Kirche von unten:
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Ein kritisches Hitlerbild in der Kirche. Es gab auch andere Stimmen. Im Juni 1936 stieß aus dem Raum der evangelischen Kirche eine ungeschminkte Protestaktion mit einem völlig anderen Hitlerbild bis in die Reichskanzlei vor. Am 4. Juni 1936 wurde eine scharfe, kritische Denkschrift für Hitler an den Leiter der Präsidialkanzlei übergeben. Sie war von den Pfarrern Friedrich Müller, Dahlem und Martin Albertz, Spandau, Hans Böhm, Bernhard Forck und Otto Fricke als den geistlichen Mitgliedern der Vorläufigen Leitung der DEK sowie von den Pfarrern Hans Asmussen, Karl Lücking, Middendorf, Martin Niemöller und Reinhold von Thadden-Trieglaff als dem Rat der DEK unterzeichnet. Alle Unterzeichner gehörten dem linken Flügel der Bekennenden Kirche an, die aus den sog. zerstörten Kirchen stammten, wo eine deutsch-christliche Mehrheit regierte. Sie repräsentierten also einen nur kleinen Teil der gesamten damaligen evangelischen Kirche. Die Bischöfe der großen lutherischen Kirche Meiser, Wurm und Marahrens hatten nicht unterzeichnet. Sie gehörten zu den sog. intakten Landeskirchen. In der Denkschrift wiesen die Verfasser auf die Gefahr der Entchristlichung hin. Wir erleben aber, dass der Kampf gegen die christliche Kirche, wie nie seit 1918 im Deutschen Volke, wirksam und lebendig ist. Hohe Stellen in Staat und Partei griffen den Christenglauben öffentlich an. Sollte das deutsche Volk entchristlicht werde? Die Verfasser kritisierten die verschiedenen Definitionen des Begriffes Positives Christentum aus dem NSDAP Parteiprogramm und die Zerstörung der kirchlichen Ordnung und zählten dazu u.a. die Einsetzung von Staatskommissaren und eine Reihe von Gesetzen auf. Ein weiterer Abschnitt beschäftigte sich mit dem Programm der Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens, die besonders Alfred Rosenberg betrieb, sowie mit der übertriebenen Wertschätzung von Blut, Rasse und Volkstum, die durch die nationalsozialistische Weltanschauung den Rang von Ewigkeitswerten erhielten. Wenn dem Christen im Rahmen der nationalsozialistischen Weltanschauung ein Antisemitismus aufgedrängt wird, der zum Judenhass verpflichtet, so steht für ihn dagegen das Gebot der christlichen Nächstenliebe. Unter 6. beklagten die Verfasser die Bewertung der Stimmzettel bei der letzten Reichstagswahl und Willkür in Rechtsdingen. Die Einrichtung von Konzentrationslagern belaste das evangelische Gewissen aufs härteste. Der letzte 7. Abschnitt enthielt am Ende eine Kritik am Führerkult. In diesem Zusammenhang müssen wir dem Führer und Reichskanzler unsere Sorge kundtun, dass ihm vielfach Verehrung in einer Form dargebracht wird, die allein Gott zukommt. Noch vor wenigen Jahren hat der Führer es selbst missbilligt, dass man sein Bild auf evangelische Altäre stellte. Heute wird immer ungehemmter seine Erkenntnis zur Norm nicht nur der politischen Entscheidungen, sondern auch der Sittlichkeit und des Rechtes in unserem Volke gemacht und er selber mit der religiösen Würde des Volkspriesters, ja des Mittlers zwischen Gott und Volk umkleidet. Dazu folgte ein Goebbelszitat. Dieser letzte Abschnitt beschäftigte sich ausdrücklich mit dem populären übersteigerten Hitlerbild, das besonders von den Deutschen Christen inszeniert wurde und oft Zielscheibe der politischen Karikatur der ausländischen Presse war. Der Inhalt der Denkschrift war ein mutiges und unerschrockenes Meinungsbild, das die Verfasser Hitler entgegenhielten. Sie nahmen den bekannten Wächterdienst der Kirche gegenüber der Obrigkeit in Anspruch. Dabei konfrontierten sie Hitler mit seinen Zusagen vom 23. März 1933 und widersprachen deutlich der Rolle einer christlichen Obrigkeit. Die Denkschrift wurde Hitler in der Hoffnung überreicht, dass er die vorgebrachten Beschwerden zur Kenntnis nehmen und gegebenenfalls hier und da Besserung zusagen würde. Die Verfasser hatten sich für eine Antwort Hitlers eine Frist von 14 Tagen gesetzt. Aber Hitler reagierte nicht. Die Reichskanzlei schickte auch keine Bestätigung für den