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[Kirche von unten]



Ansichten einer versunkenen Stadt

Die Braunschweiger Stadtkirchen 1933 - 1950

von Dietrich Kuessner


17. Kapitel

Die Umgestaltung des Braunschweiger Doms zu einem Staatsdom im „Dritten Reich“.[1]

 

Die Sonderstellung des Domes

Der Braunschweiger Dom gehörte nicht zum Kreis der bürgerlichen Stadtkirchen. Er war etwas Besonderes. Der Domprediger war nicht verpflichtet, am Konvent der Stadtpfarrer teilzunehmen. Sein Gehalt bezog er vom Herzog, bzw. vom Staat. Auch der Organist wurde vom Staat bezahlt, wie auch der Küster. Die Bauunterhaltung von Kirche und Pfarrhaus oblag vollständig dem Staat. Interessanter Weise lösten die Linksregierungen nach 1918 das enge Verhältnis vom Dom mit dem Staat nach ihrer Programmdevise: radikale Trennung von Staat und Kirche nicht auf, sondern sie hielten die Hand weiter über den Dom. Sepp Oerter veranstaltete zum Weihnachtsfest 1918 eine lautstarke Kinderbescherung im Dom, wobei der Dom als gottesdienstliche Stätte missachtet wurde. Es war jahrhundertealte Tradition, dass der Dom nur für gottesdienstliche Zwecke benutzt wurde, vielleicht auch für Konzerte, aber zunächst für die sonntäglichen Gottesdienste. Der Dom war sowas wie der geistliche, räumliche Mittelpunkt der Landeskirche geworden. Hier wurde 1923 der erste Landesbischof Bernewitz in sein Amt eingeführt, hier hatten 1930 und 1931 große demonstrative Bekenntnisgottesdienste gegen das Auftreten der Freidenker in der Stadt stattgefunden. Hier war der zweite Bischof Beye in sein Amt eingeführt worden.

Die Domgemeinde war eine Personalgemeinde. Zu ihr gehörten die Mitglieder des Kabinetts, der Hofgesellschaft, die Mitglieder des Theaters und die Staatsmusiker. Aber es sammelten sich unter der Kanzel des Dompredigers Sonntag für Sonntag auch die konservativen Kreise der Stadt. Sie bildeten eine treue Gemeinde, insbesondere seit 1908 Karl v. Schwartz Domprediger geworden war, ein exzellenter Prediger, ein standfester, aber gemäßigter Lutheraner und ein Intellektueller mit einer gefürchteten ironischen Begabung.

 

Der Dom befand sich 1933 in einem sehenswerten, guten Zustand. Im 19. Jahrhundert hatte man die ausladende barocke Ausgestaltung beseitigt und die mittelalterlichen Malereien restauriert bzw. ergänzt. Die herzogliche Bauabteilung hatte  den Dom im historistischen Sinne mit Schablonenmalereien des Hofmalers Adolf Quensen dekorieren lassen. Die ursprünglichen mittelalterlichen Malereien verschwanden neben der üppigen Dekoration des 19. Jahrhunderts. Wer 1933 den Dom betrat, kam in einen reichlich vollgestellten Raum, ein monumentales Kruzifix vor dem Altar, ausladende Kronleuchter. Der Dom entsprach nicht mehr den Kriterien der liturgischen Bewegung der 20er Jahre und dem neuen ästhetischen Stilbewusstsein.

 

Die Selbstnazifizierung des Domes durch die Deutschen Christen

Der Dom wurde ab 1933 von den Deutschen Christen in Beschlag genommen. Zur Eröffnung des Landtages im April 1933 erschienen die Mitglieder des gleichgeschalteten, nazifizierten Braunschweiger Landtages zum Gottesdienst im Braunhemd, und Schlott predigte beziehungsreich über „Ihr seid das auserwählte Geschlecht“.[2] Als im Sommer 1933 der SS Mann Gerhard Landmann bei einer Streife wohl versehentlich von eigenen Leuten erschossen worden war, organisierte die Partei einen parteipolitischen Riesengottesdienst. Parteigenosse und Katharinenpfarrer Schlott hielt eine schwülstige Rede über den Bibeltext „Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen.“ „Ein Schuss fiel in der Nacht, ein Blitz aus heiterem Himmel ging durch die Nebel mitten in dein Herz, Kamerad von der SS. Aus Nacht wurde Tag, aus Tag wurde Nacht. Aus dem Alles wurde das Nichts, aus Freude der Schmerz, aus der Ruhe die Unruhe. Das deutsche Volk liebt Gott, es will sein Bestes, seine Aufgabe, die ihm gestellt ist, erfüllen aus heißester Liebe, aus tiefstem Herzen heraus. So hat Gerhard Landmann Gott geliebt, Dienst, Dienst, Dienst bei Nacht, Dienst für Gott. Dienst fürs Volk. Wir müssen eins werden, ein Volk im Kampf gegen alles Böse. In diesem Kampf ist Gerhard Landmann gefallen. Wir trauern nicht. Wir kämpfen weiter. Gott segne unsern Kampf und führe ihn zum Ziel, zum Heil des ganzen Volkes.“ Nach Gebet und Segen „Ich hatt’ einen Kameraden“, wozu die Fahnen gesenkt wurden.[3]

Die Stadtpfarrer nahmen im Talar daran teil, aber leider nicht Johannes Schlott für diesen Unsinn ins Gebet. Diese Gottesdienste bedeuteten eine sichtbare Selbstnazifizierung des Domes.[4]  Um diese Nazifizierung im Sinne der Deutschen Christen vorwärts zu treiben, wurde dem Domprediger Karl v. Schwartz vom deutsch-christlichen Bischof Wilhelm Beye nahe gelegt, sich aus der Domkirchengemeinde auf die vakante Pfarrstelle in Pabstorf versetzen zu lassen. Im Januar 1934 wurde der Domprediger dienstenthoben. Er hatte eine untersagte Kanzelabkündigung verlesen. Im Gespräch mit Bischof Beye erfuhr v. Schwartz, dass der Ministerpräsident Klagges seine Entfernung wünschte. Er verhalte sich zum Ministerium nicht loyal.[5] Träumte Klagges bereits davon, den Dom für sich und seine Religion zu okkupieren? Eine Selbstnazifizierung des Domes hatte ja bereits stattgefunden.

 

Restaurierung des Grabes von Heinrich d. Löwen durch die Braunschweiger Staatsregierung

Es entsprach der Vorliebe der Nationalsozialisten und ihrer Schwärmerei für die Helden des Mittelalters, dass die Gräber von Heinrich d. Löwen und seiner Frau Mathilde wieder hergerichtet wurden. Sie befanden sich in einem beklagenswerten Zustand. Dabei ging der braunschweigische Staat zunächst nur von einer Herstellung einer würdigen Grabstätte aus.

Die bisherige Domliteratur beschäftigt sich ganz überwiegend mit der baugeschichtlichen Umgestaltung der Gruft und des Domes. Es fehlt eine Darstellung der kirchengeschichtlichen Umstände und eine Gesamtdomgeschichte, die beide Gesichtpunkte zusammenfasst. Es ist misslich, wenn auch Bemerkungen zum kirchengeschichtlichen Aspekt fallen, die quellenmäßig nicht gestützt sind, etwa in der Art, dass die Landeskirche den Dom frühzeitig aufgegeben habe.[6] Das ist grundfalsch. Richtig ist, dass die Kirchenbehörde von Anfang an vom Staatsministerium hintergangen, belogen, übergangen, schließlich durch eine Personalentscheidung im Landeskirchenamt vom Entscheidungsprozeß ausgeschaltet wurde und dass sie sich von Anfang an mit Händen und Füßen gewehrt hat. Ich werde daher im Folgenden, wenigsten diese Anfänge im Zeitlupentempo schildern.

Bisher war es üblich, dass die Schlüssel zum Dom beim Dompfarramt, beim Organisten oder dem Domküster aufbewahrt wurden. Gruppen, die den Dom besichtigen wollten, meldeten sich beim Domküster an und ließen sich durch den Dom führen. Das Staatsministerium besaß verständlicherweise keinen Schlüssel. Um ohne Absprache mit den allein zuständigen Stellen im Dom arbeiten zu können, musste das  Ministerium in den Besitz der Schlüssel gelangen. Das fing harmlos mit einer Karikatur in der Zeitung an. „Kürzlich wollte ein Berliner Professor mit seinen Studenten dem „Dom Heinrich d. Löwen“ einen Besuch abstatten. Trotz stundenlanger Suche war der Domvogt, der den Schlüssel zum Dom in der Tasche trug, nicht aufzufinden.“ Dieser Text  wurde mit zwei witzigen Bildern glossiert.[7] Die später ausgehändigten Schlüssel aber wurden nicht wieder zurückgegeben, stattdessen wurden zusätzlich zwei Duplikate der Schlüssel angefertigt. Damit sollte demonstriert werden, wer der eigentliche Besitzer des Domes war. Der Landesbischof wurde Mitte Juni vom Beginn der Arbeiten an der Gruft unterrichtet und angefragt, ob der Dom für den Gottesdienst in der kommenden Woche benötigt werde. „Um den Gottesdienst möglichst wenig zu stören, ist im Aussicht genommen, mit den Arbeiten am Montag, dem 24. d. Mts. zu beginnen. Der Herr Ministerpräsident hat mich beauftragt, Sie hiervon in Kenntnis zu setzen und gleichzeitig anzufragen, ob im Laufe der genannten Woche der Dom für den Gottesdienst benötigt wird.“[8] Die Anfrage, die sich auf mögliche Veranstaltungen während der Woche bezog,  klang so, als ob die Arbeiten nur kurze Zeit dauern würden. Als die Arbeiten rund um das Grabmal begannen, bot sich ein wenig erfreulicher Anblick: vor allem eine Menge Bauschutt, aus dem teilweise ein Sarg herausragte.[9] Eine ordentliche Gruft, wie sie sich ein begüterter Braunschweiger Landwirt früher auf seinem Dorffriedhof leistete, war überhaupt nicht vorhanden. Es gab keine Gruft, nur Bauschutt. Nach Abräumen von Bauschutt sowie von Erde vermischt mit Knochenresten stieß man auf „Andeutungen eines weiteren großen Holzsarges. Als man die mit Erde vermischten Holzreste vorsichtig abhob, fand sich, frei in der Erde liegend, ein großer Ledermantel, der noch völlig erhalten war.“[10] Man spürt dem Bericht die Enttäuschung an, zunächst nur den einen Sarg gefunden zu haben und die viel größere Entdeckerfreude beim Anblick eines textilen Prachtstückes. Nun sollte der erhaltene Steinsarg auch geöffnet werden. Das war zur Wiederherstellung einer ordentlichen Gruft völlig unnötig und hätte mit der Kirchenleitung  abgesprochen werden müssen.

