwischen 75 und 80 Jahre alt, zwei von ihnen verstarben noch im Eintrittsjahr 1883, drei lebten noch fünf Jahre. 1885 waren fünf Pfarrer emeritiert und 1886 sieben. „Damit hörte der außerordentliche Zudrang zur Emeritierung wieder auf.“ (5. Landessynode Anlage 6a S. 32)
Das Emeritierungsgesetz war ein Jahrhundertgesetz, von dessen Folgen die Pfarrerschaft noch heute profitiert.



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Impressum  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/Synode/, Stand: August 2020, dk