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[Kirche von Unten]

Zum Hitlerbild in der Deutschen Evangelischen Kirche

und

Ein Beitrag zur Kirchlichen Mitte

von Dietrich Kuessner

(Download des Buches einschließlich Anmerkungen als pdf hier)




Ein gemeinsames religiöses Verständnis des gescheiterten Attentats vom 20. Juli 1944.
Am 20.  Juli 1944  explodierte in einem Bunker des Führerhauptquartieres bei Rastenburg anlässlich einer  Lagebesprechung eine von Oberst Stauffenberg ganz in der Nähe Hitlers deponierte Bombe, bei der es einen Toten, mehrere Schwer- und Leichtverletzte gegeben hatte. Hitler aber erlitt nur einige Prellungen und Hautabschürfungen und empfing, wie vorgesehen, wenige Stunden später den italienischen Duce, Mussolini. Im Gespräch mit ihm sprach Hitler, er sei auf wunderbare Weise dem Tode entronnen und sei nach seiner Errettung aus der Todesgefahr mehr denn je von seinem politischen Auftrag überzeugt. Der Duce pflichtete bei: „Das war ein Zeichen des Himmels“.. Um Mitternacht sprach Hitler über den Rundfunk zur deutschen Bevölkerung und  dankte in der kurzen Ansprache der Vorsehung und seinem Schöpfer vor allem, dass er seine politische Arbeit fortsetzen könne. Es sei ein  „Fingerzeig der Vorsehung“. Auch in einem Tagesbefehl an das Heer deutete Hitler das Attentat religiös: „Die Vorsehung hat das Verbrechen missglücken lassen.“

Wie schon nach dem gescheiterten Attentat am 8. November 1939 in München breitete sich in allen kirchenpolitischen Gruppen auch im Juli 1944 Entsetzen über das Attentat und Erleichterung über das Misslingen aus.  „Die Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei und der Geistliche Vertrauensrat der Deutschen Evangelischen Kirche haben nach dem Anschlag auf das Leben des Führers in Treuetelegrammen an ihn dem Dank gegen Gott für die gnädige Bewahrung Ausdruck verliehen.  Zugleich wurde dabei von dem Geistlichen Vertrauensrat zur Kenntnis gebracht, dass am Sonntag nach dem Mordanschlag allgemein in den evangelischen Gottesdiensten des Reiches fürbittend des Führers gedacht worden ist.“ „Mit Dank  gegen  Gott für gnädige Errettung grüßt den Führer mit dem Gelöbnis hingebenden Einsatzes und weiterer treuer Fürbitte in diesen entscheidungsvollen Stunden des Krieges. Die Pommersche  Evangelische Kirche gez. D. Wahn“.

„Über die wunderbare Errettung des geliebten Führers  bringt die evangelisch-lutherische Landeskirche Sachsens durch mich  ihre herzliche Freude zum Ausdruck.  In unerschütterlicher Siegeszuversicht. Heil dem Führer! Präsident Klotsche Ehrenzeichenträger.“

Landesbischof Tügel verstand das Misslingen des Attentats als Gebetserhörung. Er schrieb im  59. Kriegsbrief an alle Geistlichen in Hamburg am 31. Juli 1944:  „....So haben wir Christenleute aus allen Gauen des Vaterlandes an diesem 20. Juli mit dem ganzen Volk der Deutschen dem Herrn der Geschichte danken dürfen und dieser Dank wird am darauf folgenden Sonntag durch alle  Gottesdienste im Reich und an den Fronten hindurchgeklungen sein... Die christliche Gemeinde ist dessen gewiss, dass das Gebet für den Führer und das Vaterland, das sie übt und mit Treue durch jede Versammlung hindurchträgt, bis an Gottes Thron, ja  an  Gottes Herz reicht und nicht vergeblich ist...“

„Die evangelische Kirche des Rheinlandes wird durch die wunderbare Errettung unseres Führers ihre stete und treue Fürbitte für den Führer, die Wehrmacht, das Volk und das Reich noch inniger gestalten und in herzlicher Verbundenheit hinter den schwerringenden Fronten draußen und in der Heimat ungebrochen und ungebeugt stehen: Gott der Allmächtige segne unsere gerechte Sache! Evangelisches Konsistorium der Rheinprovinz  Dr. Koch.“

Da das Erscheinen der kirchlichen Gemeindebriefe seit Juni 1941 eingestellt worden war, blieb die evangelische Kirche vor dem Erscheinen weiterer massenhafter Glückwunschäußerungen bewahrt.