Zur Öffnung des Steinsarges wurden Fachleute aus Berlin gebeten. Der Professor für Anthropologie und Eugenik Dr. Eugen Fischer war vom Vorhaben hell begeistert. Er möchte den Schädel des Herzogs in die Hand bekommen. „Ich habe letztes Jahr um diese Zeit den Schwager Karls d. Großen ausgegraben, leider waren die Gebeine ganz zerfallen. Hoffentlich haben wir bei den Ihrigen mehr Glück.“ [11] Prof. Ernst August Roloff, der bei der Öffnung am Sonnabend, dem 29. Juni 1935, anwesend war,  kam bei der Untersuchung des Sarginhaltes zum Ergebnis, dass es sich bei dem Skelett des geöffneten Sarges gar nicht um Heinrich d. Löwen handelte, sondern um seine Gemahlin.[12] Prof. Fischer fuhr am 5. Juli mit einer geheimnisvollen kleinen Holzkiste (120 x 70 x 10 cm) in der 2. Klasse nach Berlin zurück und ließ den darin befindlichen Mantel „in einen haltbaren Zustand“ zurückversetzen und auch sonst untersuchen. Man fand Silberreste, möglicherweise von einer Schnalle. Nun war klar, dass nach einer Woche oder wenig mehr eine würdige Grabstätte nicht herzurichten war. Das Staatsministerium stellte 12 Ausweise zum Betreten des Domes für einen begrenzten Kreis aus.[13] Oberforstmeister Eißfeldt vermerkt in einem ersten Bericht am 6. Juli, die Staatsregierung „beabsichtige, diese Grabstätte, die als eines der größten Heiligtümer des deutschen Volkes angesprochen werden müsse, in einer Weise wieder herzustellen, die seiner Bedeutung würdig“ sei. Die Vorfahren wären „in pietätslosester Weise“ mit dem Grab verfahren. „Das Braunschweigische Staatsministerium sah sich deshalb als Hüter dieses Nationalheiligtums verpflichtet, hier Klarheit zu schaffen“.[14] Der Bericht spiegelt etwas vom übertriebenen und besitzergreifenden Selbstverständnis des Staatsministeriums wider, wurde aber durch einen weiteren Bericht ersetzt, in dem die großspurigen Töne fehlten. Es sei beabsichtigt, „die ehrwürdige Grabstätte in würdiger Weise wieder herzustellen, sodass sie eine wertvolle geschichtliche Gedenkstätte des deutschen Volkes werden kann.“

In diesem zweiten Bericht  begründete Eißfeldt auch die Öffnung des Sarges mit öffentlich geäußerten oder konstruierten Zweifeln über seinen Inhalt. War er womöglich leer? Er war seit der Beisetzung im Mittelalter nicht geöffnet worden. Es sei unwürdig und unerträglich, über den Zustand der Gruft unter dem Grabmal keine genaue Auskunft geben zu können, zumal das Grab Heinrich d. Löwen, einem „frühen Vorläufer einer wahren deutschen Nationalpolitik“ zu einem „Wallfahrtsort für ganz Deutschland“ zu werden beginne. Da war offensichtlich der Wunsch der Vater des Gedankens.

Nun also war nicht mehr nur von der Herrichtung eines Herzoggrabes die Rede, auch nicht von einer kurzfristigen Öffnung des Sarges, sondern die Grabstätte wurde als „größtes Heiligtum“ angesprochen. Das war eine maßlose Übertreibung. Es gab Kaiser- und Königsgräber in Quedlinburg, Aachen, in Naumburg und anderswo. Die Wiederherrichtung der Grabstätte wurde also zu einer Staatsaktion hochstilisiert und zwar von Klagges.

Anfang Juli kam es zur fälligen persönlichen Besprechung zwischen Ministerpräsident Klagges und Landesbischof Johnsen und zu der gütlichen Einigung, wegen der Bauarbeiten den sonntäglichen Gottesdienst „bis auf weiteres“ ausfallen und auch „bis auf weiteres“ keine Besichtigungen stattfinden zu lassen.[15] Keine Besichtigungen? Es war Sommerzeit, Touristen strömten nach Braunschweig und besichtigten die großen Kirchen, als erstes den Dom.

Als  Tourist tauchte unvermutet am 17. Juli nächtens Adolf Hitler in Braunschweig auf, in seiner Begleitung der künftige Minister für die kirchlichen Angelegenheiten Hanns Kerrl, früher  Kreisleiter von Peine und mit der Gegend bestens bekannt.[16] Kurz vorher war der Minister Rust in Braunschweig gewesen. Hatte Klagges ihm einen Wink gegeben? Am 17. Mai war sogar Göring mit Minister Kerrl am Grab und sah sich die Grabskulpturen an.[17] Wurde über die Pläne einer Gruftöffnung gesprochen? Es lag nahe, dass einer von ihnen mit Hitler über die Klaggesschen Pläne gesprochen hatte.  

Klagges, aus dem Schlaf geholt, improvisierte einen Besuch Hitlers im Dom an den Restaurationsarbeiten. Der schmalzige Bericht der „Landestante“ sprach davon, dass die Grabstätte „zu einem Nationalheiligtum des deutschen Volkes“ gestaltet werden sollte und zwar als eine Erleuchtung Hitlers. „Die Locke goldenen Haares der Herzogin Mechthilde leuchtete auf, als der Führer sie sinnend und in Betrachtung versunken in der Hand hielt und ein suchender Strahl die stumme Szene umspielte. Leicht angelehnt an die schmiedeeiserne Umrahmung ..steht der Führer; sein Blick umfasst das Kirchenschiff, gleitet hinab in die offene Gruft,  dann hebt der Führer das Haupt, sein Auge leuchtet auf und in knappen Worten zeichnet er auf, wie er sich die künftige Gestaltung denkt..die Grabstätte Heinrichs d. Löwen zu einem Nationalheiligtum des deutschen Volkes zu gestalten.“[18] In diesen Kitschbericht floss vielerlei zusammen: die enorme Popularität Hitlers, das vom Besuch geschmeichelte Braunschweig, der übertriebene, kleinbürgerliche Stolz Braunschweig, in seinem Mauern ein Nationalheiligtum zu beherbergen, die geschickte Regie Klagges’, Hitler als Initiator der Gruftneugestaltung erscheinen zu lassen. Die Gruft Heinrich d. Löwen sollte nicht nur eine historische weihevolle Gedenkstätte sein, sondern ein Ort der Besinnung zum Kampf gegen den Bolschewismus. Denn das verband nach der Landeszeitung 1935 noch Heinrich d. Löwen mit Adolf Hitler: der Kampf gegen den Bolschewismus. „Und doch schickte uns der Herrgott in Zeiten tiefster Not wieder einen Retter. Heinrich des Löwen Kampf galt der von Osten anflutenden Welle slawischer Zerstörung deutschen Wesens. Adolf Hitlers Kampf galt und gilt dem aus Osten drohenden bolschewistischen Vernichtungswillen“.[19]

Die Idee zu einer erheblichen Erweiterung der Grabungen hatte ohne Frage Klagges, er schob geschickt Hitler in den Vordergrund, um ihn für die Arbeiten zu gewinnen. In diesem Sinne informierte Klagges auch die Presse.[20]

Erst einen Monat später beauftragte Staatssekretär Lammers die Architekten Krüger, Berlin, einen Entwurf für eine würdige Neugestaltung der Gruft vorzulegen. Die Arbeiten wurden am 9. September wieder aufgenommen, der Sarkophag  im nördlichen Querschiff aufgestellt, die Kanzel ordnungsgemäß abgebaut und gelagert und eine 2 Meter tiefe Grube ausgehoben. Aber erst im Dezember lagen die Entwürfe vor und dann wurde über Finanzen geredet. Dazwischen konnten im Dom wieder Gottesdienste und Veranstaltungen stattfinden.

 

Der Kampf um die Bestimmung des Domes

Es war für das Landeskirchenamt eine Überraschung, als es aus der Zeitung von einer geplanten

HJ Feierstunde im Dom am 15. 10. 1935 las. Beim Landeskirchenamt oder im Dompfarramt war keine Veranstaltung angekündigt. Und die Schlüssel waren bereits in der Hand des Veranstalters. Drei Tage vor der Veranstaltung bat das Landeskirchenamt um das Programm der Feierstunde und zeigte sich nicht pikiert, eher gewitzt: „Wir freuen uns, dass die H.J. Führung den Wunsch hat, während ihrer Arbeitstagung auch eine Feierstunde vor Gottes Angesicht zu halten. Dass sie sich dafür den Dom Heinrich d. Löwen erwählen will, trifft auf unser volles Verständnis. Wir setzen als selbstverständlich voraus, dass diese Feierstunde die Bestimmung des Domes als einer ev.-luth. Kirche in jeder Form achtet und berücksichtigt.“[21] Das Landeskirchenamt machte gute Miene zum bösen Spiel, aber erinnerte in gewisser Vorahnung an die Bestimmung des Domes. Für das Ministerium antwortete telephonisch Ministerialrat Kiesel, dass das Staatsministerium der HJ die Erlaubnis erteilt habe, da es ja Eigentümer des Domes sei, aber die Belange der Domkirchengemeinde wolle das Staatsministerium nicht antasten.

Die Feierstunde am 15. Oktober 1935 wurde durch die die Kirche überraschende und von Ministerialrat Kiesel auch nicht erwähnte Anwesenheit des Reichjugendführers

Baldur von Schirach besonders aufgewertet. Da musste fraglich werden, ob die Annahme der Kirchenbehörde, es handle sich um „eine Feierstunde vor Gottes Angesicht“ noch zutreffend war. War der Reichsjugendführer nur Gast bei einer HJ Feierstunde, oder war mehr geplant? Es war sehr viel mehr geplant und dazu hätte die Landeskirche nicht ihr Einverständnis gegeben. Vor den Gebietsjungvolkführern und Obergauführerinnen des BDM setzte sich v. Schirach in einer Grundsatzrede von der konfessionellen Jugendarbeit ab, die gegen den Staat und die Partei gerichtet sei. „Dieser großen freiwilligen Armee der deutschen Jugend steht aber immer noch eine Schicht junger Menschen gegenüber, die sich entweder in konfessionellen Kampfbünden zusammengefunden haben, um gegen Staat und Bewegung anzugehen, oder die glauben, als Einzelgänger im Jahre 1935 so leben zu können wie die Jugend von 1920.“[22] Er hoffe auf die Stunde, wo der Führer der Hitlerjugend den Befehl gebe, die ganze deutsche Jugend in seinem Sinne zu erziehen.

Der Text des Schlussliedes „Herrgott, wir schauen gläubig auf“ hatte u.a. folgende bezeichnende Strophen:  „Herrgott, wir schauen gläubig auf, vertraun auf dich und unsre Waffen/ wir werden in dem Weltenlauf/ ein deutsches Volk erschaffen//  Das Schwert zerbrach/ wir nahmen Stahl/ und schmiedeten uns neue Wehre/ Es sollen in dem Sonnenstrahl/ erglänzen Schwert und Ehre//Wir bitten dich, o Herre Gott/ du gibst uns Kraft und gibst uns Willen/ Wir wollen aus der tiefsten Not/ das Freiheitssehnen stillen// Doch siegen wir, so wollen wir/ ein großes deutsches Volk erschaffen/ Und das, o Gott, geloben wir/ wir bau’n im Kleid der Waffen“.// [23] Die Mischung aus Religiösität und Kriegsgehabe mit Schwert, Stahl, Wehre, Waffen, schmieden und siegen mochte dem erlebnishungrigen Zwölf- bis Sechszehnjährigen weit entgekommen, sie hatte eine lange Tradition, aber sie schuf eine Mentalität, die sich im Kriegsfall selbstzerstörerisch gegen sie selber richtete und sie in einer Welt ohne Waffen und Sieg rat- und sinnlos machte. Die kümmerliche poetische Form sollte nicht über das Ausmaß von verfühererischer Faszination hinwegtäuschen.

