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[Kirche von Unten]

Weiter so – aber Demokratie

Über die ev. Kirche in der direkten Nachkriegszeit

Vortrag am 23.11.2022 in der Akademie zusammen mit H. U. Ludewig,
der den politisch-gesellschaftlichen Anteil ausgearbeitet hat.


von Dietrich Kuessner

(Download als pdf hier)




5. Martin Niemöller und Eugen Gerstenmaier


Zwei Männer prägten damals u.a. die kirchliche Öffentlichkeit : Martin Niemöller und Eugen Gerstenmaier. Niemöller (1892-1984), Westfale und preußischer Pietist, war Pfarrer der damals finanziell reichsten Gemeinde in Deutschland, in Berlin Dahlem. Er begründete 1933 den Pfarrernotbund, der die Deutschen Christen, die kirchlichen Hilfstruppen Hitlers, radikal und erfolgreich bekämpft hatte. So wurde er zur Zielscheibe Hitlers. Der sorgte dafür, dass Niemöller 1938 wegen Staatsverrat vor das Berliner Sondergericht gestellt wurde. Das Gericht verurteilte ihn zu einer geringen Gefängnisstrafe, die durch die Untersuchungshaft abgegolten war. Niemöller war also frei, wurde jedoch noch vom Gefängnis in das Konzentrationslager Sachsenhausen verbracht, später in das KZ Dachau. Er wurde 1945 von den amerikanischen Truppen befreit. Er galt weithin, vor allem in den USA, als Beispiel eines Widerstandes gegen Hitler. Er war nach 1945 der schärfste Kritiker der von Adenauer betriebenen Westintegration der Westzonen. Die Bundesrepublik sei in Rom gezeugt und in USA geboren, und die Remilitarisierung die Bundeswehr sei die hohe Schule zur Ausbildung von Mördern.

Eine andere zentrale Figur der kirchlichen Nachkriegszeit wurde Eugen Gerstenmeier (1906-1986). Er war mit 30 Jahren Konsistorialrat im Kirchlichen Außenamt gewesen, das sich unter der Leitung des umstrittenen Bischofs Theodor Heckel einen fragwürdigen Namen erworben hatte, weil er den Arierparagrafen in Kirche und Gesellschaft bejahte, und scharf gegen die Bekennenden Kirche Front gemacht hatte. Von dort wurde Gerstenmeier ab 1939 in das Reichsaußenministerium empfohlen, wo er Kontakt mit Widerständlern unterhielt. Am 20. Juli 1944 wurde er im Bendlerblock verhaftet und im Januar 1945 wegen Mitwissenschaft vom Volksgerichtshof zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Im April 1945 wurde Gerstenmeier aus dem Gefängnis Bayreuth von amerikanischen Soldaten befreit. Inzwischen Oberkonsistorialrat nahm er an der chaotischen Kirchenversammlung in Treysa im August 1945 teil, wo Eugen Gestenmeier vom frisch gebildeten vorläufigen Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland mit der Organisation eines zentralen Evangelischen Hilfswerkes in Stuttgart beauftragt wurde. Gerstenmeier entfaltete ein bis in die Kirchengemeinden reichendes Netzwerk, errichtete in allen Landeskirchen Zweigstellen und organisierte die vom Ausland reichlich fließenden Sach- und Geldspenden in erfolgreiche Projekte. Die Zielgruppe waren Pfarrämter, vor allem die Flüchtlinge, die eine Unterkunft erhielten. Die bekanntesten sind das Flüchtlingswerk Espelkamp und die Flüchtlingssiedlung Stukenbrock. Andere Aufgabengebiete des Hilfswerkes waren die Suchstellen für die verstreuten Familien und für die Kriegsgefangenen, insbesondere in der Sowjetunion. Bekannt geworden sind die vom Hilfswerk mit finanzierten sog. Notkirchen von Prof. Bartning, schlichte, mit einheimischem Material errichtete kleine Kirchen in den zerstörten Stadtteilen. In einer dieser Notkirchen habe ich in Hamburg meine erste Predigt gehalten, die Stephanuskirche in Eppendorf.

Gerstenmeier trat 1949 in die CDU ein, kandidierte für den ersten Deutschen Bundestag, wurde gewählt und erhielt den stellvertretenden Vorsitz im einflussreichen Auswärtigen Ausschuss. 1948 gründete er die Zeitung , „Christ und Welt“, ein in evangelischen Pfarrhäusern viel gelesenes Blatt mit einer hohem Auflage von177.000 Exemplaren. Später wurde er Bundestagspräsident. Es war das Blatt des „Weiter so“, denn vorrangig wurde von Geschichten berichtet, in den die handelnden Personen als Opfer geschildert wurden.



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