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[Kirche von unten]



Ansichten einer versunkenen Stadt

Die Braunschweiger Stadtkirchen 1933 - 1950

von Dietrich Kuessner


2. Kapitel

Die Nachbarn:

Die katholische Kirchengemeinde und die jüdische Gemeinde vor 1933

Nachbarn sucht man sich nicht aus, die hat man. Geliebt, ungeliebt, mit Kontakt, ohne Kontakt, sie sind da. So lebten und leben neben den evangelischen Stadtkirchen römisch-katholische Kirchengemeinden und eine jüdische Gemeinde. Ihr Verhältnis, Unverhältnis, Missverhältnis gehört zu den Ruinen der versunkenen Stadt, die wir besichtigen.   

 

Stadtpfarrerschaft und römisch-katholische Kirchengemeinde [1]

Die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden im Braunschweiger Stadtgebiet lebten lange Zeit nebeneinander her, ohne eine ersprießliche Nachbarschaft zu entwickeln. Das hatte mehrere  Gründe: die katholische Kirchengemeinde wurde lange Zeit in Folge ihrer geringen Mitgliederzahl von den evangelischen Stadtkirchen schlicht  übersehen. Das Verhältnis beider Kirchen war zahlenmäßíg zu ungleichgewichtig. 2.298 Katholiken standen 1871 54.932 Evangelischen gegenüber. 1890 stand es 6.293: 93.009.[2] Wichtiger waren folgende zwei Gründe: zu Herzogs staatskirchlichen Zeiten war die katholische Kirche in vielerlei Hinsicht noch weitgehend abhängig vom evangelischen herzoglichen Konsistorium in Wolfenbüttel, das wiederum als Außenstelle des Staatsministeriums fungierte. Das wurde zu Recht als diskriminierende „Untermieterrolle“[3] empfunden. So mussten z.B. alle katholischen Kirchengründungen und Einrichtungen von katholischen Pfarrstellen im Herzogtum sowie Personalfragen vom evangelischen Konsistorium mit genehmigt werden. Der Landesregierung ging der Ruf einer rigorosen antikatholischen Kirchenpolitik voraus.  Andrerseits betrachtete die römisch-katholische Kirche nach ihrem damaligen Kirchenverständnis die evangelische Landeskirche als Missionsgebiet, deren Mitglieder als Missionsobjekte und die neu gegründeten katholischen Kirchen im Lande als Missionsstationen. „Eigentlich“ müssten doch alle katholisch sein, und die schönen romanisch Dorfkirchen ringsum wie auch die Braunschweiger Stadtkirchen waren es im Mittelalter Jahrhunderte lang gewesen. Als Bischof Machens 1936 in der Nikolaikirche predigte, zählte er mit Stolz namentlich alle evangelischen Stadtkirchen chronologisch nach ihrem Gründungsdatum auf, und dann kam die Reformation und die Lichter gingen aus.[4] Eigentlich waren sie ja alle Jahrhunderte lang katholisch gewesen.  Diese historisch begründete Einstellung[5] ärgerte die herzoglichen Eliten, die das Herzogtum als „protestantisches Stammland“ betrachteten. Als „normal“ wurde es angesehen, wenn katholische Christen in die evangelische Staatskirche übertraten. Das Herzogliche Konsistoriums berichtete den Landessynodalen turnusmäßig von allen Ein-Aus- und Übertritten. Danach traten zwischen 1880 und 1911 insgesamt 2.246 Katholiken im Herzogtum in die evangelisch-lutherische Staatskirche ein.[6] Die Zahl für die Stadt Braunschweig ist nicht ermittelt.[7] Solche Übertritte waren einer guten Nachbarschaft nicht bekömmlich.

Die Braunschweiger Katholiken, zeitweise von der Staatsgewalt gefördert, meistens mehr geduldet, sammelten sich in einem vergleichsweise niedrigen Gebäude, das Kirchenraum und Pfarrhaus unter einem Dach vereinte, die Nikolaikirche an der Friesenstraße in der Braunschweiger Stadtmitte, die vom berühmten Hermann Korb errichtet und mit einer prächtigen barocken Innenausstattung versehen und 1712 eingeweiht worden war, von den damaligen evangelischen Predigern der Stadt mit Schrecken „unter die Zeichen und Wunder des jüngsten Tages zu zählen“, schrieb Herzog Anton Ulrich spöttisch.[8]

 

Neue Lage ab 1900

Für die katholische Kirche änderte sich die Lage grundlegend erst um 1900. Im Zuge der Industrialisierung rings um die Stadt wuchs auch die Anzahl der Gemeindemitglieder um das Dreifache auf 8.741 Gemeindemitglieder, die Zahl der katholischen  Schülerinnen und Schüler von 150 (1872) auf 1.200 Kinder und Jugendliche (1900).[9] Im Westteil der Stadt war als zweite Kirchengemeinde die St. Josephgemeinde gebildet worden, die zunächst in einem Gasthausaal am Madameweg ihre Gottesdienste feierte. 1894 war dieser provisorische Gottesdienstraum als Notkirche St. Joseph eingeweiht (benediziert) worden. Die Gemeindegründung war eine Initiative von Pfarrer Herrmann Seeland[10] gewesen, der den späteren Kirchbau mit Hilfe des Hildesheimer Bischofs gegen allerlei  Hindernisse und Querschlägen des Dechanten Grube durchsetzte. Zu gleicher Zeit wurde auf Initiative des Dechanten im Norden der Stadt die Laurentiusgemeinde gebildet und zunächst eine katholische Schule eröffnet. 1900 wurde die St. Laurentius Kirche von stattlicher Höhe jedoch ohne Kirchturm und Glocken hinter der Masch eingeweiht und erst drei Jahre später, am 4. Advent 1903, die neugotische St. Josephkirche an der Goslarschen Straße mit Glocken. Am anderen Ende der Straße wurde 1911 die Jakobikirche eingeweiht, ein erstes räumliches Nebeneinander von zwei neu errichteter Kirchen in einem Quartier.     

Nikolai, St. Joseph und St. Laurentius waren nicht drei selbständige Kirchengemeinden mit eigenen Kirchenvorstand und selbstverwaltetem Finanzhaushalt. Es waren Seelsorgebezirke, die verwaltungsmäßig der Nikolaikirche untergeordnet blieben. Es gab für alle drei Gemeinden einen einzigen Kirchenvorstand, der die Angelegenheiten aller drei Gemeinden regelte. Tatsächlich war er in der Hand des Dechanten und des 1. Provisors der Nikolaigemeinde. Da entstanden mit selbstbewussten, aktiven, jüngeren Pfarrern wie Hermann Seeland dauernde Konflikte.

 

Die Nikolaikirche als Zentralkirche war nach den Gemeindegründungen im Norden und Westen der Stadt 1908 um das Doppelte erweitert worden, indem die dem Kirchenraum vorgelagerten Pfarrhausräume mit als Kirchenraum umgebaut wurden.[11] Sie war eine im Vergleich mit den gotisierend ausgemalten evangelischen Stadtkirchen prunkvolle, dem nüchternen Braunschweiger gewiss imponierende Kirche, und in ihrem renovierten Barock ein Zeugnis der damals kirchenamtlich vorgegebenen Antimodernistenbewegung. Ein neues Deckenbild zeigte die triumphierende Kirche, das „Schmuckkästchen der Diözese“. Bischof Bertram war zur Konsekration angereist, nach dem Hochamt gab es ein Festessen im Wilhelmsgarten, wozu auch Bürgermeister Retemeyer und der Brigadegeneral erschienen waren. Der Herzogregent hatte gratuliert. Die katholische Kirchengemeinde war im offiziösen Braunschweig präsent.