Bei dieser Feierstunde teilte eine riesige HJ-Fahne vom Gewölbe herabhängend den Chor vom Mittelschiff und verdeckte das Triumphkreuz in der Vierung. Das Kruzifix sei mit einer Fahne absichtlich verdeckt worden, mutmaßte man in Kirchenkreisen. Der wegen Renovierungsarbeiten leergeräumte Altar sei nicht würdig hergerichtet worden. Solche Bilder gingen durch die Tagespresse.

Johnsen fühlte sich brüskiert. Bei einer derartig hochgradigen Parteiveranstaltung in ihrem eigenen Haus hätte die Kirchenbehörde mit einer Einladung rechnen müssen. Und die Stänkereien gegen die kirchlichen Jugendverbände waren an diesem Ort deplaziert und unanständig.  Johnsen befand sich bei einer Pröpstetagung in Seesen und teilte den Pröpsten unmissverständlich seine Meinung mit: „Hiermit fängt der Kirchenkampf bei uns an.“ Die Öffnung des Grabes sei im Dom ohne Fühlungsnahme mit dem Landeskirchenamt erfolgt. Beim Braunschweigischen Herzoghaus und dem englischen Königshaus sei die Erregung groß. Er stünde in einem ungeheuren Kampf gegen den Machtanspruch des Braunschweigischen Staates.[24] Wutentbrannt fuhren Bischof Johnsen und OKR Röpke umgehend am 17. Oktober nach Berlin und protestierten im Ministerium für die kirchlichen Angelegenheiten.[25] Sie suchten Verbündete. In einem zweiseitigen Schreiben vom 18. Oktober zeigte der Bischof dem Staatsministerium die Grenzen auf: das ausschließliche Recht der Kirche an der Domkirche sei durch die Widmung gewährleistet. Der Dom habe seit seiner Erbauung „nur als Gotteshaus gedient und kann auch künftighin dieser Bestimmung in keiner Weise entzogen werden.“[26] Nur die Kirche könne  über die Benutzung des Domes entscheiden. Die Schlüsselduplikate müssten nach Fertigstellung der Arbeiten zurückgegeben oder vernichtet werden. Der Bischof  befürchtete einen „ungeregelten Zustand“ und künftige „untragbare Schwierigkeiten. Vor allem aber sah der Bischof sein Grundsatzkonzept eines einvernehmlichen Miteinanders von lutherischer Kirche und nationalsozialistischem Staat vor Ort gefährdet. Daher sein heftiger Protest und die Vermittlung des Reichsministers für die kirchlichen Angelegenheiten, Hanns Kerrl.

Aber es war schon die nächste Provokation geplant. Die NS Frauenschaft beanspruchte am 2. November den Dom für eine weitere Feierstunde, die sogar vom Sender Hamburg übertragen werden sollte. Solche Verbindungen schufen Sachzwänge und die Veranstaltung lief erneut ohne Absprache mit der Landeskirche ab. Allerdings erhielt das Landeskirchenamt eine Einladung. Wie schon beim HJ Treffen war ein hochrangiger Besuch, diesmal der Reichsfrauenschafsführerin Scholtz-Klink, angesagt. Ihre provokante Rede hielt sie aber lieber zwei Tage später auf dem Schlossplatz (siehe Kapitel 11). Nun teilte der Bischof dem Staatsministerium mit, dass er am Bußtag im Dom zu predigen beabsichtige. Der Dom solle hergerichtet werden. Eißfeldt schrieb zurück, der Bischof müsse mit dem Dom vorlieb nehmen, so wie es die ruhenden Arbeiten zuliessen. 

 

Da die Umbauarbeiten stockten, wurde der Dom provisorisch für Gottesdienste wieder hergerichtet.[27] Der Bischof predigte  wie angekündigt das erste Mal am Bußtag 1935 wieder im Dom.

Auf Vermittlung  des Reichskirchenministers Kerrl, dem an einer gütlichen Einigung viel lag, kam es zu einem Treffen von Vertretern des Staatsministeriums und des Landeskirchenamtes, bei dem das Staatsministerium einen Vorschlag vorlegte, der darauf hinauslief, dem Staatsministerium das Verfügungsrecht über den Dom zu sichern. Der Vorschlag des Staatsministeriums hatte folgenden Wortlaut. „Das Landeskirchenamt als Rechtsvertreter der Domkirchengemeinde erkennt an, dass der Dom entsprechend seines Charakters als Grabkirche Heinrich d. Löwen und als nationale Weihestätte vom Staatsministerium zur Verfügung gestellt werden kann, die dieser Bedeutung entsprechen. Das Staatsministerium sichert zu,  dass es vor Erteilung der Genehmigung durch Rückfrage beim Landeskirchenamt feststellt, ob kirchliche Veranstaltungen der Domkirchengemeinde der beabsichtigten Feier nicht im Wege stehen.“[28] Dieser Vorschlag kehrte die bisherige Handhabe auf den Kopf. Das Landeskirchenamt lehnte den Vorschlag des Staatsministeriums als „unannehmbar“ rundweg ab und wollte an der bisherigen Praxis festhalten. Dazu legte es einen eigenen Vorschlag für ein gemeinsames Vorgehen vor, der mit dem Reichskirchenministerium nach zwei Verhandlungen am 11. November und 18. Dezember abgesprochen war. Er lautete: „Das  Braunschweigische Staatsministerium und das Landeskirchenamt in Wolfenbüttel sind darüber einig, dass der Dom zu Braunschweig als Grabkirche Heinrich d. Löwen im Einvernehmen mit dem Landeskirchenamt zu Veranstaltungen zu Verfügung gestellt werden kann, die dem Charakter einer nationalen Weihestunde entsprechen. – Das Staatsministerium sicherte zu, dass es vor Erteilung der Genehmigung durch Rückfrage beim Landeskirchenamt feststellt, ob die Benutzung des Domes für kirchliche  Veranstaltungen der beabsichtigten Feier nicht im Wege steht. Es sagt zu, dass es die auf Anfrage erfolgende Äußerungen des Landeskirchenamtes berücksichtigen wird, und übernimmt die Gewähr, dass solche Feiern den Dom in seiner Widmung als evangelisch lutherischer Kirche in jede Form achten und berücksichtigen.“[29] Die Festlegung des Domes als evangelisch-lutherische Kirche widersprach den veröffentlichten Absichten, an der Gruft ein antibolschewistisches Nationalheiligtum zu schaffen. Dabei war bedeutsam, dass dieser Vorschlag mit dem Reichskirchenministerium abgesprochen war. Sein Minister hieß Hanns Kerrl, der mit Hitler im Sommer im Dom geweilt hatte. Daher wundert es nicht, dass das Braunschweigische Staatsministerium auf diesen Vorschlag nicht weiter einging. Dieser Vorschlag ist ein interessantes Dokument als Antwort der Landeskirche auf den Hitlerbesuch.[30]

Klagges spürte den Widerstand des Landeskirchenamtes und ging nicht weiter auf diesen Vorschlag des Landeskirchenamtes ein. Stattdessen stellte er im Grotrian-Steinweg Saal in einer groß angelegten Informationsveranstaltung zusammen mit dem Landeskonservator und anhand von Lichtbildern den bisherigen Ablauf der Grabungsuntersuchungen vor.[31] Klagges hob dabei den von ihm anvisierten Bedeutungswandel Heinrich d. Löwen  als „Vorkämpfer deutschen Volkstums“, „Begründer deutschen Bauerntums, „Ausweiter des deutschen Lebensraumes“ hervor. „Damit ist erreicht, was wir, die wir die Öffnung der Gruft veranlasst haben, erreichen wollten“. 

Bei einem Gespräch mit Hitler am 11. Dezember 1935 wurden in Anwesenheit  der Architekten Krüger die Entwürfe für den Unterbau und Oberbau der Gruft ausgewählt.[32] Bei dieser Unterredung bekam Klagges die Zurückhaltung Hitlers zu spüren. „Zur Kostenfrage wiederholte der Führer seine Erklärung, dass er sich beteiligen wolle.“ Klagges bat daraufhin Hitler nach seinem eigenen Vermerk, „doch die Anlage als Ganzes Braunschweig zum Geschenk zu machen. Der Führer erklärte, er wolle sehen, ob das möglich sei und mit Staatssekretär Lammers besprechen, ob die Kosten auf zwei Etatjahre verteilt werden könnten“.[33] Ende Dezember teilte Staatssekretär Lammers Klagges mit,  Hitler sei „auf Vorschlag von Lammers grundsätzlich geneigt, die Kosten des Grabmals Heinrich d. Löwen auf Reichsmittel zu übernehmen.“[34] In den Antworten von Lammers fehlte die rechte Begeisterung. Als er anfragte, wann mit einem Ende der Arbeiten zu rechnen sei, nannte Klagges den Herbst 1936.[35]

 

Fortgesetzte Gottesdienste im Dom

Die Landeskirche blieb in der Zwischenzeit nicht untätig. Sie bekräftigte ihren Anspruch auf den Dom als evangelische Predigtstätte, richtete die Baustelle notdürftig her, und seit dem 1. Advent wurde im Dom nicht nur die nächsten Monate, sondern die nächsten zwei Jahre Predigtgottesdienste gehalten. Bischof Johnsen eröffnete die regelmäßige Wiederbenutzung des Domes für Gottesdienste mit einem Gottesdienst am 1. Advent 1935. Er predigte außerdem  am Heilig Abend, am 1. Weihnachtstag, dem Sonntag nach Weihnachten und zu Silvester im Dom, ganz außergewöhnlich viermal in einer Woche. Es war ein deutliches Signal an das Staatsministerium, als in den Kirchennachrichten zu lesen war: „Im Rahmen des Sonntagsgottesdienstes wurde am 5. Januar Lic. Dr. Strothmann durch Landesbischof Dr. Johnsen in feierlicher Weise als Domvikar eingeführt.“[36] In völliger Verkennung der kirchenpolitischen Lage protestierte der Braunschweiger Pfarrernotbund gegen die Besetzung der Dompfarrstelle mit Dr. Strothmann, sie bekräftigte den Anspruch auf den Dom für den früheren Dompfarrer Karl v. Schwartz. Aber das hätte Klagges nur einen Vorwand geliefert, die Dompfarrstelle ganz zu streichen. Strothmann war die rechte Hand des Bischofs und bat in seiner Predigt die Domgemeinde, „unter ihr das Werk eines Pfarrers und Pflegers tun zu dürfen mit dem Ziel, dass Gott den Menschen offenbar werde.“[37] Das klang nicht nach einer Übergangslösung. 

Klagges hatte in der Baubeschreibung, die er am 17. Januar 1936 der Reichskanzlei zuschickte, vorgeschlagen, das Mittelschiff in Zukunft vom Gottesdienst ganz freizuhalten, dafür blieben der Chor und die Taufkapelle reserviert. Erst Monate später informierte Klagges das Landeskirchenamt von dieser Absicht und nannte als neuen Termin für den Abschluss der Arbeiten nicht den Herbst 1936 sondern das Frühjahr 1937.[38] Der Hohe Chor war geräumig, durch die Chorwand vom Hauptschiff und den dortigen Arbeiten getrennt und hatte mit dem Siebenarmigen Leuchter einen besonderen Blickpunkt. Der Hohe Chor war  durch einem eigenen Eingang von der Straße zu erreichen. Die Domgottesdienste und der jeweilige Prediger waren in den Kirchennachrichten des Volksblattes annonciert. Die regelmäßigen Gottesdienste und die Besetzung der Dompfarrstelle waren sehr viel mehr als Protest und „Widerstand“. Sie setzten den Willen der Landeskirche auf die ursprüngliche Bestimmung des Domes durch, und zwar nicht mir Gewalt sondern mit dem gepredigten Wort.

