Die Braunschweiger Stadtkirchen um die Jahreswende 1932/
1933
Die Aussichten der Stadt Braunschweig für das Jahr 1933
wurden unterschiedlich eingeschätzt. Der Direktor des Städtischen Verkehrs- und
Presseamtes Dr. Wiehe hatte schon ein Jahr zuvor optimistisch unter der
Überschrift „Braunschweig wächst ins Land hinein“ prognostiziert: „Die
Landeshauptstadt steht vor einem neuen großen Abschnitt ihrer
Weiterentwicklung“. Es gelte die Erfordernisse der Gegenwart großzügig
anzufassen und der an geschätzter Überlieferung, prächtiger Baustruktur,
industriellem und wirtschaftlichem Unternehmergeist reichen Stadt zwischen Harz
und Heide den Platz an der Sonne zu sichern.[1]
Der Volksfreund, ermuntert durch den Rückgang der
Wählerstimmen für die NSDAP bei den Reichstagswahlen im November, nicht weniger
optimistisch: „1932: Faschismus geschlagen. 1933 Sozialismus siegen“. Im
Bürgertum werde geradezu eine Psychose erzeugt, als wenn „dieser Messias aus
Braunau von niemandem gehindert werden könnte, aus Deutschland ein Trümmer- und
Leichenfeld zu machen.“ Die 1932 gebildete Eiserne Front habe einen Sieg „gegen
den putschistenden Faschismus“ errungen.[2]
Das alte Braunschweig
Die „an geschätzter Überlieferung wie
prächtiger Baustruktur reiche Stadt“ war Gegenstand touristischer Bewunderung.
Amerikaner oder Engländer bewunderten die Altstadtarchitektur, vor allem die
Gassen und Straßenzüge mit geschnitztem und bemaltem Fachwerk. Dr. Wiehe
stellte im Adressbuch 1931 das ausländische Presseecho der Besucher zusammen.[3]
„Die wunderlichen, altmodischen Häuser mit ihren vorspringenden Stockwerken
sind Gegenstand endlosen Entzückens und echte Bilder des mittelalterlichen
Deutschlands.“ (ein Amerikaner). „Der Besucher empfindet bald, das er sich
seinen eigenen Führer schreibt über ganz unerwartete Wanderungen durch enge
Straßen, vorbei an Häuserfronten mit reichem Schmuck des geschnitzten
Fachwerkes oder Bilderkunst der Renaissance, die Gassen in Freilicht-Museen
verwandeln, bis er endlich vor solchen Bauten steht wie das Gewandhaus mit
seinem wunderbaren Schmuck und Skulpturen.“ ( ein Engländer). „Hier in
Braunschweig kann man schauen, wie eine blühende mittelalterliche Stadt aussah
als Shakespeare noch lebte.“ (Daily Telegraph)[4]
Diese Fachwerkarchitektur hatte um den
Kohlmarkt und zum Kopfbahnhof hin Ende des vergangenen Jahrhunderts schwer
gelitten. Sie hatte zugunsten meterlang die Frontseite der Straße
beherrschenden großen Warenhäuser weichen müssen. Die Flaniermeile der Stadt
war nicht der Bohlweg, sondern die Strecke vom Bahnhof über die Hauptpost.
„Welch Überraschung erwartete mich aber, als ich den Bahnhof verließ. Zu beiden
Seiten der Straße zahlreiche Lichtreklame. Menschengedränge auf den
Bürgersteigen“. Links abbiegend kam der Reisende durch die ehemals fachwerkbestandene,
jetzt enorm freigeräumte Wilhelmstraßc zum Kohlmarkt mit seinen Edelgeschäften
und weiter geradeaus zu Frank und Karstadt. Wilhelm Raabe hatte als Zeitgenosse
diesen Abbruch heftig bedauert. Amerikaner und Engländer mussten weiter in die
Neustadt wandern, um das mittelalterliche Braunschweig zu bestaunen, engste
Gassen, Häuser aus der Zeit vor 4 und 5 hundert Jahren.
Das rote und das bürgerliche Braunschweig
In dieser Fachwerkstadt Braunschweig hatte sich in den
letzten 50 Jahren eine stabile sozialistische Gesellschaft etabliert.[5]
Sie war der traditionellen bürgerlichen Gesellschaft abgerungen, von ihr
vollständig getrennt und hatte eine ethische, ökonomische und pädagogische
Infrastruktur entwickelt, die den sozialistisch eingestellten Bürger von
Geburt an prägte. Vier weltliche Schulen in der Bürgerstraße, Ottmerstraße,
Maschstraße und Bültenweg sorgten für eine sozialistische Erziehung mit einem
der Aufklärung und den Idealen der französischen Revolution verwandten
Menschenbild. Die Ideale der Freiheit, Selbstbestimmung und Solidarität sowie
der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz hatten konfessionalistischen
Charakter. Die Lehrerschaft war jung, zur Hälfte dissidentisch, für
schulreformerischen Aktivitäten hinsichtlich der Methode und der Stoffauswahl
aufgeschlossen, eine Alternative zur bürgerlichen Volksschule.[6]
Auf Fahrten und an praktischen Beispielen einer „Kinderrepublik“ wurden solche
Werte von klein auf erprobt und geübt.[7]
Auf sie wurden die 14 Jährigen in einer feierlichen Jugendweihe verpflichtet.
In der Stadt gab es 44 Konsumläden, in deren Verwaltung und Verlauf 358
Personen beschäftigt waren und die einen Umsatz zwischen neun und zehn
Millionen erwirtschafteten. Dem Kosumverein gehörten 1930 18.994 Mitglieder an.
„Keinen Pfennig mehr dem Privathandel, restlose Bedarfsdeckung im
Konsumverein“, lautete die Devise, als der Umsatz 1930 etwa zurückgegangen war.[8]
Der Konsumverein war ein Wirtschaftsfaktor in der Stadt, der diese
sozialistische Gesellschaft auch wirtschaftlich eigenständig machen sollte. Man
kaufte bei „seinem“ gleichgesinnten Bäcker, Fleischer und Gemüsehändler. Neben
einem eigenen Produktions- und Verkaufskreislauf entwickelte die Arbeiterschaft
eine eigene Freizeitkultur und tummelte sich in sozialistischen Liedertafeln,
Turn- und Sportvereinen und auch Bildungsgruppen. Die sozialistischen
Stadtgesellschaft bot der Arbeiterschaft eine breites Freizeit- und
Bildungsangebot, das ihrem besonders ausgeprägten Bildungs- und
Aufstiegswillen zugute kam.[9]
Als Alternative zum Landestheater entstand die Freie Volksbühne.
Der Anteil der Stadtbevölkerung am roten Braunschweig
lässt sich ziemlich genau mit 16,6 % bestimmen, nämlich 25.975 Stadtbewohner
von insgesamt 156.840 Braunschweigern. Das hatte die Volkszählung 1933 ergeben.[10]
Braunschweig war in den letzten acht Jahren immer roter geworden. 1925 hatte
der Anteil der Freidenker mit 16.707 Stadtbewohnern erst 11,4 % betragen.
Inzwischen waren mehr als 9.000 Braunschweiger dazugekommen. .