Um die Kirche herum war ein weiter Platz. An Stelle der zur Kirche mit verbauten Pfarrräumen wurde am Schulweg ein Pfarrhaus gebaut, das von Dechanten und dem Kaplan bezogen wurde, und ein weiteres Gebäude Schulweg 2 wurde vermietet. Es war auch ein neues Schulgebäudes errichtet worden, über dessen Eingang noch heute ein Bibelwort aus den Sprüchen Kap. 4 zu lesen ist „Ich will dir den Weg der Weisheit zeigen und dich leiten auf rechter Bahn.“ Außerdem war das Nikolaistift an der Friesenstraße als Kinderheim neu errichtet worden. Auf der gegenüberliegenden Seite der Friesenstraße hatte die Kirche weitere Grundstücke erworben und die Wohnungen vermietet.[12]  Am Sandweg (heute Magnitorwall) rundete ein stattlicher Bau als St. Vincenzhaus dieses katholische Quartier ab. Eingerahmt von der Friesenstraße, Sandweg und Schulweg bot die katholische Kirche im spitzen Winkel zum Landestheater zulaufend, dem Museumspark gegenüber gelegen, mit den insgesamt 12 Gebäuden ein geschlossenes Quartier. Durch die Beseitigung der Friesenstraße und der Schulstraße für den Ausbau der großspurige Georg Eckertstraße ist dieses Quartier aus dem Stadtbild ausgelöscht, stadtarchitektonisch gedankenlos und unhistorisch.   

Um 1910 sammelten sich die 9.354 katholischen Braunschweiger in drei Kirchengemeinden, drei Kirchen und drei Schulen, in denen wenig später die Schulkinder in 20 Klassen von 25 Lehrkräften unterrichtet wurden. Um ihre Schulen zu unterhalten, zahlten die katholischen Gemeindemitglieder eine Kirchensteuer in Höhe von 24 % der Gemeinde- und Einkommenssteuer.[13]  Das war ein beträchtliches Opfer. 

 

Das Dekanat Braunschweig und Dechant Joseph Stolte (1917-1944)

Das Pfarramt an Nicolai war verbunden mit dem Posten eines Dechanten im 1838 gebildeten Dekanat Braunschweig, dem seinerzeit  die Gemeinden Braunschweig, Wolfenbüttel und Helmstedt zugehörten. Inzwischen hatte es sich um Holzminden (1865), Harzburg-Bündheim (1876), Schöningen (1892), Blankenburg (1895) und Süpplingen-Königslutter vergrößert.[14] Das Dekanat Braunschweig hob sich von allen anderen Dekanaten der Diözese Hildesheim dadurch ab, dass es im Unterschied von ihnen ein eigenes staatliches Gegenüber hatte: die Braunschweigische Staatsregierung. Alle anderen Dekanate lagen in Preußen, denn das Königreich Hannover war preußisches Staatsgebiet geworden, gewiss kein preußisches Stammland, aber seit 1866 preußische Provinz. So entwickelte sich im Dekanat Braunschweig eine gewisse Besonderheit, die dadurch geprägt wurde, dass das Dekanat eine andere Nähe zum regierenden Landesfürsten und zum Braunschweiger Stadtmagistrat entwickeln konnte als die Diözesanverwaltung in Hildesheim.

1917 wurde der Dechantenposten mit dem 50jährigen Joseph Stolte besetzt.[15] Stolte blieb bis an sein Lebensende 1944 der leitende katholische Geistliche der Stadt und bildete das personelle Rückgrat der Gemeinden. Stolte war 1866 in Hannover geboren und kam mit der Diasporaerfahrung aus seiner Zeit in Harburg, wo er bereits Dechant des Dekanates Harburg gewesen war, nach Braunschweig. Üblicherweise war der Dechant in Braunschweig ein Aufsteigerposten für Priester, die sich in der Diözese als Pfarrer bewährt hatten und nun zum Dechanten befördert wurden. Das war 1917 bei Stolte anders. Stolte kam mit kirchenleitender Erfahrung.

Das Hungerjahr 1917 war ein ganz schlechter Zeitpunkt für den Dienstbeginn in Braunschweig. Die Stadtbevölkerung hungerte, bestimmte Sparten der arbeitenden Bevölkerung streikten immer wieder, um auf ihre verheerende Situation aufmerksam zu machen. Sie verzichteten lieber auf den Sieg an den Fronten und wünschten sich einen erträglichen Frieden. Papst Benedikt XV. schickte ein diplomatische Note an die kriegsführenden Regierungen. Diese von England aufgegriffene Initiative machte der deutschen Regierung ein Angebot, dessen Annahme ein sehr viel glimpflicheres Ende bereitet hätte, aber der Vorschlag wurde erst liegengelassen, dann abgelehnt, weil das Hauptquartier weiterhin auf Sieg setzte. Aus der St. Josephkirche  wurde die Bronzeglocke und die Orgelprospekte für den Sieg ausmontiert.

Wiederum war es ein glücklicher Zeitpunkt, denn schon zwei Jahre später wurde mit der Mehrheit von Sozialdemokraten, Demokraten und der katholischen Zentrumspartei in Weimar im Sommer 1919 die Weimarer Verfassung verabschiedet, die die völlige rechtliche Gleichstellung der katholischen Kirche

in der deutschen Gesellschaft bedeutete. Das wurde im Dekanat Braunschweig an den katholischen Schulen sichtbar.

 

Die drei katholischen Schulen und Schuldirektor Thomas Stuke

Alle Einschränkungen aus der staatskirchlichen Zeit fielen mit dem Ende der Monarchie 1918. Im Oktober 1919 schloss der Braunschweiger Stadtmagistrat mit dem Kirchenvorstand St. Nikolai ein Abkommen, der die finanzielle Unterhaltung der katholischen Schulen übernahm und sie hinsichtlich der finanziellen Leistung den Bürgerschulen gleichstellte. Sie beließ den Schulen ihren katholischen Bekenntnischarakter, der alle Fächer prägte. Dafür übernahm die Stadt die Schulgrundstücke unter dem Vorbehalt, diese zurückzugeben, wenn der konfessionelle Charakter der Schule nicht mehr erhalten bliebe.[16] Der städtische Haushalt wies für 1924/25 797.000 M. und 1925/26 1.143.800 für die  katholischen Schulen aus.[17]

Die katholischen Schulen hatten wegen des Zuschnitts der Schülerinnen und Schüler als „Armenschule“ gegolten.[18] Das änderte sich mit dem neuen Rektor Thomas Stuke. Die drei katholischen Schulen an der Friesenstraße, Goslarschen Straße und Hinter der Masch waren in einem Rektorat organisatorisch zusammengefasst und erhielten nun eine einheitliche pädagogische Linie. Thomas Stuke (1875) war aus Harburg gekommen, wo er ab 1912 als Rektor an der katholischen Schule in Harburg gewirkt hatte. Er erhielt wie alle Schulleiter der Stadt den Titel Schulinspektor. Das war ein weiterer Schritt zur formellen Gleichstellung der katholischen Schulen mit den städtischen Volksschulen. Ab 1926 wurde Thomas Stuke zum Stadtschuldirektor befördert. Wesentlich war, dass die katholischen Schulen von den wechselnden parteipolitischen Schulerlassen des Landesregierung in der Weimarer Zeit und auch von der Einführung neuer Schulbücher verschont geblieben waren.

Heinrich Picker stellt drei Verdienste Stukes in der Weimarer Zeit heraus: in den katholischen Schulen wurde die vierjährig Grundschule eingeführt und damit für die katholischen Kinder aller Volksschichten geöffnet. Die katholische Schule verlor den Geruch einer „Armenschule“. Es kamen neue jüngere reformfreudige Lehrkräfte an die Schulen. Von den katholischen Schulen gingen seither katholische Schüler auf weiterführende Schulen.[19]

 

Das Gemeindeleben

Das Gemeindeleben profitierte von den Initiativen des Dechanten Stolte. Die katholische Gemeinde erwarb sechseinhalb Morgen Land für einen katholischen Friedhof an der Helmstedter Straße. Der alte Nikolaifriedhof an der heutigen Hochstraße wurde geschlossen. Der Innenraum der erweiterten Nicolaikirche wurde ab 1922 neu vermalt, Gestühl, Verglasung und Orgel erneuert. Der Gottesdienstbesuch war mit 30 % für Braunschweiger Verhältnisse hoch und im Vergleich zu den evangelischen Stadtkirchen sehr hoch. Wer katholisch war, ließ sich kirchlich bestatten: von 87 Sterbefällen wurden im Jahr 1923 83 kirchlich bestattet. Ähnliche Ziffern ergab die evangelische Statistik. Von 222 Kindern aus konfessionsverschiedenen Ehen wurden 139 katholisch getauft.[20] Das war kein schlechter Prozentsatz, wurde aber bemängelt.

