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[Kirche von Unten]

Zum Hitlerbild in der Deutschen Evangelischen Kirche

und

Ein Beitrag zur Kirchlichen Mitte

von Dietrich Kuessner

(Download des Buches einschließlich Anmerkungen als pdf hier)




Zwei neue von Hitler entworfene Hitlerbilder:
der Patenonkel, der Kirchenfinanzierer.
Die Parteizentrale in München wurde durch einen Bericht über die Taufe von Edda Göring aufgeschreckt. Hermann Göring hatte viel Parteiprominenz in seinen Privatpalast „Carinhall“ nördlich von Berlin zur Feier der Taufe seiner ersten Tochter Edda am 4. November 1938 eingeladen. Der Kirchenkurs der Münchner Parteizentrale war auf Konflikte mit der evangelischen Kirche ausgerichtet. Die Partei hatte festlich ausgestattete Feiern auf den Rathäusern als braune Alternative zu den kirchlichen Amtshandlungen  angeboten. Dazu passte nicht die Nachricht von einer Taufe im Hause Göring, die vom abgehalfterten Reichsbischof Müller gehalten wurde, den das Ehepaar Göring schon von ihrer kirchlichen Trauung im Berliner Dom kannte. Pate bei der Taufe war der Katholik und Führer Adolf Hitler. Die Presse verbreitete ausführlich Bilder von der Zeremonie, und wie der Patenonkel mit dem Täufling schäkert. Das war Wasser auf die Mühlen der zahllosen registrierten „volkskirchlichen“ evangelischen Christen, die eine aktive Mitarbeit in einer Kirchengemeinde verschmähten, jedoch Kirchensteuer bezahlten und dafür die kirchlichen Dienste zur Ausgestaltung festlicher häuslicher Gelegenheiten benutzten. Was mochte Hitler veranlasst haben, sich als Förderer jener immer noch weit verbreiteten Sitte von Volkskirche abbilden zu lassen? Es passt zu jener anfangs berichteten Kitschgeschichte vom Besuch der Diakonissen auf dem Obersalzberg. Sollte der verheerende Eindruck der nur wenige Tage später reichsweit brennenden. Synagogen verdeckt werden? Einem Patenonkel mochte der leichtgläubige evangelische Kirchenchrist die Rolle eines Brandstifters nicht zuzutrauen. Für aufmerksame Zeitgenossen mochte die Zeremonie wenig Glaubwürdigkeit erzeugen. Hitler aber lag offenbar an diesem volkskirchlichen „frommen“ Hitlerbild.

Hitler bietet in seiner Reichstagsrede am 30.1. 1939 den Kirchen rhetorisch die Trennung von Kirche und seinem Staat an
Von einer ganz anderen Seite zeigte sich Hitler zwei Monate später bei seiner traditionellen Rede vor der Reichstagskulisse anlässlich der Feierlichkeiten zum  Regierungsantritt am 30. Januar. Mit dem 30. Januar begann der alljährliche braune Festtagskalender, gefolgt vom 20. April („Führers Geburtstag“), dem 1. Mai, der Sommersonnenwende, dem Erntedankfest, das Hitler als Staatsfeiertag erst eingeführt hatte, am 9. November die düstere „Gefallenenehrung“ der Toten des gescheiterten Hitlerputsches 1923. Der 30. Januar ragte von diesen Festen als  „Tag der Machtergreifung“ hervor, an dem Hitler regelmäßig in der Krolloper zur politischen Lage vor den Reichstagsabgeordneten sprach. 1939 waren es  884 „Abgeordnete“, und Hitler sprach, vielleicht von seinem Leibarzt mit Drogen munter gemacht, knapp drei Stunden lang. Die Rede ist deshalb bekannt, weil Hitler die Vernichtung „der  jüdischen Rasse“ ankündigte. Ansonsten fehlt, abgesehen von den gründlichen Anmerkungen von Max Domarus, eine Analyse dieser Rede. Sie ist für die Kirchengeschichte wichtig, weil Hitler darin die Trennung von NS-Staat und der Kirche anbietet.