Zur sozialistischen Stadtbevölkerung gehörten die Armen
der Braunschweiger Stadtgesellschaft. Sie wohnten zum großen Teil in den
Gegenden mit den niedrigsten Mieten, weil sie die Mittel für ihren
Lebensunterhalt nur unter großen Einschränkungen aufbringen konnten. Solche
typischen Arbeiterviertel waren die Friesenstraße hinter dem Schloss, die Lange
Straße, Weber- und Beckenwerderstraße bei der Andreaskirche. Dort gab es noch
Hinterhöfe und Seitenhöfe, unzureichende sanitäre Anlagen und beengte
Räumlichkeiten. Das Adressbuch von 1930 benennt in der Friesenstraße mitten in
der Stadt, die vom Schloss schräg auf das Landestheater zulief und in den 60er
Jahren leider abgerissen worden ist, weil ihre Häuser 1944 fast vollständig
abgebrannt worden waren, in 22 Hausnummern noch Hinterhöfe im Erdgeschoss,
ersten und zweiten Geschoss und im Nebenhof. [11]
Hier wohnten die Arbeiter, die Arbeitslosen, die „Pruckler“, die Geschäftsleute
und Handwerker für den täglichen Bedarf.[12]
Eine zweite Klasse von Arbeiterwohnungen war in der Nähe
des jeweiligen Fabrikgeländes entstanden, für die Eisenbahner vom
Eisenbahnausbesserungswerk am Lämmchenteich, für die Büssingarbeiter in der
Friedrichstraße, für die von den Lutherwerken in der Weststraße, heute Hugo
Lutherstraße, für die von der Blechwarenfabrik Unger und Sohn und MIAG in der
Roßstraßé.
Das waren verglichen mit den Hinterhöfen der Innenstadt
zwar bessere Wohnungen, mit eigener Küche, aber immer noch beengt und gedrängt.
„Unsere Wohnung lag in einem Doppelhausblock, der zu den
ersten Häusern der Braunschweiger Baugenossenschaft gehörte. In dem Block
lebten 20 Familien, in unserm Haus acht und in den andern zwölf. Die Wohnungen
waren einfach und billig; sie galten für die damalige Zeit als gesund, waren
aber für die kinderreichen Familien viel zu klein. In unserem Haus gab es fast
40 Kinder, vom Krabbelkind bis zu jungen Leuten, die schon im Berufleben
standen. Wir lebten in einer Zweizimmerwohnung mit zwei Erwachsenen und fünf
Kindern. Die Toilette war ausserhalb der Wohnung. Es gab einen einzigen Wasserhahn
in der Küche. Vom Bad oder Dusche träumten wir nicht einmal. Waschplatz war für
alle eine Emaille Waschschüssel in der Küche. Das Leben, soweit es in der
Wohnung stattfand, spielte sich hauptsächlich in der Küche ab, sie war im
Winter der einzige geheizte Raum. Kochen und Essen, Kinderpflege,
Geschirrspülen, Nähen, Stricken, Stopfen und Flicken, Lampen putzen,
Schularbeiten, Lesen und Spielen und auch noch Besuche - alles in der Küche.“[13]
Moderne und linke Ideen für den Arbeiter suchten die
Stadtarchitekten in der Anlage des Siegfriedviertels und des Bebelhofes zu
verwirklichen.
Auch einige Straßennamen wurden nach links gedreht: der
fürstliche Friedrich Wilhelm Platz vor dem Bahnhof zum Friedrich Ebert Platz,
die Husarenstraße zur Bebelstraße, die Rosenstraße zur Liebknechtstraße, die
Kaiser Wilhelm Allee zur Friedensallee.
Das Sprachrohr des roten Braunschweig war bis 1933 der
„Volksfreund“ mit einer Auflagenhöhe von 17.000 Exemplaren, der bereits seit
1871 die Braunschweiger mit linken Nachrichten versorgte. Bekanntester
Redakteur war der SPD Ortsvereinvorsitzender Otto Thielemann[14],
der die Stadt auch im Landtag vertrat. Der Volksfreund war das Blatt der
alternativen Arbeiterkultur.
Kommunalpolitisch hatte sich diese sozialistische
Stadtgesellschaft in der sozialdemokratischen und kommunistischen Partei
organisiert und erstrebte die Mehrheit in der Stadtversammlung. Aber
erst seit 1929 hatte die Stadt Braunschweig zum ersten Mal
einen sozialdemokratischen Oberbürgermeister, Ernst Böhme.[15]
Seit der Kommunalwahl im Februar 1928 hatte die SPD im Stadtparlament bei 35
Sitzen eine satte Mehrheit von 20 Stimmen und konnte alleine regieren. Bei der
Wahl zur Stadtverordnetenversammlung 1931 hatte sie zwar kräftig verloren, aber
zusammen mit der KPD langte es zu einer dünnen Mehrheit.[16]
Landespolitisch hingegen war der Freistaat nach den
ersten fünf Jahren (1918-1923) mit seinen unterschiedlich gefärbten
sozialdemokratisch/sozialistischen Mehrheiten von einer alle drei Jahre
abwechselnde Regierung (mal bürgerlich 1924-1927) mal sozialistisch
(1927-1930), mal bürgerlich/nationalsozialistisch (ab 1930) bestimmt. Diesen
Wechsel hatte es in der Stadtversammlung nicht gegeben. Die Stadtpolitik war
nicht unwesentlich vom überparteilichen Oberbürgermeister Hugo Retemeyer[17]
bestimmt gewesen, der seit 1894 dieses Amt bekleidete, auch in den
Umbruchszeiten 1918/19 behalten hatte und erst 1925 74jährig in den Ruhestand
gegangen war. Sein Nachfolger war der bürgerliche Paul Trautmann[18],
der jedoch nach nur vierjähriger Amtszeit 48 jährig 1929 verstarb. In diesem
Jahr hatte die sozialdemokratische Mehrheit in der Stadtversammlung endlich die
Möglichkeit, einen sozialdemokratischen Oberbürgermeister zu wählen, der auf
eine durch und durch bürgerlich geprägte Stadtverwaltung traf.
Das bürgerliche Braunschweig hob sich strikt vom
sozialistischen ab. Es hatte sich wohnungsmäßig schon seit Jahrzehnten aus der
maroden Innenstadt verabschiedet und sich großzügige villenartige Häuser zu
beiden Seiten der Friedensallee (heute Heinrich Jasperallee), und den dazu
gehörigen Nebenstraßen eingerichtet, auch auf der Charlottenhöhe gebaut oder am
Löwenwall und in der Adolfstraße, oder romantisch an der Wabe gelegene Häuser,
die Wabesiedlung, errichtet. Es waren Quartiere für sich und für gehobenen
Lebensstil. Hier wohnten, was man „die besseren Leute“ nannte: Industrielle,
Regierungsmitglieder, Juristen, Militär, Ärzte, Künstler, Professoren. Sie
schickten ihre Kinder auf die Gymnasien, das Martino-Katharineum und bevorzugt
aufs Wilhelmgymnasium, auch schon außerhalb der traditionellen
Fachwerkinnenstadt gelegen. Am Sonntag nachmittag ging man ins Cafe Wagner am
Hagenmarkt oder ins Cafe Lück gegenüber vom Landestheater. „Obgleich es ein
reges geselliges Treiben gab, so bestand die Geselligkeit doch wesentlich
darin, dass die „tonangebenden“ Kreise der höheren Beamten, der Akademiker, der
Offiziere sich nach einem festen Ritus gegenseitig zum Genuß außerordentlich
nahrhafter Diners mit unzähligen Gängen einluden. Kleine intime Zirkel, in denen
geistige Interessen das Verbindende waren, gab es nur vereinzelt“, war der
Eindruck von Ina Seidel.[19]
Diese bürgerliche Gesellschaft beherrschte mit vier
Tageszeitungen in einer täglichen, beachtlichen Auflagenhöhe von insgesamt
102.000 Exemplaren die Öffentlichkeit.[20]
Der Braunschweiger Allgemeine Anzeiger (40.000 Exemplare) und die
Braunschweiger Neusten Nachrichten (30.000 Exemplare) pflegten ein nationales
Profil. Die Braunschweiger Landeszeitung (16.000 Exemplare) und die
Braunschweiger Tageszeitung (16.000 Exemplare) hingegen suchten die öffentliche
Meinung im pronazistiischen Sinne zu beeinflussen. Pressemäßig war
Braunschweig keine rote Stadt, sondern höchst bürgerlich. ihre Sitze In der
Stadtversammlung hatten sich die Nationalsozialisten bei der Kommunalwahl 1931
von einem (1928) auf zehn (1931) Sitze verbessern können.
