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[Kirche von Unten]

Weimar war besser

Vortrag am 23.11.2022 in der Akademie zusammen mit H. U. Ludewig,
der vorher über den allgemeinen historischen Ablauf referierte.


von Dietrich Kuessner

(Download als pdf hier)




Der Dresdner Kirchentag (1919)


Vor diesem düsteren Hintergrund sowie mit diesem beträchtlichen staatlichen Vorschuss trafen sich ca. 320 engagierte evangelische Christen: Synodale, Konsistorialmitglieder, Mitglieder evangelischer Vereine, Theologieprofessoren, ansonsten einberufene Personen in Dresden zu einem Kirchentag im September 1919, um eine künftige Verfassung der evangelischen Kirche zu beraten. Fünf Tage lang wurden Vorträge gehalten, denen lebhafte Aussprachen und Abstimmungen folgten und folgendes Ergebnis hatten: die Landeskirchen bleiben selbständige, selbstverantwortliche Einheiten. Es wird auf keinen Fall eine Reichskirche gegründet. Alle drei Jahre treffen sich zu einem Kirchentag gewählte und berufene Repräsentanten der Landeskirchen. Im Kirchenrat beraten die Kirchenleitenden der Landeskirchen. Von einem 36-köpfigen ständigen Kirchenausschuss werden die Beschlüsse und Empfehlungen organisatorisch erledigt, und er vertritt die ev. Kirche gegenüber dem Staat und nach außen. Gedacht war eine föderale und zentrale Elemente ausbalancierende Gestalt der ev. Kirche. Ihre Struktur glich keiner, vom Gottesgnadentum abgeleiteten Pyramide, sondern einem Rund gleichberechtigter Landeskirchen. Das war bei dem Ungleichgewicht der Landeskirchen keine einfache Aufgabe. Sie versammelte in sich die große Kirche der altpreußischen Union mit 23,6 Millionen Kirchenmitgliedern, gefolgt von den Landeskirchen Sachsen (4,5 M), Hannover (2,5 M), Württemberg (1,67 M), Bayern (1,4 M) und den zahlreichen kleineren Landeskirchen.

Am Ende des richtungsweisenden Dresdner Kirchentages erhoben sich alle Teilnehmer und sangen—„ein feste Burg“? Nein gar nicht, „Nun danket alle Gott?“, den „Choral von Leuthen“, nein gar nicht, sondern: „Herz und Herz vereint zusammen, sucht in Gottes Herzen Ruh“ von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. „Er das Haupt, wir seine Glieder, er das Licht und wir der Schein, er der Meister wir die Brüder, er ist unser, wir sind sein.“

Nach 1919 verfassten auch alle Landeskirchen jeweíls eine auf ihre Lage zugeschnittene Verfassung. Auf einem weiteren Kirchentag, in Stuttgart 1921, wurde dem Verfassungsentwurf einstimmig zugestimmt. Am Himmelfahrtstag 1922 fand die endgültige feierliche Unterzeichnung der Verfassungsurkunde in der Schlosskirche von Wittenberg statt durch die Unterschrift der Vorsitzenden aller 28 Landeskirchen. Zwei festliche Tage mit zahlreichen ausländischen Gästen, mit Umzügen, Bachkantate, Vorträgen dokumentierten, wie ernst es den Gründungvätern mit dieser Bildung eines deutschen ev. Kirchenbundes, der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK) war.

Die evangelische Kirche hatte sich allmählich mit dieser Verfassung zu einem gesellschaftlichen Stabilitätsanker in der Weimarer Republik entwickelt. Einige Landeskirchen vertieften die Verbindungen zum Staat durch Staatskirchenverträge, in denen die Finanzzuwendungen erneut bestätigt und weitere gemeinsame Aufgaben wie das Betreiben von Friedhöfen, Fakultäten u.a. vertraglich festgelegt wurden. Die bayrische Landeskirche unterzeichnete einen Kirchenvertrag schon 1924, die große preußisch unierte Landeskirche 1930, die badische Landeskirche 1932. Auch diese Kirchenverträge waren ein Zeichen, dass die evangelische Kirche sich in den Weimarer Staat eingeordnet hatte.

Die kirchlichen Feiertage blieben alle bestehen. In den Kirchengemeinden sorgten die nach wie vor begehrten Kasualien, (Taufen, Konfirmationen, Trauungen und christliche Bestattungen) für das verbreitete Gefühl, als Kirche gebraucht zu sein und auf dem Wege zu einer Volkskirche zu sein. Nach der Jahrhunderte langen Phase der Staatskirche nun also Volkskirche. Dazu war in Berlin die Zentralstelle für Innere Mission gegründet worden, die sich eine Durchdringung der Bevölkerung mit christlichen Werten und Gedanken zur Aufgabe gemacht hatte und vor allem die Abwehr kirchenfeindlicher Tendenzen von der politischen Linken.



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