Kirche von unten:
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Die Volkskirche als Kirchenvorbild der Kirchlichen Mitte Die Vorstellung einer Volkskirche entstand nach dem 1. Weltkrieg als Gegenbild zur Staatskirche. Jahrhunderte lang hatte das engen Nebeneinander von Thron und Altar das Bild des Protestantismus geprägt. Die Weimarer Verfassung 1919 erklärte im Artikel 136 Es gibt keine Staatskirche. An ihre Stelle trat der religionsneutrale Staat und die evangelische Volkskirche. Während die Stütze der Staatskirche der Staat war, sollte nun die Stütze der Kirche das Volk sein. Diese Volkskirche wurde von drei Säulen getragen: von der Mitgliederzahl (a), von der allgemeinen Zustimmung zum Angebot der Kirchen von Taufe, Konfirmation, Trauung sowie Begräbnis (b) und von der Kirchensteuer (c). (a) Die stabile Kirchenmitgliedschaft während des Nationalsozialismus. Im Jahre 1939 wurde eine Volkszählung durchgeführt und die Ergebnisse im Statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich 59. Jahrgang 1941/42 auf S. 26 veröffentlicht. Es war auch gefragt worden nach der Angehörigkeit zur evangelischen oder katholischen Kirche und nach der Anzahl von Gottgläubigen. Dieses Konfessionssignal war 1935 eingeführt worden, um die aus der Kirche ausgetretenen Nationalsozialisten zu erfassen. Unter Sonstige konnten sich jene eintragen, die schon früher die Zugehörigkeit zur Kirche gelöst hatten. Das Ergebnis: 48,6 % wurden als Evangelische oder Freikirchen und 45% als römisch-katholische Bewohner erfasst. 93,6 % der deutschen Bevölkerung bekannten sich demnach zu den christlichen Kirchen. Das passt überhaupt nicht zu dem später verbreiteten Bild des kirchenfeindlichen, das Christentum alsbald vernichtenden Nationalsozialismus. Jene 93,6 %, in Zahlen: 83.560 Millionen deutscher Staatsbürger von insgesamt 88.637 Millionen Gesamtbevölkerung wollten im braunen Staat als Christen leben. Das war eine schwere Schlappe für Jene innerhalb der Nazielite, voran Alfred Rosenberg, aber auch für Himmler, Bormann und Streicher, die unentwegt zum Kirchenaustritt getrommelt hatten. Gottgläubige: 3,09 % und Sonstige: 2,64 % waren statistisch gesehen eine Riesenblamage. Die Volkskirche hatte sich im Dritten Reich behauptet. Ein direkter Vergleich mit dem Ergebnis der Volkszählung 1933 ist nicht möglich, denn es war die Bevölkerung großer neuer Gebiete (Saarland, Österreich, Böhmen und Mähren) in die Zählung aufgenommen. Aber auch 1933 waren es weit über 90 % der deutschen Bevölkerung, die sich als evangelisch oder katholisch bezeichneten. Ein Vergleich ist auch für bestimmte Territorien wegen der Gebietsreformen in der Zwischenzeit kaum möglich. Trotzdem seien folgende Ziffern genannt:
Die Ziffern bestätigen jedoch, dass in kirchenpolitisch sehr unterschiedlichen Gebieten und Landeskirchen die Anzahl der Kirchenmitglieder im Wesentlichen stabil geblieben und kein gravierender Einbruch in die volkskirchliche Struktur der Landeskirchen erfolgt ist. Die Statistik machte keine Angaben zur Gruppenbildung, was der Kirchlichen Mitte entgegenkam. Eine weitergehemde gründliche Analyse der Volkszählung fehlt in den gängigen kirchengeschichtlichen Darstellungen. ( b ) Die Kasualstatistik im Dritten Reich Die folgenden Tabellen beschreiben die traditionellen kirchlichen Handlungen (Taufen, Trauungen, Bestattungen) in 15 Landeskirchen, wie sie in einer Volkskirche üblich sind. Die Taufe ist ein Jahrhunderte altes Angebot der Kirche, das von der weit überwiegenden Anzahl der Bevölkerung in Stadt und Land angenommen und gewünscht wird. Diese Tradition setzte sich in nationalsozialistischer Zeit fort. Dabei ist allerdings zu beachten, dass eine deutsch-christliche Taufe in Thüringen erheblich anders gestaltet wurde als in lutherisch Württemberg oder Bayern. Es gibt in einigen Landeskirchen ab 1938 eine Veränderung. Die Taufzahl bezogen auf Geburtenzahl sinkt unter die 8o % Marke. und zwar im Rheinland (77,6%),in Braunschweig (74,5 %) und Hamburg (79,5%). Trotzdem lässt sich nicht von einem Verfall der volkskirchlichen Sitte sprechen.