Dieses bürgerliche wie sozialistische Braunschweig stand
auf einem seit 1923 sich festigenden demokratischen Boden. Die Republik hatte
in Braunschweig ihre Anhänger und versprach Zukunft. „Mit Weimar und durch
Weimar siegte der sittliche und disziplinierte Teil unseres Volkes“, rief der
Festredner am Verfassungstag 1927 im Landestheater aus. Weimar sei zwar ein
Abschluss. Viel mehr aber auch ein Anfang für eine neue Zeit.[21]
Pastor Brutzer rühmte in seiner Predigt am selben Tag im Dom, dass die
Verfassung nach den chaotischen Kriegszeiten wieder gesetzmäßige Zustände
herbeigeführt habe. Die Weimarer Verfassung sei „von Gott“. Das Ziel Gottes sei
es, „die tiefste Menschensehnsucht nach Harmonie und Frieden zu erfüllen.“
Welches war der Standort der Stadtkirchen in dieser
unterschiedlichen, bürgerlichen wie sozialistischen Stadtgesellschaft? Kirche
und Religion waren in dieser Gesellschaft verpönt wie verachtet. In der
sozialistischen Gesellschaft wurde sie programmatisch für ein Ablenkungsmittel
von den notwendigen Veränderungen zu einer besseren Gesellschaft gehalten. In
den weltlichen Schulen gab es daher keinen Religionsunterricht und beim letzten
Gang zum Friedhof keinen Pastor. Kirche und Religion waren Relikte einer
untergegangenen Zeit und würden sich von selbst überleben und absterben. Man
war als zukunftsbewusster, linientreuer Sozialist aus der Kirche ausgetreten
und Dissident.
Diesem Ziel widmete sich mit Elan der Volksfreund. Er
veröffentlichte 1932 ein Weihnachtsgedicht unter der Überschrift „Botschaft“.
„Das ist kein Glockenklang/ und kein Gebet/ Das ist ein Sturmgesang/ der nicht
verweht// Kein Jesuskind verklärt/ auf Stroh und Heu/ Uralte Welt gebärt/ sich
schmerzlich neu// Schafft der gequälten Zeit/ Arbeit und Brot/ Friede und
Menschlichkeit/ macht zum Gebot// Erde sei Bruderland/ Arbeit ihr Held/ Siege
im Feuerbrand/ Arbeiterwelt“. Die Titelüberschrift formulierte die Alternative
zum biblischen Weihnachtsevangelium: „Friede und Wohlgefallen nur durch den
Sozialismus“. Die Engel über dem Hirtenfeld von Bethlehem waren abgemeldet.[22]
Die Redaktion des Volksfreund griff polemisch die
weihnachtliche Kirchensitte des Kurrendesingens der Kinder auf und lästerte:
„Da stehen sie auf den Höfen und singen, da fiedeln sie im Abenddunkel an den
Straßen und Brücken das rührselige „O du fröhliche, o du selige,
gnadenbringende Weihnachtszeit“. Bittere Gefühle überkommen den Proletarier,
wenn sie den namenlosen Erwerbslosen um ein Almosen betteln sehen. Die Prasser
und Protzer schicken sich an, mit Orgelklang und Halleluja ein Fest zu feiern.
Von dem Glanz und Pomp des Reichtums soll auch ein Schimmer auf die Darbenden
fallen. Noch weniger denn andere Jahre ist das von der Kirche mit allen
Registern der Rührseligkeit aufgezogene Weihnachtsfest geeignet, den
arbeitenden und arbeiten wollenden Millionen das Gefühl der Freude und der
Verheißung zu geben. Vergeblich bemühen sich die kirchlichen Kreise, den
dahinschwindenden Nimbus des Weihnachtsfestes zu erneuern.“ Statt Mystik mit
Kerzenlicht und Engelshaar sei der Glaube an die eigene Kraft und die
Unüberwindlichkeit der proletarischen Klasse gefordert. „In diesem gerechten,
historisch bedingten Kampfe läuten keine Kirchenglocken, brausen keine
Kirchenorgeln, singen keine Hallelujachöre, in diesem Kampf um Sein und
Nichtsein der Menschheit wird das Proletariat abseits aller Romantik und Mystik
siegen, um das wahr zu machen, wovon der kirchliche Feste feiernde Besitz zu
Weihnachten gern predigen lässt: Friede und Wohlfahrt!“
Diese Polemik ließ keinen Platz für andere als
„proletarische“ Lebensformen, sie sah sich im Kampf um Sein und Nichtsein, und
da hatte die Kirche offenbar keinen Platz. Die Volksfreunde- Redaktion
trommelte ziemlich aufdringlich zum Kirchenaustritt und spottete über die
Beziehungen zwischen der nationalsozialistisch/ bürgerlichen Landesregierung
und der evangelischen Landeskirche.[23]
In der bürgerlichen Gesellschaft war ebenfalls eine zur
Schau getragene Kirchendistanz üblich. Wissen und Glaube wurden als Gegensätze
verstanden, Liberalität und Orthodoxie waren unversöhnlich, wer dem Fortschritt
huldigte, musste von der Kirche absehen. Als der Pastorensohn Ottmar Palmer ins
Wilhelmgymnasium eingeschult wurde, traf er vom Dorfe aus einem behüteten
Elternhaus kommend auf eine vollständig kirchendistanziertem, säkulare
Gesellschaft. „In der Schülerschaft spiegelte sich im großen und ganzen doch
wohl der die Stadt und das Land beherrschende Liberalismus wider, der sich
nicht wie Schule und Lehrerschaft, damit begnügte, mit kühler Höflichkeit der
Kirche und dem Christentum gegenüber t zu stehen, sondern beides bewusst
ablehnte und gelegentlich mit Hohn, Spott und Ironie nicht geizte. Kirche und
Gottesdienstbesuch waren eine quantite negligeable.“[24]
Zur Entspannung ging man in die Vereine, in eins der
vielen Kinos oder in das an der Wolfenbüttler Straße gelegene ausgedehnte
Vergnügungsviertel. Dort standen die Tanz- und Festsäle von Holst’s Garten, vom
Hofjägerr und vom Konzerthaus für Veranstaltungen mit Tausenden von Besuchern
bereit.
Zwei Welten standen sich in der Stadt gegenüber. Diese
Gegensätzlichkeit konnte fruchtbar und demokratieförderlich weiterentwickelt
werden. Sie konnte auch feindselig aufeinanderprallen, wenn es parteipolitisch
gewollt wurde. die Nationalsozialisten wollten den zerstörerischen Konflikt und
die demokratische Grundstruktur vernichten. So war das Alltagsleben in
Braunschweig 1932/33 von der viel beschriebenen Unruhe und den
Auseinandersetzungen zwischen NSDAP und KPD und deren Jugendgruppen bestimmt.