Die katholischen  Männer, Frauen und Jugendliche organisierten sich in regen katholischen Vereinen, unter anderen im Kolping, dem Elisabethverein und dem Deutschen Katholischen Frauenbund, dem Katholischen Kaufmännischen Verein und in Kirchenchören.

Zu dieser Zeit amtierte an der Josephkirche neun Jahre lang Ernst Kasten (1920-1929)[21] und an der Laurentiuskirche für dieselbe Dauer Georg Vollmer (1921-1930).[22] Kasten war bei Dienstantritt 38 Jahre und Vollmer 39 Jahre alt. Die Braunschweiger Pfarrstellen wurden meist mit jüngeren Pfarrern besetzt. St. Joseph und St. Laurentius waren keine Pfarrstellen am Ende einer Dienstzeit, sondern am Anfang. 

 

Das Presseorgan des Dekanats Das Braunschweiger Wochenblatt

Als Dechant Stolte 1917 nach Braunschweig kam, fand er das Presseorgan „Das Braunschweiger Wochenblatt“ vor. Es bestand bereits seit knapp 20 Jahren. Das Wochenblatt stellte sich seinen Leserinnen und Lesern folgendermaßen vor: „sie bringt für Dich das, was Du von Deinem katholischen Standpunkt aus unbedingt wissen musst. Sie unterrichtet Dich über alle katholischen Angelegenheiten im Freistaat Braunschweig. Sie gibt Dir einen schnellen und gründlichen Überblick über die politische Lage vom katholischen Standpunkt; sie vertritt trotz aller Schmähungen ein aufrichtiges und politisches Bekenntnis zur Zentrumspartei, unbekümmert, ob das einem politisch anders eingestellten Katholiken gefällt oder nicht.“[23] Die Braunschweiger Wochenzeitung brachte im ersten Teil Nachrichten aus dem Reich und aus der Gesamtkirche und in einem zweiten Teil Nachrichten und Kommentare zu Braunschweiger Ereignissen, dazu ausführliche Kirchennachrichten aus dem Dekanat und Anzeigen. Bei den Nachrichten aus dem Reich nahmen solche aus der Zentrumspartei einen hervorragenden Platz ein. Denn die politische Heimat der Braunschweiger Katholiken war die Zentrumspartei, die im benachbarten Preußen 10 Jahre lang zusammen mit Sozialdemokraten und Liberalen unter dem Ministerpräsidenten Braun eine stabile Regierung bildete.

Das Wochenblatt verteidigte vehement die Zentrumspolitiker Erzberger, Marx und Brüning. Das Wochenblatt propagierte wie der Pfarrer an der benachbarten Magnikirche Schomburg das Eingeständnis der Niederlage von 1918 und würdigte die Unterzeichnung des Versailler Vertrages als eine zwingende Notwendigkeit.

Das Zentrum stellte in Braunschweig bei den Reichtagswahlen eine sehr kleine, aber treue Stammwählerschaft.[24] Das Verbreitungsgebiet war das Dekanat, die Geschäftsstelle und den Druck besorgte der Kornackerverlag in Hildesheim. Das Braunschweiger Wochenblatt ist eine ausgiebige Quelle für die Ereignisse in den Braunschweiger katholischen Kirchengemeinden.

 

Die regionalen Katholikentage

Dechant Stolte wusste, dass eine Kirchengemeinde von Zeit zu Zeit auch ein herausragendes Ereignis braucht, um einen neuen Anlauf zu nehmen. So veranstaltete Stolte im „Hofjäger“ und auch auswärts gut besuchte gemeindeübergreifende Abende: am 27. März 1924 sprachen ein Jesuitenpater über die Haltung des Papstes während des ersten Weltkrieges und das Mitglied des  Reichstages Frau Teutsch über die staatsbürgerlichen Aufgaben des Katholizismus.

Im Jahr 1927 fand der Katholikentag in Schöppenstedt statt, weil dort eine neue Kirche konsekriert wurde.[25] Das Braunschweiger Wochenblatt trommelte: „Am 8.Mai ist Generalappell! Stärkt die Kampfesfront.“[26] „Anlässlich der Einweihung des neuen Gotteshauses in Schöppenstedt und des damit verbundenen Katholikentages wollen wir der Welt zeigen, dass es neben einer ungläubigen Welt auch noch eine gläubige mit unzähligen treuen und begeisterten Anhängern gibt.“[27]

Ein Sonderzug fuhr von Braunschweig nach Schöppenstedt, wo ein großer Umzug veranstaltet wurde. Es waren ´Katholikengruppen auch aus den Rheinland und der Pfalz angereist. Nach einer dreistündigen Konsekration der St. Josephkirche ab 6.30 morgens durch den Hildesheimer Bischof Joseph Ernst und einer Predigt im Pfarrgarten durch den Vorsitzenden des Bonifatiusvereins, hielt der Bischof eine Pontifikalmesse in dem mit 50 Fahnen geschmückten Kirchenraum, abends war Maiandacht in der überfüllten Kirche. Ein satter Kirchentag für die katholischen Frommen im ganzern Land ganz nach dem Herzen des Dechanten Stolte. Auch der Bürgermeister und der evangelische Pfarrer  äußerten den Wunsch nach einer friedlichen und so allein erfolgversprechenden  Zusammenarbeit.[28]

Am 1. Dezember 1929 lud Stolte anlässlich des 50jährigen Priesterjubiläums von Papst Pius XI. den ehemaligen Reichskanzler Marx und den Pfarrer Dr. Offenstein als Redner ein. Der Abend wurde vom katholischen Männergesangverein mit dem Lied „Deutschland, dir, mein Vaterland“ eröffnet. Wilhelm Marx war mehrere Jahre Reichskanzler und Parteivorsitzender des Zentrum gewesen. Er hob die nationale Zuverlässigkeit der Zentrumspartei hervor und dass erst durch die Republik der katholische Glaube zu seinem Recht gekommen sei. „Erst die republikanische Verfassung habe mit dem alten Plunder aufgeräumt und auch den Katholiken die Freiheit der religiösen Betätigung gebracht.“ Dann skizzierte er die gegenwärtigen Forderungen des Zentrum an die Politik. Pfarrer Dr. Offenstein hob die Verdienste von Pius XI. hervor und bei der Lösung der römischen Frage. Er hatte mit Mussolini die Lateranverträge geschlossen, die den Vatikan wieder zu einem  Staatsgebilde erhob. Offenstein lobte daher Mussolinis Beitrag, der ihn „in der Geschichte unsterblich mache“. Die Lokalpresse berichtete,[29] und Dechant Stolte hatte erreicht, dass die katholische Kirche in Braunschweig wieder einmal ins öffentliche Bewusstsein gerückt war. Zum Abschluss sangen die 2000 Teilnehmer eine Hymne auf den Papst: „Heil Pius, dir, auf Petris Thron/ den fest begründet Gottes Sohn/ Dein Felsenthron wird ewig stehn/ im Weltenmeer nicht untergehn/ Und brausen auch die Stürme her/ Fest steht allzeit der Fels im Meer“. Zu diesem besonderen Katholikentag sandte der Vatikan per Telegramm den apostolischen Segen.[30]

Im Mittelpunkt des Katholikentages am 18. November 1931 wurde wie im ganzen Reich der Landgräfin und Heiligen Elisabeth von Thüringen feierlich gedacht. In der Nikolakirche fand vormittags ein Gottesdienst statt und abends im Hofjäger eine Festversammlung mit Chören, Gedichtvortrag und einem Festvortrag von Franziskanerpater Quintian, der sie als die „soziale Heilige des 13. Jahrhunderts“ feierte, die 900 Arme auf der Wartburg verpflegt hatte. „Möge Elisabeths Liebe das Deutschland der Gegenwart erleuchten. Nur so können wir den Klassenhass unserer Tage, der bis zum Rassenhass sich versteigt, überwinden und dem Kulturbolschewismus entgegentreten, der auch unser Volk bedroht.“[31]

Diese Katholikentage waren keine geistliche Sammlung der Gemeinden des Dekanats, dazu waren die Exerzitien da, sondern Demonstrationen mit dem Anspruch, den katholischen Glauben auch in der Gesellschaft spürbar zu machen. In diesem Sinne hatten sie vorrangig eine gesellschaftspolitische Funktion.