Im Kirchlichen Amtsblatt der Hannoverschen Landeskirche veröffentlichten einen Tag nach dem Attentat Landesbischof und Landeskirchenamt ein Gebet, dass folgendermaßen begann: „Heiliger, barmherziger Gott! Von Grund unseres Herzens danken wir Dir,  dass Du unsern Führer bei dem verbrecherischen Anschlag Leben und Gesundheit bewahrt und ihn unserem Volk in einer Stunde höchster Gefahr erhalten hast. In Deine Hände befehlen wir ihn. Nimm ihn in Deinen gnädigen Schutz. Sei und bleibe Du sein starker Helfer und Retter.“ Bischof Marahrens vertiefte öffentlich und dienstlich ein Hitlerbild, das von Gottes gnädigem Schutz umgeben und bewahrt sei. Das ließ wenig Raum für abweichende und zurückhaltendere Hitleranschauungen, die es in der Hannoverschen Pfarrerschaft gewiss auch gab.

Kirchliches Amtsblatt


Als ein Beispiel für eine zurückhaltende Äußerung sei die Notiz aus dem Evangelischen Deutschland vom 30. Juli 1944 genannt. Zwar wurde eingangs von der Empörung  und dem Abscheu des deutschen Volkes gesprochen und fuhr dann folgendermaßen fort: „Aus tiefsten Herzen danken wir dem Allmächtigen für die Errettung des Führers und bitten ihn, er möge ihn weiterhin in seinen Schutz nehmen,-“ Das  klingt ähnlich den oben genannten Ergebenheitstelegrammen, aber diese Notiz wurde auf der  dreispaltigen letzten Seite platziert, und zwar auf einem Drittel der ersten Spalte, umgeben von Nachrichten über Freikirchen, der katholischen Kirche, einer Hundertjahrfeier in Dornfeld in Anwesenheit des Generalsuperintendenten Paul Blau und Nachrichten aus der Diaspora. Wenig patriotisch also.

Das Attentat war unpopulär, auch weil es die jahrelange Verbindung der Kirche mit dem Hitlerregime verletzte. Vielen erschien es als ein Bruch des Hitler gegebenen Eides.

Die Kirchenbehörden klammerten sich an das von ihnen bisher festgehaltene Hitlerbild als einer von Gott gewollten, christlichen Obrigkeit. Die evangelische Kirche erwies sich im Juli 1944 als eine massive Stütze der Hitlergesellschaft und verführte die Kirchengemeinden zu falschem Dank und fataler Fürbitte.

Hitler und ein großer Teil der evangelischen Kirche waren sich darin einig, dass das Attentat auf Hitler im Führerhauptquartier deshalb misslungen war, weil Gott selber mit seiner Hand es verhindert hatte.  

Mein Vater, Theo Kuessner, wetterte am Sonntag nach dem Attentat ganz auf der Linie von Bischof Marahrens von der Kanzel des Mutterhauses Bethanien in Lötzen gegen die Attentäter. Sie hätten den Offizierseid gebrochen und Gottes Hand habe den Führer beschützt. Nach dem Gottesdienst öffnete sich die Tür zur Sakristei und der leitende Verwaltungsmann des Mutterhaus, Dr. Helmut Bruckhaus, meinte, seiner Ansicht nach könnte es auch die Hand des Teufels gewesen sein. Zwei fromme Männer in einer  diakonischen Einrichtung in gegensätzlicher Meinung über das Attentat. Wenige Tage später schrieb der Vater an seine Familienangehörigen u.a.;

„Ebenso werde  ich mit dem  Attentat nicht fertig. Abgesehen davon, daß es nicht nur ein Sprichwort, sondern geschichtliche Wahrheit ist „Untreue schlägt ihren eigenen Herrn“, so ist mir die Dummheit doch unfassbar, daß Männer im Range von Generälen meinen können, mit solch einem Attentat die Regierungsgewalt eines modernen Staates übernehmen zu können. Wie ist es möglich, abgesehen vom moralischen, 1941 Panzerführer zu sein, wie es der Generaloberst Hoepfner doch war, und 1944 einen Putsch zu machen im Stil wie ihn etwa Fritze Großschnauz am Stammtisch im Krähenwinkel sich ausdenken könnte.“

Das Attentat blieb unpopulär, besonders bei den Soldaten an der West- und Ostfront. Noch nach 60 Jahren erklärte mir ein damaliger Frontsoldat: „Man wechselt nicht im Strom die Pferde.“ Das geringe Ansehen der Attentäter blieb bis weit nach 1945 in der deutschen Bevölkerung und auch in der Kirche erhalten.



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