Die Stadtpfarrerschaft war strukturelle durch die Höhe
ihres Diensteinkommens und die Dienstwohnung an die gehobene bürgerliche
Schicht gebunden. Sie war von einer im 19. Jahrhundert entstandenen schultheologischen
Ethik von Familie und Staat als Gottesordnungen geprägt und zu Sittsamkeit und
Gehorsam gegenüber der Obrigkeit und dem Familienvater verpflichtet. Sie stand
dem infolge der Industrialisierung verschärften Säkularismus hilflos gegenüber.
Ihre frühere Position als „Stütze der Gesellschaft“ war längst ausgehöhlt. Sie
vermochte ihren Standort auf diesem Hintergrund nicht neu zu definieren und
theologisch zu überdenken, wie es sehr viel später Dietrich Bonhoeffer getan
hat. In dieser leicht desolaten Lage half die jahrhundertealte, eingespielte
Behördenstruktur der Landeskirche und des Stadtkirchenamtes, etwas
despektierlich formuliert: der Apparat, von dem im Folgenden die Rede ist.
Die Kirchen in der Stadt 1932/33
Zum Jahreswechsel 1932/33 riefen die Glocken von den Türmen
der acht jahrhundertealten Stadtkirchen Andreas, Katharinen, Magni, Martini,
Michaelis, Petri, Ulrici und des Doms zum Silvestergottesdienst und läuteten
das neue Jahr 1933 ein. Die Kirchen gehörten zur Stadt. Sie liegen teilweise
noch heute erkennbar an ehemaligen Märkten der Stadt: (Eiermarkt, Hagenmarkt,
Wollmarkt Ziegenmarkt,). Bei einer geruhsamen Stadtrundfahrt sind die zu diesen
Stadtkirchen gehörigen Friedhöfe heute als ausgedehnte, im Frühjahr
blumenreiche, grünflächige Stadtoasen zu entdecken, wie z. B. der
Martinifriedhof und der Petrifriedhof an der Goslarschen Straße, der Magni- und
Domfriedhof an der Stadthalle. Diese acht Stadtkirchen drängen sich auf dem
engen Gebiet innerhalb des Okergrabens zusammen, der zur Stadtbefestigung
gehörte. Es gibt in Deutschland keine weitere Stadt mit einer derart dichten
Kirchenbebauung innerhalb des Stadtzentrums. Man hat an diesem Zustand nach
1945, als die meisten Innenstadtkirchen völlig zerstört worden waren, nichts
geändert.
Der bauliche Zustand dieser Kirchen war nach einer langen
Zeit der Vernachlässigung im 18. und 19. Jahrhundert gut. Die Stadtkirchen
waren zwischen 1879 und 1906 vom Stadtmagistrat gründlich überholt und sämtlich
mit der damals zeitgemäßen historistischen Innenausmalung versehen worden.[25]
Die Stadtkirchen konnten sich sehen lassen.
Seit Jahrhundertanfang hatte der Stadtmagistrat zur
Verkleinerung der hohen Gemeindemitgliederzahlen drei neue Kirchen jenseits des
Okergrabens errichtet: Johannis am Leonhardtplatz, Pauli an der Kaiser-Wilhelm
Allee (heute Jasperallee) und Jakobi in der Goslarschen Straße. Trotzdem
blieben ihre Mitgliederzahlen beträchtlich. Pauli hatte 18.500
Gemeindemitglieder - früher sprach man von „Seelen“ -, Johannis 14.600
Mitglieder, Michaelis 12.800, Martini 12.500, Katharinen: 12.000 Mitglieder,
Jakobi: 9.500, Magni 8.500, Petri 7.500, Andreas und Ulrici je 6.000, der Dom
1.200. Dazu kam noch die evangelisch-reformierte Gemeinde in der
Bartholomäuskirche mit 3.500 Seelen.[26]
Die Stadt Braunschweig hatte um 1933 156.840 Einwohner, davon waren 78,1 % der
Bevölkerung evangelisch (bei 122.517 Gemeindemitgliedern) und 7.650
römisch-katholisch (4,9 % ) und 683 waren jüdische Bürger.[27]
Man pflegte eine traditionelle Bindung an seine
Kirchengemeinde, in der man getauft und konfirmiert worden war. Kirchliche
Trauungen hingegen waren nicht mehr allgemein üblich. Weit weniger als die
Hälfte aller Ehepaare gingen nach der standesamtlichen Trauung auch noch in
eine Kirche.[28]
Der Gottesdienstbesuch war gemessen an ost- und süddeutschen Landeskirchen
gering, entsprach aber dem mageren niedersächsischen Durchschnitt.
Die Pauligemeinde, die 1931 ihr 25jähriges Jubiläum, und die
Magnigemeinde, die im selben Jahr ihr 900. Jubiläum feierten, galten als überwiegend
großbürgerlich. In den Bezirken Michaelis und Jakobi wohnten vor allem die
Arbeiter der großen Fabriken, die sich seit 60 Jahren im Südwesten der Stadt
angesiedelt hatten, um Andreas in engen, dunklen Straßenzügen das sog.
Stadtproletariat. In Folge der Stadterweiterung hatten sich die Gemeindebezirke
der Innenstadtkirchen tortenartig nach draußen verlagert. Die Kirchen standen
überwiegend nicht mehr in ihren Wohngebieten, sondern an ihrem Rand. Das macht
sich schon damals störend bemerkbar.
Die evangelische Bevölkerung wurde von insgesamt 20
Pfarrern versorgt, die je nach Größe der Gemeinde allein, zu zweit oder dritt
an einer Stadtkirche amtierten; [29]
Heinrich Runte war seit 1893 Pfarrer an der Andreaskirche
gewesen, seit 1920 Stadtsuperintendent und seit 1922 Kirchenrat (heute Propst).
Die Andreaskirche galt im Vergleich mit der Katharinen- und Martinikirche als
arm. Sie war nicht mit reichen Stiftungen gesegnet. In ihrer Umgebung wohnten
keine reichen, Kollekten spendenden Bürger. Runte sammelte die
Stadtpfarrerschaft in monatlich tagenden Zusammenkünften und verwaltete den
Stadtkirchenkreis wie ein gediegener Hausvater, aber von ihm gingen keine
wesentlichen theologischen Anstöße aus. Er vermied die amtlich vorgeschriebenen
Visitationen der Kirchengemeinden.
Die Jüngsten unter ihnen waren Otto Jürgens und Eberhard
Frielinghaus mit je 35 Jahren Jahren, die meisten über 60 Jahre, der Älteste
mit 70 Jahren Heinrich Runte.[1]
Einige Pfarrer hatten ein besonderes Profil entwickelt.
Martin Bücking, seit 1901 an der Katharinenkirche, hatte eine 20teilige, viel
gelesene Serie unter dem Titel „Der Braunschweiger im 1. Weltkrieg“ im Auftrag
der Regierung veröffentlicht, die, wie er später beklagte, unter der Zensur der
Militärregierung zu leiden gehabt hatte und auftragsgemäß die
Kriegsschauplätze, Opfer, Helden und Orden herausputzte. Es waren zwischen den
Zeilen auch zurückhaltende Bemerkungen zu lesen. Gerhard Kalberlah hatte 1929
Henry Beck an der Jakobikirche abgelöst, der diese Gemeinde außerordentlich geprägt
hatte. Beck war seit 1911 Gründungspfarrer, hatte als Militärpfarrer am 1.
Weltkrieg teilgenommen und einen Predigtband „Vorwärts! Gottes Kraft für die
Front“ herausgebracht. Seine Gemeinde galt als „Arbeitergemeinde“, und nach
1919 gehörte er zu den wenigen, die den Wechsel zur Demokratie begrüßten. Er
gab seit 1910 einen eigenen Gemeindebrief heraus, den ersten in der
Landeskirche überhaupt. Hermann Lagershausen war seit Gemeindegründung im
Jahre 1896 an der Paulikirche. Sein Kollege Alfred Goetze, körperlich
benachteiligt und klein geraten, Berliner nach Herkunft, hatte im Kampf gegen
die sozialistischen Schulreformen evangelische Elternbünde als Kampfverbände
gegründet.