Einmal unternahm Stolte auch einen Ausflug in die Parteipolitik. Er wollte zur Landtagswahl 1927 neben der Zentrumspartei oder als Alternative zu ihr eine „Liste der Katholiken“ aufstellen. Das Zentrum war ihm nicht lokal genug, er beobachtete auch, dass sich Katholiken in anderen Parteien tummelten und hoffte, diese an eine neue „Liste der Katholiken“ binden zu können. Er schrieb alle Pfarrämter an, aber Stolte erhielt nicht eine geschlossene Zustimmung, die für ihn eine Voraussetzung für die Eröffnung einer solchen Liste war. So blieb es also bei dem Versuch.

 

Hort des Friedens oder sterbende Diaspora?

Trotz aller Aktivitäten gab es im Laufe der 20er Jahre eine Abwärtsbewegung. Die Zahl der katholischen Gemeindemitglieder sank in der Stadt von 9.354 Mitglieder (1910) auf 7.640 (1933), der prozentuale Anteil von 6,5 % auf 4,9 %. Im selbem Zeitraum war auch die Zahl der evangelischen Gemeindemitglieder von 131.818 (91,8 %) auf 122.535 (78,1 %) zurückgegangen. Die Zahl der Freidenker hingegen war von 1.660 (1,2%) auf 25.975 (16,6 %) im Jahre 1933 gestiegen.[32] Die Stadt erlebte einen neuen, spürbaren Säkularisierungsschub. Dieser machte sich in beiden Kirchen in den sinkenden Mitgliederzahlen bemerkbar, aber auch im abnehmenden Gottesdienstbesuch, der in der Nikolaigemeinde auf 20 % zurückging, was unter dem Reichsdurchschnitt lag.

Die Diasporasituation wurde bei Taufen und Trauungen spürbar.[33]  Keineswegs wurden alle Kinder aus Familien, in denen beide Elternteile katholisch waren, in den Jahren 1928-1931 auch zu Taufe gebracht. Die erste Ziffer gibt die Zahl der Geburten, die zweite Zahl die der Taufe an, in denen Vater und Mutter katholisch waren. 1928: 68 Geburten: 44 Taufen; 1929: 76 Geburten: 49 Taufen; 1930: 90:53; 1931:79 Geburten: 60 Taufen. Das deutet auf eine Lockerung der traditionellen Taufe selbst bei „ein katholischen“ Ehepaaren hin. Bei dem Verhältnis von standesamtlichen Eheschließungen und kirchlichen Trauungen sieht es zunächst anders aus. Wenn beide Brautleute katholisch waren, dann gingen sie traditionell auch in die Kirche. Die standesamtlich konfessionsverschiedenen Eheschließungen überwogen jene, in denen beide Brautleute katholisch waren, ca um das drei-vierfache. 1929: 30 (beide kath): 132 (eine/r kath); 1930: 31:133; 1931: 23:138; 1932: 13:136. Standesamtlich verheiratete konfessionsverschiedene Ehepaare gingen zum größten Teil nicht noch in die katholische Kirche, obwohl Braut oder Bräutigam römisch-katholisch waren: 1929: 39 Trauungen aber 132 Eheschließungen; 1930: 30:133; 1931 28 Trauungen: 138 Eheschließungen; 1932: 46:138. Allerdings überwogen die Trauungen von konfessionsverschiedenen Brautpaaren leicht jene, in denen beide Brauleute katholisch waren.[34] Die Seelsorge hatte es also vermehrt mit der Diasporasituation zu tun. Die katholische Kirche konnte sich als Minderheit in einer doppelten Diaspora fühlen, in einer protestantischen und nun auch noch in einer sozialistischen.

Der Hildesheimer Diözesanjugendsekretär Karl Engelhardt kam zu folgendem Urteil: „Die Diasporakatholiken umfängt überhaupt eine Atmosphäre der religiösen Lauheit..  das eigentliche Kernproblem dieser Zeit... in der Diaspora haben wir es mit einem langen Sterben zu tun“.[35] Dieser Eindruck entsprach nicht dem Zeitgefühl der Braunschweiger Katholiken. Diesem harten Urteil kann ich nur die Jugendlichkeit des Sekretärs zu gute halten. Einen gegenteiligen Eindruck vermittelte eine Beschreibung vom November 1932, die von einem starken Vereinsleben in Nikolai sprach. „Der Garten vor den Toren der Stadt, in dessen Einsamkeit man damals im Jahre 1712 die Katholiken und ihre Kirche verbannte, trägt herrliche Früchte und ist ein Hort des Friedens.“[36]

 

Das Wochenblatt und die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Braunschweig

Da 1930-1932 der Zentrumspolitiker Heinrich Brüning Reichskanzler war, solidarisierte sich das Wochenblatt heftig mit der damaligen Reichspolitik.[37] Dabei schlug das Wochenblatt eine scharfe Klinge insbesondere gegenüber den örtlichen Nationalsozialisten. Am 20. September 1931 wurde eine Goebbelsveranstaltung in der Stadthalle folgendermaßen glossiert: „Am letzten Sonntag sprach in der „Stadthalle“ Nazi-Goebbels, bekannt unter dem Namen „Mäuse-Goebbels“. Habt ihr ihn schon gesehen? Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm. Ich meine nur wegen des „arischen Typs.“ Wenn das Dritte Reich nur sagenhaften Ariern offen steht, dann – adieu, Herr Goebbels. Wo sind Ihre blonden Haare, Ihre blauen Augen? Wo ist dazu Ihr Mut zur Wahrheit? Herr Goebbels, sind Sie Deutscher?“[38]

Im Bericht über den berüchtigten SA Aufmarsch am 18. Oktober 1931 höhnte das Blatt über die „inhaltslosen Reden Hitlers“, die Reichstagung der Nationalsozialisten habe „keinen einzigen geistigen Höhepunkt“ geboten, aber sich als „eine Probemobilmachung zum Bürgerkrieg“ dargestellt. Und dann zählte das Wochenblatt die „eingeschlagenen Türen und Fensterscheiben“ in der Langenstraße, Beckenwerderstraße, Mauerstraße, Friesenstraße, Weberstraße, Ritterstraße, des Klint, Nickelnkulk und der Güldenklinke auf. SA Leute mit Sammelbüchsen hätten die Zuschauer um eine Spende gebeten mit dem Spruch: „Wollen Sie nicht etwas für Brünings Begräbnis geben?“[39]

In den folgenden Nummern erklärte der ungenannte Verfasser, warum ein Katholik unmöglich Nationalsozialist sein könne.[40] Darin lehnte er den § 24 des für unabänderlich geltenden Parteiprogramms entschieden ab, weil er die Geltung der Religion durch die der arischen Rasse einschränke. „Nie und nimmer darf die Kirche zugeben, dass der Staat und das Sittlichkeits- und Moralgefühl der arischen Rasse als letzte Instanz über das Christentum gestellt wird.“ Dazu zitierte er Hitler: „Wir wollen keine anderen Götter haben als nur Deutschland.“

In einem weiteren Artikel lehnte der Verfasser den Begriff vom positiven Christentum ab. Dafür komme nur die katholische Glaubens- und Sittenlehre in Frage. Hitler aber lehne die zehn Gebote, das Alte Testament und auch Teile des Neuen Testamentes ab. „Wer auch nur versucht, das Alte Testament ganz oder zum Teil auszuschalten, ist nicht mehr katholisch.“[41] Es zitierte folgende politische Naziparodie auf das Weihnachtslied: „Stille Nacht, heilige Nacht/ Reichstag schläft, Brüning wacht/ Notverordnung aus lachendem Mund/ Deutscher trägts ruhig, du wirst noch gesund/ Hitler der Retter ist da“.[42] Das Wochenblatt fragte nach der Reaktion der regionalen Rechtsblätter.