Das Landeskirchenamt konnte damit rechnen, dass möglicherweise das Hauptschiff mit der neuen Gruft einen Domkomplex bildete und der Hohe Chor und die Taufkapelle einen zweiten, gottesdienstlich genutzten Domkomplex. Auf eine bizarre Weise entsprach diese Raumaufteilung dem Konzept eines geregelten Nebeneinanders von lutherischer Kirche und nationalsozialistischem Staat, das der Bischof und der Ministerpräsident auf je ihre Weise vertraten.[39]

Um dieses Konzept auch unter den veränderten Bedingungen am Braunschweiger Dom zu realisieren, führte Propst Leistikow am 8. August 1936 als Nachfolger Strothmanns einen neuen prominenten Domprediger ein, Johannes Schomerus, 33 Jahre alt. Die Regionalpresse berichtete „Der neue Domprediger Einführung im Hohen Chor des Domes“.[40] Schomerus lag ganz auf der kirchenpolitischen Linie von Bischof Johnsen, bekundete seine Sympathie für den nationalsozialistischen Staat und bestand auf einer gesicherten Position für die lutherische Kirche im „Dritten Reich“. Schomerus hatte in einer Abhandlung von 1935 den Nationalsozialismus als – so der Titel – „Das Ende des Säkularismus“ bezeichnet.[41] Es bildete sich rasch eine treue Personalgemeinde. Ins Dompfarramt lud Schomerus damals bekannte Dichter und Schriftsteller ein und schuf einen literarisches Mittelpunkt. Auch Taufen, Trauungen und Konfirmationen gingen unter diesen neuen Bedingungen am Dom weiter. Es fanden im Dom folgende Amtshandlungen statt. Am 5. April 1936 Konfirmation mit 12 Konfirmanden, am 21. März 1937 mit 19 Konfirmanden und am 27. März 1938 mit 44 Konfirmanden davon 15 Jugendliche aus dem Waisenhaus. Die Väter der Konfirmanden spiegeln etwas vom Gemeindezuschnitt wieder. 13 Väter waren Lehrer, sieben Kaufmann, einer Juwelier, Rechtsanwalt, Photograf, Kellner, Kriminalangestellter. Es wurde im Dom auch geheiratet: 1935: 16 Brautpaare, 1936: 21 Brautpaare, 1937: 13 Brautpaare und sogar 1938 zwei Brautpaare. Am 28. Juni 1938 und am 29. August 1938 fanden die letzten Trauungen statt.[42]

 

Widerstand mit Tönen

Auch Walrad Guericke, der Domorganist, behauptete seinen Platz während der laufenden Arbeiten, und zwar so konsequent, dass sich die Bauarbeiter durch das Orgelspiel mit allen Registern gestört fühlten. Klagges bat ihn, sein Orgelspiel auf die Zeit nach 16.30 zu verschieben.[43] Der Domorganist hatte noch eine bessere Idee. Er musizierte mit der Sing- und Spielgemeinschaft des Wolfenbüttler Oratorienvereins im Hohen Chor des Domes vom  3. Oktober 1936 an alle vierzehn Tage am Sonnabend Musikalische Vespern, in denen Musik und Ansprache abwechselten, meist am Abend, wenn die Arbeiten eingestellt waren.[44] Diese Vespergottesdienste waren überfüllt.[45] Sie können als ein Ausdruck der Selbstbehauptung der Domgemeinde und des Widerstandes mit friedlichen Mitteln gedeutet werden.

Beim 10. Vespergottesdienst am 20. Februar 1937 wurde die Bachkantate „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ für Soli, Chor und Orchester mit Originalinstrumenten aufgeführt. Die Ansprache hielt Domprediger Schomerus. Beim 11. Vespergottesdienst führte Guericke den 23. Psalm von Heinrich Schütz auf. Nach dem gemeinsam gesprochenen Vaterunser sangen alle mit Instrumenten „Verleih uns Frieden gnädiglich“. Die Ansprache hielt Pfarrer Henneberger. Bei den folgenden Vespern im April und Mai wurden Orgelmusik von Hans Friedrich Micheelsen, Solokantaten von Dietrich Buxtehude, von Michael Prätorius „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt“ und „Nun freut euch liebe Christengmein“ für Doppelchor, am 8. Mai das „Musikalische Opfer“ aufgeführt. Es sprachen  Domprediger Schomerus, Pfarrer Gennrich und v. Wernstorff von der Katharinenkirche und bei der letzten Vesper am 19. Juni 1937 der Landesbischof. Dabei wurde die Bachkantate „Schmücke dich, o liebe Seele“ aufgeführt. Wenige Tage vorher erhielt Guericke die Nachricht, dass die Chorschranke abgerissen würde, die den Hohen Chor bisher noch vom Hauptschiff trennte. Daher musste die letzte Vespermusik in den Kreuzgang der Brüdernkirche verlegt werden.

 

Völlige Umgestaltung des Domes

Inzwischen hatte der Architekturstab um Ministerpräsident Klagges eine weitergehende Idee, die am Anfang so noch nicht bestanden hatte. Dürkop verfasste für Klagges am 17.5.1937 eine weitergehende „Anregung zur Domrestaurierung“. Es würde „ in ganz Deutschland Beachtung finden, wenn der Gruftbau im Dom Heinrich d. Löwen immer mehr zu einer Generalbereinigung  des gesamten Inneren und damit zu einer denkmalpflegerischen Tat großen Ausmaßes führt“. Dürkop plädierte für eine Entfernung des Triumphkreuzes und der Altarwand. Es „übertönt die wichtigsten Kunstwerke  aus der Zeit Heinrich d. Löwen: den siebenarmigen Leuchter, den Altar und das Grabmal.“ Auch die Fürstenprieche sollte beseitigt werden. „Ganz verschwinden müssten auch die Malereien in der Hauptapsis, die durchaus neu und entsprechend schlecht sind.“ Die Gebrüder Krüger, die auch ein Exemplar erhielten, begrüßten die Anregungen von Dürkop in einem Schreiben an Klagges vom 29.5.1937.[46]

Das Gestühl des Domes sollte nicht wieder eingeräumt werden, vielmehr sollten sich die Renovierungsmaßnahmen nicht mehr auf die Grabstätte beschränken, sondern den ganzen Dom in die Arbeiten einbeziehen. Nun wurden die Wände von der historistischen Schablonenmalerei gereinigt und die mittelalterlichen und mittelaltertümlichen bischöflichen und heiligen Figuren wiederhergestellt. Auch die wuchtigen Epitaphe wurden in die Restaurationswerkstätten verbracht und gründlich gereinigt. Bei allen diesen Maßnahmen wurde die Kirchenleitung nicht gefragt.

Am Ende der Auseinandersetzung wurde der Dom seiner ursprünglichen Widmung zu ausschließlichen Gottesdiensten entzogen und das Grundstück des Domes im Grundbuch dem Staat übertragen. Das war nur möglich, weil der verbleibende Jurist Dr. Lambrecht im Sommer 1938 mit großer Wehmut seinen Dienst in der Landeskirche quittierte und seine Stelle mit Oberregierungsrat Hoffmeister besetzt wurde, der seine Stelle im Staatsministerium behielt, aber einen rigorosen antikirchlichen Kurs im Landeskirchenamt einführte. Er spaltete die Behörde in eine Finanzabteilung, die praktisch das ganze Landeskirchenamt unter seiner Führung besetzte und eine zweite Personalabteilung unter OKR Röpke und OKR Seebaß, die isoliert wurden. Hoffmeister willigte ohne Umstände bereits Ende 1938 – er war gerade ein halbes Jahr im Amt -  in die Überführung des Domes in Staatsbesitz ein. Auch das Reichskirchenministerium in Berlin stimmte im Frühjahr 1939 zu, und  der Streit mit dem Braunschweiger Staat war verloren. Die Braunschweiger Stadtpfarrer formulierten einmütig noch eine Protestresolution, gegen die als einziger Pfarrer Schlott stimmte.

Domprediger Schomerus verließ Braunschweig und wurde Seminardirektor in Wittenberg. Die Gemeindearbeit der Stadtkirchen wurde durch die drastischen Veränderungen am Dom nicht beeinträchtigt. Dafür standen ihnen genügende Räume zur Verfügung. Auch für Großveranstaltungen blieben der Stadtpfarrerschaft die Martinikirche, St. Andreas, St. Katharinen und die Brüdernkirche, in der viele hundert Gemeindemitglieder Platz hatten. Die Katharinenkirche und die Brüdernkirche profitierten sogar von der Veränderung, weil die Strassen, die bisher zur Domgemeinde gehörten, unter sie aufgeteilt wurden. [47]

Der Dom gehörte, so mochten sie sich sagen, sowieso mit seiner Sonderrolle nicht „richtig“ in den Kreis der Stadtkirchen. Die Besitzverhältnisse am Dom waren unklar geblieben, und diese juristische Ungeklärtheit hatte sich die Braunschweiger Regierung zu nutze gemacht. Die Veränderung des Domes konnte nicht als gezielte Maßnahme in einem „Kampf“ gegen die Kirche verstanden werden. Immerhin waren mit Zustimmung des Braunschweiger Staates an den Stadträndern vier neue Kirchen entstanden (Martin-Luther-Haus, Kapelle Rühme, Bugenhagenkirche, St. Georg). Eine fünfte war in der Lehndorfsiedlung in Planung[48].

 

Was am Dom geplant war, war keine „Gegenkirche“, keine Kulturhalle, auch keine nationalsozialistische Weihestätte. Dazu wurde zum „Beweis“ jahrzehntelang bis in die 90er Jahre die Wand gezeigt, mit der das Mittelschiff des Domes vom Hohen Chor getrennt wurde. Es wurde nicht gesagt, dass diese Wand ein Provisorium war, eine Art Staubwand. Es wurde nicht zitiert, dass der Staatsdomorganist 1942 schriftlich bat, den mächtigen Vorhang, der inzwischen die Staubwand ersetzt hatte, für ein Konzert zurückzuziehen. Es gab in der Braunschweiger Landeszeitung Fotos von Veranstaltungen, auf denen der Blick von der Orgelempore bis zu den Fenstern im Hohen Chor ganz frei war.[49] Es wäre vom Architektenstab nicht verständlich gewesen, auch die Malereien im Hohen Chor zu restaurieren, und moderne Fenster in den Hohen Chor einzusetzen, aber diesen Teil des Domes nicht in eine sichtbare Gesamtkonzeption einzubeziehen.