Eine auffallend lebendige Jugendarbeit war in den
Außenbezirkskirchen Johannes und Jakobi, aber auch in anderen Stadtkirchen
entstanden.
Eine Sonderstellung beanspruchte der Dom, weil der
Dompfarrer vor 1918 noch vom Herzog berufen wurde, sein Gehalt vom Hof bezog
und zu seiner Personalgemeinde vor allem die Mitglieder der Regierung und des
Staatsapparates, die pensionierten Beamten und die Mitglieder des
Landestheaters gehörten. Der Dompfarrer war nicht verpflichtet, am monatlichen
tagenden Konvent der Stadtpfarrer teilzunehmen. Die Staatsregierung trug die
Kosten der Gehälter und der Bauunterhaltung vom Dom und Dompfarrhaus.
Die Pfarrerschaft der Stadt Braunschweig nahm gegenüber den
Pfarrern der anderen Städte und Dörfer des Braunschweiger Landes schon rein
äußerlich eine Sonderstellung ein: sie trug zum Talar nicht das schlichte
Beffchen, sondern eine imponierende Halskrause. Diese rührte aus der Zeit, als
Braunschweig noch Hansestadt gewesen war. Sie wurde auch anders und zwar besser
bezahlt als die Pfarrer auf dem Lande. Dieses Sonderrecht des erhöhten
Einkommens hatte sie auch noch nach 1918 durchgesetzt wie auch das andere, dass
die Braunschweiger Stadtgemeinden ihren Pfarrer immer selber wählen durften.
Sie wurden nicht, wie auf dem Lande, abwechselnd von der Kirchenleitung
„besetzt“. Also Braunschweig war schon was Besonderes.
Die Braunschweiger Stadtpfarrerschaft galt theologisch als
liberal, die sich weniger als Hüter der Bekenntnisse der Reformationszeit,
sondern eher den Ergebnissen der wissenschaftlichen Bibelkritik und Aufklärung
verpflichtet fühlte.
Kirchenpolitisch war der Wahlkreis Braunschweig Stadt nach
Mitte/ links orientiert. Bei den Wahlen zum Landeskirchentag 1929 hatte die
kirchliche Mitte mit 4.573 Stimmen vier Sitze, die Linke („Freunde
evangelischer Freiheit“) mit 4.189 Stimmen drei Sitze und die kirchliche Rechte
mit 3.217 Stimmen zwei Sitze erhalten. In den neuen Landeskirchentag entsandte
Braunschweig für die Mitte Pastor Lagershausen, Generalstaatsanwalt Holland[30],
Frau Dr. Grotrian-Steinweg und Prof. Heinrich Mack[31],
für die Linke Pastor Freise, Oberstudiendirektor Gronau[32]
und Reichsbahninspektor Huhn und die Rechte Domprediger v. Schwartz und
Landgerichtsrat Gerhard.[33]
Die Verwaltungsgeschäfte erledigte ein fünfköpfiger
Stadtkirchenausschuss unter dem Vorsitz des Kirchenrates Heinrich Runte. Daneben
bestand ein jährlich einmal tagender Stadtkirchentag, dem sämtliche Pfarrer und
jeweils doppelt so viele Kirchenvorstandsmitglieder angehörten, insgesamt 42
Personen.[34]
Präsident des Stadtkirchentages war das Mitglied der Pauligemeinde
Generalstaatsanwalt Wilhelm Holland. Holland gehörte als Präsident des
Landeskirchentages zu den hervorragenden protestantischen Persönlichkeiten der
Stadt.
Finanziell waren die Kirchengemeinden gut gestellt. Der
Stadtkirchentag erhob neben der Landeskirchensteuer auch eine Ortskirchensteuer
von 5 % der Lohnsteuer und für jedes Kirchengemeindemitglied dazu ein Kirchgeld
von 2 Mark. Außerdem verfügten die Gemeinden noch über eigene beträchtliche
Stiftungen. Ein erster und zweiter Provisor verwalteten in jeder
Kirchengemeinde neben den Kirchenvorständen die finanziellen Angelegenheiten.
Die Arbeit in den elf Kirchengemeinden wurde von weiteren
kirchlichen Einrichtungen unterstützt: die älteste war das
Diakonissenmutterhaus Marienstift an der Helmstedterstraße. Es unterhielt ein
Krankenhaus und war im Stadtbild vor allem durch die Berufskleidung („Tracht“)
der Diakonissen mit weißer Haube und blauem Kleid auffällig. In fast allen
Gemeinden waren Diakonissen als Gemeindeschwestern in pflegerischer Arbeit
tätig, übernahmen oft aber auch den Kindergottesdienst und die weibliche
Jugendarbeit. Noch heute erinnern sich ältere Gemeindemitglieder an die
prägende, tüchtige Arbeit dieser Gemeindeschwestern.
Ein anderer Stützpunkt war das Haus der Inneren Mission in
der Peter Joseph Krahe Strasse. Wie das Diakonissenmutterhaus war die Innere
Mission ein von der Landeskirchenstruktur organisatorisch und finanziell
unabhängiger Bereich, der sich besonders um die Intensivierung der
Gemeindearbeit und der Verbreitung von christlichen Werten kümmerte. Sie wurde
von Pfarrer Walter Jeep[35]
geleitet. Dazu diente seit langem die Wochenzeitung „Das Braunschweigische
Volksblatt“, das finanziell und redaktionell unabhängig arbeitete. Es richtete
sich überwiegend an die treuen Kirchenmitglieder, bot auf Seite eins eine
Andacht, meist vom herausgebenden Pfarrer geschrieben, auf Seite zwei eine
erbauliche Geschichte und den Wochenbibelleseplan, auf der letzten, vierten
Seite überregionale und regionale Kirchennachrichten. Die Auflagenzahl war mit
ca 4.000 Stück gemessen an der Gesamtmitgliederzahl gering. Es stärkte jedoch
das binnenkirchliche Zusammengehörigkeitsgefühl.
Seit langem wurde im Namen der Stadtpfarrerschaft „Das
Braunschweigische Sonntagsblatt“, später „Der Sonntagsgruß“ herausgegeben, ein
ebenfalls erbauliches Wochenblatt mit den sonntäglichen Kirchennachrichten,
einer Andacht von einem der Stadtpfarrer, leicht betulichen Geschichten aus der
christlichen Welt und Nachrichten aus ihren Kirchengemeinden. Er wurde vom
Petripfarrer Wilhelm Freise redigiert. Sein Erscheinen wurde im September 1934
eingestellt.
Außerdem brachten einige Pfarrämter auch eigene
Gemeindebriefe in die Häuser ihrer Gemeindemitglieder mit spezifischen
Gemeindenachrichten. Die Gemeindebriefe, deren Erscheinen in den folgenden Jahren
nicht verboten wurde, bedeuten eine wenig beachtete historische Quelle und
waren für das „Familienbewusstsein“ in den Kirchengemeinden wichtig (siehe
Kapitel 16).
Ein weiterer kirchlicher Stützpunkt war die theologische
Buchhandlung Wollermann und Bodenstab am Bohlweg, gegenüber dem Schloss
gelegen, die bis in die 60er Jahre bestand. Die Buchhandlung wurde von Hellmuth
Wollermann (1854-1938) und Heinrich Bodenstab (1880-1966) geleitet und feierte
1936 ihr 100- jähriges Jubiläum. Sie war Anlaufstelle für alle aktuellen
theologischen Neuerscheinungen, und hielt zur Konfirmationszeit Gesangbücher
und Bibeln zum Verkauf bereit. Für den Erhalt der Buchhandlung war die Abnahme
von geographischen Atlanten und Fachbüchern der Technischen Universität wichtig.