Es spießte auch ein Zitat von Minister Klagges auf, der mit der Hilfe des Teufels Brüning stürzen würde.[43]

Das Wochenblatt beschäftigte sich aber genauso kritisch mit den Freidenkern. Unter der Überschrift „Der Sturmangriff der Freidenker“ berichtete das Wochenblatt von einem Berliner Kongress der Freidenker, auf dem der frühere Braunschweiger Minister Sievers erklärt hätte: „An der Schwelle der sozialistischen Gesellschaft wird die Leiche der christlichen Kirche liegen“.[44] 

Unter der Überschrift „Die vergiftete Atmosphäre in Braunschweig“ veröffentlichte das Wochenblatt folgendes Stimmungsbild vom Januar 1932: „Nach dem ersten Zusammenstoß der extremen Parteien von rechts und links am Donnerstag vor acht Tagen, ist es eigentlich nie wieder zur Ruhe gekommen.

Besonders deshalb nicht, weil der Schwerverletzte, der Angehörige des Reichsbanners, seinen Verletzungen erlegen ist. Freitag haben wir dasselbe Bild, wenn auch die Polizei sofort alles unterbindet. Nachts gehen aber vier Schaufenster in Trümmer. Am Sonnabend konnte der scharfe Ordnungsdienst der Polizei die Unruhen unterdrücken. Am Sonntag mehren sich die Unruhen, besonders, als die Nachricht bekannt wird, dass der schwerverletzte Meier gestorben ist. In der Schöppenstedter Straße kam es zu Zusammenstößen. Eine Gastwirtschaft „Stadt Helmstedt“ wurde von der Polizei „überholt“. Man findet eine Schusswaffe und scharfe Munition, Gummi- und Eichenknüppel. Etwas später wird ein Mitglied der Hitlerjugend auf dem Steinweg niedergeschlagen und dem Krankenhaus zugeführt. Dasselbe wiederholt sich am Dienstag auf dem Wendenring, wo ein Nazimann von politisch Andersdenkenden angegriffen und verletzt wird. Wieder wird eine Schaufensterscheibe in der Nacht „verbogen“. Ein anderer Nationalsozialist wird im Rosental angegriffen, geschlagen und durch eine Stichwunde verletzt. Am Abend wird ein Überfall auf drei Reichsbannerleute gemeldet. Dann muss auch der „Volksfreund“ eine Schaufensterscheibe opfern. So wird man die Unglückschronik verlängern können. Wir haben nur die Hauptsachen herausgegriffen.“[45]

Das Wochenblatt bemüht sich, beiden Seiten gerecht zu werden und beklagt mit einem Zitat des Oberbürgermeisters „die vergiftete Atomsphäre.“ Jugendliche der Zentrumspartei beteiligten sich nicht an diesen Terrorspielen auf der Straße. Das Zentrum steht zwischen rechts und links, war die Botschaft des Berichtes.

Bei den Reichstagswahlen 1932 agitierte das Wochenblatt heftig für Hindenburg und gegen Hitler.

„Ungeheuerlich wird sich das Furchtbare vollziehen, das uns seit Jahren vorschwebt“, zitierte das Wochenblatt einen nazistischen Drohbrief. [46]

Auf eine nationalsozialistische Kundgebung auf dem Leonhardsplatz am 5. Juni 1932, in der Gregor Strasser das Zentrum, die sozialistischen und bürgerlichen  Parteien als eine Block bezeichnete, dem der andere Block des „erwachenden Deutschland“ gegenüberstehe, erwiderte das Wochenblatt in einem dreispaltigen Bericht: „Die Nationalsozialisten sind nichts Neues in Deutschland, sie sind die Erben jener alten nationalistischen Parteien, die Deutschland schon einmal  in den Abgrund regiert haben“.[47]

 

Stadtpfarrerschaft und Braunschweiger jüdische Gemeinde [48]

Eine Nachbarschaft ganz anderer Art bildete die jüdische Gemeinde. Auch die jüdische Gemeinde in Braunschweig hatte im letzten Jahrhundert eine erstaunliche Entwicklung hinter sich. Ihre Mitgliederzahl war in der Stadt Braunschweig von 286 (1855) auf 451 (1875)  und auf 853 (1905) gestiegen.[49] 1875 war aus großzügigen Spenden und eigenen Gemeindemitteln die stattliche Synagoge in der Knochenhauerstraße mit einem Gemeindehaus errichtet worden. Damit verabschiedete sich die Gemeinde von der bisherigen kleinen, in einem Hinterhaus verborgenen Synagoge am Kohlmarkt. Als die mittelalterliche Innenstadt zwischen dem Bahnhof, der Münzstraße, Damm und um den Kohlmarkt Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen und dort die massiven Verwaltungs- und Kaufhäuser errichtet wurden, blühten Wirtschaft und Handel enorm auf. Die Kaufhäusern nahmen ganze Straßenfluchten ein, Ausmaße, wie sie bisher in Braunschweig nicht bekannt waren. Große Kaufhäuser wie Hamburger und Littauer mit ihren fünf Häusern am Kohlmarkt und Hutfiltern und Frank in der Schuhstraße, Katz in der Friedrich Wilhelmstraße und gegenüber Schmandt wurden von Braunschweiger Juden betrieben. Mitglieder der jüdischen Gemeinde hatten infolge ihres wirtschaftlichen Reichtums und ihres Bildungsgrades großes Ansehen erworben und nahmen als Mitglieder der Landesversammlung und im Stadtrat politische Verantwortung wahr.

 

Fünf Gruppen in der jüdischen Gemeinde

Ein Blick auf die Braunschweiger Juden und ihre Gemeinde am Anfang der 20. Jahrhunderts zeigt ein vielfältiges, unterschiedliches Bild.[50] 

(a) Der größere Teil gehörte dem Reformflügel der jüdischen Gemeinde an. Es wurde seit Jahrzehnten in der Synagoge deutsch gepredigt, der Gesang mit einer Orgel begleitet und die Jugendlichen konfirmiert. Daneben wurden die strengen hebräisch-sprachlichen Teile des Gottesdienstes gepflegt und in einer eigenen Schule geübt.

(b) Ein zweiter Teil der jüdischen Gemeinde suchte mehr Berührung mit der säkularen Welt. Diese Bewegung innerhalb der Kirchen und Religionen war eine Folge des seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts über sie hereinbrechenden Säkularismus. Er äußerte sich in der jüdischen Gemeinde wie in den evangelischen Stadtkirchengemeinden in einer wachsenden Gleichgültigkeit gegenüber den traditionellen Formen häuslicher Frömmigkeit und im schwindenden Gottesdienstbesuch. Da die Religion für der Gestaltung des persönlichen Lebens ihre verbindliche Kraft verlor und die Grenzen zwischen den Religionen niedriger wurden, wurde ein Religionswechsel zwar schmerzlich aber akzeptabel. Der Braunschweiger evangelischen Landessynode wurden regelmäßig die Ein- und Austritte und die Übertritte mitgeteilt. Danach waren im Herzogtum Braunschweig seit 1880 bis 1911 75 Juden zur lutherischen Kirche und zwei evangelische Christen zur jüdischen Gemeinde  übergetreten.[51] Es häuften sich daher seit der Jahrhundertwende die religionsverschiedenen Ehen. Juden heirateten Christen. Diese Ehen wurden vom Rabbiner nicht anerkannt und nicht gesegnet. Solche religionsverschiedenen Ehen hatten der Präsident des Landesverwaltungsgerichtes Walter Gutkind, der bekannte Inhaber für Baumwoll- und Leinenfabrikation Kurt Landauer, der Oberlandesgerichtsrat Felix Kopfstein, der Geheime Justizrat Viktor Heymann und viele andere geschlossen.[52] Für die Eltern solcher religionsverschiedenen Ehen stellte sich die Frage, ob ihre Kinder die Beschneidung oder die Taufe erhalten sollten. In religiösen Alltag wurden die Feste beider Religionen begangen: im Frühjahr sowohl bar mizwa wie Konfirmation, im Dezember erst Chanuka, dann Weihnachten. 