Es wurden bei den meisten Nachkriegsuntersuchungen weitere typische Inventarien des Staatsdoms übergangen. Zu einer nationalsozialistischen Weihestätte passte natürlich nicht das Imervard Kreuz. Also blieb im öffentlichen Gedächtnis, dass das Imervard Kreuz aus dem Staatsdom entfernt worden sei. Das war falsch. Es war in einem Seitenschiff auffällig im Zusammenhang mit der Herzogtumba aufgestellt.[50] Auch die mittelalterlichen Malereien fanden eine stiefmütterliche Behandlung. Sie passten nicht in das vorgefasste Urteil einer nationalsozialistischen Weihestätte.

Es war ein „Staatsdom“. Das war die offiziöse Bezeichnung, und sie traf auch die Absichten des Ministerpräsidenten Klagges. Der Dom entsprach seiner religiösen Auffassung, der sich Zeit seines Lebens als Anhänger der Deutschkirche verstanden hatte. Das war ein Gemisch von nordischen, biblischen, antisemitischen Versatzstücken. Die romanische Architekturstruktur des Domes wurde als „nordisch“ verstanden, die verbleibenden mittelalterlichen Malereien als christlich, das gedämpfte Licht mit den abstrakten, modernen Fenstern im Hohen Chor gaben dem Staatsdom eine andächtige Atmosphäre, die besonders bei den nunmehr veranstalteten exzellenten Dommusiken durchaus genossen wurde.

Mit diesem Staatsdom hatte sich Klagges innerhalb der nationalsozialistischen Eliten als Sonderling erwiesen. Keine nationalsozialistische Prominenz hat den Dom in seinem fertigen Zustand als Staatsdom je betreten, Hitler nicht, Göring, Goebbels, Bormann, Himmler auch nicht. Himmler hatte in Quedlinburg ebenfalls das Kirchengebäude dem Gottesdienst entzogen, damit enden aber schon die Vergleiche. Himmler wollte den Dom zu einer düsteren, todesträchtigen SS-Stätte umgestalten, gerade das wollte Klagges nicht.

In einem längeren Zeitraum wurde an den inneren oberen Seitenwänden des Hauptschiffes Sgraffitis von Heinrich Wilhelm Dohme mit Illustrationen der expansionistischen Ostpolitik des Herzogs Heinrich d. Löwen aufgetragen. Die Sgrafittis wurden gerne als „typisch Nazi“ beschrieben. Sie wurden auf Befehl eines englischen Leutnants 1945 oder 1946 übermalt. Dazu schreibt van Dyke: „Formal handelt es sich jedoch keineswegs um eine ausschließlich nationalsozialistische Ästhetik, vielmehr um eine Technik, die seit etwa Mitte der 20Jahre in bürgerlich kulturkonservativen und Heimatschutz orientierten Kreisen  propagiert worden ist.“[51] Die Arbeiten Dohmes verglich er  mit denen von Bernhard Winter und Wilhelm Petersen. In den 90er Jahren wurde Wilhelm Dohme mit Picasso verglichen und ein Zusammenhang mit Sgraffitimalereien in anderen Kirchen angestellt, womöglich also eine vorschnelle Entscheidung der Besatzer?

 

Hitler allerdings hatte sein Interesse am Dom verloren. Staatssekretär Lammers hatte schon am 15.1.1938 wissen lassen, „dass der Führer zu verstehen gegeben habe, dass weitere Mittel nicht zu erwarten sind.“ [52] In den Akten der Reichskanzlei befindet sich folgender Vorgang. Am 7. September 1938 kam die Mappe mit den Sgraffitientwürfen von Willi Dohme auf dem Obersalzberg bei Hitler an. Dohme hatte bereits zwei Darstellungen im Sommer 1938 fertiggestellt. Die Architekten Krüger wurden nervös und fragten bei Staatssekretär Lammers an, wie die Entscheidung des „Führers“ aussähe. Ende November bekamen sie Bescheid, Hitler wäre die Mappe noch gar nicht vorgelegt worden. van Dyke/ Fuhrmeister schreiben, dass Klagges im Frühjahr 1939, ohne eine Entscheidung Hitlers weiter abzuwarten, die Arbeiten wieder aufnehmen ließ.[53] Ist die berühmte „nationalsozialistische Weihestätte“ also bereits 1939 auf anhaltendes Desinteresse Hitlers gestoßen? Der Staatdom und die unterschiedliche Interessenlage der nationalsozialistischen Eliten wäre ein reizvolles, noch nicht gründlich behandeltes Nebenthema.

Dem Umbau des Architektenstabes von Klagges kamen zwei zeitgemäße Umstände zu gute. Besonders nach dem 1. Weltkrieg hatte sich ein Stil nüchterner Sachlichkeit durchgesetzt, dem der Historismus zuwider war. So schrieb der pensionierte Regierungsbaumeister R.A Brandes in „Kirche und Kunst“ 1934 unter der Überschrift "Die kulturelle Erneuerung und die protestantische Kirche": „Wenn nicht alle Zeichen täuschen, stehen wir jetzt an der Schwelle einer Baugesinnung, die, gereinigt von dem Pathos vergangener Epochen, über den Weg einer selbstverständlichen, anspruchslosen Sachlichkeit zu einer Einfachheit und Klarheit im Raumgefühl und in der Formsprache führt. Eine Baugesinnung, die den Geist eines volkshaft-gebundenen, seelischen Reichtums und herzlicher Innigkeit atmet."

Eine andere Linie aus einer völlig anderen Richtung kam der sog. „Purifizierung“ – das war inzwischen ein Kampfbegriff geworden – weit entgegen. Die liturgische Bewegung der 20er Jahre fand zunehmend auch Anwendung auf die Architektur. So schrieb der Altmeister der liturgischen Bewegung, Karl Bernhard Ritter, 1938 im Heft vier der Fachzeitschrift „Kunst und Kirche“

"Ein dringliche Aufgabe bei vielen gottesdienstlichen Räumen ist auch heute noch ihre Ausräumung von allem Kitsch, der sich im Laufe der hinter uns liegenden Jahrzehnte angesammelt hat. Da gibt es Öldrucke, Gipsbüsten, unerträgliche Glasfenster, die ausschließlich Zeugnisse für die Unfähigkeit der Verfertiger ablegen, Wände mit öder Schablonenmalerei. Besser ein sauberer, leerer Raum in schlichten Farben getönt ohne allen Schmuck als ein Raum, in dem jedes empfängliche Gemüt bedrückt wird durch eine unechte eitle Dekoration. Oft kann erst nach einer solchen gründlichen Reinigung daran gedacht werden, nun langsam ein wesentliches Stück nach dem andern in den Raum einzufügen."

Unnötig zu sagen, dass K.B. Ritter nicht als Urheber des Veränderung des Domes zum Staatsdom in Anspruch genommen werden kann, aber die Umgestaltung der Jahre 1936 ff entsprach Prinzipien der liturgischen Bewegung, und K.B. Ritters Äußerung erklärt, warum der Dom in seiner heutigen Gestalt nicht unwesentliche Züge des Umgestaltung aus der Zeit von 1936-1940 trägt und akzeptiert wird.

 

Das Bildprogramm des Staatsdomes [54]

Ein lange vernachlässigter Bereich bei der Erforschung des Domes zur nationalsozialistischen Zeit ist das Bildprogramm, wie es sich an den Säulen im Mittelschiff darbietet. Noch 2008 wurde angezweifelt, ob diese Bilder überhaupt im Zuge des damaligen Domumbaus restauriert worden sind. Darüber hatten indes Prof. Curdt und Dr. Dürkop im Februar 1938 die Öffentlichkeit unterrichtet. Die Braunschweiger Tageszeitung berichtete unter der Überschrift: „Neue Bildschönheit im Braunschweiger Dom. Aus Dunkel und Stumpfheit wird Licht und Reinheit – Arbeiten an Pfeilern im Mittelschiff bald vollendet“. Das war nicht nur Propaganda-Sicht, sondern durch die historistische Schablonenmalerei waren die mittelalterlichen Figuren tatsächlich vollständig zugedeckt und wurden nun  freigelegt, so wie sie heute noch zu sehen sind. Der Zeitungsbericht nannte 23 große Figuren an den Pfeilern. „Immer mehr wird das Mittelschiff so wieder in den ursprünglichen Zustand köstlicher Schlichtheit, Reinheit und Klarheit zurückversetzt, immer mehr gewinnen die alten Figuren wieder neues Leben,“ endete der Bericht.[55]

 

Schon beim Betreten den Domes vom Burgplatz aus wurde der Besucher von hohen, farbigen Wandmalereien begrüßt: rechts an der Säule, die noch zur Wand gehört, ein bekanntes Motiv: der Engel Gabriel kündigt Maria die Geburt eines Sohnes an. Das Bild befindet sich in Augenhöhe des Besuchers. Es war bisher unter vielem Rankenwerk verborgen und leuchtete jetzt dem Betrachter entgegen.

Auf der ostwärts zum Hochchor gerichteten Seite derselben Säule tritt ein segnender Lockenkopf mit dem linken Fuß auf den kahlen Kopf eines Mannes und der andere Fuß versinkt unsichtbar. Watet er im Wasser, worauf der blaue Streifen hindeuten könnte? Er sieht nicht den Betrachter an, sondern nach rechts in das Kirchenschiff. Segnen und siegen ist die Botschaft des Bildes.

Gegenüber zur Innenseite, also zur Orgel hin, befindet sich ein weiteres Motiv. Es stellt Christus dar; er ist „niedergefahren zur Hölle“. Dort begegnet er den noch unerlösten Seelen, auf dem Bilde fünf  Gestalten. Ganz unten rechts ein Höllenhund mit aufgesperrtem Maul. Jesus fasst mit der Rechten die linke Hand eines halbbekleideten Mannes, der einen Heiligenschein trägt und Jesus anfasst, als solle der ihn herausziehen. Dieses Motiv kommt noch einmal im südlichen Kreuzarm vor. Es zeigt Jesus und Adam. Von den vier anderen Gestalten sind nur die Köpfe zu sehen, zwei Paare. Diese fünf kommen aus einem Tor mit einem braunrötlichen Hintergrund. Jesus selber kommt auch durch ein Tor, dessen Hintergrund jedoch blau leuchtet. Die Welt Jesu ist blau, grün, rot umrandet. Es gibt nichts Verwerfliches, das nicht auch erlöst werden könnte, lautet die Botschaft des Bildes.

Diese Säule enthält weitere Darstellungen. Ein verhältnismäßig großer Heiliger, grün, rot, gold umwandet, tritt auffällig auf den Rücken und den Kopf eines unter ihm liegenden Fabelwesen. Es hebt noch den Kopf. Das Böse ist noch nicht besiegt. Der Heilige hebt den rechten Zeigefinger, mahnend zur Wachsamkeit gegenüber dem Bösen.  In der linken Hand hält er ein Spruchband, das nach oben flattert, und einmal einen Text enthalten hatte. Die Malerei reicht bis  in die Wölbung der Säule.

Oberhalb in der Bogenspitze schwebt ein Engel, der ein Instrument in der Hand hat. Wenn der Besucher am Eingang den Blick hebt, sieht er auf diesen Engel. Es wäre sein  erster Eindruck.

Wenn er zum Eingang zurücksieht, erblickt er eine Inschrift: „Der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler ließ die Gruft Heinrich d. Löwen erbauen und den Dom erneuern i.d.J. (in den Jahren) 1936-1938“.  Die Inschrift suggerierte die Übereinstimmung Hitlers mit dem Domumbau. Der Besucher konnte also den Eindruck haben, dass der Staatsdom, wie er sich ihm präsentiert, den Absichten Hitlers entsprach.