Erhalt der Denkschrift. Eine Abschrift der Denkschritt gelangte gegen die Absicht der Verfasser an die Presse. Ein deutsches Blatt hätte vermutlich keine Zeile drucken können, aber die ausländische Presse griff die Nachricht begierig auf. Sie erschien erstmals am 16. Juli 1936 in der New York Harald Tribune als Nachricht und am 28. Juli im vollen Wortlaut auf Seite eins. Vorher hatten die Basler Nachrichten am 23. Juli den vollen Wortlaut abgedruckt zusammen mit den zahlreichen Anlagen, die die Verfasser der Denkschrift beigefügt hatten. Die Londoner The Times und Morning Post, die Pariser Le Temps und weitere holländische, schwedische und finnische Zeitungen veröffentlichten Texte aus der Denkschrift. Alle diese Zeitungen waren an jedem größeren Hauptbahnhof im Deutschen Reich zu kaufen, zumal im August 1936 die Olympiade in Berlin stattfand, von der die Auslandspresse ausführlichst berichten wollte. Eigentlich ein unvorhergesehener Glücksfall, denn nun war die Denkschrift international bekannt. Aber die Verfasser reagierten fassungslos, denn nun war eine erhoffte positive Reaktion Hitlers völlig ausgeschlossen. Die Enttäuschung in der Bekennenden Kirche ging so weit, dass sie eine unappetitliche Suche nach der undichten Stelle begann. Es kam daraufhin zu mehreren Verhaftungen. Der verdienstvolle Justitiar der Bekennenden Kirche, Dr. Friedrich Weissler, der als undichte Stelle vermutet wurde, wurde ins KZ Sachsenhausen verschleppt und dort im Februar 1937 zu Tode getrampelt. Eine grausige Bestätigung für den Inhalt der Denkschrift. Da die Reichskanzlei nicht antwortete, planten die Verfasser, an die kirchliche Öffentlichkeit zu gehen und ein Wort an die Gemeinden zur Kanzelabkündigung an einem der nächsten Sonntage vorzubereiten. Der Text der Kanzelabkündigung war vom beurlaubten Generalsuperintendent Otto Dibelius formuliert und enthielt die wesentlichen Beschwerden der Denkschrift. Er entlarvte die Rolle Hitlers als vermeintliche christliche Obrigkeit nunmehr vor den Ohren der Kirchengemeinden. Diese werden aufgemerkt haben, als sie hörten: Wir müssen das Recht haben, dem deutschen Volk den Glauben seiner Väter in aller Öffentlichkeit zu bezeugen. Die fortgesetzte Bespitzelung der kirchlichen Arbeit muss aufhören. Die Verbote kirchlicher Versammlungen in öffentlichen Räumen muss fallen. Die Fesseln, die der kirchlichen Presse und der christlichen Liebestätigkeit angelegt sind, müssen gelöst werden. Es muss vor allem aufhören, dass staatliche Stellen sich unausgesetzt in das innere Leben der Kirche zugunsten derer einmischen, die durch ihr Lehren und Handeln die Zerstörung der evangelischen Kirche bewirken. Es muss aufhören, dass durch Aufmärsche, Festzüge, Kundgebungen und sonstige Veranstaltungen gerade am Sonntagvormittag der Besuch des Gottesdienstes vielen evangelischen Christen unmöglich gemacht wird. Es muss gefordert werden, dass die deutsche Jugend nicht durch politischen und sportlichen Dienst so in Anspruch genommen wird, dass das christliche Familienleben darunter Schaden leidet und für die kirchliche Betreuung kein Raum mehr bleibt. Das war deutlicher und für die zuhörende Gemeinde auch verständlicher als der Text der Denkschrift. Den letzten Abschnitt über die übertriebene Verehrung Hitlers hatte Dibelius allerdings weggelassen. Durch die deutliche Sprache von Dibelius schimmerte auch die Enttäuschung über die im März 1933 noch gehegten Erwartungen an das neue Regime. Die Kanzelabkündigung zeichnete mitten in der Deutschlandbegeisterung anlässlich des Medaillensegens für die deutschen olympischen Mannschaften und der allgemeinen Hitlerbegeisterung sowie der besonderen wegen der zeitweisen Liberalisierung des öffentlichen Lebens für die ausländischen Mannschaften in der Reichshauptstadt und Umgebung ein düsteres Gegenbild vom angeblichen christlichen Deutschland. Der angeblich so weltoffene Nationalsozialismus wurde von der Kanzelabkündigung nach seiner fanatischen, engen, kirchenabweisenden, grausamen Alltagsseite bloßgestellt.
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