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[Kirche von Unten]

Zum Hitlerbild in der Deutschen Evangelischen Kirche

und

Ein Beitrag zur Kirchlichen Mitte

von Dietrich Kuessner

(Download des Buches einschließlich Anmerkungen als pdf hier)




Die biblische Stütze der kirchlichen Mitte: die Auslegung des Römerbriefes Kapitel 13.
Die eiserne Klammer, die alle kirchlichen Gruppen und auch die kirchliche Mitte in einem unerschütterlichen Treueverhältnis zur Person und Politik Hitlers bis 1945 und sogar darüber hinaus umschloss, war die irrige Auslegung der Bibelstelle Römerbrief Kapitel 13,1-5. Dort heißt es in der Übersetzung von Martin Luther: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott geordnet. Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Ordnung." Diesen Text hatte der Apostel Paulus im Hinblick auf die kleine christliche Gemeinde in Rom geschrieben, die spätere lutherische Kirche jedoch machte daraus ein grundsätzliches Lehrstück über das Verhältnis zum Staat.  Dagegen ist festzuhalten:  „Die Problematik der politischen Gewalt rückt überhaupt nicht ins Blickfeld“.“

Die deutsche evangelische Kirche missbrauchte diesen Text, um den erwünschten, autoritären Hitlerstaat anerkennen zu können. Es war also nicht nur ein vulgäres Missverständnis, sondern ein opportunistisches. Und zwar von allen kirchenpolitischen Gruppen. Es gab ihm durch die Auslegung, jeder Staat sei eine Ordnung Gottes, eine religiöse Begründung und ein dauerhaftes Fundament. Sie begründete damit eine innere Nähe zum autoritären Staat und machte sich grundsätzlich widerstandsunfähig.

Als jedoch Bischof Otto Dibelius in den 50ger Jahren vor der Frage stand, ob die Regierung der DDR auch als eine von Gott verordnete Obrigkeit zu verstehen sei, verfasste er eine gemeindenahe, gründliche exegetische Analyse dieser Bibelstelle. Er stellte fest, dass Röm. 13,1-5 aus anderen Texten der Philosophie der Stoa stamme, der sich gar nicht spezifisch an die Christen in Rom richte, sondern an „Jedermann“ („jedermann sei untertan“..usw) . Er sei in diese  Briefstelle hineingepresst und habe den mit Kap. 12 beginnenden Textzusammenhang zerstört. Er sei isoliert nicht nur innerhalb der weiteren Paulustexte, sondern überhaupt im apostolischen Schrifttum.  „Man sollte offen zugeben, dass Rom 13,1-7 überhaupt nichts spezifisch Christliches enthält, sondern dass die christlichen und theologischen Gedanken sämtlich von außen her eingetragen, aber nicht aus dem Text gewonnen werden.“

Außerdem sollten in der  lutherischen Übersetzung die Wörter „Obrigkeit“ und „untertan“ neu bedacht werden. In keinem Fall seien sie auf den totalitären Staat von heute anzuwenden. Dibelius schlussfolgerte: Einem totalitären Staat sei ein Christ keinen Gehorsam schuldig. Das löste seit Ende der 50er Jahre einen Sturm der Entrüstung aus. Sollte, was im Hitlerstaat selbstverständlich galt,  in der  DDR nicht mehr  gelten?



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