Zwischen diesen beiden Säulen mit sechs Wandmalereien betreten die Besucher den Staatsdom von 1942. Die Malereien stimmen ihn nicht auf nationalsozialistische Symbole und Parolen ein, sondern entführen ihn in eine andere Welt. Sein Blick in Augenhöhe fällt auf eine Reihe weiterer Wandmalereien auf der Südseite des Mittelschiffes. Da sind Bischöfe abgebildet mit Mitra, Stab, Ring und Buch. Bei einer Gestalt hatte Essenwein den Namen hinzugefügt Ludgerus. Das war ein damals bekannter Abt eines Benediktinerklosters, der das Ludgerikloster in Helmstedt gegründet hatte. Ludgerus steht in roten Schuhen auf felsigem Boden, er trägt eine Mitra und einen Bischofsstab und segnet mit der rechten Hand den Betrachter.

Bischof Ludger hat Gesellschaft auf den drei anderen Seiten dieser Säule. Der prominenteste mit Blick auf das Seitenschiff ist der Apostel Paulus in rot, grünem Gewand, auf blauem Hintergrund, was wohl den Himmel darstellen soll, barfuss, mit einem Buch in beiden Händen. Er tritt mit beiden Füßen auf eine menschliche Gestalt, die eine Krone trägt. Wir würden ihn kaum als Paulus erkennen, wenn sein Name nicht über die Figur gesetzt wäre.

Dem Ludger gegenüber auf der nördlichen Seite des Mittelschiffes steht ein bärtiger Heiliger mit Heiligenschein auf felsigem Boden, der in der rechten Hand eine Schriftrolle hält, die nach unten gerollt und leer ist, über der Schulter trägt er mit der Linken einen Stock, an dessen Ende etwas Rotes hängt. Er trägt ein violettes Gewand, die Ärmel des grünes Obergewand sind zurückgerollt und gibt ein rotes Unterhemd frei. Er trägt Schuhe. Er segnet nicht, er warnt nicht. Im Gegensatz zu den bisherigen Gestalten wirkt er schlicht. Die Botschaft für den Staatsdombesucher von 1942 lautete: Das Leben ist Wandern und Arbeiten, Bewegung und Beschäftigung. Vielleicht stelle er auch einen Pilger in der Wüste dar.

Auf der anderen Seite hält eine barfüßige Gestalt auf grünem, (waldigen) Untergrund in der linken Hand ein Tier und segnet mit der anderen Hand auch ein Tier. Es ist der heilige Blasius. An dieser Stelle kann im Mittelalter ein Blasiusaltar gestanden haben, an dem Gebete für die Verstorbenen und Seelenmessen für ihr Heil zelebriert wurden. Der Dom ist dem Heiligen Blasius geweiht.

Es lohnt sich noch heute, die inzwischen erneut restaurierten Bilder anzusehen und durchzupredigen.

 

Wo befinden wir uns? In einer nationalsozialistischen  Weihestätte? In einem Staatsdom?

Umgeben von segnenden Heiligen und Bischöfen, von Christus, der segnet, warnt und die Verdammten aus der Hölle holt. Von Menschen, die das Böse besiegen. Denen immer und immer wieder das Buch entgegengehalten wird. Sind wir in einem Museum, in dem der Respekt der Domrestauratoren vor der mittelalterlichen Kunst diese 23 Wandmalereien erhalten und ergänzt hat?

Welchen Sinn hatten die Wandmalereien ursprünglich? Als der Dom eine prominente Grabstätte war, bewachten die Heiligen die Gebeine der Verstorbenen, Bischöfe hielten Totenmessen für das Seelenheil der Verstorbenen, Märtyrer zeigten den Weg in die bessere Zukunft in einer himmlischen Welt. Dann wurde der Dom Gemeindekirche, aber die Gemälde blieben, obwohl sie ihren ursprünglichen Sinn verloren hatten. Die Reformation hatten in einem Akt der Kulturbarbarei die zahlreichen Altäre beseitigt. Spätere Zeiten haben dann auch die Malereien übertüncht. Erst im vorigen Jahrhundert wurden sie wieder hervorgeholt und restauriert, was noch zu restaurieren war.

 

 Was ist an diesen Wandmalereien im Mittelschiff nun wirklich alt und stammt aus dem Mittelalter?

Dazu schrieb der Direktor des Germanischen Museums in Nürnberg Essewein in seiner Abhandlung

„Die Wandgemälde im Dom zu Braunschweig“: „An den Pfeilern des Langhauses sind einzelne heilige Figuren gemalt. Auch sie sind im Sinne der Darstellung aller Heiligen durch dieselben hier angebracht. Es lässt sich deren Identität nur zum Theile feststellen, weil die Sprüche der Spruchbänder meist nicht mehr erhalten sind. Für ihre Auswahl mag wohl maßgebend gewesen sein, welche Altäre in ihrer Nähe standen; es mögen die Namenpatrone hervorragender Persönlichkeiten gewählt worden sein. Auf Wunsch des Herrn Abt Thiele habe ich, da die Auswahl deshalb jetzt auch frei stand, an zwei Stellen, wo von den ursprünglichen Figuren nichts mehr zu sehen war, die Heiligen Ludgerus und Ansgarius dargestellt“.[56]

Vor dieser Situation standen die Domumbauer 1936. Am 17.12. 1936 verfasste Johannes Dürkop, der junge Direktor des Vaterländischen Museums, das in der Ägidienkirche untergebracht war, für Prof. Herzig ein Gutachten, in dem es u. a. heißt: „Die jetzigen Wandmalereien im Mittelschiff des Braunschweiger Domes haben an sich keinen künstlerischen Wert, da sie aus einer Zeit entstammen, die des eigenen Ausdrucks in der Monumentalmalerei durchaus entbehrte. Ein kunsthistorischer Wert ist ihnen nur insofern einzuräumen, als sie nachweislich auf romanische Wandmalerei aus der Erbauungszeit des Domes zurückgehen..“ [57]

Dürkop kam zu folgender Empfehlung: „Freilich sind diese Malereien nirgends im Original, sondern nur in der vergröbernden und entstellten Übermalung und Ergänzung des 19. Jahrhunderts erhalten. Da wir aber nichts anderes haben, müssen auch diese Übermalungen als wichtige Dokumente romanischer Kunst angesehen werden.“

Von den Wandmalereien war also sehr wenig im originalen Zustand erhalten. Das hätte für Ministerpräsident Klagges ein vorzüglicher Vorwand sein können, das Mittelschiff des Dominneren völlig weiß zu streichen und alle christlichen, biblischen Symbole zu entfernen. Es stellt sich die wichtige Frage, warum er diese kunsthistorisch fragwürdige Restauration im mittelalterlichen Stil vornahm. Es hätte seiner deutsch-kirchlichen Gesinnung widersprochen, eine pure nationalsozialistische Weihestätte zu schaffen, es sollte ein Raum mit völkischer und christlicher Symbolik, also nicht Hakenkreuz pur, sondern Hakenkreuz und Christenkreuz nebeneinander entstehen. Dass Verhältnis zwischen Christentum und Nationalsozialismus müsse nicht künstlich konstruiert werden,  erklärte er, sondern es bestehe sozusagen von Natur aus. Beide seien strukturell eng benachbart.

 

Die Epitaphien

Am 26. September 1938 schrieb Dürkop an Klagges: „Auch sind nunmehr die sämtlichen Grabtafeln aus der Barockzeit an den Wänden des Seitenschiffes aufgehängt. Sie haben z.T. durch die bessere Beleuchtung erstaunlich gewonnen.“ (QUELLE!!) Die Mehrzahl der Epitaphien enthält ausgesprochen christliche Symbolik, gut dokumentiert bei Harmen Thies „Der Dom Heinrichs des Löwen in Braunschweig“ 1994, etwa das des Dekans Valerius Moeller und seiner Frau Margarethe mit Kreuz und Auferstehung im Mittelpunkt.[58] Wer es sich näher betrachtete, konnte den Leidensstationen Jesu (Folter, Verspottung, ans Kreuz nageln) nachgehen. Es konnte zum Andachtsbild werden. Es war zur Zeit des Staatdoms prominent dort aufgehängt, wo heute das Imervardkreuz zu sehen ist. Heute hängt es rechts vom Eingang. Das Epitaph von Elisabeth v.d. Schulenburg, das die Verstorbene mit ihrem Mann im Gebet vor einem Kreuz zeigt, war auf der anderen Stirnseite angebracht. Es gab aber auch Epitaphien, wie das vom Propst von Wendhausen, das auf christliche Symbolik völlig verzichtete, also der säkularisierten Selbstdarstellung des Verstorbenen diente, geradezu eine Parallele zur „Säkularisierung“ des Domes von 1938. 

 

Aulers Dommusik

Ein wesentliches Manko der Auseinandersetzung mit dem Domumbau ist, dass vor allem die Architektur im Vordergrund steht. Erstmals bezogen van Dyke/ Fuhrmeister auch die Lichtverhältnisse und sogar ansatzweise die Musik in ihre Betrachtung ein. Aber gerade die Musik war ein wesentlicher Bestandteil der neuen Konzeption.  Im Staatsdom, wie die Bezeichnung seit 1940 amtlich hieß, war die Orgel gründlich überholt worden und ein namhafter Organist und Barockkenner, Wolfgang Auler, 1941 angestellt worden.

Wolfgang Auler (1904-1986) stammte aus Westfalen, in Dortmund geboren, studierte er in Frankfurt und Leipzig Kirchenmusik, war nach eigenen Angaben 1925-27 Kantor an der ev. Kirche in Gottesberg, Schlesien, 1927-30 Organist und Chorleiter in der Kapernaumkirche in Berlin und 1930-36 an St. Jakobi in Berlin. Auler spezialisierte sich auf historische Tasteninstrumente und wurde mit der Aufsicht über die historischen Tasteninstrumente in den Schlössern von Berlin und Potsdam beauftragt.  1936 begeisterte er durch exzellente Orgelkonzerte aus Anlass der Olympischen Spiele. 1936 – 1939 wurde er Dozent an der Hochschule für Lehrerbildung in Hirschberg, Schlesien, was eher als Rückschritt gegenüber der Tätigkeit in Berlin wirkt. 1939 - 1941 war er Hauptfachleiter am Bruckner-Konservatorium in Linz und kam von dort an den Staatsdom, was er in seinem Lebenslauf nach 1945 verschwieg.[59] Auler hatte mit dem Thomanerchor in Braunschweig gastiert und bei dieser Gelegenheit Johannes  Dürkop kennengelernt. Zwischen beiden entwickelte sich ein freundschaftlicher Briefwechsel, der schließlich zur Anstellung führte.[60]

 

Aufbau eines Domchores

Auler veranstaltete im Staatsdom ab 1942 kein ausschließlich nazitypisches, parteiisches Musikprogramm sondern auch ein erlesenes Barockprogramm: am 8. Februar wurden  zusammen mit dem Kammerorchester der Braunschweiger Staatsmusikschule die Konzerte g-moll und d- moll von Händel für Orgel und Orchester aufgeführt und vom Domchor Lieder von Hassler, Prätorius, Gastoldi, Hugo Diestler („Bauernlieder“). Präludium und Fuge von Buxtehude beendeten das Konzert. Der Dom war „bis auf den letzten Platz gefüllt“.[61] Am 5. April 1942 dirigierte Dr. Bittrich, der Direktor der Staatsmusikschule, einen „Konzertchor der Braunschweiger Hitlerjugend“ bestehend aus 200 Hitlerjungen und – mädel. Er hatte mit ihnen das Oratorium von Händel „Herakles“ einstudiert; ein Monumentalwerk mit sechs Solisten und der Kapelle des Staatstheaters, am Cembalo Wolfgang Auler, an der Orgel Hilde Pfeifer.[62]  Am 21. April 1942 führte Wolfgang Auler das „Musikalische Opfer“ von J.S. Bach in der Orchesterfassung mit Flöte, Violine, Generalbass und Cembalo auf. Auler hatte in einer Besprechung am 16.4.1942 in der Braunschweiger Landeszeitung ausführlich auf dieses Konzert hingewiesen.