Wollermann firmierte auch als Verlagsbuchhandlung und gab mehrere Predigtbände
von Braunschweiger Pfarrern und die monatlich erscheinende Zeitschrift der
konfessionellen Lutheraner „Ruf und Rüstung“ heraus.
Die Stadt Braunschweig war traditionell Mittelpunkt
landeskirchlicher Großereignisse: der Landeskirchentag (heute: die
Landessynode) tagte meist im Gemeindesaal der Magnigemeinde. Im Braunschweiger
Dom, und nicht in der Wolfenbütteler Marienkirche, war der erste Landesbischof
Bernewitz 1923 in sein Amt eingeführt worden. In der Stadt Braunschweig
veranstaltete die Landeskirche im Herbst 1930 „öffentliche Bekenntnistage“ mit
Veranstaltungen im Hofjäger, Keglerheim und im Wilhelmsgarten unter dem Thema
„Der Christ im Ringen der Gegenwart“. Sie waren eine Art Gegenveranstaltung zur
Jahrestagung der freigeistigen Verbände im gleichen Jahr. Der Landesbischof
sprach am 28. September 1930 abends im völlig überfüllten Dom. Die
evangelische Christenheit müsse sich „zu entschlossenem Widerstand wecken“
lassen und eine „gemeinsame Abwehr- und Aufbaufront“ bilden. Die Beteiligung
müsse erweisen, „dass das atheistische Freidenkertum in Braunschweig auf eine
große und entschlossene Gemeinschaft evangelischer Christen stößt“.[36]
Diese Bekenntnistage waren für die Landeskirche so erfolgreich verlaufen, dass
sie 1931 am 31.10. und 1.11. in Braunschweig wiederholt wurden.[37]
Die Stadtkirchen waren von engen Straßen und hohen,
manchmal bröckelnden Fachwerkhäusern umstellt. Sie vermittelten den Eindruck
einer von Besinnlichkeit, aber auch von Auseinandersetzungen geprägten
lebendigen Stadtkirchengeschichte.[38]
Sie sollte an Lebendigkeit erheblich zunehmen.
Die Botschaft des Landesbischofs zum Jahreswechsel
1932/ 1933
Die Braunschweiger Landeszeitung veröffentlichte am
Neujahrstag 1933 Wünsche und Erwartungen von Prominenten, darunter auch von
Landesbischof Bernewitz.[39]
„Ich halte dafür, dass wir in einem entscheidenden Stadium des
Entscheidungskampfes im Geistesleben der Gegenwart stehen“, schrieb er. „Die
Fronten sind klar! Bolschewismus oder abendländische Kultur? Sozialistische
Internationale oder nationaler Sozialismus? Bewusste Zügellosigkeit oder
bewusste Bindung? Dämonie oder Glaube? Um diese Entscheidung geht es!“ [40]
Der Landesbischof verzichtete auf gute Wünsche für das neue Jahr, auf
Ermunterung oder kirchlichen Trost in einer schwierigen Lage, sondern stellte
den Leser vor eine höchst zugespitzt Alternative, die jedoch keine echte Wahl
zuließ. Die Leser sollten den „nationalen Sozialismus“ wählen und damit
abendländische Kultur, bewusste Bindung, Glaube. Die Alternative, die der
Bischof bot, war nicht neu, sondern gehörte zum Repertoire der Propaganda der
politischen Rechten. Sie ließ keine differenzierte Betrachtung zu, vor allem
widersprach sie jeder nüchternen Analyse der politischen Lage im Braunschweiger
Land. Der Bolschewismus stand nicht vor der Tür, die Kommunisten hatten zwar im
Braunschweiger Stadtrat einige Sitze, im Landtag dagegen kein Mandat. Ein
Aufruf, kühlen Kopf zu behalten, und die Lage vor Ort nicht etwa mit der in
Berlin zu verwechseln, hätte einem Bischof zwischen den Fronten wohl
angestanden. Aber er stand nicht mehr zwischen den Fronten. Bernewitz hatte
sich schon auf der politischen Rechten positioniert.[41]
Der Volksfreund druckte in der Silvesterbeilage 1932 einen „bürgerlichen“
Leserbrief zum Neujahrswort des Landesbischofs Bernewitz
ab, und der hielt ihm die Sünden der vergangenen Jahrzehnte vor, vor allem die
Haltung der Kirche während des ersten Weltkrieges und die verdrängte
Schuldfrage. Die Kirche habe sich nicht gefragt, ob sie sich mit all ihrem Tun
und Lassen auf Gottes Seite gestellt habe.[42]
Der Zeitungsbeitrag war nur der Ausschnitt einer
Neujahrsbotschaft. Die Braunschweigische Staatszeitung veröffentlichte folgende
Einschätzung des Bischofs: „Millionen sind erwacht und sind bereit, alles für
die Kraft und Gesundung unseres Volkes einzusetzen. Man will wieder dienen,
will opfern, will leiden um eine bessere Zukunft, um eines neuen Geistes
willen. Das ist neue Gläubigkeit, und neuer Glaube schafft neue Kraft und neue
Zeit.“[43]
Bernewitz hatte offenbar jugendliche Nationalsozialisten vor Augen, spürte
ihren Idealismus und übertrug diesen Eindruck auf die gesamte Bewegung.
Pfarrer Gerhard Kalberlah von der Jakobikirche und Pfarrer
Benndorf von der Martinikirche veröffentlichten in ihren Gemeindebriefen den
vollständigen Text der Neujahrsbotschaft, die der Bischof unter die Frage
„Neues Jahr oder neue Zeit?“ gestellt hatte.[44]
Der Bischof erhoffte sich vom neuen Jahr eine gründliche politische Wende. Man
sehe „den kommenden Tagen fast atemlos entgegen“. Bernewitz sah eine neue Zeit
in dem „Erwachen des deutschen Menschen“, insbesondere der Jugend heraufziehen.
„Wir waren entgleist! Wir sorgten um den Leib und vergaßen die Seele. Die
letzten großen Ziele des Menschenlebens und des Volkslebens verschwammen uns im
Grau des Alltags und im Kampf ums Dasein. Das wollen wir nicht mehr. Dagegen
bäumen wir uns auf. Der deutsche Mensch erwacht. Die Jugend stürmt voran. Sie
fragt nach dem Sinn des Lebens und will ihn finden im Dienst am Volk“. Für
Bernewitz brachte „die neue Zeit“ nicht bloß eine politische Wende, mehr noch:
eine Wiederkehr des Religiösen. „Wir glauben wieder an eine Zukunft und stellen
uns mit heißer Gläubigkeit in ihren Dienst. Wir horchen wieder auf die Schritte
des Allmächtigen, der durch die Zeiten schreitet, wir wollen wieder Hingabe.
Und Hingabe ist Religion“.
Der Bischof teilte die auf der politischen Rechten übliche
Verdammung und Verkennung der Weimarer Zeit als eine Zeit der „Flachheit und
Unsauberkeit, die aus den Müllkästen des Auslandes importiert wurde oder aus
dem eigenen Pfuhl auf die Bühne stieg“, als „wesensfremd“, als „Entartung in
Kunst und Kino, in Kleidung und Gehabe“.[45]
Er wiederholte den in jeder Generation durchgefochtenen Kampf der Kirche gegen
die Moderne. Darin erwies sich die von ihm erhoffte neue Zeit als Rückkehr in
eine illusionäre, ethisch „reine“ Zeit vor 1914. Damals jedoch beklagte sich
die Kirche gleichfalls über Sittenverfall und „Unsauberkeit“.