(c) Vergleichbar der evangelischen Kirche stand diesem liberalen Flügel ein orthodoxer gegenüber, der in der Echterstraße einen eigenen Betraum unterhielt und der besonders von jenen Juden besucht wurde, die um den 1. Weltkrieg aus Russisch-Polen oder Österreich-Galizien sich in Braunschweig sesshaft gemacht hatten. Zu ihnen gehörten ca 282 Gemeindemitglieder.[53] Einer von ihnen war der stadtbekannte Mendel Blinder vom Bohlweg 58, „ein tiefgläubiger Mensch mit orthodoxer Barttracht“, so schilderte ihn seine Tochter Schiffra. „Wir lebten in einem geordneten frommen Haus“, erinnert sie sich. [54] 

d) Diesem  streng gläubigen Teil der jüdischen Gemeinde stand eine kleine zionistische Gruppe nahe, oft junge Leute, die für einen Staat Israel in Palästina eintraten und jede Öffnung zur christlichen oder säkularen Welt strikt ablehnten.

(e) Schließlich gab es eine kleine rührige Gruppe von früheren Mitgliedern der jüdischen Gemeinde, die sich an entgegengesetzten Werten und Zielen orientierten, z.B. an den marxistischen. Zu jenen Juden, die sich innerlich von der jüdischen Religion abgewandt hatten, gehörten Samuel Spier[55] und Samuel Kokosky.[56] Sie gehörten zu den führenden Mitgliedern in den Anfängen  der Braunschweiger Arbeiterbewegung, Kokosky redigierte lange Zeit das sozialdemokratische Blatt „Der Volksfreund“. Von Kokosky stammt ein Broschüre zum Lutherjubiläum 1873 („Zur Lutherfeier“), in der er für die Freiheit der Rede und Demokratie stritt. Auf dem Parteitag in Halle 1890 erklärte er in einem Debattenbeitrag: „Ich habe überall den Standpunkt vertreten, dass jede Religion, jedes Bekenntnis zu bekämpfen sei...Ist es nicht ein Beispiel von Agitation, wenn man seine Kinder nicht in die Kirche schickt? Wir wollen nicht mehr dem alten Mose folgen..“[57]

 

Frühe Berührungen zwischen jüdischer Gemeinde und Pfarrerschaft

Aus den Erinnerungen von Walter Heinemann und Schlomo Rülf [58] erfahren wir auch einiges über mancherlei Berührungen zwischen der evangelischen Stadtpfarrerschaft und der jüdischen Gemeinde.[59] So hatten an der Einweihung der Synagoge in der Knochenhauerstrasse 1875 auch Abgeordnete der evangelischen Stadtpfarrerschaft und der katholischen Kirche teilgenommen. Der Rabbiner betonte in seiner Predigt, es wäre ein großes Übel, dass in Religionssachen stets das trennende Moment und nicht das Gemeinsame hervorgehoben würde.“[60] Juden und Christen bildeten 1905 ein gemeinsames Komitee, um für die Opfer des Pogrom im zaristischen Russland Spenden zu sammeln. Als 1910 Max Jüdel starb, sprach an seinem Grab außer dem Rabbiner Dr. Rülf auch der Pfarrer von Jakobi Dr. Henry Beck. „Treu in aller Schlichtheit ist Max Jüdel auch geblieben der Religion seiner Väter...Wiederholt hat er mir geklagt, wie bitter es ihn jedes Mal berühre, sich aus seinem konfessionellen Sondergebiet zu weit vorgewagt zu haben und dann vor sich die Scheidewand eines anderen Glaubens aufgerichtet sah“.[61] Ferdinand Rahlwes,[62] 14 Jahre lang Pfarrer an der Brüdernkirche, gab 1908 mit Ephraim Mose Lilien eine illustrierte Übersetzung der Bibel heraus.[63] Als der Rabbiner Rülf 1915 begraben wurde, nahm die Stadtpfarrerschaft an den offiziellen Trauerfeierlichkeiten teil. Die Braunschweiger Ortsgruppe des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens veranstaltete „gemeinsam mit Christen Vorträge und Versammlungen zur besseren gegenseitigen Verständigung“.[64]  Im Gemeindehaus von St. Katharinen referierte Sanitätsrat Dr. med Alfred Sternthal in einem „begeistert aufgenommenen Vortrag“ über die Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten.[65]

 

Die jüdische Gemeinde in der Weimarer Zeit

Es gibt anschauliche Berichte vom Gemeindeleben in den 20er Jahren. So erinnerte sich Dr. Alfred Rubinstein an seine Jugendzeit:  „Ich war in den Jahren 1921-1931, als ich ihr (der jüdischen Gemeinde) aktiv angehörte, noch im Jugendalter. Dieser Zeit verdanke ich meine nachhaltigsten Eindrücke vom Judentum, denn sie war gekennzeichnet durch das segensreiche Wirken so bedeutsamer Rabbiner wie Dr. Rieger, Dr. Schiff, Dr. Wilhelm und Dr. Gärtner und unseres so stimmgewaltigen Kantors Gottlieb, der mich auch auf meine Bar Mizwah vorbereitete. Sie alle verkehrten im  Hause meines Vaters, der Fabrikdirektors Hirsch Rubinstein, der Mitglied des Vorstandes der Gemeinde und der Leopold Zunz Loge war. Ebenso erinnerungswert ist mir die durch die intensive Gemeindearbeit meines seligen Vaters ermöglichte Bekanntschaft mit all den hervorragenden jüdischen Persönlichkeiten dieser würdigen – selbst in dem an guten Gemeinden nicht gerade armen damaligen Deutschland bemerkenswerten - Gemeinde, die in der jüdischen und nichtjüdischen Öffentlichkeit der Stadt eine bedeutende Rolle spielten. Ich erinnere mich mit Wehmut der herrlichen Gottesdienste in unserer so schönen Synagoge in der Steinstraße. Etwas ähnliches habe ich leider nie wieder erlebt. Ich erinnere mich der Freunde meiner Jugendjahre innerhalb dieser kleinen, aber gut zusammenhaltenden jüdischen Gemeinschaft.“[66]

 

Aber es nahm in der Weimarer Zeit auch der Trend der Säkularisierung zu. Es bildete sich mehr und mehr im Umfeld der jüdischen Gemeinde und Einwohnerschaft eine säkulare Gesellschaft, der die religiösen Frömmigkeitsformen allmählich immer fremder wurden. Diese Erscheinung hatte in der evangelischen Kirche schon lange um sich gegriffen. In den Erinnerungen von Nellie H. Friedrich aus ihrem Leben in Braunschweig 1912-1937 wird mit keinem Wort irgendein jüdischer Brauch zu Hause, etwa die Gestaltung des Sabbath oder von koscherem Essen berichtet.[67] Walter Heinemann nennt in seinem Bericht Beamte, die zwar abstammungsmäßig rein jüdisch gewesen seien, aber „dem Judentum nicht mehr angehörten“. Er nennt Oberlandesgerichtspräsident Dr. Louis Levin, Oberverwaltungsgerichtsrat Dr. Walter Gutkind und Oberlandesgerichtsrat Dr. Rudolf Heymann.[68] Da die Weimarer Verfassung den jüdischen Deutschen endlich die volle Gleichberechtigung gewährte, war es verständlich, dass sich jüdische Braunschweiger in der Sozialdemokratie engagierten wie Dr. Regensburger.

Victor Heymann schloss seinen 1925 im Braunschweigischen Magazin veröffentlichten Aufsatz „Von der Jüdischen Gemeinde in Braunschweig“ mit dem Wunsch:  „Möchte das gute Verhältnis zwischen Christen und Juden auch für die Folgezeit ungetrübt fortdauern“.[69]

 

Es ist noch nicht veröffentlicht, warum zwischen 1925 und 1933 257 jüdische Braunschweiger ihre Stadt verliessen. Der Anteil der jüdischen Stadtbevölkerung sank in dieser Zeit von 939 Braunschweigern auf 682.[70] Das Klima in der Stadt hatte sich gewandelt. Hitler war sehr häufig in der Stadt gewesen. Dabei hatte er sich nicht die Stadt angesehen, sondern in den großen Sälen die Zuhörer mit seinen krankhaften Hassattacken auf „die Juden“ und die Demokratie überschwemmt. Beides war für Hitler dasselbe. Bei den Reichstagswahlen im September 1930 erhielt die NSDAP in der Stadt Braunschweig  25.252 Stimmen, bei den Kommunalwahlen im März 1931 27.040 Stimmen, bei den Reichstagswahlen im Juli 1932 44.233 Stimmen. Der programmatische Antisemitismus erhielt in der Stadt eine stabile Mehrheit und wurzelte sich im Bürgertum ein. Nach einem Besuch der Dreigroschenoper im Landestheater im Januar 1930 schrieb die Frau von Stadtrat Gebenleben an ihre Tochter: „Dass man sich das gefallen lassen muss, sich ein Stück anzusehen, mit der dazugehörigen elenden Jazzmusik, das das Gemeinste und Elendste im Leben darstellt, das man sich ungefähr vorstellen kann, ist einfach unerhört. Die Juden wieder am Werk, die unser Volk immer tiefer zerren wollen. Es waren ja auch viele Juden im Theater. Der Logenschließer sagte, dass schon bei der ersten Aufführung viele Leute weggegangen wären, Sonntag wohl auch einige. Aber die Juden klatschten Beifall.“[71] Das waren keine guten Aussichten für das neue Jahr 1933.