Die Sitte der kirchlichen Trauung dagegen hat in nationalsozialistischer Zeit erheblich nachgelassen. Es hatte noch 1933/34 von der Partei geförderte Massentrauungen, vor allem in Berlin gegeben. Die hohen Prozentzahlen des Jahres 1935, die alle jene Zahl des Jahres 1930 weit übertreffen, sind ein Ausläufer der hohen Kircheneintrittswelle der Jahre 1933/34. Ab 1935 war von der Regierung eine rituelle Alternative zur kirchlichen Trauung eingerichtet worden. Die ansonsten nüchterne standesamtliche Eheschließung wurde festlich eingerahmt, der Raum des Standesamtes im Rathaus mit Fahnen, Blumen und Führerbüste festlich hergerichtet. Parteimitglieder bildeten am Ausgang Spalier. Volkstümlich hieß diese standesamtliche Zeremonie Eheschließung unter der Fahne. Wem es vor allem auf einen festlichen Rahmen bei seiner Heirat ankam, konnte nunmehr auf die kirchlichen Trauung verzichten, die sich als ein Bekenntnis der Eheleute zu einer Ehe unter dem Wort Gottes verstand. Kriegsbedingt gingen die Trauzahlen während der Kriegsjahre zurück.
Eine kirchliche Bestattung hingegen wurde in der Regel gewünscht und nicht freien Rednern überlassen. Es wurden in 12 der untersuchten 15 Landekirchen weit über 90 % der Verstorbenen kirchlich bestattet. Eine Ausnahme bilden im Jahr 1938 Berlin (72,5 %9), Braunschweig (83.7%) und Lübeck (87,7 %). In der Braunschweiger und Berliner Landeskirche gab es schon zur Weimarer Zeit eine beträchtliche Freidenker-tradition, die eine Bestattung mit einem Redner anbot. Es gab aber in der ns. Zeit auch die Bitte von Hinterbliebenen nach einer kirchlichen Bestattung von verstorbenen Angehörigen, die nicht in der Kirche waren.
Die nach 1945 viel zitierte Kirchenfeindlichkeit des Nationalsozialismus ist bei den traditionellen kirchlichen Handlungen nicht erkennbar. Die Kasualien blieben ein Kennzeichen der Volkskirche, eine unübersehbare Stütze der kirchlichen Mitte. (c) Die Landeskirchensteuer Die Kirche finanzierte sich in der nationalsozialistischen Zeit wie eh und je sich aus den Spenden und Kollekten beim Gottesdienstbesuch ihrer Mitglieder, aus den Erträgen von kirchlichen Besitzungen und Ländereien sowie aus der Kirchensteuer. Den größten Anteil erbrachte die Landeskirchensteuer, die durch die Finanzämter eingezogen und den Landeskirchenämtern abgeliefert wurde. Hitler hatte 1933 versprochen, dass seine Regierung die kirchlichen Rechte nicht antasten werde, also auch an der bisherigen Finanzstruktur nichts ändern würde. Daran hatte sich die Regierung Hitler gehalten, obwohl in Parteikreisen das Einzugsverfahren umstritten war. Die Entwicklung der Kirchensteuer war seit 1934 für die katholische und evangelische Kirche sehr günstig. Sie stieg von 159 Millionen RM (1934) auf 197 Millionen RM (1935), auf 257 Millionen RM (1937) auf 316 Millionen RM (1938). Der Anteil der evangelischen Kirche lag jeweils etwas höher als der Anteil der katholischen Kirche.
Aus der Sicht einer kleinen Landeskirche stellte sich die Entwicklung der Kirchensteuer folgendermaßen dar.
Die Steigerung wäre sehr viel deutlicher ausgefallen, wenn nicht der Prozentsatz der genehmigten Kirchensteuer von 8 % (1935) auf 6 % (1936) herabgesetzt worden wäre.
Es kann angenommen werden, dass die Steigerung der Kirchensteuer in anderen Landeskirchen ebenfalls beträchtlich war. |
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