Hitler hatte sich Jahre lang über die anhaltenden abfälligen Reaktionen der ausländischen Presse über die Situation der evangelischen Kirchen in Deutschland geärgert, so z.B. über die Wiedergabe der Denkschrift an Hitler im Sommer 1936 in der ausländischen Presse. Repräsentativ für die evangelische Kirche galt im Ausland vor allem der linke Flügel der Bekennenden Kirche und nicht der vom sog. Kirchenkampf wenig berührte übliche volkskirchliche Alltag mit Gottesdiensten und kirchlichen Amtshandlungen. In seiner Reichstagsrede am 30. Januar beschränkte sich Hitler nicht auf christliche  Floskeln am Ende seiner Rede, sondern widmete sich ausführlich im ersten Teil  dem Verhältnis seines „Dritten Reiches“ zu den auswärtigen Staaten, insbesondere mit den Demokratien, die er scharf von dem Typus autoritärer Staaten abhob. Dabei befasste er sich höhnisch mit der Verweigerung von England und den USA, jüdische Flüchtlinge in unbegrenzter Zahl aufzunehmen. Danach kam Hitler auf die Kirchen zu sprechen und wählte dazu eine pathetische Einleitung: „Zu den Vorwürfen, die in den sogenannten Demokratien gegen Deutschland erhoben werden, gehört auch der, das nationalsozialistische Deutschland sei ein religionsfeindlicher Staat. Ich möchte dazu vor dem ganzen deutschen Volk folgende feierliche Erklärung abgeben: 1. In Deutschland ist niemand wegen seiner religiösen Einstellung bisher verfolgt worden, noch wird deshalb  jemand verfolgt werden, 2. Der nationalsozialistische Staat hat seit dem 30. Januar 1933 an öffentlichen Steuererträgen durch seine Staatsorgane folgende Summen den beiden Kirchen zur Verfügung gestellt: Im Rechnungsjahr 1933: 130 Millionen RM, im Rechnungsjahr 1935: 250 Millionen RM, im Rechnungsjahr 1936: 320 Millionen RM, im  Rechnungsjahr 1937: 400 Millionen RM, im Rechnungsjahr 1938: 500 Millionen RM.“ Es sei eine Unverschämtheit, wenn besonders ausländische Politiker sich unterstehen, von Religionsfeindlichkeit im Dritten Reich zu reden. Wenn die deutschen Kirchen diese Lage für unerträglich hielten, dann sei der nationalsozialistische Staat jederzeit bereit, eine klare Trennung von Kirche und Staat vorzunehmen, wie dies in Frankreich, Amerika und anderen Ländern der Fall sei.

Hitler erweckte trotz einer falschen Aufzählung von Einnahmen durch die staatlich eingezogenen Kirchensteuern den allerdings zutreffenden Eindruck von jährlich steigenden Einnahmen der katholischen und evangelischen Kirchen. Das war die Folge seiner Zusagen als Reichskanzler vom März 1933, wonach die Rechte der Kirchen unangefochten erhalten blieben. Tatsächlich sicherten die in ihrer Höhe staatlich genehmigten und durch die Finanzämter eingezogenen Kirchensteuern die nicht unbeträchtlich hohen Personalkosten in den Kirchen und auch den Unterhalt von Kirchen und Gemeindehäusern. Das konnte gegenüber der ausländischen Presse tatsächlich ein starkes Argument sein.

Wer die Finanzpolitik der Hitlerregierung gegenüber den Kirchen von innen her kannte, der wusste, dass durch die Einrichtung von Finanzabteilungen in einigen Landeskirchen und ihre personelle Besetzung durch Parteileute auf die Finanzlage der Landeskirchen ein starker Druck ausgeübt werden konnte und auch ausgeübt wurde.

Im Rahmen dieser Arbeit genügt die Feststellung, dass sich Hitler vor dem Reichstag als finanzieller Förderer der christlichen Kirchen darstellte und nicht als atheistischer Kirchenfeind.

Hitler beendete auch diese sehr lange Rede mit einer Anrufung Gottes: „Indem wir sie (die Kaiser, Könige und Feldherrn der vergangenen Geschichte DK.) in diesem großen Reich in dankbarer Ehrfurcht umfangen, erschließt sich uns  der herrliche Reichtum deutscher Geschichte. Danken wir Gott, dem Allmächtigen, dass  er unsere Generation und uns gesegnet hat, diese Zeit und diese Stunde zu erleben.“ Das übliche Sieg Heil! überließ Hitler dem Reichstagspräsidenten für dessen Schlussansprache.



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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/Hitlerbild/, Stand: Dezember 2020, dk