 



Anmerkungen zu Kapitel 2

 

[1] 250 Jahre katholische Kirchengemeinde Braunschweig 1708-1958 Braunschweig 1958; Thomas Scharf-Wrede Zur Geschichte der katholischen Kirche in der Stadt Braunschweig. Von der Reformation bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges in Unterwegs zwischen Zeit und Ewigkeit 300 Jahre  katholische Kirche in Braunschweig  Braunschweig 2008 S.4-10; ders. Die Geschichte der katholischen Kirche in Braunschweig von der Reformation bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges in Jahrbuch für Geschichte und Kunst im Bistum Hildesheim 75/76 Jahrgang 2007/2008; Einleitung im Handbuch des Bistums Hildesheim Teil 3 Hildesheim 2001 

[2] Braunschweig in der Statistik Neue Folge 1966 S, 32

[3] Scharf-Wrede 6

[4] Katholisches Kirchenblatt 12.4.1936

[5] tendenziell dürfte die Hälfte nicht ganz falsch gerechnet sein.

[6] Die Zahlen sind aus den gedruckten Synodalunterlagen entnommen, zu denen der Bericht des Konsistorium über die Zustände der Landeskirche gehörte.

[7] Das Braunschweiger Wochenblatt 21.1.1906 berichtete von der Statistik der evangelischen Kirchengemeinden. Es sei die lehrreiche und betrübliche Tatsache zu berichten, dass 53 Katholiken im vergangenen Jahr zur evangelischen Kirche übergetreten seien. Tatsächlich seien es mehr, da die Kinder, die zur Konfirmation anstünden, nicht mitgezählt seien. Fünf Evangelische waren zur katholischen Kirche übergetreten.

[8] Herzog Anton Ulrich an Prof. Fabricius.  Roderich Piekarek Wie der katholische Glaube in Braunschweig verloren ging und wiedererstand in: 250 Jahre Katholische Kirchengemeinde Braunschweig 1708-1958 Hg Katholisches Propstei-Pfarram St. Nicolai Braunschweig 1958 S. 60

[9] nach Scharf - Wrede 7

[10] Hermann Seeland (1868-1954) Priesterweihe 1892, 1893 Kaplan in Celle, 1896 „Kompastor“ in Braunschweig und 1898 Pastor an St. Joseph, 1916 Propst an der St. Clemenskirche in Hannover und Dechant, 1932 Domkapitular, 1935/36 stellvertretender Generalvikar, Kirchenhistoriker und botanischer Forscher. Verfasser von „Führer durch die katholische Gemeinden des Herzogtums Braunschweig“ 1905, sowie Arbeiten über Farnpflanzen und Orchidacaen. BBL 560

[11] zahlreiche Fotos aus der Zeit vor und nach dem Umbau 1908 bei Jünke 242-252

[12] Es waren nach Auskunft des Adressbuches 1930 die Hausnummern 52/ 53/ 54/ 55/ 56.

[13] Die Staatsregierung zahlte einen jährlichen Zuschuss von 10.000 M und 35 M für jedes Kind, 1911/12 insgesamt 40.950 M. Stadt Braunschweig an die Stadtverordneten am 13.9.1918 in: Br. Stadtarchiv D IV 2666

[14] Karl Hentschel Handbuch der Diözese Hildesheim Hildesheim 1917 S. 284 ff.

[15] Joseph Stolte (1866-1944), Priesterweihe 1890, 1892 Kaplan in Algerissen,1898 Pastor in Harburg,1917-1944 Dechant in Braunschweig und Pfarrer an St. Nikolai

[16] Der Vertragstext in Auszügen in Heinrich Picker 250 Jahre katholische Schule in Braunschweig S. 24

Gerd-Eberhard Tilly Schule und Kirche in Niedersachsen (1918-1933) Hildesheim 1987 S. 195 ff Ein Vertrag mit der Stadt Braunschweig als Präzedenz- und Testfall. S. 198 f:  Am 10. Oktober 1921 schloss das Generalvikariat einen ähnliche Vertrag, das sog. Regionalkonkordat. „Sie (die katholische Kirche D.K.) zog aus den Abmachungen nicht nur materielle Vorteile, sondern auch ideelle. Mit Hilfe ihrer Verträge gelang es der katholischen Kirche sicherzustellen, dass katholische Kinder an katholischen Schulen von katholischen Lehrern und Geistlichen unterrichtet wurden.“ Tilly  211

[17] In den folgenden städtischen Haushalten wurden die katholischen Schulen wegen einer veränderten Haushaltssystematik nicht mehr gesondert aufgeführt.

[18] „Denn nun wurde die katholische Schule aus einer „Armenschule“ wie sie es vor der Übernahme unter dem Zwang der Verhältnisse leider war, eine Anstalt, die von katholischen Kindern aller Volkskreise

besucht wurde.“ in:  Heinrich Picker 250 Jahre Katholische Schule in Braunschweig  S.25

[19] ebd

[20] nach Thomas Scharf-Wrede „Wege durch wechselvolle Zeiten Zur Geschichte der katholischen Kirche in Braunschweig von der Reformation bis zum Ende des zweiten Weltkrieges“ in: Jahrbuch für Geschichte und Kunst im Bistum Hildesheim 75./76. Jahrgang 2007-2008  S. 370

[21] Ernst Kasten (1882-1956) Priesterweihe 1907. Kasten war ab 1907 2. Kaplan Göttingen und wurde mit 32 Jahren seit dem 1.3. 1920 Pastor an St. Joseph. Ab 1929 war er Pastor in Lindau und ab 1935 dort Dechant, wo er auch verstarb.

[22] Georg Vollmer (1882-1961) Priesterweihe 1907. Vollmer war zunächst Kaplan in Wolfenbüttel, ab 1919 Pastor in Lüchow und ging von Braunschweig 1930 in die Pfarrstelle in Helmstedt und von dort 1937 nach Wöhle, wo er 20 Jahre lang blieb.

[23] Braunschweiger Wochenblatt 3.1.1932 Ich behandle das Wochenblatt etwas ausführlicher, weil  Klaus Kaiser in seiner grundlegenden Arbeit „Braunschweiger Presse und Nationalsozialismus“ Braunschweig 1970 auf diese Wochenzeitung nicht hinweist. Er behandelt Tageszeitungen. Das Wochenblatt ist jedoch ein wichtiges nationalsozialistisch-kritisches Braunschweiger Organ gewesen, das für die Zeit vor 1933 interessante Kommentare abgibt. Die bisherige Nichtachtung liegt an der geringen politischen Rolle, die das Zentrum, im Land Braunschweig spielte. Aber die Optik gerade aus der Minderheitenposition ergibt neue Gesichtspunkte.

[24] bei den Reichtagswahlen 6.6.1920: 1.364 Stimmen; am 5.3.1933: 2.427 Stimmen. Bei den Wahlen zur Stadtversammlung koalierte das Zentrum mit den jeweils konservativen bürgerlichen Parteien.

[25] Reinhard Bein Unruhige Jahre für den Löwen Reiseführer Land Braunschweig 1912-1932 Braunschweig 2011 S. 52-60

[26] Braunschweiger Wochenblatt 1.5.1927

[27] Braunschweiger Wochenblatt 6.5.1927

[28] Braunschweiger Wochenblatt 8.5.1927 mit einer bilderreichen Ausgabe von allen Kirchen des Dekanats und am 15.5.1927 mit dem Bericht vom Festtag.