Der Bischof stand mit seiner Hoffnung nicht allein. Der
Redakteur der Spalte „Kirche Vaterland Welt im Braunschweiger Volksblatt[46]
hatte im November 1932 die politischen Ereignisse mit deutlicher Sympathie für
Hitler und die NSDAP kommentiert. Er baute, begünstigt durch den Stimmenzuwachs
der KPD bei den Reichstagswahlen im November 1932, die politisch phantasievolle
Alternative „Hitler oder Bolschewismus“ auf. „Deutschland steht am Scheideweg.
Soll es mit Riesenschritten in den Bolschewismus losgehen oder nicht!“[47]
Wenig später plädierte er für die Übernahme des Reichskanzlerposten durch
Hitler[48]
und bedauerte das Scheitern der Verhandlungen zwischen Hindenburg und Hitler
Ende November und fragte: „Cui bono? Zweifellos der weiteren Bolschewisierung
Deutschlands!“[49]
Die Drohung mit linkem Terror und sowjetrussischen Verhältnissen hielt keiner
realistischen politischen Analyse stand, sondern gehörte zur
unverantwortlichen psychologischen Kriegsführung der Parteien untereinander,
der die Bevölkerung hilflos ausgeliefert war.
In scharfem Gegensatz zu den protestantischen Hoffnungen
veröffentlichte die Zeitung der Braunschweiger Katholiken, das Braunschweiger
Wochenblatt, unter der Überschrift „Scharfe Ab
sage“ am 1. Januar 1933 eine krasse Stellungnahme des
vatikanischen Osservatore Romano, in der jede Fühlungnahme mit den
Deutsch-Nationalen und den Nationalsozialisten abgelehnt wurde.[50]
Jenseits von Polemik und „Kirchenkampf“ veröffentlichte
der Martinipfarrer Benndorf zum Neujahr 1933 in seinem Gemeindebrief folgendes
selbstverfasste Gedicht: „In allem Kampf und Streite/ der argen Welt/ geh du,
Herr, uns zur Seite,/ dein ist das Feld/ lass mich dein Bild nur sehen/ zu
aller Zeit/ und deine Wege gehen/ zur Ewigkeit“ (nach der Melodie „ So nimm
denn meine Hände“ zu singen).[51]
[1] Adressbuch der Stadt Braunschweig 1932 S. 6
[3]
Adressbuch 1931 Dr. Wiehe Braunschweig im Urteil des Auslandes
[5]
Braunschweig als Industriestadt und die Arbeiterbewegung in Braunschweig in:
Stefan Bajohr Vom bitteren Los der kleinen Leute Köln 1984 S.9-40
[6]
Bein Braunschweig zwischen rechts und links 218 ff
[7]
Bein Braunschweig zwischen rechts und links 188 ff
[8]
Jahresbericht des Allgemeinen Konsumvereins 1930 S.3, 9, 31. Auch Bein
Braunschweig Stadt und Herzogtum 1890-1918 Der Konsum S.116
[9]
so E.A. Roloff 100 Jahre Bürgertum in Braunschweig Bd. I Von der Jasperallee
zur Kaiser Wilhelm Straße Braunschweig 1985 S. 108
[10]
Braunschweig in der Statistik Neue Folge 1966 S. 32
[11]
Diese Hinterhöfe sind vorzüglich auf der Schadenskarte der Stadt vom Mai 1945
eingezeichnet. Stadtarchiv
A II 48 Blatt A 140.
[12]
Über die unterschiedliche Wohnkultur in Braunschweig Bein Braunschweig Stadt
und Herzogtum 1890-1918 „Die Stadt als Lebensraum S. 52-70;
[13]
Reinhard Bein Braunschweig Stadt und Herzogtum 1890-1918 S. 66 f. Viele weitere
Beispiele bei Bajohr „ Vom bitteren Los“ Kap. V Wirtschaften und Wohnen in
Arbeiterstraßen 130 –162.
[14]
Otto Thielemann 1891-1936 BBL 608
[15]
Ernst Böhme (1892-1968) aus einer Arbeiterfamilie, mit 20 Jahren SPD Mitglied,
Kriegsteilnehmer 1914-1918, seit 1926 besoldeter Stadtrat in Magdeburg, am
23.11.1929 zum Oberbürgermeister von Braunschweig gewählt. BL 76, BStl 36.
[16]
Sitze der Stadtversammlung 1931 in Klammern von 1928: SPD 14 (19), NSDAP 10
(1), KPD 4 (1), Bürgerliche 7 (14) nach BLZ 2.3.1931
[17] Hugo Retemeyer (1851-1931) BL 484; BStl 191
[18]
Paul Trautmann (1881-1929) BL 613;
[19]
Bein Braunschweig und Herzogtum 63
[20] die Zahlen nach Kaiser 15 ff
[21]
BrSta 11.6.1927. Die Beschreibung sich festigender demokratischer Verhältnisse
im Reich und auch im Land und in der Stadt Braunschweig tritt leider hinter den
Berichten über die Schwierigkeiten und das angebliche „Versagen von Weimar“
zurück. Das kann auch noch eine Folge der damaligen Polemik sein.
[23]
Das Verhältnis von Arbeiterschaft und evangelischer Kirche ist für die
Landeskirche und die Stadt Braunschweig noch nicht erforscht. Das hängt unter
anderem damit zusammen, dass diese Fragestellung gezielt ausgeblendet wird, so
z.B. in den Interviews, die Stefan Bajohr in den 80er Jahren mit alten
Braunschweigern führte, obwohl etr auf das Thema „Feste“ und „Freizeit“ zu
sprechen kam. (S. 190-205) Das hängt auch damit zusammen, dass die Historiker,
die sich mit der Arbeiterbewegung beschäftigen, wozu auch Bernd Rother und
Frank Ehrhardt gehören, „religiös unmusikalisch“ sind.
[24]
Ottmar Palmer Lebenserinnerungen in: Kuessner Palmer 12
[25]
nach P.J. Meier und K.Steinacker Kunstdenkmäler der Stadt Braunschweig
Braunschweig 1926
[26]
Die Zahlen sind dem Jahr- und Adressbuch „Das Evangelische Deutschland“ Leipzig
10. Aufl. 1927/28 Sp. 1019 ff entnommen. Einer Statistik für das Jahr 1931 sind
folgende leicht abweichende Mitgliederzahlen für die Kirchengemeinden
entnommen: Andreas: 12.474 Mitglieder; Dom: 485; Jakobi: 7.812; Johannis:
16.740; Katharinen: 13.405; Magni: 9.118; Martini: 10.557; Michaelis: 9.423;
Pauli: 18.119; Petri: 5.145.; Ulrici: 5.299 Mitglieder; aus: Gemeindeblatt für
St. Jakobi 1.4.1932 S. 15. Danach hatten die Gemeinden der Stadt Braunschweig
1927 insgesamt 112.387 Mitglieder, 1931 108.850 Mitglieder, also innerhalb von
vier Jahren 3.537 Mitglieder verloren.
[27]
Ergebnis der Volkszählung 1933 nach dem Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig
Braunschweig 1935
Die Zahlen änderten sich nach den Eingemeindungen im
Jahr 1934. Am 1.4.1934 hatte die Stadt Braunschweig 130.544 evangelische
Einwohner.