Die Lokalpresse berichtete begeistert von den Staatsdommusiken, so von einem Konzert im Mai 1942: „Eine andächtige Zuhörerschar ließ sich gestern von dem klingenden Zauber einer musikalischen Abendstunde im Staatsdom völlig einspinnen“. Die Vortragsfolge „war in harmonischer Einheitlichkeit auf einen Ton stiller Versonnenheit abgestimmt, ein Ton, der sich innig jener leichten Wehmut vermählt, die unser Herz befällt, wenn in den Tagen des jungen Frühlings der erste weiße Blütenregen von den Obstbäumen zur Erde rieselt und an die Vergänglichkeit alles Schönen erinnert.“  Es gab Orgelwerke von Reger (Präludium und Fuge fis-moll), Cesar Franck, Rilkelieder von Marx, von der Sopranistin Käte Hecke-Isensee „in den zartesten Pastelltönen gesungen“,  sowie Lieder für Sopran von Walter Courvoisier: „Ihre objektive Art, die nicht kühler, sondern gebändigter Gefühlsausdruck bedeutet, hatte in der stillen Feierlichkeit des Domes den mitschwingenden räumlichen Hintergrund“. Auler musizierte auch Modernes: eine Orgeltoccata  in d-moll von Is. Stögbauer und eine Sonate für Orgel und Oboe op 38 von Hanns Schindler mit dem Oboisten Tschernig[63]. Es ist auffällig, wie die Musik den Staatsdom geradezu „entnazifizert“. 

In der BTZ vom 20.5.1942 hieß es vom selben Konzert:. „Die du still gegangen kommst, o kühle Nacht“. In weitem Bogen zog die Melodie durch den ehrwürdigen Raum, innig beseelt durch den musterhaften Vortrag von Käthe Hecke-Isensee, sodaß jede Weise auf dem Goldgrund des Orgelklangs die Herzen berührte. Wie von lieber Hand wichen Alltagssorgen vor dem Empfindungsgehalt der Lieder“.

Bei einem Konzert der deutsch-italienischen Gesellschaft am 17. Juni 1942 spielte Auler Orgelwerke von Bach und Frescobaldi, Käte Hecke-Isensee sang Sopranarien von Pergolesi und Cardera und Händel, zusammen mit Heinrich Cramm Bach- und Händelarien. Ein Staatsorchester spielte Torelli und Ariosti. „Das Torelli Konzert beglückte durch ebenso feinschattige Konturen und Farben wie das von Ariosti“. Am Cembalo Auler, Hans Geis auf der Viola d’ amore.[64]

Am Sonntag dem 11. Oktober 1942 (Sonntag) war ein weiteres Domkonzert mit einer Sonata und Fuge in F dur von Bach, Gunthild Weber aus Berlin sang Sopranarien von Bach und Händel,  „Wie anders dagegen die Arien von Max Reger. Hier entströmten den Saiten die himmlische Melodie einer gläubigen Seele“.[65]  In der Besprechung der BLZ vom 13.10.42 hieß es:„..und dann brauste die Orgel auf, gespielt von Wolfgang Auler, einem Meister, der ihr Klänge voll Schönheit und Kraft abringt.“[66]

 

Es gab neben diesen rein musikalischen Veranstaltungen auch  politische, bei denen Auler mitwirkte.

Am Heldengedenktag (15.3.1942) vereinten sich Klagges, Vertreter der Stadt und Partei und Gauinspektor Beier im Staatsdom. Staatsrat Ziegeler sprach von der „frohen Botschaft der erdnahen Unsterblichkeit“. Die Toten seien nicht tot und nicht bei den Göttern, sondern sie marschierten mit. Der Domchor sang Passagen aus dem „Herkules“ von Händel von den Stufen des Hohen Chores. „Dem Freiheitsgründer weiht ewigen Dank, vor ihm entschwand der Willkür Eigenmacht.“ Zum Eingang die Ouverture vom Herakles. Angekündigt war die Veranstaltung als Morgenfeier der HJ und SS Junkerschule.[67]  Aber Auler versuchte auch, die staatlichen Anlässe musikalisch aufzuwerten. Am 23. März 1942 fand im Staatsdom der Schulabschluss von über 1000 Jungen und Mädchen, verbunden mit einer Verpflichtung auf Hitler, statt. Am Vorabend hatte Auler Eltern und Jugendliche zu einer musikalischen Stunde eingeladen. Auler bot ein Orgelkonzert mit Werken von Bach, Chorlieder von Distler und alten Meistern, Baßarien von Händel und Krüger und den „hymnischen Ausklang“ mit Heinrich Spittas Orgelstück über „Nichts kann uns rauben Liebe und Glaube zu unserm Land“. Der Musikrezensent befand: „eine beglückende Feierstunde“.[68] Die Jugendlichen werden vermutlich anderer Ansicht gewesen sein, denn die schmissigen HJ-Lieder fehlten. [69]

 

Auler geriet mit seiner Arbeit zunehmend auch in Konkurrenz mit anderen Chören. Er beschwerte sich, dass Willi Sonnen mit seinem Sing-Akademiechor im Herbst 1943 drei Oratorien im Programm habe – zuviel der Oratorien für die Stadt Braunschweig. Er möge sich einschränken.[70] Die Einschränkungen besorgte schließlich der zunehmend bedrohliche Krieg. Aber von allen total zerstörten Innenstadtkirchen blieb der Dom vergleichsweise so weit stehen, dass nach kräftigen Aufräumarbeiten schon im Sommer 1945 dort wieder Gottesdienste geplant wurden.

 

Auler bemühte sich, seine Stellung am Dom zu halten, wurde aber Organist im benachbarten Hondelage und Wendhausen, und blieb dort bis 1948. Seit 1949 wurde er Leiter des Institutes für evangelische Kirchenmusik an der Staatlichen Musikhochschule in Köln, seit 1949 Organist an der Antoniterkirche in Köln und bis 1951 Lehrer an der Kirchenmusikschule in Kaiserswerth. Danach war er 16 Jahre lang bis 1969 Kirchenmusiker in Witten. 1961 wurde er zum Kirchenmusikdirektor ernannt. Er hatte einmal versucht, am Dom ein Orgelkonzert zu geben, was ihm aber vom damaligen  Domorganisten Herbst verweigert wurde.

 

Kein kirchliches Gebäude der Stadt geriet in den folgenden Jahrzehnten derart in den Streit der Meinungen wie der Braunschweiger Dom. Der Streit bezog sich auf die Berechtigung der Beseitigung der historistischen Malereien Quensens, auf die Tatsache der Ausräumung des romanisierenden Inventars, auf die Bewertung der Graffitis in den Obergaden und die Bezeichnung als „nationalsozialistische Weihestätte“. Die Auseinandersetzung hält bis heute an.



 



[1] Material zur Ausstellung 188  - 195;

[2] BTZ 3.5.1933 Dazu Roloff Bürgertum 165: „Es bedarf fast keiner Wort, zu sagen, dass Schlott diese Worte auf das deutsche Volk anwandte und dass „die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“, nicht nur der Lobpreisung Christi, sondern auch Hitlers bedeutete. „Deutsch, das heißt Gottes Sohn sein.“

[3] BNN 6. Juli 1933

[4] BLZ 5.7.1933, siehe auch die schauderhafte Predigt von Schlott nach dem Parteitag in Nürnberg  BV 1933 S. 154.

[5] Brief v. Schwartz an Minister Schöffel, Berlin vom 17.10.1933 in EZA 1/1457

[6] So Tim Lorenzen „Ideologische Usurpation Die nationalsozialistische Umgestaltung der Stiftskirchen zu Braunschweig und Quedlinburg als Zeichenhandlung Wolfenbüttel 2005.  S.54: „Angesichts so offener Lügen und der kriminellen Verdrängung aus ihren Gotteshäusern bleibt unklar: warum der wirklich evangelische Widerstand in beiden Fällen ausgeblieben ist“. S. 23 „Bischof Johnsen legte nun Protest ein“, und zwar nach dem Dezember 1938; Lorenzen begründet auch, warum dieser Protest seiner Meinung nach so spät erfolgte. Johnsen war nämlich „nationalsozialistisch gesinnt“. (S. 23). Mit diesem irreführenden Bischofsbild fällt Lorenzen in das der 50er und 60er Jahre zurück, das in der Landeskirche interessengeleitet verbreitet worden war und monografisch und überblicksartig zurechtgerückt worden ist. Diese auch in mancher anderen Sicht überholte Arbeit ist in die „Quellen und Beiträge zur Geschichte der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig Heft 15 redaktionell betreut aufgenommen worden.

[7] BTZ 18.1.1935

[8] Entwurf eines Briefes von Oberforstmeister Dr. Eißfeldt vom 18. Juni 1935 an Landesbischof Dr. Johnsen in NdsStWf 12 A 13 m  37828

[9] NdsStWf 12 A Neu 13 m 37828 Bl 2 Oberforstmeister Eißfeldt an Landesbischof Johnsen am 18.6.1935. Es bot sich genau der Anblick, den vor gut 100 Jahren der Domkantor Görges in seiner Schrift von 1815 „Der St. Blasiusdom“ festgehalten hat.

[10] Bericht von Eißfeldt undatiert ebd. Bl. 25/26/27

[11] ebd Schreiben von Prof,. Fischer an Eißfeldt am 27.6.1935 Bl 3

[12] ebd Aktennotiz von Eißfeldt vom 2. Juli 1935  Bl. 5

[13] Dazu gehörten außer drei Maurern, Oberbaurat Hartwieg, Prof. Hofmeister von der Landespflege, einem Fachlehrer und zwei Fachschülern, und einem Studenten auch die rechte Hand von Klagges Sturmbannführer Behrens und ein SS Mann. Die Ausstellung der Ausweise wäre Sache der Kirche gewesen. ebd Bl 6

[14]  ebd Vermerk Eißfeldt vom 6. Juli 1935 Bl. 23 und 24

[15] ebd Entwurf eines Briefes von Klagges an Johnsen vom 8. Juli 1935 in ebd. Der Entwurf hat folgenden Wortlaut: „ Ich bestätige die mündliche Besprechung des Herrn Ministerpräsidenten mit Ihnen, derzufolge der Dom mit Rücksicht auf die in Gang befindlichen Bauarbeiten bis auf weiteres kein Gottesdienst stattfinden und der Dom bis auf weiteres nicht zur Besichtigung freigegeben werden soll.“

[16] Über die Motive dieses Besuches gibt es folgende Versionen: E.A. Roloff  folgert u.a. aus der Begleitung von Hanns Kerrl, dem künftigen Minister für die kirchlichen Angelegenheiten, dass Hitler gezielt in Braunschweig den Dom besichtigen wollte. Gunnhild Ruben vermutet private Interessen Hitlers. Er habe eine frühere Urlaubsbekanntschaft, die 1935 in Lehndorf wohnte, auffrischen wollen. Es kann auch sein, dass Hitler, der abends statt zu arbeiten mit seinen Mitarbeitern sich gerne Filme in der Reichskanzlei ansah, am 16. Juli wie manchmal auch an anderen Tagen abends eine Spritztour in die Gegend veranstaltete.