[29] Br.St. 3.12.1929; BNN 3.12. 1929; BLZ 3.12.1929 Braunschweiger Wochenblatt 8.12.1929. Der Text des  Schlusslied stammt aus dem Programmblatt Ägidien Nr. 518 Diözesanarchiv Hildesheim

[30] Das Telegramm lautete: „beatissmus pater catholicis istis grato animo apostolicam benedictionem – card gasparri“ in Bistumarchiv Hildesheim Ortsakte Ägidien 518

[31] Braunschweiger Wochenblatt 22.11.1932

[32] nach Braunschweig in der Statistik Neue Folge 1966 S.32   

[33] Die standesamtlichen Angaben finden sich für alle drei Gemeinden in der Statistik von Nikolai. Die Angaben für alle drei Gemeinden müssen summiert werden. 

[34] Die erste Zahl gibt die standesamtliche Eheschließung an, in denen Braut und Bräutigam katholisch sind, Die zweite Zahl die kirchliche Trauung, in der entweder die Braut oder der Bräutigam katholisch ist. 1928: 23:44; 1929: 28: 35; 1930: 29: 30; 1931: 23:28; 1932: 13: 44. Die Zahlen sind den im Diözesanarchiv vorliegenden kirchlichen Statistiken der Kirchengemeinden entnommen.

[35] Thomas Scharf-Wrede Anm 1 S. 370

[36] Braunschweiger Wochenblatt 13.11.1932 „Bilder von der Fahrt in die norddeutsche Diaspora. Braunschweig die Stadt der Bedrängnis“

[37] Heinrich Brüning (1885-1970) wurde 1932 von General Schleicher gestürzt und konnte von der Aussetzung der Reparationszahlungen und dem Aufwind der internationalen Wirtschaftslage politisch nicht mehr profitieren. Er hätte als exzellenter Wirtschaftspolitiker den Reichhaushalt sanieren können. Hitler hatte ihn in seinen ersten fünf Regierungsjahren vollständig ruiniert. Die Hitlerregierung war 1938 pleite.

[38] Braunschweiger Wochenblatt 20.9.1931

[39] Braunschweiger Wochenblatt 25.10.1931

[40] „Warum kann ein Katholik nicht Nationalsozialist sein?“ Braunschweiger Wochenblatt 8.11.1931.

[41] ebd 15.11.1931

[42] Braunschweiger Wochenblatt 31.1.1932

[43] Braunschweiger Wochenblatt 1.11.1931

[44] Braunschweiger Wochenblatt 20.9.1931

[45] Braunschweiger Wochenblatt 31.1.1932

[46] Braunschweiger Wochenblatt 3.4.1932

[47] Braunschweiger Wochenblatt 12.6.1932

[48] Brunsvicensia Judaica  Braunschweiger Werkstücke Band 35 Braunschweig 1966 darin: Walter Heinemann Erinnerungen eines Braunschweiger Juden nach 30 Jahren in der Fremde S. 105-131; Reinhard Bein Juden in Braunschweig 1900-1945 Braunschweig 1988;ders. Zeitzeugen aus Stein Bd 2 Braunschweig und seine Juden  Braunschweig 1996; ders. Ewiges Haus Jüdische Friedhöfe in Stadt und Land Braunschweig Braunschweig 2004 S. 11-29; ders. Sie lebten in Braunschweig Braunschweig 2009 S. 15-45; Hans Heinrich Ebeling Artikel Juden in Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Braunschweig  (Hg Herbert Obenaus) Göttingen 2005; ders. Die Juden in Braunschweig Braunschweiger Werkstücke Nr. 65 Braunschweig 1987; Wilfried Knauer Braunschweigisches Landesmuseum Abteilung Jüdisches Museum (Hg Biegel) Braunschweig 1987; Dietrich Kuessner Juden und Christen in der Braunschweiger Landeskirche in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts in Friede über Israel 3/ 1983, erneut abgedruckt in Zum Dialog zwischen Christen und Juden Denkanstöße zusammengestellt von Jürgen Naumann Mai 2000 S. 21 ff .

[49] nach den amtlichen Volkszählungen  S. 53. Die Ziffern der Volkszählung weichen von der Gemeindemitgliederzählung manchmal nicht unerheblich ab: für 1890 wurden statt 710 811 Mitglieder gezählt und für 1910 statt 720 (Offiziell) vom Rabbiner 571 Mitglieder

[50] Ernst August Roloff unterschied in seinem Vortrag  im November 1988 anlässlich des 50jährigen Gedenkens der Pogromnacht für die nationalsozialistische Zeit vier Gruppen innerhalb der Braunschweiger Juden: die assimilierten Juden, die teilweise Christen geworden waren oder einer religionsverschiedenen Ehe lebten (a), die deutschen Reichsbürger jüdischen Glaubens (b), die Zionisten c) und die sog. „Ostjuden“ in: Ernst August Roloff Schicksale jüdischer Mitbürger im Bereich der Pauligemeinde unter der Naziherrschaft“ in: „Kristallnacht“ und Antisemitismus im Braunschweiger Land“ Braunschweig 1988 S. 38 ff

 

[51] Die Übertritte von der jüdischen Gemeinde zur lutherischen Kirche verteilen sich folgendermaßen: 1880-1883: 1 Übertritt; 1884-87: 4 Übertritte; 1888-91: 6 Übertritte; 1892-95: 9; 1896-99: 5; 1900-103: 16 Übertritte;  1904-1907:13 Übertritte; 1908-1911 9 Übertritte; 1908-1911: 9 Übertritte.

 

[52] Eine Durchsicht der bei Ingeborg Cuda und Ilse Erdmann in der Brunsvicensia Judaica genannten  jüdischen Familien 152-229 ergeben sich ca 32 religionsverschiedene Ehen.

[53] Die Zahl bezieht sich auf das Jahr 1925. Zu den unterschiedlichen Zahlenangaben und Gründen der   Einwanderung Bein Sie lebten Stichwort Zuwanderung/Ostjuden  43 ff 

[54] Bein Juden 136

[55] Samuel Spier 1838-1903 BBL 578

[56] Samuel Kokosky 1838-1899 BBL 338

[57] Georg Eckert Samuel Spier und Samuel Kokosky in den Reihen der Braunschweiger Arbeiterbewegung in:   Brunsvicensia Judaica  91

[58] Walter Heinemann„Erinnerungen eines Braunschweiger Juden“ in Brunsvicensia Judaica 105-132;  und Schlomo Rülf  „Kindheit in Braunschweig“ ebd 97-105

[59] Über das Verhältnis von Juden und Christen im 19. Jahrhundert Hans Heinrich Ebeling Die Juden in

Braunschweig Braunschweiger Werkstücke 65 Braunschweig 1987 S. 372 ff

[60] Br. Tageblatt 24.9.1875 nach BsStA H XIV Nr. 82

[61] Heinemann 122

[62] Ferdinand Rahlwes (1864-1947) von 1895-1909 Pfarrer an der Brüdernkirche, später Oberhofprediger in Meiningen, danach Oberkirchenrat und Konsistorialrat in Berlin, 1930 emeritiert.

[63] Walter Heinemann in Brunsvicensia  Judaica 129

[64] Brunsvicensia Judaica  111

[65] ebd 113

[66] Reinhard Bein Die Jüdische Gemeinde 1945-1976 in Bettina Schmidt-Czaia (Bearb,) Wenn man ein Haus baut, will man bleiben. Geschichte der jüdischen Gemeinde Braunschweig nach 1945 Berichte aus dem Stadtarchiv Nr. 15 Bs 2005 Brief Rubinsteins vom 7.11.1978  S. 7 ff

[67] Nellie H. Friedrichs Erinnerungen aus meinem Leben in Braunschweig 1912-1937 Stadtarchiv und Stadtbibliothek Braunschweig Kleine Schriften Nr. 4 Braunschweig 1980

[68] Brunsvicensia Judaica  121

[69] ebd  58

[70] Braunschweig in der Statistik  Neue Folge 1966 S. 32

[71] Hedda Kalshoven Ich denk so viel an euch München 1995 S. 93



Zum Kapitel 3: Der Regierungswechsel in Berlin, die Verwandlung der Heimat in ein Kriegsgebiet und die Antwort der Landeskirche




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