[28]
Verwaltungsbericht der Stadt Braunschweig 1926-1933 S. XXVI. Es kamen auf 1.386
Eheschließungen 1930 696 kirchliche Trauungen, 1931 auf 1.279 Eheschließungen
580 und 1932 auf 1.308 Eheschließungen 616 kirchliche Trauungen
[29]
nämlich an der Paulikirche von Pfarrer Hermann
Lagershausen (16 a), Karl Sinemus (16 b) und Alfred Goetze (16 c), an der
Andreaskirche von Heinrich Runte (16 d) und Johannes Kirchner (16 e), an der
Johanniskirche von Paul Schmidt (16f) und Otto Jürgens (16 g), an der
Katharinenkirche von Martin Bücking (16 h) und Johannes Schlott (16 i), an der
Magnikirche von Ernst Brutzer (16 j) und Erich Schweckendiek (16 k), an der
Martinikirche von Franz Kühnhold (16 l) und Walter Benndorf (16 m), an der
Michaeliskirche von lic. theol. Otto Lang (16 n) und Johannes Koenig (16 o), an
Jakobi von Gerhard Kalberlah (16 p) an Petri von Walter Freise (16 q) , an Ulrici
von Karl Kausche (16 r), am Dom von Dr. Karl v. Schwartz (16 s) und an der
reformierten Bartholomäuskirche von Eberhard Frielinghaus (16 t).
16 a
Hermann Lagershausen (1862-1942) von 1899 - 1933 an der Paulikirche. BBL 363
16 b Karl Sinemus (1882 - 1929) von 1925 - 1929 an der
Paulikirche.
16 c Alfred Goetze (1880 - 1960) von 1915 - 1938
Pfarrer an der Paulikirche. BBL 218
16 d Heinrich Runte (1860 - 1946) von 1893 - 1934
Pfarrer an der Andreaskirche
16 e Johannes Kirchner (1870-1942) von 1917 - 1936
Pfarrer an der Andreaskirche
16 f Paul Schmidt (1865-1955) von 1895 - 1938 Pfarrer
an der Johanniskirche
16 g Otto Jürgens (1895 - 1979 ) von 1925 - 1965
Pfarrer an der Johanniskirche. BBL 308
16 h Martin Bücking (1868 - 1954) von 1901 - 1934
Pfarrer an der Katharinenkirche. BBL 108
16 i Johannes Schlott (1878 - 1953) von 1911 - 1933
Pfarrer an der Katharinenkirche und von 1935-1945. Pfarrer an der Kirche
Lehndorf Siedlung. BBL 526
16 j Ernst Brutzer (1873 - 1940) von 1924 - 1940
Pfarrer an der Magnikirche
16 k Erich Schweckendiek (1881 - 1940) von 1925 - 1933
Pfarrer an der Magnikirche, dann nach Greifswald;
16 l Franz Kühnhold (1869 - 1948) von 1909 - 1933
Pfarrer an der Martinikirche
16 m Walter Benndorf (1869 - 1944) von 1910 - 1936
Pfarrer an der Martinkirche
16 n Otto Lang (1883-1951) von 1922-1951 Pfarrer an der
Michaeliskirche
16 o Johannes Koenig (1885 - 1954) von 1930 - 1952
Pfarrer an der Michaeliskirche,
16 p Gerhard Kalberlah (1892 - 1977) von 1929 - 1958
Pfarrer an der Jakobikirche
16 q Walter Freise (1888 - 1949) von 1920 - 1949
Pfarrer an der Petrikirche
16 r Karl Kausche (1862 - 1935) von 1894 - 1933 Pfarrer
an der Brüdernkirche
16 s Karl v. Schwartz (1873 - 1943) von 1908 - 1934
Pfarrer am Dom, von 1935 – 1943 an der Brüdernkirche. BBL 557
16 t Eberhard Frielinghaus (1895 - 1983) von 1923 -
1967 Pfarrer an der ev. reformierten Bartholomäuskirche
[30]
Wilhelm Holland (1865-1954) 1909-1930 Generalstaatsanwalt, Mitglied des
Kirchenvorstandes St. Pauli, Präsident der Landessynode; E.A. Roloff 100 Jahre
Bürgertum in Braunschweig I Braunschweig 1985 S. 145
[31]
Heinrich Mack (1867-1945) BSt 150
[32]
Karl Gronau (1885) E.A. Roloff 100 Jahre Bürgertum II. Tradition und Wandel
Braunschweig 1987 Kap. 2 Ein Mensch und ein Deutscher Politik und Pädagogik von
Wilhelm Kulemann bis Karl Gronau S 29 ff
Alle
biographischen Daten bis 1968 sind dem Verzeichnis von Seebaß-Freist Bd I 1969
und Bd II 1974 entnommen oder vom landeskirchlichen Archiv mitgeteilt.
[33]
BV 1929 S. 358
[34]
KGO vom 21. Juni 1922 Amtsblatt 1922 S. 151 ff hier ab S. 175 die §§ 74 – 110
[35]
Walter Jeep (1878-1964) 1922-1934 Leiter der Inneren Mission Braunschweig
[36]
BV 28.9.1930 S. 311; siehe auch den Bericht über die Bekenntnistage BV
12.10.1930 S. 327
[37] Bekenntnistage der Evangelischen Gemeinden in Braunschweig
1931 Braunschweig 1931
[38]
Es gibt zahlreiche Bildbände vom alten Braunschweig u.a. Anke und Werner
Wickboldt Braunschweig Fotografien von gestern und heute Melsungen 2002;
Arnhold & Kotybra Braunschweig –Stadtbild im Wandel 1893 und 2010 Braunschweig
2010
[39]
Alexander Bernewitz (1893-1935), von 1923-1933 Bischof der Landeskirche. BBL
56;
[41]
Bernewiz sah aber auch die Unvereinbarkeit von Evangelium und völkischer
Religion. In einem Beitrag in der Pfingstnummer des BV vom 15.5.1932 S. 78
unter der Überschrift „Das völkische Anrecht an das übervölkische Evangelium“
formulierte er kritisch die Weltanschauung des „völkischen Menschen“, „der von
einer völlig übertriebenen Rasseidee herkommt, die heute für manche Teile der
völkischen Bewegung fast zum tragenden Grund geworden ist“, die nur eine
Projektion seines eigenen völkischen Empfindens sei. Der völkische Mensch finde
dann die ihm bequemste Weltanschauung, nämlich den deutschen Glauben. Da gebe
es keine Bekehrung, sondern nur Entwicklung von Ideen, und er komme vom
germanischen Empfinden zum deutschen Gott oder zur pangermanischen
Naturphilosophie. „So gesehen sind Evangelium und völkische Religion
Gegensätze.“ Von dieser Position aus hätte Bernewitz deutlich die
Weltanschauung Hitlers ablehnen können. Allerdings endete der Artikel mit einer
Bemerkung, die zum oben Beschriebenen im gewissem Widerspruch steht. „Das
Evangelium ist für alle da, aber das Evangelium ist nicht da für
Allerweltsmenschen, sondern es ist für Menschen da, die völkisch gebunden,
völkisch begabt, ja völkisch berufen sind.“
[42]
Vf 3. Beilage 31.12.1932
[44]
Gemeindeblatt für St. Jakobi 1.Februar 1933 S 5 f; Die Feierstunde 1933 S. 41
[46]
Kürzel „M“, vermutlich Pfarrer Minkner, Naensen, ab 1933 dann hauptamtlicher
Pfarrer bei der Inneren Mission
[47] BV 13.11.1932 S. 183 f
[48] BV 297.11.1932 S. 192
[50]
Braunschweiger Wochenblatt 1.1.1933
[51]
Die Feierstunde Januar 1933