[17] Bild mit Erklärung in Bein Zeitzeugen aus Stein 25 f

[18] BLZ 18.7.1935    

[19] ebd

[20] Es gibt vom Besuch Hitlers im Braunschweiger Dom keine Äußerung aus der Reichkanzlei, keine von der Regionalpresse aufgeschnappte Bemerkung Hitlers. Die Quellenbasis ist erstaunlich gering. Es gab vor allem einen Bericht des Staatsministeriums, den Klagges an die Presse weitergegeben hat und aus dem dann reichlich zitiert wurde.

[21] Dieser Brief ist enthalten in einem ausführlichen Aktenvermerk eines Gespräches von OKR Röpke und Dr. Jürgens im Ministerium für die kirchlichen Angelegenheiten am 17.10.1935 in EZA 1/1829

[22] BTZ 16.10.1935

[23] das Liederblatt in LAW OA Bs Dom 103

[24] handschriftliche Eintragung im Amtskalender von Propst Gremmelt

[25] siehe Aktenvermerk 17.10.1935 Anm. 16

[26] LAW  OA BS Dom  103 Brief Johnsen  an Ministerpräsident Klagges 18.10.1935

[27] Schreiben Johnsens an den Reichskirchenausschuss am 6.11.1935 in EZA 1/1829

[28] in Anlage 1 eines Schreibens von Johnsen an den Reichskirchenausschuss vom 6.11.1935 EZA 1/1829

[29] Schreiben des LKA vom 19.12.1935 an den Reichskirchenausschuss EZA 1/1829

[30] An diesem Vorschlag nahm für den Reichskirchenausschuss OLKR Mahrenholz noch kleine Umstellungen vor, die in diesem Zusammenhang unwichtig sind.

[31] BLZ 14.11.1935;  BNN 14.11.1935;

[32] Aktenvermerk von Klagges vom 16.12.1935 im NdsStWf  Neu 13 m 37828 Bl. 112

[33] ebd

[34] Lammers an Klagges am 22.12.1935 in NdsStaWf 12 A Neu Nr. 37828 Bl. 120. Ein vorläufiger Kostenvoranschlag der Gebrüder Krüger belief sich auf gut 400.000 RM Bl. 120 . Lammers mahnte mehrfach einen endgültigen Kostenvoranschlag an, den Krüger am 25.3. zusandte. (ebd Bl. 167)

[35] Klagges an Lammers am 4.3.1936 in ebd Bl. 149

[36] BV 12.1.1936 S. 9

[37] BNN 6.1.1936

[38] Klagges an das Landeskirchenamt am 29.4.1936 in NdsStWf  12 A Neu  13 m 37828 Bl 204

[39] Die BNN 20./21. Mai 1937 berichtete unter der Überschrift „Was der Hohe Chor unsres Domes zu erzählen weiß“ nichts vom Bauschutt sondern in zwei Fotos von einem geschlossenen „feierlichen“ Raum. Das kann als Hinweis verstanden werden, dass aus der Zweiteilung des Domes ein Dauerzustand werden könnte.

[40] BAA 6. August 1936; zu Schomerus siehe Kap. 10 Anm 31.

[41] Schomerus hatte außerdem „Kaiser und Bürger“ und „Gefährliches Leben“ veröffentlicht. Kuessner Überblick 81 f, 84.

[42] Die Zahlen sind aus dem Kirchenbuch des Domes entnommen.

[43] Klagges an den Domorganisten am 23.6.1936 in ebd Neu 13 Nr. 37828 Bl. 221

[44] Die Programme der Vesper in LAW  LBF 131

[45] Guericke an Johnsen 14.2.1937 „Bisher fast jede Vesper überfüllt.” LAW LBF 131

[46] NdStaWf 12 A Neu 13 Nr. 37828

[47] Die Brüdernkirche WuWzG März 1940 S. 23 „Durch Kirchengesetz ist die Domkirchengemeinde aufgehoben worden. Durch dieses Gesetz fallen wieder alle Straßenzüge an unsere Gemeinde zurück, die  damals von der Brüderngemeinde der Domgemeinde zugeteilt wurden. Wir begrüßen alle Evangelischen der neuen und doch alten Straßenzüge, sehr herzlich in ihrer alten Brüderngemeinde und sprechen den Wunsch aus, dass sich alle in ihrer Brüdernkirche recht heimisch fühlen möchten....“ Ein Ton des Bedauerns ist diesen Zeilen nicht zu entnehmen.

[48] diese Zusammenhänger werden in der jüngsten Abhandlung über den Dom von Tim Lorenzen übersehen

[49]  BLZ 21. 1 1944 „Wir werden weiterleben in ihrem Sinn“

[50] Abbildung in van Dyke/Fuhrmeister 55

[51] ebd S. 57

[52] NdsStWf 12 A Neu 13 37829

[53] ebd S. 58

[54] der folgende Abschnitt ist ausführlicher enthalten in Dietrich Kuessner Ein Domspazierang im Sommer 1942

in Rammler/Strauss, Kirchbau im Nationalsozialismus 102 ff

[55]  BTZ 7.2.1938

[56] Essenwein, Die Wandgemälde im Dom zu Braunschweig, Nürnberg 1881 S. 31

[57] An den Landesausschuss für Denkmalpflege zu Händen Herrn Prof. Herzig

Betr. Gutachten über den kunsthistorischen Wert der Wandmalereien im Mittelschiff des Braunschweiger Domes“ NdsStWf 12 A Neu Fb 13 Nr. 37828 Bl 252

Dürkop zitierte im Folgenden ausführlich eine Beschreibung von Brandes 1863 S. 3

„..auch im Langschiff finden sich, nachdem bei der jüngsten Restauration die alten Kalkschichten weggenommen waren, Figuren an den Pfeilern gemalt. Große Gestalten mit Heiligenschein, die jedoch wieder unter dem erfolgten Anstrich der Kirche verschwunden sind.“

Dürkop zitiert dann die Herzogliche Baudirektion, die am 24.5.1878 an das Herzogliche Konsistorium u.a.  folgendes schrieb:

„Die Reste von Wandmalereien, welche unter der Tünche sich vorgefunden haben, besitzen einen hervorragenden künstlerischen Wert.“ Sie wären durch die Einwirkung der Kalktünche „stark beeinträchtig und nur noch in der Gesamtheit der Bilder zu erkennen.. zum größeren Teil aber sind sie wohl erhalten“ (von Dürkop unterstrichen), „und im Ganzen finden sich Motive in genügender Menge, um fehlende Teile zu ergänzen und die Darstellung in einem fortlaufenden Zusammenhang unter sich wie zu denjenigen des Chores und des Kreuzschiffes zu bringen.“

Nach Dürkop erwiderte das Konsistorium am 8. August 1878 an die Herzogl. Kammerdirektion der Domäne zu Braunschweig: „Die Reste der romanischen Wandmalerei, welche kürzlich im Mittelschiff des Domes wieder aufgedeckt worden sind, beschränken sich auf den unteren Teil der Pfeiler und die Laibungen

der Arkaden zwischen dem Mittelschiff und den Seitenschiffen. „Es ist die Absicht, diese Partien des Bauwerkes und zwar bis zu dem einen bestimmten Abschluss gewährenden Kaffsims des Mittelschiffs in der aus den aufgefundenen Resten wohl erkennbare ursprünglichen reichen Weise wieder herzustellen. Man erhält dann an den Pfeilern einen Zyklus etwa lebensgroßer Figuren, an den Laibungen der Arkaden eine reiche Ornamentik mit Brustbildern in Lünettten und an den Zwickeln zwischen den Arkaden-Chambranen und dem Kaffsims eine Dekoration mit Engelfiguren etc. Oberhalb des Kaffsims sind Spuren romanischer Malerei nirgend vorgefunden und muss daher einer gänzlich neuen Komposition greifen“ (Bl. 253)

Dürkop zitierte auch Essenwein, der am 26..1.1879 an die Herzogl. Baudirektion von einer „bloßen Quadratierung und Teppichmotiven“ geschrieben hatte. Essewein solle „mit sorgfältiger Benutzung der im Schiff aufgedeckten Resten alter Malerei“ die Pfeiler restaurieren.“

Dürkop: „An Hochwänden und Gewölben befinden sich Malereien die der rekonstruierenden Phantasie des Professors Essewein entsprungen sind.“

[58] Die Epitaphien sind gut dokumentiert bei Harmen Thies „Der Dom Heinrichs des Löwen in Braunschweig“ 1994

[59] handgeschriebener Lebenslauf vom 8.7.1952 zur Bewerbung um die Organistenstelle in Witten im Archiv der Ev. Kirchengemeinden Witten und weitere Zeitungsberichte

[60] NdsStWf 12 Neu 18 Nr. 2539. Die Zustimmung Klagges  vom 20.7.1940 und die Schreiben vom 10.1.1941 und 7.5.1941

[61] Besprechung von Heinrich Schmeding BLZ 9.2.1942

[62] Besprechung BLZ am 7.4.1942 von Martin Koegel

[63] Matthias Koegel in der BLZ 20.5.42

[64] Albert Trapp in BTZ 18.6.1942, auch BLZ vom 18.6.1942

[65] BTZ 13.10. 1942

[66] BLZ  13.10.42

[67] BLZ 16.3.1942

[68] BLZ 23.3.1942

[69] Besprechung von Martin Koegel in BLZ 23.3.1942 Aufnahme von Steffens. Aber auch bei der Schulabschlussfeier am nächsten Tag wurde Auler tätig. Der Bericht in der Landeszeitung ist deshalb informativ weil das Foto den Siebenarmigen Leuchter auf dem Hohen Chor zeigt.

 „Unter Orgelmusik betreten 1.398 Jungen und Mädchen den Dom, die Mädchen sitzen rechts, die Jungen links, die Eltern in den Seitenschiffen. Der Domchor singt „Wach auf, das Land steht schon im Glanze“, Schulrat Oppe sprach. Am Schluss das „Weihelied „Heilig Vaterland“ von R.A Schröder. Kreisleiter Beier sprach den Dank an die Eltern aus.  Im Gemeinschaftsgesang bekennt sich die Jugend zu diesem Befehl: „Deutschland, heiliges Wort, du voller Unendlichkeit“. In ehernen Versen tönt es zurück zur jungen Bekennergemeinde: „Seid Träger deutscher Tat!“. Und wie im Widerhall verpflichtet sich der junge Wille: „Wir sind bereit.

[70]  NdsStaWf  12 Neu 18 2540 Schreiben Aulers vom 14.8.1943



Zum Kapitel 18: Die Bindung der Pfarrerschaft an Person und Politik Hitlers




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