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[Kirche von Unten]

Weimar war besser

Vortrag am 23.11.2022 in der Akademie zusammen mit H. U. Ludewig,
der vorher über den allgemeinen historischen Ablauf referierte.


von Dietrich Kuessner

(Download als pdf hier)




Der Kirchentag in Königsberg (1927)


Über die weitere Entwicklung der evangelischen Kirche im Weimarer Staat schrieb der Hamburger Hauptpastor Dr. Schöffel: „Auch die evangelische Kirche ist also – sicher zur Überraschung vieler – eine Macht im öffentlichen Leben geworden... ihr mächtiger Aufschwung geht auf Kräfte zurück, die aus dem Eigenleben der Kirche selbst erwachsen.. Es ist eine mächtige Stärkung des evangelischen Bewusstseins in fast allen Landeskirchen Deutschlands festzustellen.“ (KJ 1927 480). Das ist die Geburtsstunde der Kirchlichen Mitte, die sich auf die stabile Mitgliederzahl, die Kasualien und die ebenfalls stabilen Kirchenfinanzen stützte. Als ein Beispiel greife ich den Königsberger Kirchentag im Jahre 1927 heraus. Er wird zwar viel zitiert, jedoch völlig einseitig.

Den ersten Hauptvortrag hielt der damals junge, – 39-jährige - Erlanger Professor Paul Althaus (1888-1966). Althaus referierte über das Verhältnis der evangelischen Kirche zur völkischen Bewegung. Althaus war kein Radikaler, ein eher abwägender, auf Ausgleich bedachter Charakter. Aber er entdeckte für die Theologie das Volkstum als eine besondere Gabe Gottes, die zwar jedem Volk geschenkt sei, weil Teil einer göttlichen Schöpfungsordnung, aber eben dem deutschen Volk auch und das müsse den deutschen Mitbürgern besonders ans Herz gelegt werden. Das war eine im Rahmen der Weimarer Demokratie noch vertretbare Ansicht. Wer Althaus jedoch von später, aus der Nazizeit heraus interpretierte, der sah schon in seinen Äußerungen beim Königsberger Kirchentag eine gefährliche Öffnung zum Nationalsozialismus. Tatsächlich wurde Althaus auch in den ersten Jahren anfällig für dessen Ideologie.

Den anderen Hauptvortrag hielt der betagte Prof. Wilhelm Kahl (1849-1932). Kahl war Mitglied der verfassungsgebenden Nationalversammlung gewesen und damals noch Reichstagsabgeordneter für die Rechtsliberalen (DVP). Er hatte dreimal promoviert, in Jura, Medizin und Theologie, hatte früh eine Juraprofessur in Erlangen und Bonn inne und war schließlich Rektor der Humboldtuniversität in Berlin gewesen. Es war ein großer Gewinn, dass diese Koryphäe in der evangelischen Kirche mitarbeitete und zwar an leitender Stelle im Kirchenausschuss. Kahl sprach über das Thema „Kirche und Vaterland.“ Eine Wiedergabe des tiefsinnigen Vortrages ist deshalb schwierig, weil unserer Generation seit 1945 Wert und Wirklichkeit von einer Vorstellung wie „Vaterland“ total abhanden gekommen ist. Das Signal „das Vaterland ruft“ setzte zur Zeit von Kahl die gesamte deutsche Bevölkerung in Bewegung, nach 1945 bewegte sich nichts. „Wer hat da gerufen?“ Anders der 77-jährige Prof. Kahl, der Kindheit, Jugend, Studium, Karriere im Kaiserreich erlebt hatte. Nun war er Demokrat geworden und hatte sich gleich bei den Anfängen kritisch mit eingebracht. Er war Vorsitzender der Strafrechtskammer und Sprecher der DVP im Reichstag. Er meldete sich öffentlich zu Wort und hatte sich als Liberaler gegen die damals übliche Zwangssterilisierung behinderter Menschen ausgesprochen. Am Ende seines Königsberger Vortrages plädierte er für eine vorbehaltlose Anerkennung der Weimarer Demokratie und argumentierte vor den zögernden Kirchentagsteilnehmern mit Röm. 13, „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, denn sie ist von Gott.“ Dazu Kahl: „es bleibt nur die Wahl: entweder es gibt keinen Gott, der alles in seiner Hand hat – oder es sind auch Diktatoren und Revolutionen Werke und Zulassungen des allmächtigen Gottes.“

Der Königsberger Kirchentag wandte sich mit einer Kundgebung an die Öffentlichkeit, in der er die Verankerung der evangelischen Kirche in den Weimarer Staat ausdrücklich bekräftigte. „Sie (die Kirche) will, dass jeder nach bestem Wissen und Gewissen dem Staatsganzen dient und für das Wohl der Gesamtheit Opfer bringt. Sie will, dass Jedermann um des Wortes Gottes willen der staatlichen Ordnung untertan ist. Sie will, dass jeder sich seiner Mitverantwortung bewusst ist.“ Die Kundgebung wurde damals in 288 Tageszeitungen erwähnt. Der Professor für Kirchengeschichte Klaus Scholder fasst zusammen: „So begann in den Kirchenleitungen gegen Ende der 20er Jahre im Rückblick auf das erste Jahrzehnt... sich ein unverkennbares Gefühl der Befriedigung zu verbreiten. Man war offensichtlich über den Berg. Die Anzeichen für eine bessere Zukunft mehrten sich“ (S. 44) oder man dürfe sagen, dass sich in den letzten zehn Jahren „eine ungeahnte, solide begründete Festigung des deutschen evangelischen Kirchentums vollzogen“ habe. (ebd)

Ich bleibe also bei meiner Grundthese: die evangelische Kirche war eine feste Stütze der Weimarer Republik und blieb es weiterhin.



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